Streitgegenständlich war die
Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung durch die Arbeitgeberin (Beklagte),
gegen die sich der Arbeitnehmer (Kläger) wehrte. Das Arbeitsgericht hatte der
Klage durch ein „Teilurteil“ stattgegeben, welches aufgrund mündlicher Verhandlung
vom12.01.2023 erging. Der in der mündlichen Verhandlung benannte
Verkündungstermin wurde zuletzt auf den 23.02.203 verlegt. In der Gerichtsake folgte
die Urteilsformel mit der Unterschrift des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen
Richter, sodann das „Teilurteil“ in vollständig abgefasster Form, untrennbar
verbunden mit einem Verkündungsvermerk der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle.
Es schloss sich eine Verfügung einer Justizangestellten vom 01.03.2023
betreffend die Zustellung des „Teilurteils“ an die Parteien an. Ein Protokoll
über eine Verkündung des Teilurteils existierte nicht; solche würden, nach
Auskunft der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts seit der elektronischen
Führung der Prozessakte nicht mehr erstellt.
Gegen das Teilurteil legte die
Beklagte Berufung zum Landesarbeitsgericht (LAG) ein, die zurückgewiesen wurde.
Gegen dieses Urteillegte die Beklagte Revision ein, mit der sie weiterhin
Klageabweisung beantragte. Die Revision wurde – wenn auch nicht aus materiellen
Erwägungen – stattgegeben und der Rechtsstreit an das Arbeitsgericht (nicht an
das Landesarbeitsgericht) zurückverwiesen. Die Aufhebung der Entscheidungen des
Arbeitsgerichts und LAG sowie die Zurückverweisung an das Arbeitsgericht
erfolgten, da das Verfahren bei dem Arbeitsgericht mangels Verkündung noch
nicht abgeschlossen sei, es sich bei dem „Teilurteil“ lediglich um einen
Urteilentwurf handele.
Die Verkündung eines Urteils
erfolge im Namen des Volkes durch Vorlesung der vollständigen Abfassung der
vollständigen Urteilsformal einschließlich der Kostenentscheidung, Streitwert
und ggf. einer Entscheidung über die Zulassung der Berufung, jedenfalls aber
durch Bezugnahme auf die schriftlich niedergelegte Urteilsformel, und zwar in
öffentlicher Sitzung (§ 60 ArbGG, § 311 Abs. 2 S. 1 ZPO, § 173 Abs. 1 GVG. Erst
durch diese förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und materiell-rechtlichen
Wirkungen würde das Urteil existent. Bis zu diesem Zeitpunkt handele es sich um
einen – allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugenden – Entscheidungsentwurf
(BAG, Urteil vom 23.03. 2021 - 3 AZR 224/20 -; für Beschlussverfahren BAG, Beschluss
vom 17.08.2022 - 7 ABR 3/21 -).
Die Verkündung einer Entscheidung
sei im Protokoll festzuhalten, § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO, wobei es sich nach § 165ZPO
um eine wesentliche Förmlichkeit handele, die nur durch das Protokoll bewiesen
werden könne (BGH, Beschluss vom 08.02.2012 - XII ZB 165/22 -). Sei im
Protokoll kein Hinweis auf die Verkündung vorhanden, stünde infolge der
Beweiskraft des Protokolls ein Verstoß gegen das aus § 60 ArbGG, § 311 Abs. 1
S. 1 ZPO, § 173 Abs. 1 GVG folgende Erfordernis einer Urteilsverkündung in
öffentlicher Sitzung fest. Die würde auch gelten, wenn (wie hier) kein unterschriebenes
Protokoll existiere, da danach nicht die Verkündung – gerade in einem
gesonderten Verkündungstermin – bewiesen werde (BAG, Urteil vom 23.03.2021 aaO.).
Der Beweis könne nicht durch den Vermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle
nach § 315 Abs. 3 ZPO erbracht werden (BAG, Urteil vom 14.10.2020 - 5 AZR
712/19 -), was auch bei elektronischer Führung der Prozessakte gelte.
Das „Teilurteil“ sei auch nicht
auf andere Art und Weise wirksam verlautbart worden.
Würde gegen elementare, zum Wesen
der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen, könne nicht mehr von
einer Verlautbarung im Rechtssinne gesprochen werden. Würden die
Mindestanforderungen gewahrt, würden allerdings auch Verstöße gegen zwingende
Formerfordernisse des Entstehens eines wirksamen Urteils nicht hindern. Zu den
Mindestanforderungen gehöre, dass die Verlautbarung vom Gericht beabsichtigt
sei oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von
Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet würden (BAG, Urteil
vom 23.03.2021 aaO.). Eine wirksame Verlautbarung könne ggf. dadurch erfolgen,
dass der Vorsitzende der Kammer dessen Übersendung an die Parteien selbst verfügt
habe, so dass sein Wille, die Entscheidung zu erlassen, außer Frage stünde
(BAG, Urteil vom 14.10.2020 5 AZR 712/19
-), was hie nicht der Fall gewesen sei. Dahinstehen könne, ob das auch dann
gelten würde, wenn das Gericht die Zustellung in der irrtümlichen Annahme
veranlasse, es habe die Entscheidung bereits verkündet (a.A. BGH, Beschluss vom
13.06.2012 - XII ZB 592/11 -; OLG München, Urteil vom 21.01.2022 - 10 U 3446/10
-), da es hier bereits an einer Verfügung zur Übersendung an die Parteien
fehlen würde und die Schlussverfügung der Geschäftsstelle die richterliche
Verfügung nicht ersetzen könne.
Es käme auch nicht darauf an,
dass die Parteien den Mangel der Verkündung nicht rügten, da dies von Amts
wegen zu beachten sei und nicht durch unterlassene Rüge geheilt werden könne
(BAG, Urteil vom 23.03.2021 aaO.).
Auch wenn das „Teilurteil“ des Arbeitsgerichts in Ermangelung einer
wirksamen Verkündung keine rechtliche Wirkung erzeuge, könne es gleichwohl zur
Beseitigung des mit ihm verbundenen Rechtsschein mit der Berufung angefochten
werden (BAG, Urteil vom 23.03.2021 aaO.).
Infolge der fehlenden Verkündung
des „Urteils“ durch das Arbeitsgericht sei das Verfahren nach wie vor in erster
Instanz bei dem Arbeitsgericht anhängig und dort noch nicht abgeschlossen. Mit
der Berufung gegen dieses „Urteil“ könne der äußere Anschein einer wirksamen,
den ersten Rechtszug beendenden gerichtlichen Entscheidung beseitigt werden,
weshalb das LAG auf die Berufung der Beklagten das arbeitsgerichtliche „Teilurteil“
hätte aufheben und den Rechtstreit ausnahmsweise an das Arbeitsgericht
zurückverweisen müssen; eine eigene Sachentscheidung sei dem LAG verwehrt
gewesen (BAG, Urteil vom 23.03.2021 aaO.).
Vorliegend stünde auch § 68 ArbGG,
wonach ein Mangel im Verfahren eine Zurückverweisung an das Arbeitsgericht ausgeschlossen
sei (mit § 68 ArbGG würde die Möglichkeit nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO
bestehend Möglichkeit ausgeschlossen), nicht der Zurückverweisung an das
Arbeitsgericht entgegen. Ausnahmsweise käme dies allerdings in Betracht, wenn wie
hier ein Verfahrensfehler in der Berufungsinstanz nicht korrigiert werden könne,
da das Berufungsgericht die unterlassene Urteilsverkündung nicht selbst
vornehmen dürfe und selbst den Rechtsstreit zurückverweisen müsse.
BAG, Urteil vom 24.10.2024 -
2 AZR 260/23 -