Die Klägerin stürzte auf einer Treppe im Bereich des Zugangs zum Wattenmeer und machte Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gegen die Beklagte geltend. Die Klage wurde abgewiesen, die Berufung dagegen zurückgewiesen.
Grundlegend verwies das OLG darauf, dass der Verkehrssicherungspflichtige nicht allen denkbaren Gefahren vorbeugen müsse, sondern nur insoweit, als ein übliches Risiko der Anlagennutzung überschritten würde und dies für einen Nutzer nicht ohne weiteres erkennbar sei.
Treppenstufen würden an Badestellen am Wattenmeer aus Beton errichtet. Wegen ihrer Lage in der Gezeitenzone könnten diese Stufen durch Ablagerungen innerhalb einer Tide (einer Gezeit) rutschig werden. Daher seien an den Treppen idR. auch Handläufe (wie vorliegend). Für die Nutzer der Badestellen sei offenkundig, dass mit den Gefahren eines Meeresstrandes (Sturzgefahren durch Schlick, Schafskot, Treibgut, Meerestiere, Wellen und Strömungen) zu rechnen sei. Eine eigenverantwortliche Begegnung sei möglich, indem die Treppen vorsichtig benutzt würden.
Auch Angriffe gegen das Betonmaterial der Stufen wies das OLG zurück. Es verwies auf ein erstinstanzlich eingeholtes Sachverständigengutachten. Welches darauf verwiesen habe, dass es für derartige Stufen keine öffentlich-rechtliche Normen oder Regelwerke gäbe. Die Allgemeinen Unfallverhütungsvorschriften kämen hier nicht zum Tragen, da diese nur auf Arbeitsräume, Arbeitsbereiche und betriebliche Verkehrswege anwendbar seien. Ein Vergleich mit Nass- und Barfußbereichen in Bädern, Krankenhäusern oder Umkleide-, Wasch- und Duschräumen von Sport oder Arbeitsstätten sei schon im Hinblick auf die unterschiedlichen Verhältnisse auszuschließen. Nach dem Gutachten läge grundsätzlich bei dem verwandten Material auch eine Unterwasser-Rutschfestigkeit vor.
Als entscheidend wurde mithin vom OLG angesehen, dass vom Grundsatz das Material der Stufen auch Rutschfest war. Lediglich durch die örtlichen Besonderheiten infolge der Gezeiten käme es zu Rutschgefahren, die aber für den Nutzer erkennbar seien.
Schleswig-Holsteinisches OLG, Hinweisbeschluss vom 02.06.2021 - 11 U 31/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Der Senat
beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts gemäß
§ 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung
ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache
auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts
noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung
über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu
besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses
Beschlusses.
Gründe
Die Berufung
der Klägerin ist offensichtlich unbegründet.
Das Landgericht
hat die Haftung der Beklagten wegen der Verletzung von
Verkehrssicherungspflichten nach § 823 Abs. 1 BGB verneint, weil es
nicht feststellen konnte, dass die Beklagte für Treppenstufen im Bereich des
Zugangs zum Watt unzureichend rutschhemmendes und deshalb ungeeignetes Material
ausgewählt hat. Das Landgericht konnte damit schon keinen objektiven
Pflichtenverstoß feststellen. Der Senat ist an diese Feststellung des
Landgerichts gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, denn es
fehlen konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit
dieser Feststellungen. Auch die Berufung zeigt keine solchen Anhaltspunkte auf.
1.
Wie das
Landgericht zutreffend ausgeführt hat, muss die Verkehrssicherungspflichtige
nicht allen denkbaren Gefahren vorbeugen, sondern es kann Schutz nur vor
solchen Gefahren verlangt werden, die über das übliche Risiko bei der
Anlagenbenutzung hinausgehen und vom Benutzer nicht vorhersehbar und nicht ohne
weiteres erkennbar sind. Dass an Badestellen am Wattenmeer Treppen mit
Betonstufen errichtet werden, ist üblich. Dies ist den Mitgliedern des Senats
bekannt. Wegen ihrer Lage in der Gezeitenzone können diese Stufen üblicherweise
durch Ablagerungen von Schwebstoffen schon innerhalb einer einzigen Tide
rutschig werden. Aus diesem Grund sind diese Treppen im Regelfall während der
Badesaison -wie auch hier- mit Handläufen versehen. Für die Nutzer der
Badestellen ist offenkundig, dass mit typischen Gefahren des Meeresstrandes,
also Sturzgefahr durch Schlick, Schafskot, Treibgut, Meerestiere, Wellen und
Strömungen zu rechnen ist. Diesen Gefahren können die Nutzer
eigenverantwortlich begegnen, indem sie die Treppen vorsichtig benutzen und
sich am Handlauf festhalten. Über die Errichtung eines Handlaufs und die
Verwendung geeigneten Betonmaterials hinaus sind deshalb keine zusätzlichen Sicherungen
gegen das Ausrutschen angezeigt.
Dass das
Betonmaterial der Stufen für deren Einsatzgebiet geeignet war, hat das
Landgericht festgestellt, ohne dass an dieser Feststellung Zweifel bestehen.
Das Landgericht hat ein Sachverständigengutachten zu der Eignung der
Materialien für die Treppenanlage eingeholt. Es ist auf der Grundlage dieses
Sachverständigengutachtens zum Ergebnis gekommen, dass für derartige Treppen
keine öffentlich-rechtlichen Normen oder Regelwerke bestehen, die bestimmte
rutschhemmende Werte vorschreiben. Die einschlägigen Unfallverhütungsregeln
fänden lediglich Anwendung auf Arbeitsräume, Arbeitsbereiche und betriebliche
Verkehrswege, ebenso wenig handele es sich um Nass- und Barfußbereiche in
Bädern, Krankenhäusern oder Umkleide-, Wasch- und Duschräumen von Sport- und
Arbeitsstätten. Aufgrund der vom Sachverständigen herangezogenen Messergebnisse
der Prüfungen der Betonteile sei der Sachverständige zum Ergebnis gekommen,
dass die Rutschfestigkeit des Bodenbelags auch zum Begehen unter Wasser
ausreiche.
Der Einwand der
Klägerin, dass die berufsgenossenschaftlichen Richtlinien sowie die Regelungen
der Gemeindeunfallversicherung für Bodenbeläge doch anwendbar seien, trifft
nach dem in diesem Punkt überzeugenden Sachverständigengutachten nicht zu. Der
Sachverständige hat die betreffende Nachfrage der Klägerin in seinem
Ergänzungsgutachten beantwortet. Auch für den Senat liegt es auf der Hand, dass
Regelungen, die Bodenbeläge in Barfußbereichen in Bädern, Krankenhäusern oder
Umkleide-, Wasch- und Duschräumen von Sport und Arbeitsstätten betreffen, nicht
für außendeichs gelegene Treppenanlagen im Watt gelten, die dem dauerhaften
Einfluss der Gezeiten, starkem Wellenschlag, Eisgang, Frost und
Schlickablagerungen ausgesetzt sind.
2.
Selbst wenn für
die Betonstufen ungeeignetes Material verwendet worden wäre, fehlt nach dem
übereinstimmenden Parteivorbringen für die deliktische Haftung der Beklagten
auch eine weitere Voraussetzung: Die Beklagte hat nicht fahrlässig gehandelt.
Denn sie hat die Planung der Anlage einer Fachplanerin übertragen. Sie konnte
sich deshalb darauf verlassen, dass die technischen Regeln und Anforderungen an
eine Badetreppe in der Gezeitenzone durch die Fachplanung und das
bauausführende Unternehmen beachtet würden. Der soweit bestehende
Anscheinsbeweis für die Verletzung der inneren Sorgfaltspflicht bei einem
objektiven Pflichtenverstoß ist dadurch erschüttert. Etwas anderes würde nur
dann gelten, wenn die Planung der Treppenanlage auch für die Beklagte erkennbar
fehlerhaft gewesen wäre. Dies ist aber nicht ersichtlich. Vielmehr entspricht
die Anlage nach ihrem Erscheinungsbild auf den Fotos im
Sachverständigengutachten der dem Senat bekannten üblichen Gestaltung
derartiger Badetreppen. Selbst der im vorliegenden Rechtsstreit beauftragte
Sachverständige konnte keine fehlerhafte Ausführung erkennen. Anhaltspunkte für
eine Fehlplanung oder fehlerhafte Ausführung hatte die Beklagte dann erst recht
nicht.
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