Wann darf das Finanzamt (FA) eine
Berichtigung eines Steuerbescheides wegen offenbarer Unrichtigkeit bei Erlass
des Steuerbescheides ( § 129 AO) vornehmen ? Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte
einen Fall zu entscheiden, bei dem der
Steuerpflichtige (Kläger) nach eingehenden rechtlichen Überlegungen der
steuerlichen Behandlung sogenannter Stillhaltegeschäfte (die zum Zeitpunkt der
Erklärung strittig waren) diesen den privaten Veräußerungsgeschäften
unterworfen und gelangte so zu einer Berücksichtigung unter Kennziffer 116 der „Anlage
SO“. Nachdem sich der Kläger zu
Nachfragen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen erklärte berücksichtigte das
Finanzamt die Angaben wie vom Kläger deklariert. Hätte der Kläger die
Eintragung der Stillhaltegeschäfte im
Feld Leistungen vorgenommen, wären die Verlustvorträge, die er verrechnet hat,
nicht verrechnet worden.
Im Anschluss an eine Außenprüfung
erließ das FA einen nach § 129 AO geänderten Bescheid, in dem die
Verlustvorträge nicht mehr berücksichtigt worden. Dagegen wandte sich der
Kläger. Sein Einspruch wurde vom FA ebenso zurückgewiesen wie seine Klage zum
Finanzgericht. Auf die Revision zum BFH erfolgte eine Aufhebung des
finanzgerichtlichen Urteils und des Bescheides bezüglich der streitigen
Position und Stattgabe der Klage.
Der BFH wies darauf hin, dass
offenbare Unrichtigkeiten bei mechanischen versehen Eingabe- oder
Übertragungsfehler sind. Unrichtige Tatsachenwürdigungen oder unrichtige
Tatsachenwürdigungen schließen aber, so der BFH, eine offenbare Unrichtigkeit
nach § 129 AO aus. Allerdings sei § 129 AO jenseits seines Wortlauts auch anwendbar,
wenn das FA offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene
übernimmt; offenbar sind diese, wenn sie sich aus der Steuererklärung selbst,
deren Anlagen oder in den Akten befindlichen Unterlagen des Veranlagungsjahres
ergeben.
Dies gilt allerdings nach der
Entscheidung des BFH dann nicht, wenn es sich nicht um ein Versehen des
Steuerpflichtigen handelt, es sei denn, ein solches Versehen würde vom FA als
eigenes in den Steuerverwaltungsakt übernommen.
Ein Versehen des
Steuerpflichtigen lag nicht vor, da der Zuordnung und Berechnung umfangreiche
rechtliche Erwägungen zugrunde lagen. Auch dem FA sei kein Versehen
unterlaufen, indem es die Angaben übernahm. Dem Prüfvermerk der
Sachbearbeiterin des FA war zu entnehmen, dass diese die Verrechnung erkannte,
die der Kläger in einer Anlage zur Einkommensteuererklärung dargelegt hatte.
Damit sei nicht auszuschließen, dass die Sachbearbeiterin einen sachverhalts- oder
rechtsfolgenbezogenen Denkfehler unterlegen war. Von daher schied eine
Berichtigung nach § 129 AO aus.
BFH, Urteil vom 16.09.2015 – IX R 37/14 -