Gegenstand des Verfahrens vor dem
BAG war eine Klausel in einem
Fortbildungsvertrag zwischen der Klägerin als Arbeitgeberin und der Beklagten als
Arbeitnehmerin. Diese lautete:
„§ 5 Das in
Anspruch genommene Förderungsbudget ist zurückzuzahlen, wenn
1. die Angestellte
innerhalb von 24 Monaten nach bestandenen Berufsexamen das Unternehmen verlässt,
2. die Angestellte innerhalb von 24 Monaten nach nicht bestandenen Examen das Unternehmen verlässt,
3. die Angestellte das Examen wiederholt nicht ablegt.“
U.a. zu 3. erfolgte eine Erläuterung und „Klarstellung zum Fortbildungsvertrag“.
Die Beklagte trat die Prüfungen in 2018, 2019 und 2020 nicht an. Mit Schreiben vom 30.06.2020 kündigte sie das Arbeitsverhältnis, woraufhin die Klägerin Rückzahlung des an sie geleisteten Betrages nebst Zinsen begehrte. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt; die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung wurde vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Auf die Revision wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Klage ab.
Grundlage der Entscheidung war, dass es sich bei dem verwandten Fortbildungsvertrag um vorformulierte Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen handelte, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB (anders als Individualvereinbarungen) der Inhaltskontrolle unterfallen und hier § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrages nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sei. Die Wirksamkeit der Abreden in dem vertrag sei anhand von § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu beurteilen. § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrages führe zu einer entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
Unangemessenheit läge bei jeder Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers vor, die nicht durch billigenswerte Interessen des Arbeitsgebers gerechtfertigt sei oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen würde. Zur Feststellung bedürfe es einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen und es sei ein generellere, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen.
Eine Vereinbarung, nach der sich der Arbeitnehmer an den vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildungskosten bei fehlender Beendigung zu beteiligen habe, sei grundsätzlich zulässig. Werde die Rückzahlungsverpflichtung an ein wiederholtes Nichtablegen der Prüfung gekoppelt, könne dies den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Sie sei geeignet, auf den Arbeitnehmer einen Bleibedruck im bestehenden Arbeitsverhältnis auszuüben und damit die freie Arbeitsplatzwahl nach dem in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG benannten Grundrecht einschränken, weshalb die Rückzahlungspflicht einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen müsse, dem den Nachteilen des Arbeitnehmers ein angemessener Ausgleich entgegenstehen müsse und insgesamt die Erstattungspflicht dem Arbeitnehmer zumutbar sein.
Unzulässig sei es, den Rückzahlungsanspruch schlechthin an das wiederholte Nichtablegen der Prüfung zu knüpfen. Ausgenommen werden müssten Gründe, bei denen das Nichtablegen der Prüfung nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers lägen. Dem Erfordernis entspräche § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrages nicht. Zwar sei eine Härtefallregelung vorgesehen, der zufolge einige Fallkonstellationen der fehlenden Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers benannt seien. Sie erfasse aber nur einige relevante Fälle und lasse insbesondere eine durch ein Fehlverhalten des Arbeitgebers (mit) veranlasste Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer unberücksichtigt, worin eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB läge. Hier sei die Rückzahlungspflicht unabhängig von den Gründen, aus denen der Arbeitnehmer die Eigenkündigung ausspreche, statuiert, weshalb er auch dann zur Rückzahlung verpflichtet sei, auch wenn es aufgrund eines arbeitgeberseitigen Fehlverhaltens für ihn nicht mehr zumutbar sei, an dem Arbeitsverhältnis festzuhalten.
Die Härtefallregelung in § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrages führe nicht zu Angemessenheit. Sie suspendiere lediglich die Pflicht zur Ablegung der Prüfung, hebe aber die Pflicht zur Rückzahlung nicht auf, wenn der Arbeitnehmer aus von ihm nicht zu vertretenen Gründen (z.B. dauerhafte Erkrankung) die Prüfung nicht ablege. Die Voraussetzung, wonach auch die Rückzahlungspflicht für bis dahin geleistete Förderungen verlange, dass aufgrund eines zu großen Zeitablaufs oder aufgrund Bestimmungen der entsprechenden Institutionen eine Wiederaufnahme und Beendigung des Examens nicht möglich sein sollte. Nicht ersichtlich sei, dass die Härtefallregelung eine durch Arbeitgeberverhalten veranlasste Eigenkündigung erfassen sollte, zumal die arbeitgeberseitige (mit) zu verantwortende Kündigung im Arbeitsleben keinen seltenen oder fernliegenden Tatbestand darstelle, dass sie nicht gesondert erwähnt werden müsse.
Welche Gründe vorliegend die Beklagte veranlasst hätten, das Examen nicht abzulegen, sei für die Entscheidung zur Wirksamkeit der Klausel nicht erheblich. Missbilligt würde nach §§ 305 ff BGB bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Formularklauseln (§ 305 Abs. 1 S. 1, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), nicht erst deren unangemessener Gebrauch. Der Rechtsfolge der Unwirksamkeit seien auch Klauseln unterworfen, die in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, welches sich im Entscheidungsfall nicht realisierte (BAG, Urteil vom 01.03.2022 - 9 AZR 260/21 -).
BAG, Urteil vom 25.04.2023 - 9 AZR 187/22 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird
das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 23. Februar 2022
- 8 Sa 229/21 - aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird
das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 3. März 2021 - 1 Ca
397/20 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien
streiten über die Rückzahlung von Fortbildungskosten.
Die Beklagte
war bei der Klägerin, die eine Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzlei
betreibt, in der Zeit vom 1. April 2014 bis zum 30. Juni 2020 als
Buchhalterin beschäftigt. Ab August 2017 nahm die Beklagte an einem „Lehrgang
zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung 2018/2019“ beim Studienwerk der
Steuerberater in Nordrhein-Westfalen teil. Am 4. Dezember 2017 schlossen
die Parteien einen Fortbildungsvertrag, der auszugsweise folgenden Inhalt hat:
„§ 1
Die
Arbeitnehmerin nimmt in der Zeit vom 01.08.2017 bis 31.03.2019 an
Fortbildungsmaßnahmen teil, die vorbereiten auf den Erwerb des Berufsexamens
Steuerberater
§ 2
Die Teilnahme
an dieser Fortbildung erfolgt im Interesse der beruflichen Fort- und
Weiterbildung der Arbeitnehmerin.
§ 3
Die
Vorbereitung auf das Berufsexamen wird mit einem Gesamtbetrag in Höhe von bis
zu 10.000 € gefördert. Bei dem Förderbetrag handelt es sich um einen
umsatzsteuerlichen Bruttobetrag. Das gewährte Förderbudget dient in allen
Fällen zur Deckung sämtlicher für die Erlangung des Berufsexamens
erforderlichen Vorbereitungs- und Prüfungszeiten sowie Vorbereitungs- und
Prüfungskosten und die Bestellungsgebühren für Steuerberater. …
§ 4
Die
Arbeitnehmerin kann frei über die Verwendung des Förderbudgets entscheiden. Sie
kann die Verwendung für die Vorbereitungskurse zum Steuerberater, als auch die
Umwandlung des Budgets in Freistellung wählen. …
§ 5
Das in Anspruch
genommene Förderbudget ist zurückzuzahlen, wenn
1.
die
Angestellte innerhalb von 24 Monaten nach bestandenem Berufsexamen das
Unternehmen verlässt,
2.
die
Angestellte innerhalb von 24 Monaten nach nicht bestandenem Berufsexamen
das Unternehmen verlässt,
3.
die
Angestellte das Examen wiederholt nicht ablegt.
Die
Rückzahlungsmodalitäten im Einzelnen:
…
zu 3.:
Abbruch des
Examens: Falls der Angestellte nach Erhalt der Förderung das Examen nicht
ablegt, ist der gesamte gewährte Förderbetrag zum Zeitpunkt des aus
geschäftspolitischer Sicht nächstmöglichen Prüfungszeitpunktes vollständig
zurückzuzahlen, wenn auch diese Prüfung nicht angetreten wurde. Dies gilt auch,
wenn der Angestellte das Unternehmen in diesem Fall aufgrund eigener Kündigung
oder einer verhaltensbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber oder sonstiger
Auflösung aus gleichem Grunde verlässt.
Härtefallregelung: Für den Fall, dass der Angestellte das Examen aus einem nicht von ihm zu vertretenden objektiven Grund (bspw. Dauerhafte Erkrankung, Pflege von Angehörigen) nicht ablegen kann, ist er verpflichtet, das Examen nach Beendigung des Verhinderungsgrundes wieder aufzunehmen und abzuschließen. Es gelten dann wieder die übrigen Bestimmungen dieser Vereinbarung. Falls aufgrund eines zu großen Zeitablaufs oder aufgrund von Bestimmungen der entsprechenden Institutionen eine Wiederaufnahme und Beendigung des Examens nicht möglich sein sollte, ist er nicht zur Rückzahlung der bis dahin geleisteten Förderung verpflichtet.“
In einer „Klarstellung zum Fortbildungsvertrag“ vom 18. Dezember 2017 verständigten sich die Parteien, dass es sich bei den von der Klägerin bereitgestellten Mitteln „um Auszahlungen auf ein im Übrigen unverzinsliches Darlehen“ handele. In der Zeit vom 18. Dezember 2017 bis zum 26. Juni 2018 erstattete die Klägerin der Beklagten Lehrgangsgebühren iHv. insgesamt 3.883,93 Euro sowie die Anmeldegebühr zur Steuerberaterprüfung iHv. 200,00 Euro.
Die Beklagte
trat weder zur Steuerberaterprüfung für das Jahr 2018 noch zu den Prüfungen der
Jahre 2019 und 2020 an, zu denen sie sich bis zum 30. April des jeweiligen
Jahres anmelden konnte. Mit Schreiben vom 14. Mai 2020 kündigte sie das
Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2020.
Nach
erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin die Beklagte auf
Rückzahlung der an diese geleisteten Beträge iHv. 4.083,93 Euro nebst
Zinsen gerichtlich in Anspruch genommen. Sie hat die Auffassung vertreten, die
Rückzahlungsklausel im Fortbildungsvertrag sei wirksam. Sie hat vorgetragen,
die Beklagte habe sich zu dem Lehrgang angemeldet, ohne dass ihr eine Übernahme
der Kosten zugesagt worden sei. Den Wunsch, bei der Fortbildung finanziell
unterstützt zu werden, habe die Beklagte erst im November 2017 an sie
herangetragen. Daraufhin sei es zu der Vereinbarung vom 4. Dezember 2017
gekommen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu
verurteilen, an die Klägerin 4.083,93 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Juni 2020 zu zahlen.
Die Beklagte
hat Klagabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, sich erst nach einer
mündlichen Kostenübernahme der Klägerin zum Lehrgang angemeldet zu haben. Die
Beklagte hat den Standpunkt eingenommen, nach Fortbildungsbeginn könne eine
solche Regelung auch nicht mehr wirksam getroffen werden. Inhaltlich
benachteilige sie die Regelung unangemessen, weil sie nicht hinreichend nach
den Gründen der wiederholten Nichtablegung des Examens differenziere.
Das
Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die
dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision
verfolgt die Beklagte weiter die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die zulässige
Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten
gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klage ist
unbegründet.
I. Die
Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von
Fortbildungskosten iHv. 4.083,93 Euro gemäß § 5 Nr. 3 des
Fortbildungsvertrags. Die Regelung hält einer Inhaltskontrolle nach § 307
Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand und ist daher unwirksam.
1. Bei
den im Fortbildungsvertrag getroffenen Abreden handelt es sich um Allgemeine
Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das
Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass es sich um von der Klägerin
vorformulierte Vertragsbedingungen handelt. Außer den persönlichen Daten der
Beklagten und der Angabe des konkreten Fortbildungszeitraums weist der Vertrag
keine individuellen Besonderheiten auf. Dies - wie auch das äußere
Erscheinungsbild - begründen eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es
sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1
BGB handelt (vgl. BAG 11. Dezember 2018 - 9 AZR 383/18 -
Rn. 15, BAGE 164, 316).
2. Die
Wirksamkeit der im Fortbildungsvertrag getroffenen Abreden ist anhand von
§ 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu beurteilen.
a)
§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB steht dem nicht entgegen.
aa) Nach
§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB gelten die Abs. 1 und 2 der
Vorschrift sowie die §§ 308, 309 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder sie
ergänzende Regelungen vereinbart werden. Dazu gehören auch Regelungen, die die
Umstände des vom Verwender gemachten Hauptleistungsversprechens ausgestalten
(BAG 11. Dezember 2018 - 9 AZR 383/18 - Rn. 17 mwN,
BAGE 164, 316).
bb) Um
eine derartige Regelung handelt es sich hier. Die Klägerin hat in § 5 des
Fortbildungsvertrags festgelegt, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte
Fortbildungskosten zurückzuerstatten hat. Außerdem wird durch den mit der
Rückzahlungsklausel ausgelösten Bleibedruck die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1
GG gewährleistete arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers
eingeschränkt (st. Rspr., vgl. BAG 11. Dezember 2018
- 9 AZR 383/18 - Rn. 18, BAGE 164, 316;
13. Dezember 2011 - 3 AZR 791/09 - Rn. 23 mwN).
b) Einer
Kontrolle des Fortbildungsvertrags steht auch die „Klarstellung zur
Fortbildungsvereinbarung“ nicht entgegen, in der sich die Parteien darauf
verständigt haben, dass es sich bei den von der Klägerin bereitgestellten
Mitteln um ein unverzinsliches Darlehen handele. Durch die Bezugnahme auf die
Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 5 des Fortbildungsvertrags wird
deutlich, dass tatsächlich kein Darlehen im Rechtssinne gewollt war, sondern
eine Verpflichtung zur Rückzahlung des im Fortbildungsvertrag geregelten
Förderzuschusses (vgl. BAG 18. März 2008 - 9 AZR 186/07 -
Rn. 8, BAGE 126, 187).
3.
§ 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrags führt zu einer unangemessenen
Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und ist daher
unwirksam. Die Regelung knüpft an das wiederholte Nichtablegen des Examens an,
ohne in erforderlichem Maß danach zu differenzieren, aus welchen Gründen eine
Teilnahme an der Prüfung nicht erfolgt ist.
a) Nach
§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders
entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
aa)
Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses
des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des
Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen
wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine
wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender
Interessen der Vertragspartner voraus. Dabei bedarf es einer umfassenden
Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes
von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein
genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen
sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise
beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind Art und
Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu
berücksichtigen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 22. Oktober 2020
- 6 AZR 566/18 - Rn. 29, BAGE 172, 377;
19. November 2019 - 7 AZR 582/17 - Rn. 42;
11. Dezember 2018 - 9 AZR 383/18 - Rn. 23 mwN,
BAGE 164, 316).
bb)
Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten
einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er die
Fortbildung nicht beendet, sind grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligen den
Arbeitnehmer nicht generell unangemessen (vgl. BAG 1. März 2022
- 9 AZR 260/21 - Rn. 21).
(1)
Allerdings können Rückzahlungsverpflichtungen, die an ein wiederholtes
Nichtablegen des angestrebten Examens anknüpfen, den Arbeitnehmer unangemessen
benachteiligen. Da sie geeignet sind, auf den Arbeitnehmer einen Bleibedruck im
bestehenden Arbeitsverhältnis auszuüben und damit das Grundrecht auf freie Wahl
des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG einzuschränken,
muss einerseits die Rückzahlungspflicht einem begründeten und billigenswerten
Interesse des Arbeitgebers entsprechen und andererseits den möglichen
Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenüberstehen.
Insgesamt muss die Erstattungspflicht - auch dem Umfang nach - dem
Arbeitnehmer nach den Geboten von Treu und Glauben zumutbar sein (vgl. BAG
1. März 2022 - 9 AZR 260/21 - Rn. 21;
11. Dezember 2018 - 9 AZR 383/18 - Rn. 24 mwN,
BAGE 164, 316).
(2) Es
ist nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das wiederholte
Nichtablegen der angestrebten Prüfung zu knüpfen, ohne die Gründe dafür zu
betrachten. Entsprechend den Wertungen aus der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts zu Rückzahlungsklauseln aufgrund einer Eigenkündigung des
Arbeitnehmers (BAG 1. März 2022 - 9 AZR 260/21 -
Rn. 21; 11. Dezember 2018 - 9 AZR 383/18 -
Rn. 24, BAGE 164, 316) müssen jedenfalls praktisch relevante
Fallkonstellationen, in denen die Gründe für die Nichtablegung der Prüfung
nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers liegen, von der
Rückzahlungspflicht ausgenommen werden.
b)
Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich § 5 Nr. 3 des
Fortbildungsvertrags als unangemessen benachteiligend iSd. § 307
Abs. 1 Satz 1 BGB.
aa) Das
Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass Fallkonstellationen, in denen eine
Rückzahlungsverpflichtung unbillig erscheine, durch die in den Bestimmungen zu
den Rückzahlungsmodalitäten enthaltene Härtefallregelung hinreichend erfasst
seien. Die Regelung eröffne die Möglichkeit, weitere als die explizit genannten
Tatbestände als Gründe zu behandeln, bei deren Vorliegen eine
Rückzahlungspflicht unangemessen erscheine. Die Arbeitgeberin sei durch die
Härtefallregelung ihrer Verpflichtung nachgekommen, in besonderen Fällen auf
die Belange des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen und von einer Verpflichtung
zur Rückzahlung der erhaltenen Förderbeträge abzusehen.
bb)
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
Durch die Härtefallregelung werden zwar einige Fallkonstellationen, bei denen
das wiederholte Nichtablegen des Examens nicht der Verantwortungssphäre des
Arbeitnehmers stammenden Gründen zuzurechnen ist, von der Rückzahlungspflicht
ausgenommen. Die Regelung greift aber zu kurz. Sie erfasst nur einen Teil der
praktisch relevanten Fälle und lässt insbesondere eine durch ein Fehlverhalten
des Arbeitgebers (mit)veranlasste Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den
Arbeitnehmer unberücksichtigt. Darin liegt eine unangemessene Benachteiligung
iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
(1)
§ 5 des Fortbildungsvertrags nennt drei Tatbestände, die eine
Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers auslösen können. Dies sind das Verlassen
des Unternehmens durch den Arbeitnehmer innerhalb von 24 Monaten nach
bestandenem Berufsexamen (Nr. 1), das Verlassen des Unternehmens durch den
Arbeitnehmer innerhalb von 24 Monaten nach nicht bestandenem Berufsexamen
(Nr. 2) und - worauf die Klägerin ihre Forderung stützt - das
wiederholte Nichtablegen des Examens durch den Arbeitnehmer (Nr. 3). Die
Regelung in § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrags wird durch die
„Rückzahlungsmodalitäten“ zu Nr. 3 konkretisiert. Diese sehen eine
Verpflichtung zur Rückzahlung auch für Fälle vor, in denen der Angestellte die
Prüfung nicht antritt, weil er das Unternehmen ua. aufgrund eigener Kündigung
oder einer verhaltensbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber oder sonstiger
Auflösung aus gleichem Grund verlässt. Die Rückzahlungspflicht soll unabhängig
von den Gründen, aus denen der Arbeitnehmer die Eigenkündigung ausspricht,
eintreten. § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrags sieht damit eine
Rückzahlung auch vor in Fällen, in denen der Arbeitnehmer das Examen deshalb
wiederholt nicht ablegt, weil ihm die Fortführung des Arbeitsverhältnisses
aufgrund eines arbeitgeberseitigen Fehlverhaltens nicht mehr zumutbar ist und
er es deshalb beendet. Es ist unangemessen, dem Arbeitnehmer auch für diesen Fall
eine Rückzahlungsverpflichtung aufzuerlegen.
(2) Die
Härtefallregelung zu § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrags führt nicht
zur Angemessenheit der Norm.
(a) Die
Regelung sieht in Satz 1 vor, dass der Arbeitnehmer, wenn er aus einem von
ihm nicht zu vertretenden objektiven Grund (zB dauerhafte Erkrankung, Pflege
von Angehörigen) das Examen nicht ablegen kann, verpflichtet ist, dieses nach
Beendigung des Verhinderungsgrundes wiederaufzunehmen und abzuschließen. Damit
regelt Satz 1 unter den genannten Voraussetzungen lediglich die
Suspendierung der Pflicht, das Examen abzulegen, nicht aber die Aufhebung der
Rückzahlungspflicht. Die Voraussetzungen, unter denen Letztere entfällt,
ergeben sich aus Satz 3 der Regelung. Danach ist der Arbeitnehmer nicht
zur Rückzahlung der bis dahin geleisteten Förderung verpflichtet, wenn aufgrund
eines zu großen Zeitablaufs oder aufgrund von Bestimmungen der entsprechenden
Institutionen eine Wiederaufnahme und Beendigung des Examens nicht möglich sein
sollte. Die Regelung beschränkt damit den Wegfall der Rückzahlungspflicht auf
diese Fälle.
(b) Es
kann nicht angenommen werden, dass die Härtefallregelung die durch
Arbeitgeberverhalten veranlasste Eigenkündigung des Arbeitnehmers - trotz
fehlender entsprechender Erwähnung im Wortlaut - von der
Rückzahlungspflicht ausnehmen sollte. Die vom Arbeitgeber (mit)verantwortete
Kündigung des Arbeitnehmers stellt im Arbeitsleben keinen so seltenen und
fernliegenden Tatbestand dar, dass sie nicht gesondert erwähnt werden müsste
(vgl. BAG 13. Dezember 2011 - 3 AZR 791/09 - Rn. 20).
(c) Die
Härtefallregelung kann auch nicht im Sinne einer Generalklausel dahin
verstanden werden, dass sie alle Tatbestände, bei deren Vorliegen eine
Rückzahlungspflicht unangemessen erscheint, umfassen sollte. Ungeachtet der
Frage, ob eine so verstandene Regelung den Transparenzanforderungen des
§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB genügt, besteht vorliegend kein
Raum für ein solchermaßen erweiterndes Verständnis. Nach Satz 3 der
Härtefallregelung entfällt die Rückzahlungspflicht lediglich, wenn die
Wiederaufnahme und Beendigung des Examens aus klar benannten Gründen (zu großer
Zeitablauf oder entgegenstehende Bestimmungen) unmöglich ist. Anhaltspunkte
dafür, dass es sich hierbei um eine bloß exemplarische Nennung von
Hinderungsgründen handeln sollte, bestehen nicht.
4. Für
die Beurteilung der Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel ist es unerheblich,
welche Gründe die Beklagte vorliegend veranlasst haben, das Examen nicht
abzulegen. Die §§ 305 ff. BGB missbilligen bereits das Stellen inhaltlich
unangemessener Formularklauseln (§ 305 Abs. 1 Satz 1, § 310
Abs. 3 Nr. 2 BGB), nicht erst deren unangemessenen Gebrauch im
konkreten Fall. Der Rechtsfolge der Unwirksamkeit sind auch solche Klauseln
unterworfen, die in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich im
Entscheidungsfall nicht realisiert hat (st. Rspr., BAG 1. März 2022
- 9 AZR 260/21 - Rn. 29 mwN).
5. Die
Unwirksamkeit von § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrags führt nach
§ 306 Abs. 1 BGB zum Wegfall der Rückzahlungsklausel. Damit entfällt
die Grundlage für einen Rückzahlungsanspruch der Klägerin.
II. Die
Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 Abs. 1 ZPO zu
tragen.
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