Die Klägerin erwarb 2011 eine
Immobilie. In 2012 übertrug sie diese unentgeltlich auf ihre zwei Kinder zu je
50%, die am selben Tag die Immobilie an einen Dritten veräußerten: die
Verkaufsverhandlungen wurden ausschließlich von der Klägerin geführt. Der Erlös
aus dem Verkauf floss den Kindern der Klägerin zu je 50% zu. Da die für eine
steuerfreie Veräußerung der Immobilie durch die Klägerin noch nicht abgelaufen
war, besteuerte das Finanzamt den Gewinn zwischen dem Ankauf und dem Verkauf
nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG bei der Klägerin; es ging bei der kostenfreien
Übertragung auf deren Kinder von einem Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 Abs. 1
AO aus. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Revision führte zur
Stattgabe der Klage.
Nach Ansicht des BFH habe sich nicht
der Tatbestand des privaten Veräußerungsgeschäfts iSv. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
EStG verwirklicht; in der direkt) vor der Weiterveräußerung vorgenommenen schenkungsweisen
Übertragung der Immobilie auf ihre zwei Kinder läge kein Gestaltungsmissbrauch
der Klägerin iSv. § 42 Abs. 1 AO.
Mit der schenkungsweisen
Übertragung der Immobilie auf ihre Kinder habe die Klägerin keinen
Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG erzielt. Die nachfolgende
Veräußerung habe nicht sie, sondern hätten ihre Kinder vorgenommen, die auch
den Veräußerungserlös erhielten.
In dieser Vorgehensweise läge
auch kein Gestaltungsmissbrauch iSv. § 42 Abs. 1 AO. Die unentgeltliche
Übertragung eines Grundstücks innerhalb der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1
S. 1 Nr. 1 EStG unterfalle dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 S. 3 EStG und
stelle auch bei der zeitlichen Nähe keinen Gestaltungsmissbrauch dar. Nach § 42
Abs. 1 S.1 AO soll verhindert werden, dass das Steuergesetz nicht umgangen wird.
Läge ein solcher Fall vor, würde der Steueranspruch so entstehen, wie er bei
einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung
entstehen würde.
§ 23 Abs. 1 S. 3 StG sei eine
Regelung zur Verhinderung der Steuerumgehung und damit eine spezielle
Missbrauchsvorschrift iSv. § 42 Abs. 1 S. 2 AO. Danach soll für den Fall des
unentgeltlichen Erwerbs dem Einzelrechtsnachfolger für die Zwecke des § 23 EStG
die Anschaffung oder die Überführung des Wirtschaftsguts in dessen Privatvermögen
durch den Rechtsvorgänger zugerechnet werden. Vom Rechtsvorgänger verwirklichte
Besteuerungsmerkmale würden dem unentgeltlich erwerbenden Rechtsnachfolger
zugerechnet. Damit sei das private Veräußerungsgeschäft bei demjenigen zu
besteuern, der die Veräußerung vorgenommen und den Veräußerungserlös erhalten
habe. Die Regelung in § 23 Abs. 1 S. 3 EStG sei eine gesetzgeberische Reaktion
darauf gewesen, dass bis zu dessen Inkrafttreten nur bei Kauf und Verkauf eine
Besteuerung des Spekulationsgewinns erfolgen konnte, weshalb der BFH hier die
Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs für möglich erachtete (vgl. BFH, Urteil
vom 12.07.1988 - IX R 149/83 -). Dies sei vom Gesetzeber in § 23 Abs. 1 S. 3
EStG umgesetzt worden.
Vorliegend sei der Tatbestand des
§ 23 Abs. 1 S. 3 EStG erfüllt. Dies habe zur Folge, dass die Kinder der
Klägerin einen jeweils einen hälftigen Veräußerungserlös versteuern müssen.
Es lägen hier auch keine Umstände
vor, die im Einzelfall in der Gestaltung der Übertragung auf nahestehende
Personen und einem damit im Zusammenhang stehenden, von vornherein geplanten
Verkauf ausnahmsweise doch zur Anwendung des § 42 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AO(Gestaltungsmissbrauch)
führen könnten.
Voraussetzung wäre eine
unangemessene rechtliche Gestaltung, die bei dem Steuerpflichtigen zu einem
gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führe; dies greife dann nicht, wenn
der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist,
die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse erheblich seien.
Es sei hier bereits vom FG
getroffenen Feststellungen zur Schenkung sowie zur darauf erfolgten Veräußerung
ließen keine unangemessene Vereinbarung erkennen. Nach der Schenkung hätten die
Beschenkten uneingeschränkt über die Immobilie verfügen dürfen. Sie seien
insbesondere nicht vertrag gebunden gewesen, an den Erwerber zu veräußern, mit
dem ausschließlich die Klägerin die Verkaufsverhandlungen geführt habe. Die
Kinder seien auch nicht zur Abführung des Verkaufserlöses an die Klägerin
verpflichtet worden. Zudem sei durch die Veräußerung ein steuerbarer
Veräußerungsgewinn nicht vermieden worden, der jetzt bei den Kindern zu
erfassen sei.
Der BFH verkennt nicht, dass die
Gestaltung gleichwohl steuerliche Wirkungen zeigte. So dürfte der Steuersatz
bei den Kindern niedriger liegen und sich der auf sie jeweils entfallende
Betrag zu einer geringeren Progression als bei der Klägerin führen. Wenn die
Klägerin ihren Kindern Geld zuführen wollte und dies aus einer Veräußerung der
Immobilie entnehmen wollte, so wäre nach Abzug der Steuern der auf sie
entfallende Erlös geringer gewesen, als er jetzt ach der Gestaltung wohl war. Der
BFH verweist darauf, dass der bei den Kindern zu versteuernde
Veräußerungsgewinn niedriger besteuert würde als bei der Klägerin. Einem
Steuerpflichtigen sei es aber nicht verwehrt, die rechtlichen Verhältnisse so
zu gestalten, dass sich eine geringere steuerliche Belastung ergäbe. Das
Bestreben, Steuern zu sparen, mache für sich allein eine Gestaltung nicht
unangemessen iSv. § 42 Abs. 1 AO (z.B. BFH, Urteil vom 29.11.1982 - GrS 1/81
-). Der zulässige Steuervorteil ergäbe sich hier nur daraus, dass das Gesetz
die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks akzeptiere mit der Folge, dass
nicht der Schenker, sondern der Beschenkte nach dessen persönlichen Verhältnissen
den Veräußerungsgewinn versteuern müsse.
BFH, Urteil vom 23.04.2021 -
IX R 8/20 -