Die Klägerin war in einem Geschäftsbereich der Beklagten tätig, den diese verkaufte. Darüber und über den nach § 613a BGB damit einhergehenden Übergang des Arbeitsverhältnisses wurde die Klägerin (rechtzeitig) informiert. Die Klägerin widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte wies die Klägerin auf eine Vereinbarung mit der Übernehmerin hin, derzufolge im Falle eines entsprechenden Widerspruchs die bei der Erwerberin entstehenden Vakanz für 12 Monate im Wege der Arbeitnehmerüberlassung behoben werden sollte und bot der Klägerin an, zu ansonsten unveränderten Bedingungen für 12 Monate als Leiharbeitnehmerin für die Übernehmerin zu arbeiten. Das lehnte die Klägerin ab, worauf die Beklagte ihr mitteilte, sie werde die Gehaltszahlungen einstellen. Schließlich stellte die Beklagte die Gehaltsfortzahlung ein und kündigte.
Vorliegend interessiert nur die von der Klägerin im Folgenden gegen die Beklagte erhobene Klage auf Vergütung. Der BGH sah zwar einen Annahmeverzug der Beklagten, verwies aber darauf, dass sich die Klägerin sich den Wert dessen anrechnen lassen müsse, was zu erwerben sie böswillig unterlassen habe. Zu beachten ist, dass infolge eines Teilvergleichs der Parteien keine Feststellung getroffen wurde, ob der Übergang nach § 613a BGB begründet war, sondern ergibt sich daraus, dass der Vergütungsanspruch weiter bestand.
Da die Beklagte die Klägerin seit dem 01.08.2019 nicht mehr beschäftigte, habe sich die Beklagte seither in Annahmeverzug befunden (§§ 293ff BGB). Ein ausdrückliches Angebot der Klägerin, die Arbeit aufzunehmen, sei in Ansehung der deutlichen schriftlichen Bekundung der Beklagten entbehrlich gewesen, wonach sie die Leistungen der Klägerin nicht mehr annehmen werde. Allerdings verwies das BAG auf die Anrechnung nach § 615 S. 2 BGB.
Ein Arbeitnehmer unterlasse böswillig iSv. § 615 S. 2 BGB anderweitigen Verdienst, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden könne, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibe und eine ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnehme oder die Aufnahme bewusst verhindere. Eine Unzumutbarkeit für den Arbeitnehmer könne sich aus vielerlei Gründen ergeben, so in der Person des Arbeitgebers liegend, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen. Erforderlich sei eine Gesamtabwägung. Das schließe eine Beschäftigungsmöglichkeit bei dem in Verzug befindlichen Arbeitgeber nicht aus, wie auch eine Erwerbsmöglichkeit bei einem neuen Betriebsinhaber nicht ausgeschlossen sei, auch wenn der Arbeitnehmer dem Übergang widersprochen habe.
Das angebotene befristete Verhältnis von 12 Monaten sei an sich für die Klägerin zumutbar, da sich weder die Art der Tätigkeit, der Arbeitsort noch die Vergütung ändern sollten. Damit habe sie nicht in ein klassisches Leiharbeitsverhältnis wechseln müssen, sondern ihre Leistung nur gegenüber einem Dritten erbringen müssen. So habe die Klägerin auch keine Bedenken gegen die Person der Übernehmerin geltend gemacht. Ebenso wenig hindert das „doppelte Direktionsrecht“ (in der Person des bisherigen Arbeitgebers als auch in der Person des Übernehmers) die Annahme der Zumutbarkeit. Fehlerhaft sei die Annahme, aus § 615 S. 2 BGB könne ein Zuwarten des Arbeitnehmers auf ein zumutbares Angebot abgewartet werden. Vielmehr sei von der Klägerin zu erwarten gewesen, dass sie das Angebot der Beklagten zumindest unter Vorbehalt einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit annimmt; hier aber sei sie untätig geblieben. Bewerbungen auf freie Stellung wie auch eine Beschäftigungsklage hätte sie auch bei Annahme des Angebots der beklagten unter Vorbehalt vornehmen bzw. erheben können.
BAG, Urteil vom 19.05.2021 -
5 AZR 420/20 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Die
Revision der Klägerin und die Revision der Beklagten gegen das Urteil des
Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 12. August 2020 - 2 Sa
331/20 - werden zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass Zinsen aus
2.566,27 Euro erst seit dem 3. September 2019 und Zinsen aus
240,91 Euro erst seit dem 3. Dezember 2019 zu zahlen sind.
2. Von
den Kosten des Revisionsverfahrens haben die Klägerin 91 % und die
Beklagte 9 % zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien
streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs, Entgeltfortzahlung im
Krankheitsfall, Urlaubsentgelt sowie weiteres tarifliches Urlaubsgeld und
restliche tarifliche Jahresleistung.
Die Klägerin
ist seit 2008 bei der Beklagten, einem Unternehmen des E-Konzerns, als
kaufmännische Arbeitnehmerin für den Bereich Financial
Services - Accounts Receivable beschäftigt und hat zuletzt
- einschließlich einer Leistungszulage - 4.835,00 Euro brutto
monatlich verdient. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft
arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für die chemische Industrie
in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung.
Die Klägerin
war seit dem 1. Oktober 2018 einem sog. Methacrylat-Verbund zugeordnet,
den die Beklagte wegen der beabsichtigten Ausgliederung und Veräußerung
bestimmter Geschäftsgebiete nach Maßgabe einer Gesamtbetriebsvereinbarung vom
18. September 2018 gebildet hatte. Anfang März 2019 verkaufte die Beklagte
den Methacrylat-Verbund an einen Investor, wobei der abschließende Vollzug des
Kaufvertrags (sog. Closing) mit Ablauf des 31. Juli 2019 erfolgen sollte.
Mit Schreiben
vom 17. Mai 2019 unterrichtete die Beklagte die Klägerin über den
anstehenden Betriebsteilübergang und einen damit einhergehenden Übergang ihres
Arbeitsverhältnisses nach § 613a BGB. Die Klägerin widersprach dem
Übergang ihres Arbeitsverhältnisses. Daraufhin wies sie die Beklagte mit
Schreiben vom 15. Juli 2019 darauf hin, mit der Erwerberin des Methacrylat-Verbunds
sei vereinbart, dass im Falle eines Widerspruchs gegen den Betriebsübergang die
bei der Erwerberin entstehende Vakanz für einen Zeitraum von zwölf Monaten im
Wege der Arbeitnehmerüberlassung kompensiert werden soll. Sie bot daher der Klägerin
an, vom 1. August 2019 bis zum 31. Juli 2020 zu ansonsten
unveränderten Bedingungen mit ihrer bisherigen Tätigkeit als Leiharbeitnehmerin
bei der Erwerberin zu arbeiten. Das lehnte die Klägerin ab. Mit Schreiben vom
29. Juli 2019 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, sie wegen des
Teilbetriebsübergangs ab dem 1. August 2019 nicht mehr beschäftigen und
keinen Zugang zu den Betriebsstätten ermöglichen zu können. Weil sie das
Angebot einer zumutbaren und gleichwertigen Beschäftigung abgelehnt habe, werde
die Klägerin ab dem 1. August 2019 keine Gehaltszahlungen mehr erhalten.
Sollte sich ihre Einschätzung ändern, möge sie sich kurzfristig mit der
Beklagten in Verbindung setzen.
Vom
30. Juli bis zum 9. August 2019 war die Klägerin arbeitsunfähig krank,
anschließend nahm sie vom 12. bis zum 16. August 2019 einen von der
Beklagten gewährten Urlaub. Am 19. August 2019 erschien sie im Betrieb der
Beklagten, wurde jedoch von der für sie zuständigen HR-Managerin nach Hause
geschickt. Für die Zeit ab August 2019 stellte die Beklagte wie angekündigt die
Gehaltszahlung ein, von der tariflichen Jahresleistung zahlte sie anteilig
7/12, tarifliches Urlaubsgeld gewährte sie für 20 Urlaubstage.
Die Beklagte
kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29. August 2019 zum
31. Januar 2020. In dem von der Klägerin angestrengten
Kündigungsschutzverfahren schlossen die Parteien am 21. Januar 2020 einen
gerichtlichen Teilvergleich, in welchem sich die Beklagte ua. dazu
verpflichtete, die Klägerin „zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen
ab dem 1. Februar 2020 als Senior Referent Cost Accounting“ zu
beschäftigen.
Im Wege
mehrfacher Klageerweiterungen im Kündigungsschutzprozess hat die Klägerin
Vergütung für den Zeitraum August 2019 bis Januar 2020 verlangt. Sie hat
gemeint, nicht böswillig Zwischenverdienst unterlassen zu haben. Die angebotene
Tätigkeit als Leiharbeitnehmerin sei ihr nicht zumutbar gewesen. Neben der
Vergütung wegen Annahmeverzugs stünden ihr Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
für den Zeitraum ihrer Erkrankung und Urlaubsentgelt für den von der Beklagten
gewährten Urlaub im August 2019 zu. Ferner könne sie das tarifliche Urlaubsgeld
und die tarifliche Jahresleistung jeweils in voller Höhe beanspruchen.
Die Klägerin
hat sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu
verurteilen, an die Klägerin 31.323,86 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter Staffelung zu
zahlen.
Die Beklagte
hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Klägerin habe böswillig anderweitigen
Zwischenverdienst unterlassen. Mangels Arbeitswilligkeit könne sie auch keine
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und kein Urlaubsentgelt beanspruchen.
Das
Arbeitsgericht hat die Klage - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt
ist - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der
Klägerin dieser Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsentgelt und ein
weiteres Zwölftel der tariflichen Jahresleistung - insgesamt
2.807,18 Euro brutto nebst Zinsen - zugesprochen und im Übrigen die
Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision
hält die Klägerin an ihren weitergehenden Anträgen fest, während die Beklagte
mit ihrer Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen
beider Parteien haben in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist nur in dem vom
Landesarbeitsgericht ausgeurteilten Umfang begründet. Lediglich der Beginn der
Verzinsungspflicht ist wegen § 193 BGB zu korrigieren.
I. Die
Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs nach § 615
Satz 1 iVm. § 611a Abs. 2 BGB, weil sie sich nach § 615
Satz 2 BGB den Wert desjenigen anrechnen lassen muss, was zu erwerben sie
böswillig unterlassen hat. Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt.
1. Die
Beklagte hat die Klägerin ab dem 1. August 2019 nicht mehr beschäftigt und
befand sich daher im Streitzeitraum im Annahmeverzug (§§ 293 ff.
BGB). Ein Angebot der Arbeitsleistung war entbehrlich. Aufgrund des Schreibens
vom 29. Juli 2019 war offenkundig, dass die Beklagte die geschuldete
Leistung nicht (mehr) annehmen wollte und wegen des Teilbetriebsübergangs
- jedenfalls in der bisherigen Weise - auch gar nicht annehmen konnte
(zur Entbehrlichkeit des Angebots sh. etwa BAG 18. September 2019
- 5 AZR 240/18 - Rn. 19 mwN, BAGE 168, 25). Das hat
der spätere Verlauf bestätigt. Als die Klägerin nach Krankheit und Urlaub im
Betrieb erschien, wurde sie nach Hause geschickt. Insoweit streiten die
Parteien auch nur darüber, ob die Klägerin im Annahmeverzugszeitraum böswillig
anderweitigen Verdienst unterlassen hat.
2. Nach
§ 615 Satz 2 BGB muss sich der Arbeitnehmer den Wert desjenigen
anrechnen lassen, was zu erwerben er böswillig unterlässt, wobei die Anrechnung
bereits die Entstehung des Annahmeverzugsanspruchs hindert und nicht nur zu
einer Aufrechnungslage führt (st. Rspr., zuletzt BAG 23. Februar 2021
- 5 AZR 213/20 - Rn. 12 mwN).
a) Ein
Arbeitnehmer unterlässt böswillig iSd. § 615 Satz 2 BGB anderweitigen
Verdienst, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des
Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig
bleibt und eine ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zumutbare
anderweitige Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert
(st. Rspr., zuletzt BAG 23. Februar 2021 - 5 AZR 213/20 -
Rn. 14 mwN). Maßgebend sind dabei die gesamten Umstände des Einzelfalls.
Die Unzumutbarkeit der anderweitigen Arbeit kann sich unter verschiedenen
Gesichtspunkten ergeben, so kann sie etwa ihren Grund in der Person des
Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen haben.
Erforderlich für die Beurteilung der Böswilligkeit ist stets eine unter
Bewertung aller Umstände des konkreten Falls vorzunehmende Gesamtabwägung der
beiderseitigen Interessen. Dabei schließt die Beschäftigungsmöglichkeit bei dem
Arbeitgeber, der sich mit der Annahme der geschuldeten Dienste des
Arbeitnehmers in Verzug befindet, eine Anrechnung nicht grundsätzlich aus (BAG
17. November 2011 - 5 AZR 564/10 - Rn. 17 mwN,
BAGE 140, 42). Dasselbe gilt beim Betriebsübergang für eine
Erwerbsmöglichkeit beim neuen Betriebsinhaber, selbst wenn der Arbeitnehmer dem
Übergang seines Arbeitsverhältnisses wirksam widersprochen hat (vgl. BAG 19. März
1998 - 8 AZR 139/97 - zu II 2 a der Gründe,
BAGE 88, 196; MüKoBGB/Henssler 8. Aufl. BGB § 615 Rn. 85;
ErfK/Preis 21. Aufl. BGB § 615 Rn. 100;
Staudinger/Richardi/Fischinger [2019] BGB § 615 Rn. 178).
b) Bei
der Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe „Zumutbarkeit“ und
„Böswilligkeit“ kommt dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zu, der
vom Revisionsgericht nur beschränkt daraufhin überprüfbar ist, ob das
Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob bei der Unterordnung
des festgestellten Sachverhalts unter diesen Rechtsbegriff Denkgesetze oder
allgemeine Erfahrungssätze verletzt worden sind, bei der gebotenen
Interessenabwägung nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt wurden oder
das Ergebnis in sich widersprüchlich ist (BAG 22. März 2017 - 5 AZR
337/16 - Rn. 20; 7. November 2002 - 2 AZR
650/00 - zu B I 2 b aa der Gründe - jeweils mwN).
Dieser eingeschränkten Rechtskontrolle hält die angefochtene Entscheidung
stand. Das Landesarbeitsgericht geht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des
Senats von den zutreffenden Maßstäben aus und wendet sie rechtsfehlerfrei auf
den Streitfall an.
aa) Die
von der Beklagten angebotene, auf zwölf Monate befristete anderweitigen
Beschäftigung war als solche der Klägerin an sich zumutbar. Es sollten sich
weder die Art der Tätigkeit, noch der Arbeitsort, noch die von der Klägerin
bezogene Vergütung ändern. Sie hätte nicht vorübergehend in ein „klassisches“
Leiharbeitsverhältnis wechseln müssen, sondern lediglich ihre bisherige
Arbeitsleistung zu den bisherigen Konditionen für einen Dritten erbringen
müssen. Dabei wäre sie zwar, soweit es die Erbringung der Arbeitsleistung
betrifft, (auch) dessen Direktionsrecht unterworfen gewesen. Die Klägerin hat
aber keine Bedenken gegen die Person der Erwerberin geltend gemacht. Es ist
nicht ersichtlich, welche konkreten und unzumutbaren Nachteile mit dem
„gespaltenen Direktionsrecht“ für die Klägerin verbunden gewesen wären. Soweit
ihre Revision in diesem Zusammenhang „vertragsrechtliche Umstände“ bemüht,
verkennt sie, dass § 615 Satz 2 BGB nicht Rechte und Pflichten aus
dem Arbeitsvertrag regelt, sondern die nach anderen Maßstäben zu beurteilende
Obliegenheit, aus Rücksichtnahme gegenüber dem Arbeitgeber einen zumutbaren
Zwischenverdienst zu erzielen.
bb) Ohne
revisible Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht eine Unzumutbarkeit der
angebotenen anderweitigen Beschäftigung aus betriebsverfassungsrechtlichen
Gründen verneint. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten sollte
zum Zeitpunkt des Angebots vorübergehender anderweitiger Beschäftigung nicht
beendet werden, sie hätte dem Betrieb der Beklagten weiterhin angehört. Auch
ihre Revision zeigt nicht auf, welche konkreten und unzumutbaren
„betriebsverfassungsrechtlichen Nachteile“ der Klägerin bei der auf zwölf Monate
befristeten Ausübung ihrer bisherigen Tätigkeit bei der Erwerberin entstanden
wären.
cc) Die
Unzumutbarkeit der angebotenen Tätigkeit würde im Streitfall auch dann nicht
anzunehmen sein, wenn der Beklagten - entgegen ihrem
Tatsachenvortrag - die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gefehlt
hätte.
Die Klägerin
hat zwar das behauptete Vorliegen einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung,
die die Beklagte in Kopie zur Akte gereicht hat, im Prozess mit Nichtwissen
bestritten. Sie hat sich aber weder zum maßgeblichen Zeitpunkt des Angebots der
Beklagten noch im Verlauf des Verfahrens darauf berufen, die angebotene
anderweitige Beschäftigung sei ihr gerade wegen der fehlenden Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung unzumutbar gewesen (zu einem solchen Erfordernis bei
fehlender Mitbestimmung des Betriebsrats zur angebotenen anderweitigen
Beschäftigung sh. BAG 23. Februar 2021 - 5 AZR 213/20 -
Rn. 16).
Außerdem hätte
sie keine Nachteile erleiden können. Denn selbst wenn für den vorgesehenen
Zeitraum von zwölf Monaten entsprechend § 10 Abs. 1 AÜG ein
befristetes Arbeitsverhältnis mit der Entleiherin begründet worden wäre, hätte
dies nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Arbeitsvertrags geführt und damit den
Fortbestand ihres (Dauer-)Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten nicht berührt
(vgl. dazu im Einzelnen Schüren in Schüren/Hamann AÜG 5. Aufl. § 9
Rn. 47 ff. mwN). Zumindest hätte die Klägerin - hielte man dies
für erforderlich - eine Festhaltenserklärung abgeben können, § 9 Abs. 1
Nr. 1 Halbsatz 2 AÜG.
dd) Ob
die Klägerin, wie sie meint, schon ab August 2019 mit der im Prozessvergleich
ab Februar 2020 vereinbarten Tätigkeit hätte betraut werden können, ist
unbeachtlich. Denn § 615 Satz 2 BGB betrifft nicht den
arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch, sondern die Obliegenheit, aus
Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) vorübergehend eine nicht
vertragsgerechte Arbeit zu verrichten und dadurch einen zumutbaren
anderweitigen Verdienst zu erzielen (vgl. BAG 23. Februar 2021
- 5 AZR 213/20 - Rn. 17).
Im Übrigen kann
aus § 615 Satz 2 BGB nicht abgeleitet werden, der Arbeitnehmer dürfe
auf jeden Fall ein zumutbares Angebot abwarten (so zum inhaltsgleichen
§ 11 Nr. 2 KSchG BAG 22. März 2017 - 5 AZR
337/16 - Rn. 27). Von der Klägerin hätte deshalb erwartet werden
können, dass sie das Angebot der Beklagten zumindest unter dem Vorbehalt einer
anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit annimmt. Sie ist in dieser Hinsicht
jedoch untätig geblieben, hat sich nicht auf zum damaligen Zeitpunkt im
Intranet der Beklagten ausgeschriebene Stellen beworben, sondern lediglich im
späteren Kündigungsschutzprozess ihre unveränderte Weiterbeschäftigung
beantragt. Bewerbungen auf ausgeschriebene freie Stellen oder eine
Beschäftigungsklage hätte sie aber auch bei Annahme des Angebots der Beklagten
unter Vorbehalt in Angriff nehmen können.
ee) Auch
die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das Unterlassen von Zwischenverdienst
sei der Klägerin vorwerfbar, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie
kannte die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit und deren Konditionen und ist
vorsätzlich untätig geblieben.
II. Die
Klägerin hat für die Zeit vom 1. bis zum 9. August 2019 Anspruch auf
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in der vom Landesarbeitsgericht
ausgeurteilten Höhe von 1.450,50 Euro brutto, § 3 Abs. 1
Satz 1, § 4 Abs. 1 EFZG.
1. Dass
die Klägerin in diesem Zeitraum tatsächlich arbeitsunfähig krank war, stellt
die Beklagte nicht in Abrede. Entgegen ihrer Auffassung scheitert der Anspruch
nicht an dem Grundsatz der Monokausalität. Danach besteht ein Anspruch auf
Entgeltfortzahlung grundsätzlich nur, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige
Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist, der erkrankte Arbeitnehmer
also ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte
(st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 23. Februar 2021 - 5 AZR
304/20 - Rn. 23 mwN). Zwar hätte die Klägerin, wäre sie nicht infolge
Krankheit arbeitsunfähig gewesen, wegen § 615 Satz 2 BGB keinen
Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs gehabt. Diese hypothetische
Betrachtungsweise greift jedoch zu kurz. Ist der Arbeitnehmer arbeitsunfähig
krank, trifft ihn für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit keine Obliegenheit zur
anderweitigen Arbeit (BAG 24. März 2004 - 5 AZR 355/03 - zu
I 3 a der Gründe; Schaub ArbR-HdB/Linck 18. Aufl. § 98 Rn. 22;
im Ergebnis ebenso MüKoBGB/Müller-Glöge 8. Aufl. EFZG § 3 Rn. 19;
ErfK/Reinhard 21. Aufl. EFZG § 3 Rn. 21) mit der Folge, dass in
dieser Zeit ein böswilliges Unterlassen anderweiten Erwerbs iSv. § 615
Satz 2 BGB grundsätzlich ausscheidet und § 3 Abs. 1, § 4
Abs. 1 EFZG dem Arbeitnehmer den arbeitsvertraglichen Vergütungsanspruch
aufrechterhalten.
2. Der
Ausfall der Arbeit beruht auch nicht auf einem fehlenden Leistungswillen. Es
bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Klägerin wäre - die Arbeitsunfähigkeit
hinweggedacht - nicht willens gewesen, die arbeitsvertraglich geschuldete
Leistung bei der Beklagten zu erbringen. Dass ihr Arbeitsplatz bei der
Beklagten nicht mehr vorhanden, sondern durch Betriebsübergang auf den Erwerber
übergegangen ist, und sie eine Beschäftigung bei diesem ablehnte, steht dem
nicht entgegen (vgl. BAG 24. März 2004 - 5 AZR 355/03 -
zu I 3 a der Gründe).
3. Die
Höhe der der Klägerin vom Landesarbeitsgericht zugesprochen Entgeltfortzahlung
ist nicht zu beanstanden. Das Gesetz regelt - anders als im
Ausbildungsverhältnis, § 18 Abs. 1 Satz 2 BBiG - nicht, wie
die Höhe des Vergütungsanspruchs zu errechnen ist, wenn das vertragliche
Entgelt nach Monaten bemessen, aber ein Kalendermonat lediglich anteilig zu
vergüten ist. In diesem Falle ist für eine pauschalierende Betrachtungsweise
die Grundlage von 30 Tagen monatlich statthaft (BAG 16. Mai 2012
- 5 AZR 251/11 - Rn. 22 - 24, BAGE 141, 340;
19. Februar 2014 - 5 AZR 700/12 - Rn. 48). Insoweit
hat die Revision der Beklagten auch keine Angriffe erhoben.
III. Die
Klägerin hat Anspruch auf Urlaubsentgelt für den ihr nach den nicht
angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Zeitraum vom 12. bis
zum 16. August 2019 von der Beklagten erteilten Urlaub, § 1 BUrlG
iVm. § 611a Abs. 2 BGB.
1. Dem
Anspruch auf Urlaubsentgelt steht, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht
angenommen hat, § 615 Satz 2 BGB nicht entgegen. Während des Urlaubs
scheidet nicht nur eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes aus (BAG
23. Februar 2021 - 5 AZR 314/20 - Rn. 25; 17. Oktober
2012 - 10 AZR 809/11 - Rn. 36, BAGE 143, 203;
25. Februar 1988 - 8 AZR 596/85 - zu I 3 der
Gründe, BAGE 57, 366), es besteht auch keine Obliegenheit des
Arbeitnehmers, im Urlaub anderweitigen Verdienst zu erzielen. Einer solchen
stünde das Verbot der Erwerbstätigkeit während des Urlaubs nach § 8 BUrlG
entgegen. Außerdem ist ausschließlich das anzurechnen, was der Arbeitnehmer
durch anderweitige Verwendung desjenigen Teils seiner Arbeitskraft hätte
erwerben können, den er dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen verpflichtet
war (BAG 22. März 2017 - 5 AZR 337/16 - Rn. 33 mwN).
Während eines genehmigten Urlaubs ist der Arbeitnehmer aber nicht verpflichtet,
dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen.
2. Die
Höhe des Urlaubsentgelts hat das Landesarbeitsgericht gemäß § 11
Abs. 1 Satz 1 BUrlG mit 1.115,77 Euro brutto zutreffend
berechnet. Insoweit hat die Revision der Beklagten auch keine Angriffe erhoben.
IV. Die
Klägerin hat nur - wie vom Landesarbeitsgericht ausgeurteilt -
Anspruch auf ein weiteres Zwölftel der tariflichen Jahresleistung.
1. Nach
§ 5 Tarifvertrag über Einmalzahlungen und Altersvorsorge idF vom
20. September 2018 (TVEA), der nach den nicht angegriffenen Feststellungen
des Landesarbeitsgerichts auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar ist,
beträgt die volle Jahresleistung 95 % eines monatlichen Tarifentgelts. In
den dem Eintrittsjahr nachfolgenden Kalenderjahren besteht ein Anspruch in Höhe
von einem Zwölftel der Jahresleistung für jeden Kalendermonat, in dem der Berechtigte
für mindestens zwölf Arbeitstage Anspruch auf Entgelt, Ausbildungsvergütung
oder Entgeltfortzahlung hat, § 5 Nr. 3 TVEA. Danach steht der
Klägerin ein weiteres Zwölftel der tariflichen Jahresleistung zu, denn sie hat
im August 2019 für mindestens zwölf Arbeitstage Anspruch auf (Urlaubs-)Entgelt
bzw. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle. Dagegen kann sie die volle
tarifliche Jahresleistung nicht beanspruchen, weil sie in den Monaten September
bis Dezember 2019 wegen § 615 Satz 2 BGB nicht für mindestens zwölf
Arbeitstage Anspruch auf Entgelt oder Entgeltfortzahlung hat.
2.
Entgegen der Auffassung der Revision der Klägerin ist die vom
Landesarbeitsgericht berechnete Höhe der anteiligen Jahresleistung korrekt. Die
volle Jahresleistung beträgt nach § 5 TVEA nicht 95 % des monatlichen
Bruttoentgelts, sondern nach dem ausdrücklichen Tarifwortlaut 95 % „eines
monatlichen Tarifentgelts“. Dieses betrug im Streitzeitraum in der
Entgeltgruppe EG 10 4.611,00 Euro brutto. Für eine von der tariflichen Regelung
abweichende günstigere betriebliche Übung fehlt es an ausreichendem Sachvortrag
der Klägerin. Insbesondere sind keine Anhaltspunkte für ein Verhalten der
Beklagten dargetan, das aus Sicht der Belegschaft die Annahme rechtfertigen
würde, die Beklagte wolle abweichend von der tariflichen Verpflichtung die
tarifliche Jahresleistung auf Dauer günstiger bemessen als tariflich vorgesehen
(zu den Voraussetzungen einer betrieblichen Übung im Einzelnen sh. BAG
19. Februar 2020 - 5 AZR 189/18 - Rn. 15 mwN).
V. Die
Klägerin hat keinen Anspruch auf weiteres tarifliches Urlaubsgeld.
1. Nach
§ 10 TVEA erhalten Arbeitnehmer neben dem Urlaubsentgelt für jeden
tariflichen Urlaubstag ein Urlaubsgeld von 40,00 Euro, dessen Auszahlung
gemäß § 11 TVEA in zeitlichem Zusammenhang mit tatsächlich gewährtem
Urlaub stehen muss. Der Anspruch auf tarifliches Urlaubsgeld entsteht damit
- wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat - nur für
tatsächlich genommen Urlaub. Die Klägerin hat jedoch nicht behauptet, im Urlaubsjahr
2019 mehr Urlaub als die 20 Tage, für die die Beklagte unstreitig
Urlaubsgeld gezahlt hat, genommen zu haben.
2.
Soweit die Revision der Klägerin die Forderung nach restlichem Urlaubsgeld auf
Schadensersatz stützen will, fehlt es schon an jeglichem Sachvortrag zum
Eintritt eines Schadens. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass und aus
welchen Gründen die Klägerin trotz Fortbestand des Arbeitsverhältnisses den
restlichen Urlaub aus dem Jahr 2019 in der Folgezeit trotz der
Mitwirkungsobliegenheiten der Beklagten (vgl. dazu etwa BAG 29. September
2020 - 9 AZR 266/20 (A) - Rn. 19 mwN) nicht (mehr)
nehmen konnte.
VI. Für
die zugesprochenen Forderungen schuldet die Beklagte nach § 288
Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB Verzugszinsen, die der
Klägerin gemäß § 187 Abs. 1 BGB ab dem Tag nach Eintritt der
Fälligkeit zustehen (vgl. BAG 19. Mai 2015 - 3 AZR 891/13 -
Rn. 45 mwN). Das Entgelt ist gemäß § 4 Nr. 1
Bundesentgelttarifvertrag für die chemische Industrie idF vom
20. September 2018 zum Monatsende fällig, die tarifliche Jahresleistung
nach § 6 Nr. 1 TVEA bis spätestens 30. November des jeweiligen
Kalenderjahres. Wegen § 193 BGB verschiebt sich der Beginn der Verzinsung
entsprechend der in den Tenor aufgenommenen Maßgabe.
VII. Die
Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 iVm. § 92 Abs. 1
ZPO.
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