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Dienstag, 5. September 2023

Fortbildungskosten und Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers

Gegenstand des Verfahrens vor dem BAG war eine Klausel in  einem Fortbildungsvertrag zwischen der Klägerin als Arbeitgeberin und der Beklagten als Arbeitnehmerin. Diese lautete:

„§ 5 Das in Anspruch genommene Förderungsbudget ist zurückzuzahlen, wenn

1. die Angestellte innerhalb von 24 Monaten nach bestandenen Berufsexamen das Unternehmen verlässt,

2. die Angestellte innerhalb von 24 Monaten nach nicht bestandenen Examen das Unternehmen verlässt,

3. die Angestellte das Examen wiederholt nicht ablegt.“

U.a. zu 3. erfolgte eine Erläuterung und „Klarstellung zum Fortbildungsvertrag“.

Die Beklagte trat die Prüfungen in 2018, 2019 und 2020 nicht an. Mit Schreiben vom 30.06.2020 kündigte sie das Arbeitsverhältnis, woraufhin die Klägerin Rückzahlung des an sie geleisteten Betrages nebst Zinsen begehrte. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt; die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung wurde vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Auf die Revision wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Klage ab.

Grundlage der Entscheidung war, dass es sich bei dem verwandten Fortbildungsvertrag um vorformulierte Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen handelte, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB (anders als Individualvereinbarungen) der Inhaltskontrolle unterfallen und hier § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrages nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sei. Die Wirksamkeit der Abreden in dem vertrag sei anhand von § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu beurteilen. § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrages führe zu einer entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.

Unangemessenheit läge bei jeder Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers vor, die nicht durch billigenswerte Interessen des Arbeitsgebers gerechtfertigt sei oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen würde. Zur Feststellung bedürfe es einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen und es sei ein generellere, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen.

Eine Vereinbarung, nach der sich der Arbeitnehmer an den vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildungskosten bei fehlender Beendigung zu beteiligen habe, sei grundsätzlich zulässig. Werde die Rückzahlungsverpflichtung an ein wiederholtes Nichtablegen der Prüfung gekoppelt, könne dies den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Sie sei geeignet, auf den Arbeitnehmer einen Bleibedruck im bestehenden Arbeitsverhältnis auszuüben und damit die freie Arbeitsplatzwahl nach dem in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG benannten Grundrecht einschränken, weshalb die Rückzahlungspflicht einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen müsse, dem den Nachteilen des Arbeitnehmers ein angemessener Ausgleich entgegenstehen müsse und insgesamt die Erstattungspflicht dem Arbeitnehmer zumutbar sein.

Unzulässig sei es, den Rückzahlungsanspruch schlechthin an das wiederholte Nichtablegen der Prüfung zu knüpfen. Ausgenommen werden müssten Gründe, bei denen das Nichtablegen der Prüfung nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers lägen. Dem Erfordernis entspräche § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrages nicht. Zwar sei eine Härtefallregelung vorgesehen, der zufolge einige Fallkonstellationen der fehlenden Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers benannt seien. Sie erfasse aber nur einige relevante Fälle und lasse insbesondere eine durch ein Fehlverhalten des Arbeitgebers (mit) veranlasste Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer unberücksichtigt, worin eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB läge. Hier sei die Rückzahlungspflicht unabhängig von den Gründen, aus denen der Arbeitnehmer die Eigenkündigung ausspreche, statuiert, weshalb er auch dann zur Rückzahlung verpflichtet sei, auch wenn es aufgrund eines arbeitgeberseitigen Fehlverhaltens für ihn nicht mehr zumutbar sei, an dem Arbeitsverhältnis festzuhalten.

Die Härtefallregelung in § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrages führe nicht zu Angemessenheit. Sie suspendiere lediglich die Pflicht zur Ablegung der Prüfung, hebe aber die Pflicht zur Rückzahlung nicht auf, wenn der Arbeitnehmer aus von ihm nicht zu vertretenen Gründen (z.B. dauerhafte Erkrankung) die Prüfung nicht ablege. Die Voraussetzung, wonach auch die Rückzahlungspflicht für bis dahin geleistete Förderungen verlange, dass aufgrund eines zu großen Zeitablaufs oder aufgrund Bestimmungen der entsprechenden Institutionen eine Wiederaufnahme und Beendigung des Examens nicht möglich sein sollte. Nicht ersichtlich sei, dass die Härtefallregelung eine durch Arbeitgeberverhalten veranlasste Eigenkündigung erfassen sollte, zumal die arbeitgeberseitige (mit) zu verantwortende Kündigung im Arbeitsleben keinen seltenen oder fernliegenden Tatbestand darstelle, dass sie nicht gesondert erwähnt werden müsse.  

Welche Gründe vorliegend die Beklagte veranlasst hätten, das Examen nicht abzulegen, sei für die Entscheidung zur Wirksamkeit der Klausel nicht erheblich. Missbilligt würde nach §§ 305 ff BGB bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Formularklauseln (§ 305 Abs. 1 S. 1, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), nicht erst deren unangemessener Gebrauch. Der Rechtsfolge der Unwirksamkeit seien auch Klauseln unterworfen, die in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, welches sich im Entscheidungsfall nicht realisierte (BAG, Urteil vom 01.03.2022 - 9 AZR 260/21 -).

BAG, Urteil vom 25.04.2023 - 9 AZR 187/22 -

Freitag, 12. Mai 2017

Eigenbedarfskündigung und Härtefall – zur gebotenen Abwägung und möglichen Regelungen des Gerichts

Mit der streitbefangenen Eigenbedarfskündigung wurde die Notwendigkeit der Nutzung der von den Beklagten im Erdgeschoss belegenen Wohnung geltend gemacht, da die Wohnverhältnisse im Obergeschoss beengt wären und die Eheleute wegen einer Erkrankung des Ehemanns zwei getrennte Schlafzimmer benötigen würden. Die Beklagten widersprachen der Kündigung und machten einen Härtefall geltend. Der 1930 geborene Beklagte zu 1. leide an mehreren gesundheitlichen Beeinträchtigun- gen und beginnender Demenz, wobei sich die Demenz bei einem Umzug noch verschlimmern werde.

Amtsgericht und Landgericht gaben der Räumungsklage statt. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

Grundsätzlich gelte, dass Eigenbedarf anzunehmen sei, wenn eine Wohnung für den eigenen Wohnbedarf oder den Wohnbedarf für Angehörige benötigt würde. Es sei auch grundsätzlich zu respektieren, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich oder seine Angehörigen als angemessen ansähe. Grenzen ergäben sich aus § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB daraus, dass in diesem Rahmen zu prüfen sei, ob der Wunsch ernsthaft verfolgt würde, ob er von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen würde, die Wohnung den Wohnungswunsch erfüllen kann oder dem Vermieter resp. dem Angehörigen eine Alternative zur Verfügung stünde.

Wird dies alles zugunsten des Kündigenden bejaht, ist zu prüfen, ob ein tauglicher Härtegrund auf Mieterseite vorliegt. Vorliegend habe zwar das Landgericht  die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Beklagten zu 1. zur Kenntnis genommen und auch als wahr unterstellt. Es habe dann aber die Wahrunterstellung nicht für die Frage der Erheblichkeit durch Erfassung der Bedeutung der benannten Gebrechen übernommen. Werden über die altersbedingte Gebrechlichkeit hinaus eine durch Wohnungsverlust demenzielle Orientierungslosigkeit des Beklagten zu 1. Geltend gemacht, so ist dies erheblich, dass gegebenenfalls das Gericht bei fehlender eigener Sachkunde sachverständige Hilfe zu Rate zu ziehen hat, insbesondere um den Schwergrad und die Konsequenzen für den Mieter feststellen zu können.

Auch habe das Landgericht dem „Erlangungsinteresse“ der Vermieterseite eine zu große Bedeutung beigemessen. Zu berücksichtigen sei hier im Rahmen des § 574 Abs. 1 BGB auch die Frage der Dringlichkeit des Wohnbedarfs. Nach Ansicht des BGH dränge sich vorliegend die Überlegung auf, der jungen Familie würde es mehr um den Wohnkomfort als den Wohnbedarf gehen und es sei vom Landgericht auch verkannt worden, dass weitere Räume für eine Lösung eines Wohnbedarfs auch hätten Berücksichtigung finden können belegen im Dachgeschoss). Im Hinblick auf das hohe Alter des Beklagten zu 1. würde es sich auch nicht mehr um einen unüberschaubaren Zeitraum handeln, für den die Wohnung im Erdgeschoss nicht nutzbar sei.

Abschließend wies der BGH noch darauf hin, dass § 574a BGB (nach Absatz 2 auch ohne Antrag) dem Gericht einen weiten Gestaltungsspielraum betreffend der Fortsetzung des Mietverhältnisses belasse, um so beide Interessen zu berücksichtigen. So käme eine moderate Mietzinserhöhung ebenso in Betracht wie eine Kostenbeteiligung des Mieters an Umbaumaßnahmen des Provisoriums auf der Vermieterseite.


BGH, Urteil vom 15.03.2017 – VIII ZR 270/15 -