Samstag, 9. September 2023

Durchsetzung der für Veräußerung von Wohnungseigentum erforderlichen Verwalterzustimmung

Die Teilungserklärung (vom 26.02.1985) sah vor, dass die Veräußerung von Wohnungseigentum der Zustimmung des Verwalters bedürfe. Die Klägerin, die ihr Wohnungs- bzw. Teileigentum mit Vertrag vom 29.10.2020 veräußerte, ersuchte die Beklagte Verwalterin um Zustimmung, die diese verweigerte. Das Amtsgericht wies die in 2021 eingegangene Klage ab; die Berufung der Klägerin wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Das Landgericht begründete sein Urteil damit, dass die Beklagte nicht passiv legitimiert sei. Die vom Landgericht zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Die Beurteilung des Rechtsfalls orientiere sich an der seit dem 01.12.2020 geltenden Fassung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG). Dem würde nicht entgegenstehen, dass der Kaufvertrag vor Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes geschlossen worden sei. Der BGH wies darauf hin, dass mangels entsprechender Übergangsvorschriften grundsätzlich das neue Recht ab dem 01.12.2020 auch auf Altfälle anwendbar sei (zur Ausnahme in Form der gerichtlichen Ersetzung der fehlenden Übergangsvorschrift vgl. aber auch BGH, Urteil vom 07.05.2021 - V ZR 299/19 -).

§ 12 WEG sehe vor, dass als Inhalt des Sondereigentums vereinbart werden könne, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung der Zustimmung anderer Wohnungseigentümer oder eines Dritten bedürfe (Wortlaut unverändert seit 1951). Vorliegend sei in der Teilungserklärung ein Zustimmungserfordernis des Verwalters der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) bestimmt worden. Daraus folge aber nicht, dass dieser der richtige Beklagte sei. Mit dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes zum 01.12.2020 sei eine Klage auf Zustimmung zwingend gegen die GdWE zu richten, unabhängig davon, dass der zustimmungsbedürfte Kaufvertrag vor dem 01.12.2020 geschlossen worden sei. Die zum bisherigen Recht ergangene Rechtsprechung sei nicht mehr anwendbar. Würde in den (auch älteren) Teilungserklärungen ein Zustimmungserfordernis durch den Verwalter benannt, sei dieser nur (noch) als Organ der GdWE angesprochen, dem kein eigenes Zustimmungsrecht (auch nicht als Treuhänder) zustünde. Dies sei allerdings in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

Der Wortlaut von $ 12 Abs. 1 WEG nennt die GdWE nicht (ausdrücklich) als Zustimmungsberechtigte. Durch die Regelung zu „Dritten“ sei dies aber auch nicht ausgeschlossen. Entscheidend für die Passivlegitimation der GdWE (also deren Rechtsstellung in einem entsprechenden Prozess als Beklagte) spreche die Neuregelung zu den Aufgaben und Befugnissen des Verwalters und das Verhältnis des Verwalters zur GdWE, wonach die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nunmehr im Außen- und Innenverhältnis ausschließlich der GdWE obliege (§ 18 Abs. 1 WEG). Diese erfülle ihre Aufgaben durch ihre Organe und der Verwalter sei das interne Organ, der die Entscheidungen der GdWE umsetze und dabei vom Verwaltungsbeirat unterstützt würde (BGH, Urteil vom 16.12.2022- V ZR 263/21; BT-Drucks. 19/18791 S. 58). Dies gelte auch dann, wenn nach dem Wortlaut einer Vorschrift ein konkretes Organ benannt würde, da damit nur das für die Erfüllung dieser Aufgabe zuständige Organ bestimmt würde (vgl. auch § 24 WEG zur Pflicht der Einberufung von Versammlungen). Es handele sich hier um einen Paradigmenwechsel durch den Gesetzgeber, der nicht ohne Auswirkung auf die Auslegung von Teilungserklärungen bleiben könne. Die Teilungserklärung (mit der in der Regel in ihr enthaltenen Gemeinschaftsordnung) sei Bestandteil der Grundbuchbucheintragung. Maßgeblich sei der Wortlaut und Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergebe, da sie auch die Sonderrechtsnachfolger von Wohnungseigentümern binde. Daher sei der Verwalter nicht als beliebiger Dritter iSv. § 12 Abs. 1 WEF, sondern als Organ der GdWE zu verstehen, dessen Organstellung sich aus dem Gesetz ergebe (vgl. § 24 Abs. 1 WEG).  Daraus ergebe sich, dass sich der Zustimmungsanspruch gegen die GdWE richte und die Zustimmungserklärung durch den Verwalter abzugeben sei, da die GdWE selbst nicht handlungsfähig sei.

Selbst wenn die Teilungserklärung ausnahmsweise dem Verwalter die Erteilung der Zustimmung eindeutig als eigenes und nur von ihm wahrnehmbares Recht zuweisen sollte, würde dies die Zuständigkeit der GdWE nicht berühren. Eine entsprechende Regelung könnte nur die Annahme rechtfertigen, dass die Wohnungseigentümer die Entscheidung über die Zustimmung zur Veräußerung nach an sich ziehen und selbst treffen könnten, wodurch aber der Verwalter nicht außenstehender Dritter würde, sondern im Interesse der übrigen Wohnungseigentümer tätig (BGH, Urteil vom 18.10.2019 - V ZR 188/18 -)und damit - nach neuen Recht - als Organ tätig.

Auch wenn, wie hier, die Teilungserklärung aus der Zeit vor dem 01.12.2020 stamme, seien diese Grundsätze anwendbar. Bei der Auslegung einer Teilungserklärung käme es nur auf eine objektive Sicht, nicht auf subjektive Vorstellungen an, weshalb sich der Inhalt der Teilungserklärung im Laufe der Zeit ändern könne, wenn in der Teilungserklärung verwandte Begriffe einen Bedeutungswechsel erfahren. In diesem Sinne sei eine ergänzende Auslegung der Teilungserklärung möglich, in denen eine Lücke durch eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse entstünde. Dies sei der Fall, wenn die Teilungserklärung zu einer Zeit errichtet wurde, in der der Verwalter bei der Erteilung der Zustimmungserklärung als Treuhänder der Wohnungseigentümer handelte, demgegenüber er jetzt als Organ der GdWE handele. Dies würde auch durch § 47 WEG bestätigt, der einen Anwendungsfall ergänzender Vertragsauslegung von Vereinbarung darstelle, so dass die allgemeinen Grundsätze der Auslegung von Grundbucherklärungen gelten würden. In der Regel sei nicht anzunehmen, dass Vereinbarungen von vor dem 01.12.2020, die von den Regelungen nach dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz abweichen würden, den Regelungen nach dem seit dem 01.12.2020 geltenden Regelungen gemäß dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz entgegen stehen würden (§ 47 S. 2 WEG). Die „Altvereinbarung“ müsse mithin im Sinne der durch die neue Gesetzesfassung geschaffenen Systematik verstanden werden und dem würde widersprechen, wenn der Verwalter trotz seiner („bloßen“) Organstellung selbst zustimmungsberechtigt wäre.

BGH, Urteil vom 21.07.2023 - V ZR 90/22 -

Dienstag, 5. September 2023

Fortbildungskosten und Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers

Gegenstand des Verfahrens vor dem BAG war eine Klausel in  einem Fortbildungsvertrag zwischen der Klägerin als Arbeitgeberin und der Beklagten als Arbeitnehmerin. Diese lautete:

„§ 5 Das in Anspruch genommene Förderungsbudget ist zurückzuzahlen, wenn

1. die Angestellte innerhalb von 24 Monaten nach bestandenen Berufsexamen das Unternehmen verlässt,

2. die Angestellte innerhalb von 24 Monaten nach nicht bestandenen Examen das Unternehmen verlässt,

3. die Angestellte das Examen wiederholt nicht ablegt.“

U.a. zu 3. erfolgte eine Erläuterung und „Klarstellung zum Fortbildungsvertrag“.

Die Beklagte trat die Prüfungen in 2018, 2019 und 2020 nicht an. Mit Schreiben vom 30.06.2020 kündigte sie das Arbeitsverhältnis, woraufhin die Klägerin Rückzahlung des an sie geleisteten Betrages nebst Zinsen begehrte. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt; die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung wurde vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Auf die Revision wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Klage ab.

Grundlage der Entscheidung war, dass es sich bei dem verwandten Fortbildungsvertrag um vorformulierte Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen handelte, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB (anders als Individualvereinbarungen) der Inhaltskontrolle unterfallen und hier § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrages nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sei. Die Wirksamkeit der Abreden in dem vertrag sei anhand von § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu beurteilen. § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrages führe zu einer entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.

Unangemessenheit läge bei jeder Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers vor, die nicht durch billigenswerte Interessen des Arbeitsgebers gerechtfertigt sei oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen würde. Zur Feststellung bedürfe es einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen und es sei ein generellere, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen.

Eine Vereinbarung, nach der sich der Arbeitnehmer an den vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildungskosten bei fehlender Beendigung zu beteiligen habe, sei grundsätzlich zulässig. Werde die Rückzahlungsverpflichtung an ein wiederholtes Nichtablegen der Prüfung gekoppelt, könne dies den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Sie sei geeignet, auf den Arbeitnehmer einen Bleibedruck im bestehenden Arbeitsverhältnis auszuüben und damit die freie Arbeitsplatzwahl nach dem in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG benannten Grundrecht einschränken, weshalb die Rückzahlungspflicht einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen müsse, dem den Nachteilen des Arbeitnehmers ein angemessener Ausgleich entgegenstehen müsse und insgesamt die Erstattungspflicht dem Arbeitnehmer zumutbar sein.

Unzulässig sei es, den Rückzahlungsanspruch schlechthin an das wiederholte Nichtablegen der Prüfung zu knüpfen. Ausgenommen werden müssten Gründe, bei denen das Nichtablegen der Prüfung nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers lägen. Dem Erfordernis entspräche § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrages nicht. Zwar sei eine Härtefallregelung vorgesehen, der zufolge einige Fallkonstellationen der fehlenden Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers benannt seien. Sie erfasse aber nur einige relevante Fälle und lasse insbesondere eine durch ein Fehlverhalten des Arbeitgebers (mit) veranlasste Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer unberücksichtigt, worin eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB läge. Hier sei die Rückzahlungspflicht unabhängig von den Gründen, aus denen der Arbeitnehmer die Eigenkündigung ausspreche, statuiert, weshalb er auch dann zur Rückzahlung verpflichtet sei, auch wenn es aufgrund eines arbeitgeberseitigen Fehlverhaltens für ihn nicht mehr zumutbar sei, an dem Arbeitsverhältnis festzuhalten.

Die Härtefallregelung in § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrages führe nicht zu Angemessenheit. Sie suspendiere lediglich die Pflicht zur Ablegung der Prüfung, hebe aber die Pflicht zur Rückzahlung nicht auf, wenn der Arbeitnehmer aus von ihm nicht zu vertretenen Gründen (z.B. dauerhafte Erkrankung) die Prüfung nicht ablege. Die Voraussetzung, wonach auch die Rückzahlungspflicht für bis dahin geleistete Förderungen verlange, dass aufgrund eines zu großen Zeitablaufs oder aufgrund Bestimmungen der entsprechenden Institutionen eine Wiederaufnahme und Beendigung des Examens nicht möglich sein sollte. Nicht ersichtlich sei, dass die Härtefallregelung eine durch Arbeitgeberverhalten veranlasste Eigenkündigung erfassen sollte, zumal die arbeitgeberseitige (mit) zu verantwortende Kündigung im Arbeitsleben keinen seltenen oder fernliegenden Tatbestand darstelle, dass sie nicht gesondert erwähnt werden müsse.  

Welche Gründe vorliegend die Beklagte veranlasst hätten, das Examen nicht abzulegen, sei für die Entscheidung zur Wirksamkeit der Klausel nicht erheblich. Missbilligt würde nach §§ 305 ff BGB bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Formularklauseln (§ 305 Abs. 1 S. 1, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), nicht erst deren unangemessener Gebrauch. Der Rechtsfolge der Unwirksamkeit seien auch Klauseln unterworfen, die in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, welches sich im Entscheidungsfall nicht realisierte (BAG, Urteil vom 01.03.2022 - 9 AZR 260/21 -).

BAG, Urteil vom 25.04.2023 - 9 AZR 187/22 -

Sonntag, 3. September 2023

Beschwerderecht des Gesellschafters wegen Nichtlöschung eines Geschäftsführers im Handelsregister

Das Amtsgericht (Handelsregister) trug die Beteiligte zu 2. Am 15.09.2021 als neue Geschäftsführerin ein. Der Beteiligte zu 1. beantragte mit der Begründung ihre Löschung als neue Geschäftsführerin im Handelsregister, er habe an deren Bestellung nicht mitgewirkt. Dieser Antrag wurde vom Handelsregister zurückgewiesen. Dagegen wandte sich der Beteiligte zu 1. mit seiner Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abhalf. Das Oberlandesgericht (OLG) wies die Beschwerde als unzulässig zurück.

Gemäß § 395 Abs. 1 S. 1 FamFG erfolge die Löschung einer unzulässigen Eintragung von Amts wegen oder auf Antrag der berufsständigen Organe. Gleiches gelte für die Löschung nichtiger Gesellschafterbeschlüsse, § 398 FamFG. Allerdings habe der einzelne Gesellschafter einer GmbH (hier der Beteiligte zu 1.) in keinen der benannten Fälle ein eigens Antragsrecht, weshalb ihm auch kein Beschwerderecht nach §§ 58, 59 Abs. 2 FamFG zustünde (BGH, Beschluss vom 15.07.2014 - II ZB 18/13 -). Auch nach § 59 Abs. 1 FamFG ergäbe sich für den Beteiligten zu 1. keine Beschwerdebefugnis.

§ 59 Abs. 1 FamFG verlange eine Beeinträchtigung des Beschwerdeführers in seinen Rechten, was einen unmittelbaren nachteiligen Eingriff in ein diesem zustehendes subjektives Recht erfordere. Die angefochtene Entscheidung müsse also ein bestehendes Recht des Beschwerdeführers aufheben, beschränken, mindern, ungünstig beeinflussen oder gefährden, die Ausübung dieses Rechts stören oder dem Beschwerdeführer die mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthalten oder erschweren; ein bloß rechtliches oder wirtschaftliches Interesse sei nicht ausreichend (BGH aaO.).   

Eine rechtliche Betroffenheit des Beteiligten zu 1. Im vorgenannten Sinne bestünde nicht. Die Eintragung des Geschäftsführers erfolge gem. § 39 Abs. 1 GmbHG und stelle sich als bloße deklaratorische Eintragung dar; sie diene der Bekanntgabe von Tatsachen oder Rechtsverhältnissen, die unabhängig von der Eintragung bestünden und habe keine konstitutive Wirkung. Schon von daher könnten subjektive Rechte des Beteiligten zu 1. nicht beeinträchtigt sein. Ob die Bestellung des Geschäftsführers (oder seien Abberufung) beinhaltender Gesellschafterbeschluss ordnungsgemäß zustande gekommen sei, sei vom Registergericht anhand der eingereichten Urkunde zu prüfen; ob eine darüberhinausgehende Prüfung der Wirksamkeit des Organbeschlusses geprüft werden dürfe, sei umstritten. Trotz der Prüfungskompetenz käme der Handelsregistereintragung keine rechtsschaffende Wirkung zu, weshalb sie im Umkehrschluss auch nicht geeignet sein könne, bestehende Gesellschafterrechte zu beeinträchtigen (OLG Hamburg, Beschluss vom 12.04.2011 - 11 W 25/11 -).

Zudem erhalte der Geschäftsführer eine GmbH seine gesellschaftsrechtliche Vertretungsbefugnis dicht durch die Eintragung im Handelsregister, sondern durch den dieser zugrunde liegenden Gesellschafterbeschluss. Beseitigt würde diese Bindung durch einen nach $$ 47 ff GmbHG gefassten Aufhebungsbeschluss; die Löschung vollziehe sich dann durch die dadurch geschaffene materiell-rechtliche Lage nur deklaratorisch. Prozessual sei die Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses durch Feststellungsklage (§ 256 ZPO) gegenüber der Gesellschaft geltend zu machen und könnten rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse im Wege der Anfechtungsklage zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden. Die Eintragung im Handelsregister beschränke diese Rechte nicht.

Zwar könnte infolge einer fehlerhaft eingetragenen Geschäftsführerposition die Gesellschaft im Außenverhältnis wirksam verpflichtet werden. Alleine deshalb greife aber § 59 Abs. 1 FamFG nicht, da dies nur den Rechtskreis der Gesellschaft betreffe und der Beteiligte zu 1. als Gesellschafter nur mittelbar in seinen Rechten betroffen sein könnte, was nicht ausreichend sei. Es würde sich nur um ein wirtschaftliches Interesse handeln.  

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.03.2023 - 3 Wx 55/22 -

Mittwoch, 30. August 2023

Rückzahlung nicht verdienter Vorschüsse auf Verwaltervergütung durch (entlassenen) Insolvenzverwalter

Der Kläger, der aktuelle Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Schuldnerin, klagte die Rückzahlung eines von dem vormaligen Insolvenzverwalters (Beklagter) aus der Masse entnommenen Vergütungsvorschusses ein. Dem Vorschuss lag ein Beschluss des Insolvenzgerichts zugrunde, demzufolge dieses für die Tätigkeit des Beklagten einen Vorschuss auf dessen Vergütung von € 60.977,81 festsetzte und dessen Entnahme aus der Insolvenzmasse gestattete. Der Beklagte entnahm den Betrag in 2009. In 2010 entließ des Insolvenzgericht den Beklagten als Insolvenzverwalter. Dieser stellte in 2013 einen Antrag auf Festsetzung seiner endgültigen Vergütung im Insolvenzverfahren. Der Antrag wurde 2017 zurückgewiesen, da der Beklagte seinen Vergütungsanspruch (wegen auch zum Nachteil der verwalteten Vermögensmasse begangener Straftaten) verwirkt habe.

Das Landgericht wies die Rückzahlungsklage auf Grund der vom Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das Oberlandesgericht das Urteil ab und gab der Klage statt. Die (zugelassene) Revision des Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil bleib ohne Erfolg.

Der Rückforderungsanspruch richte sich, so der BGH, nicht nach der bereicherungsrechtlichen Norm des § 812 BGB. Die Anspruchsgrund für die Rückforderung ergäbe sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 667  BGB (BGH, Urteil vom 07.03.2019 - IX ZR 143/18 - zur Rückgewähr von nicht verbrauchten Vorschüssen auf die Rechtsanwaltsvergütung). Mit der Bestellung des Insolvenzverwalters würde hinsichtlich des Vergütungsanspruchs ein Schuldverhältnis zwischen dem Insolvenzverwalter und der Insolvenzmasse begründet und der neue Insolvenzverwalter sei berechtigt eine Überzahlung auf die gewährten Vorschüsse auf die Vergütung zurückzufordern:

Der Insolvenzverwalter könne aus der Insolvenzmasse einen Vorschuss u.a. auf seine Vergütung entnehmen, wenn das Insolvenzgericht zustimme, § 9 S. 1 InsVV.  Habe der Insolvenzverwalter mehr aus der Insolvenzmasse entnommen, als ihm nach der maßgeblichen abschließenden und rechtskräftigen Festsetzungsentscheidung des Insolvenzgerichts zusteht, habe er den zuviel entnommenen Anteil an die Masse zu zurückzuzahlen. Erfolge die Entnahme aufgrund eines noch nicht rechtskräftigen Vergütungsbeschlusses, sei er mit Aufhebung oder Änderung zu seinem Nachteil zur Rückerstattung verpflichtet (BGH, Urteil vom 20.03.2014 - IX ZR 25/12 -); in diesem Fall ergäbe sich der Rückforderungsanspruch aus der entsprechenden Anwendung des § 717 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 20.03.2014 - IX ZR 25/12 -).  Handelt es sich um einen Vorschuss folge der Rückforderungsanspruch auf Grund des rechtskräftigen Bescheides über die Vergütungsfestsetzung aus der entsprechenden Anwendung des § 667 BGB. Es handele sich um eine „Lückenergänzung“. § 65 InsO iVm. § 9 InsVV eröffne die Möglichkeit, in einer §§ 675, 669 BGB vergleichbaren Weise Vorschüsse auf die Vergütung und Auslagen zu erhalten. Weder die Insolvenzordnung noch die dazu ergangene Vergütungsordnung regele aber die die Rückgewähr eines zu viel gezahlten Vorschusses; § 717 Abs. 2 BGB sei nicht anzuwenden, da die Zustimmung zur Entnahme eines Vorschusses keine einem Vollstreckungstitel vergleichbare Wirkung habe.  

Voraussetzung des § 677 BGB sei, dass der vereinnahmte Vorschuss tatsächlich nicht verdient worden sei (BGH, Urteil vom 07.03.2019 - IX ZR 143/18 - zur Rechtsanwaltsvergütung). Zu unterscheiden sei zwischen Entstehung der Vergütung, deren Fälligkeit und deren Festsetzung. Der Anspruch auf Vergütung entstehe mit der Arbeitsleistung und dem Anfallen der Auslagen (BGH, Urteil vom 05.12.1991 - IX ZB 19/20 -), die Festsetzung der Vergütung mit einem Beschluss des Insolvenzgerichts, § 64 Abs. 1 InsO. Die Zustimmung des Insolvenzgerichts zur Entnahme eines Vorschusses (§ 9 InsVV) entfalte keine bindende Wirkung über die gem. § § 64 Abs. 1 InsO, § 8 Abs. 1 InsVV festzusetzende Vergütung (BGH, Beschluss vom 22.11.2918 - IX ZB 14/18 -). Die Bewilligung eines Vorschusses habe nur vorläufige Bedeutung und mit ihr würde ein Vergütungsanspruch nicht bereits anerkannt.

Führe die Entnahme dazu, dass ein mit der Entfaltung der Tätigkeit bereits entstandene aber noch nicht endgültig festgestellte Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters teilweise nach § 362 Abs. 1 BGB erfüllt wird, stünde dies einer Rückforderung auch nicht entgegen, da die Erfüllungswirkung nur eintrete, sofern ihm ein Vergütungsanspruch zustünde, was erst mit dem Vergütungsfestsetzungsbeschluss nach § 64 Abs. 1 InsO, § 8 Abs. 1 InsVV verbindlich festgestellt würde (BGH, Urteil vom 17.11.2005 - IX ZR 179/04 -).

Das Insolvenzgericht habe den Antrag auf Festsetzung der Vergütung rechtskräftig zurückgewiesen, da der Beklagte seinen Anspruch auch zum Nachteil der verwalteten Vermögensmasse begangener Straftaten verwirkt habe. Die Entscheidung habe auch für die Frage, ob Vorschüsse zurückzuzahlen sind, präjudizielle Wirkung.  Daher könne er auch für Tätigkeiten vor dem inkriminierten Zeitraum 2005 bis 2008 keine Vergütung oder Auslagen verlangen (BGH, Beschluss vom 22.11.2018 - IX ZB 14/18 -).

Der Rückforderungsanspruch sei auch nicht verjährt. Ein Anspruch auf Rückzahlung eines gem. § 9 InsVV gewährten Vorschusses beginne erst mit dem Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Insolvenzgerichts zu laufen: Es gelte wie bei § 667 BGB die Regelverjährung nach §§ 195, 199 BGB.  Die Verjährungsfrist beginne mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von dem anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlange oder ohne Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entstanden sei nach § 1991 Abs. 1 BGB der Anspruch, sobald er klageweise geltend gemacht werden könnte, was die Fälligkeit des Anspruchs voraussetze, die dem Gläubiger die Möglichkeit der (Leistungs-) Klage verschaffe. Damit setze § 667 BGB in der Regel die Beendigung des Auftrags voraus; im Allgemeinen würde der Anspruch des Insolvenzverwalters erst nach Erledigung der zu vergütenden Tätigkeit fällig. Zusätzlich sei den Rückzahlungsanspruch eines Vorschusses nach § 9 InsVV erforderlich, dass das Insolvenzgericht verbindlich über die Höhe der Vergütung nach § 64 InsO, § 8 InsVV entschieden habe; die Entscheidung habe im Streit um die Rückforderung von angeblichen Überzahlungen präjudizielle Wirkung, weshalb in der Regel erst diese Entscheidung  zur Klärung der Vergütung  die Möglichkeit eröffne eine Überzahlung im Wege der Klage geltend zu machen. Der Beschluss des Insolvenzgereichts dazu erging im März 2017, die Klage wurde 2019 (in nicht verjährter Zeit) zugestellt.

Offen ließ der BGH, ob in Fällen, in denen der entlassene Insolvenzverwalter keinen Festsetzungsantrag stelle, eine Rückzahlungsklage zulässig wäre, das Insolvenzgericht durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen den (entlassenen) Insolvenzverwalter zu einem Vergütungsantrag anhalten könne oder auf Antrag des neuen Insolvenzverwalters die Vergütung des entlassenen Verwalters festgesetzt werden könne. Ebenso ließ der BGH offen, wie in einem solchen Fall die Verjährungsfrage zu entscheiden wäre.

BGH, Urteil vom 29.06.2023 - IX ZR 152/22 -

Sonntag, 27. August 2023

Stromkabel über Gehweg von Traktor bei Fahren vom Feld abgerissen

Anlässlich von Kabelverlegungsarbeiten auf der F-Landstraße stellte die damit beauftragte Klägerin eine Lichtzeichenanlage auf dem Gehweg auf, deren Stromkabel oberhalb des Gehweges in zwischen den Parteien streitiger Höhe (nach Angaben der Klägerin in einer Höhe von 5,30 m, nach Angaben der Beklagten nicht einmal 4,50 m, da das Mähwerk eine Höhe von 4,00 m habe) angebracht war. Der Beklagte zu 1. war Eigentümer des in diesem Bereich neben dem in Anspruch genommenen Gehweges befindlichen Feldes und fuhr mit seinem bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten  Traktor über den nicht abgesenkten Bordstein auf den Gehweg um auf sein Feld zu gelangen.  Nach Abschluss der Arbeiten beabsichtigte er, das Feld auf dem gleichen Weg zu verlassen; das Mähwerk am Traktor war hochgestellt. Hierbei streifte er das oberhalb des Gehweges verlaufende Stromkabel der Lichtzeichenanlage und riss diese in der Folge um. Den daraus resultierenden Schaden machte die Klägerin gegen den Beklagten geltend.

 

Das Amtsgericht gab der Klage ohne Beweisaufnahme zu den streitigen Umständen statt. Soweit unter Teil A Allgemeines,  4 Leitmale der RSA-95 vorgesehen sei, dass Bauteile unterhalb einer lichten Durchfahrtshöhe von 4,50 m mit Leitmalen zu versehen seien. Gelte dies lediglich für Beschränkungen der Höhe oberhalb der Fahrbahn, nicht aber für Höhenbeschränkungen des Gehweges. Der Beklagte habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet. Die von den Beklagten eingelegte Berufung führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das Erstgericht. Zutreffend sie mit der Berufung geltend gemacht worden, dass es das Amtsgericht verabsäumt habe, über die für die Frage der Haftung dem Grunde nach sowie die ebenfalls streitige Frage des Schadens der Höhe nach erforderlichen Anknüpfungstatsachen Beweis zu erheben.

  

Die Haftung der Beklagten richte sich nach §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG. Im Rahmen der grundsätzlich bestehenden Gefährdungshaftung auf Beklagtenseite hätte sich diese nach Maßgabe von § 9 StVG iVm. § 254 BGB ein etwaiges Mitverschulden an der Anspruchsentstehung zurechnen zu lassen. Bei der notwendigen Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge könnten nur unstreitige, zugestandene oder nach § 286 ZPO bewiesene Umstände, die sich auf das Unfallgeschehen ausgewirkt haben, berücksichtigt werden. Beweisbelastet sei jeweils die Partei für Tatsachen, die der anderen Partei zum Verschulden gereichen und aus denen sie nach der Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleiten wolle. Damit trage zunächst die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für ein etwaiges, die bloße Betriebsgefahr des Traktors erhöhendes unfallkausales Mitverschulden der Beklagten.

 

Bislang hätten die Beklagten einen unfallursächlichen verstoß gegen § 32 Abs. 2 StVZO (maximal zulässige Höhe von 4,00 m) nicht nachgewiesen. Es sei Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Höhe des Traktors nebst Mähwerk zu erheben, welches nach Angaben der Beklagten unter 4,00m gelegen habe.

 

Ein Verstoß des Beklagten zu 1. gegen § 2 Abs. 1 StVO wegen rechtwidriger Nutzung des Gehweges habe nicht vorgelegen. Zwar dürften Kraftfahrzeuge diesen nach der in § 2 Abs. 1 StVO statuierten Nutzungspflicht der Fahrbahn durch Fahrzeuge nicht befahren. Allerdings gäbe es ein Ausnahmebenutzungsrecht, welches sich aus der Natur der Sache bzw. mittelbar aus anderen Vorschriften (wie § 10 S. 1 StVO) ergeben könne.  Unstreitig sei vorliegend, dass der Beklagte zu 1. Mit dem Traktor von dem Feld auf die Straße auffahren wollte. Auch wenn anderweitige Möglichkeiten zum Verlassen des Feldes bestanden haben sollten (was streitig war), habe es ihm freigestanden, über den Gehweg das Feld zu verlassen; es existiere keine Vorschrift, die das Einfahren auf die Straße über den Gehweg nur gestattet, wenn keine anderweitigen Möglichkeiten bestünden.

 

Nach dem zur Beurteilung des Berufungsgerichts vorliegenden Sach- und Streitstand lasse sich auch ein Verstoß des Beklagten zu 1. Gegen das allgemeine straßenverkehrsrechtliche Rücksichtnahmegebot aus § 1 Abs. 2 StVO nicht erkennen. Es handele sich um ein Verbot, andere zu schädigen, zu gefährden bzw. vermeidbar zu behindern. Eine Gefährdung fremder Sachwerte falle dann unter § 1 Abs. 2 StVO, wenn damit zugleich die Leichtigkeit und Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt würde, was bei Anlagen wie hier, die der Straßenverkehrssicherheit dienen, der Fall sei. Tatbestandlich sei aber Voraussetzung, dass der Beklagte zu 1. bei Annäherung die von dem in den Verkehrsraum hineinragenden Stromkabel ausgehende Gefahrenlage hätte erkennen müssen und eine Kollision hätte verhindern können (ggf. durch Abstandnahme von der Durchfahrt). Das ein solcher Umstand vorlag, sei aber streitig und bedürfe weiter Aufklärung. Dabei müsse aber berücksichtigt werden, dass sich ein Fahrzeugführer im Regelfall darauf verlassen dürfe, dass eine zur Verkehrssicherheit aufgestellte Verkehrsanlage (hier die Lichtzeichenanlage) so errichtet würde, dass eine Gefährdung des Durchgangsverkehrs ausgeschlossen ist. Er dürfe also davon ausgehen, dass die Zuleitungen der Anlage im Luftraum oberhalb der Straße so errichtet würden, dass ein Kraftfahrzeug, welches die höchstzulässigen Ausmaße des § 32 StVZO erreiche, den Bereich gefahrlos und unfallfrei passieren könne (Vertrauensgrundsatz).

 

Weitere unfallursächliche Mitverursachungs- oder Mitverschuldensbeiträge des Beklagten zu 1., seien nicht ersichtlich und auch von der Klägerin nicht geltend gemacht worden.

 

Im Rahmen der Beweisaufnahme sei auch der Frage nachzugehen, ob der Klägerin ein (anspruchsausschließendes) Eigenverschulden in Form der Verkehrssicherungspflichtverletzung anzulasten sei. Die Verkehrssicherungspflicht beruhe auf dem Gedanken, dass niemand einen anderen mehr als unvermeidlich gefährden soll. Wer Gefahrenquellens schaffe müsse notwendige Vorkehrungen zum Schutz Dritter treffen. Es müssten die Gefahren ausgeräumt oder vor ihnen gewarnt werden, die für den Wegbenutzer bei erforderlicher Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar wären. Es entspräche dem Interesse der Verkehrssicherheit sowie dem Schutz der Rechtsgüter der Verkehrsteilnehmer, dass der Verkehrsraum in dem Umfang, in dem er von Fahrzeugen mit der gesetzlich maximal zulässigen Abmessung in Anspruch genommen werden kann, von störenden Einflüssen, wie etwa Bäumen und Ästen auch wie vorliegend Stromkabeln freigehalten wird. Anderes ergäbe sich auch nicht aus der Nutzung des Gehwegs. Eine andere Interpretation lasse auch Teil A Allgemeines, 4 Leitmale der RAS-95 hinsichtlich der Pflicht zu Leitmalen nicht zu, deren Regelungen ebenso wie jene der StVO abtraktgenereller Natur seien. Für eine (sich aus dem Wortlaut nicht ergebende) Beschränkung der in der RSA-95 vorgesehenen Regelung lediglich auf Fahrbahnen bestünde mithin kein Anlass.

 

LG Aachen, Urteil vom 08.08.2023 - 5 S 79/22 -

Freitag, 25. August 2023

Formale Voraussetzungen für Zwangsgeld wegen unterbliebener Mitwirkung bei Versorgungsausgleich

Im Rahmen eines Scheidungsverfahrens teilte der zuständigen Versorgungsträgers gegenüber dem Amtsgericht (AG) mit, dass das Versicherungskonto des Antragsgegners nicht geklärt sei. Ungeklärte Zeiten seien diesem erfolglos zur Mitwirkung bei der Feststellung mitgeteilt worden. Dies überließ diese Unterlage dem Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners formlos „m.B. um Kt u. Erl.“. Mit Verfügung vom 28,02.2023 wies nunmehr das AG den Antragsgegner auf bestimmte Lücken in dessen Versicherungskonto hin und fordert ihn unter Fristsetzung „zur Klärung dieser Auskünfte“ auf. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, dass bei Nichtvorlage der „Unterlagen“ gegen ihn ein Zwangsgeld von bis zu € 25.000,00 festgesetzt werden könne. Da das Versicherungskonto nach Ablauf der Frist weiterhin ungeklärte Zeiten enthielt, setzte das AG gegen den Antragsgegner ein Zwangsgeld in Höhe von € 500,00 fest. Der Antragsgegner legte dagegen erfolgreich sofortige Beschwerde ein.

Das Oberlandesgericht ging davon aus, dass die formalen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Zwangsgeldes hier nicht vorliegen würden.

§ 35 Abs. 1 FamFG ermögliche dem Gericht zur Durchsetzung einer gerichtlich angeordneten Pflicht zur Vornahme oder Unterlassung einer Handlung die Anordnung eines Zwangsgeldes (und im Falle, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, die Anordnung einer Zwangshaft). Das OLG verwies darauf, dass  die Norm keine Rechtsgrundlage für eine vollstreckbare Mitwirkungsverpflichtung darstelle, sondern lediglich das Verfahren ihrer Durchsetzung regele. Die geforderte Mitwirkung müsse durch materielles oder Verfahrensrecht normiert sein.

Nach § 220 Abs. 2, 3 und 5 FamFG könne das Gericht die Mitwirkung der Ehegatten gegenüber Versorgungsträgern anordnen, soweit diese zur Feststellung der in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechte erforderlich sei.

Die Anordnung bedürfe gemäß § 35 Abs. 2 FamFG eines vorherigen Hinweises (Warnfunktion). Zudem bedürfe es einer vollzugsfähigen gerichtlichen Verfügung, woran es vorliegend ermangele.

Es müsse dem Verpflichteten ein bestimmtes, ohne weiteres verständliches Verhalten aufgegeben werden. Dazu würde bei Klärung des Rentenkontos im Rahmen des Versorgungsausgleichs in der Anordnung gem. § 220 Abs. 3 FamFG auszuführen sein,  zu welchen Fehlzeiten welche Belege vorgelegt werden müssen. Alleine die Angabe der Fehlzeiten mit der Aufforderung zur Aufklärung sei ungenügend, da (insbesondere juristisch nicht vorgebildete) Beteiligte nicht hinreichend deutlich erkennen könnten, was von ihnen verlangt wird. Bei ungeklärten Zeiten sei aufzugeben darzulegen, welche Erwerbstätigkeit der Beteiligte bei welchem Arbeitgeber ausgeübt habe, wann er innerhalb der Zeiträume Leistungen der Arbeitsverwaltung oder Krankengeld bezog und welche Ausbildungszeiten er zurückgelegt habe (u.a. OLG Schleswig, Beschluss vom 27.02.2015 - 10 WF 34/15 -). Dem würden weder die Anordnung des AG vom 28.02.2023 noch die vorherige formlose Übermittlung des Schreibens des Versorgungsträgers (mit der Bitte um Kenntnisnahme und Erledigung genügen, da sich diese Mitteilungen auf die bloße Mitteilung der Lücken im Versorgungsverlauf beschränken würden ohne konkrete Angabe dessen, was im Einzelnen für diese Zeiten darzulegen und nachzuweisen sei. Auch die Aufforderung zur Vorlage von „Unterlagen“ sei danach unbestimmt.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.05.2023 - 20 WF 76/23 -

Dienstag, 22. August 2023

Eintragung einer Erbengemeinschaft im Grundbuch bei Tod eines GbR-Gesellschafters

Die Antragsgeller waren die Kinder des verstorbenen P., der zusammen mit R. Gesellschafter einer GbR war, die Eigentümer von auf einem Grundbuchblatt verzeichneten Grundstücken war und als solche im Grundbuch eingetragen war. Nach dem Erbschein waren sie die einzigen Erben des Verstorbenen und beantragten die Berichtigung des Grundbuchs. Der Gesellschafter R. hatte die Gesellschaft kurz vor dem Tod des P. gekündigt und nach dessen Tod die Grundstücke mit notariellen Vertrag verkauft (wobei dieser Verkauf dinglich noch nicht gewahrt war). Im notariellen Kaufvertrag hatte er eidesstattlich versichert, dass der - von ihm trotz Aufforderung nicht vorgelegten - Gesellschaftsvertrag keine von den gesetzlichen Bestimmungen abweichenden Vereinbarungen getroffen worden seien. Die Erbengemeinschaft hatte den Grundstückskaufvertrag nicht genehmigt.

Das Grundbuchamt wies den Berichtigungsantrag mit der Begründung zurück, mangels Vorlage des Gesellschaftsvertrages sei der Unrichtigkeitsnachweis nicht in der Form des § 29 GBO geführt worden. Das OLG gab der Beschwerde der Erbengemeinschaft gegen den abweisenden Beschluss statt, wobei die Erben notarielle beglaubigte Erklärungen vorlegten, dass nach ihrer Kenntnis kein schriftlicher Gesellschaftsvertrag bestünde und keine besondere Vereinbarung für den Kündigungs- oder Todesfall getroffen worden sei.

Der Beschwerde würde nicht § 71 Abs. 2 S. 1 GBO entgegenstehen, da sich die Antragsteller nicht gegen eine von Anfang an unrichtige Eintragungen wenden würden, sondern die Berichtigung wegen nachträglicher Unrichtigkeit beantragen würden. Einer Bewilligung nach § 19 GBO bedürfe es gem. § 22 Abs. 1 GBO nicht, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen würde, wobei dieser Nachweis in der Form des § 29 GBO zu führen sei.

Eine Buchposition des Verstorbenen als Gesellschafter sei nicht gesondert vererbbar, vielmehr sei die Rechtsnachfolge in die Gesellschafterstellung des Maßgabe des Gesellschaftsvertrages materiell-rechtlich zu prüfen (BGH, Beschluss vom 10.02.2022 - V ZB 87/20 -). Bei Tod eines Gesellschafters oder Kündigung durch einen Gesellschafter sähe das BGB kein Erlöschen der GbR vor (§§ 723, 727 BGB), sondern eine identitätswahrende Wandlung in eine Abwicklungsgesellschaft, bei der (im Falle des Versterbens eines Gesellschafters) dessen Erben treten würden.  Die Anwachsung der Beteiligung des verstorbenen an der Gesellschaft fände nur statt, wenn im Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Fortsetzungsklausel oder ein Eintrittsrecht geregelt sei.     

Fehle ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag reiche zum Nachwies der Rechtsnachfolge des Erben in die Gesellschafterstellung des verstorbenen Gesellschafters aus, wenn diese eine Erklärung des verbliebenen Gesellschafters in der Form des § 29 GBO (öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde) beibringen würden, nach deren Inhalt ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag nicht bestünde und besondere Vereinbarung für den Kündigungs- und Todesfall nicht getroffen worden seien und die Erben ebenfalls in der Form des § 29 GBO erklären, dass ihnen ein abweichender Inhalt des Gesellschaftsvertrages nicht bekannt sei (BGH, Beschluss vom 10.02.2022 - V ZB 87/20; OLG München, Beschluss vom 07.01.2020 - 34 Wx 420/19 -).

Die Erben hatten die entsprechende Erklärung in der Form des § 29 GBO im Beschwerdeverfahren vorgelegt. Für den verbliebenen Gesellschafter würde sich diese Erklärung aus seiner in dem notariellen Grundstückskaufvertrag abgegebenen eidesstattlichen Versicherung ergeben, dass für das Gesellschaftsverhältnis keine von den gesetzlichen Bestimmungen abweichenden Vereinbarungen getroffen worden seien (und einen Gesellschaftsvertrag habe er trotz Aufforderung nicht vorgelegt). Damit sei der Unrichtigkeitsnachweis erbracht.

OLG Rostock, Beschluss vom 02.05.2023 - 3 W 13/23 -