Die Verfügungsbeklagte betrieb eine Internetplattform, auf der der Verfügungskläger das Video „P…“ hochgeladen hatte. Nachdem die Verfügungsbeklagte dieses entfernte, erwirkte der Verfügungskläger im Rahmen einer einstweiligen Verfügung ein Urteil, in dem der Verfügungsbeklagten bei einem Ordnungsgeld von bis zu € 25.000,00, ersatzweise Ordnungshaft von sechs Monaten) untersagt wurde, das Video zu entfernen. Nachdem die Verfügungsbeklagte gleichwohl das Video nicht nach Erlass des Urteils und seiner Zustellung (23.04.2021) wieder einstellte wieder einstellte, sondern erst am 14.05.2021, beantragte der Verfügungskläger wegen der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen die Verfügungsbeklagte von nicht unter € 25.000,00
Das LG Chemnitz setzte ein Ordnungsgeld in Höhe von € 1.000,00 fest. Der Verfügungskläger legte gegen den entsprechenden Beschluss sofortige Beschwerde ein, mit der er den ursprünglichen Antrag weiterverfolgte. Das Landgericht half der Beschwerde nicht ab und legte den Vorgang dem OLG vor. Die Beschwerde hatte dort Erfolg.
Das OLG hielt fest, dass – wie auch vom Landgericht angenommen – die Voraussetzungen für den Erlass eines Ordnungsmittelbeschlusses nach § 890 ZPO vorlägen, da die Verfügungsbeklagte, wie von ihr auch nicht in Abrede gestellt, gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen. Allerdings sei das Ordnungsgeld auf € 100.000,00 zu erhöhen.
Zur Höhe wies das OLG darauf hin, dass das Ordnungsmittel nach seinem Zweck zu bemessen sei. Dem Ordnungsmittel des § 890 ZPO käme eine doppelte Zweckrichtung zu, nämlich als zivilrechtliche Beugemaßnahme würde es präventiv der Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen dienen und zudem repressiv eine strafähnliche Funktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots darstellen. Daher sei es geboten, die Bemessung in erster Linie mit Blick auf den Schuldner und dessen Verhalten vorzunehmen. Nicht nur Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlug und die Gefährlichkeit der begangenen und möglichen künftigen Zuwiderhandlungen für den Verletzten seien zu berücksichtigen, sondern es solle bewirkt werden, dass die Titelverletzung aus wirtschaftlicher Sicht des Schuldners nicht lohnend erscheine. Die Höhe des Streitwertes des Ausgangsverfahrens habe keine maßgebliche Aussagekraft.
Die Verfügungsbeklagte habe bereits mit Erlass des Urteils die Verbotsverfügung zu beachten gehabt. Entgegen der Darstellung der Verfügungsbeklagten sei die Verzögerung nicht auf technische Gründe zurückzuführen, sondern darauf, dass sie in dem Video einen Verstoß gegen ihre „Richtlinie zu medizinischen Fehlinformationen über Covid-19“ gesehen habe und deshalb „die jeweiligen Konsequenzen der Entscheidung des OLG Dresden und ihre Möglichkeiten sorgfältig abwägen“ wollte. Eine derartige Abwägung sei aber in Ansehung des titulierten Anspruchs weder veranlasst noch geboten gewesen, was sich – zumal bei der vorliegenden anwaltlichen Beratung der Verfügungsbeklagten – von selbst erschließe. Es läge daher hier ein vorsätzlicher und in Ansehung der Zeitdauer schwerer Verstoß gegen die Unterlassungsverfügung vor, der auch im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Verfügungsbeklagten ein deutlich höheres Ordnungsgeld, als vom Landgericht angenommen, rechtfertige. Nur da es sich um einen Erstverstoß handele, habe der Senat des OLG davon abgesehen, den Höchstbetrag für das Ordnungsgeld zu verhängen.
OLG Dresden, Beschluss vom 29.06.2021 - 4 W 396/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Auf die
sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers wird der Beschluss des Landgerichts
Chemnitz - 2. Zivilkammer - vom 01. Juni 2021 abgeändert und wie folgt neu
gefasst:
Gegen die
Verfügungsbeklagte wird wegen schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung
aus der einstweiligen Verfügung mit Senatsurteil vom 20. April 2021 (dort
Ziffer 1.) - Az.: 4 W 118/21 - ein Ordnungsgeld in Höhe von 100.000,00 €
festgesetzt sowie ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben
werden kann, für je 20.000,00 € ein Tag Ordnungshaft, welche an den
Geschäftsführern der Verfügungsbeklagten E. C. bzw. N. L. zu vollziehen ist,
verhängt.
2. Die
Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.
Gründe
I.
Mit Senatsurteil
vom 20. April 2021 (Az.: 4 W 118/21) wurde die Verfügungsbeklagte im Wege der
einstweiligen Verfügung verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für
jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzendes Ordnungsgeldes und für den Fall,
dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder eine
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens
250.000,00 €; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu unterlassen, das
von dem Verfügungskläger auf der Plattform der Verfügungsbeklagten unter
https://www.xxx hochgeladene Video mit dem Titel „P. …“ von der Plattform der
Verfügungsbeklagten zu entfernen und/oder den Verfügungskläger wegen des
Hochladens des vorstehend genannten Videos mit einer Verwarnung zu versehen.
Das vorgenannte
Urteil wurde der Verfügungsbeklagten im Parteibetrieb unter dem 23. April 2021
zugestellt.
Mit Schriftsatz
seines Prozessbevollmächtigten vom 30. April 2021 hat der Verfügungskläger
wegen Zuwiderhandlung gegen die titulierte Unterlassungsverfügung die
Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen die Verfügungsbeklagte von nicht unter
25.000,00 € beantragt.
Mit Beschluss
vom 01. Juni 2021 hat das Landgericht Chemnitz gegen die Verfügungsbeklagte
wegen Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1. des Senatsurteils vom 20. April
2021 angeordnete Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld in Höhe von
1.000,00 € festgesetzt. Der Beschluss wurde dem Verfügungskläger am 07. Juni
2021 zugestellt. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom selben Tage
hat der Verfügungskläger gegen den Beschluss des Landgerichts sofortige
Beschwerde eingelegt und beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen
Beschlusses ein Ordnungsgeld nicht unter 25.000,00 € festzusetzen sowie
ersatzweise an den Geschäftsführern der Verfügungsbeklagten zu vollziehende
Ordnungshaft zu verhängen. Wegen der Beschwerdebegründung wird auf den
vorgenannten Schriftsatz verwiesen.
Mit Beschluss
vom 09. Juni 2021 hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht
abgeholfen, sondern diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die zulässige
Beschwerde (§§ 793, 569 Abs. 1 ZPO) hat in der Sache Erfolg.
Die
Voraussetzungen für den Erlass eines Ordnungsmittelbeschlusses nach § 890
ZPO liegen vor. Die Verfügungsbeklagte hat - was sie selbst auch nicht in
Abrede stellt - gegen die Unterlassungsverpflichtung aus dem Senatsurteil vom
20. April 2021 zuwidergehandelt. Allerdings ist das vom Landgericht
festgesetzte Ordnungsgeld auf 100.000,00 € zu erhöhen.
Ordnungsmittel
sind im Hinblick auf ihren Zweck zu bemessen. Die Ordnungsmittel des § 890
ZPO haben einen doppelten Zweck. Als zivilrechtliche Beugemaßnahme dienen sie -
präventiv - der Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen. Daneben stellen sie -
repressiv - eine strafähnliche Funktion für die Übertretung des gerichtlichen
Verbotes dar. Dieser doppelte Zweck erfordert es, die Bemessung der
Ordnungsmittel jedenfalls in erster Linie mit Blick auf den Schuldner und
dessen Verhalten vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Umfang
und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus
der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher
künftiger Verletzungshandlungen für den Verletzten (vgl. zu Vorstehendem nur:
BGH, Beschluss vom 08. Dezember 2016, Az.: I ZB 118/15 - juris; BGH, Urteil vom
30. September 1993, Az.: I ZR 54/91 - juris); daneben soll die Bemessung
bewirken, dass - wiederum aus Schuldnersicht - die Titelverletzung
wirtschaftlich nicht lohnend erscheint, so dass weitere Zuwiderhandlungen auch
deshalb unterbleiben (vgl. BGH, a.a.O.). Die Höhe des Streitwertes des
Ausgangsverfahrens hat dagegen neben den vorgenannten, für die Höhe des
Ordnungsgeldes maßgeblichen Bemessungsfaktoren keine unmittelbare Aussagekraft
(vgl. BGH, a.a.O.).
Die dargestellten
Maßstäbe für die Bemessung eines Ordnungsgeldes sind vom Landgericht in der
angefochtenen Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die
Verfügungsbeklagte hatte die durch Urteil erlassene Verbotsverfügung bereits
mit ihrer Verkündung zu beachten. Darüber hinaus ist ihr diese im Parteibetrieb
bereits am 23. April 2021 zugestellt worden. Dennoch war das
streitgegenständliche Video nach ihrem eigenen Vorbringen erst am 14. Mai 2021
wieder im xxx-Kanal des Verfügungsklägers abrufbar und hat sie erst zu dem
vorgenannten Zeitpunkt die ihm gegenüber ausgesprochene Verwarnung
zurückgenommen. Die verzögerte Umsetzung der Unterlassungsverfügung ist nach
ihrer eigenen Darstellung auch nicht, wie jedoch vom Landgericht in der
angefochtenen Entscheidung unzutreffend angeführt, aus technischen Gründen erst
am 14. Mai 2021 erfolgt, sondern weil sie in dem streitgegenständlichen Video -
anders als in der Senatsentscheidung vom 20. April 2021 im Einzelnen dargelegt
- einen Verstoß gegen ihre „Richtlinie zu medizinischen Fehlinformationen über
Covid-19“ gesehen hat und deshalb „die jeweiligen Konsequenzen der Entscheidung
des OLG Dresden und ihre Möglichkeiten sorgfältig abwägen“ wollte bevor sie
„das Videomaterial für den Abruf durch Dritte wieder bei xxx einstellte“. Dass
eine solche Abwägung vor dem Hintergrund der Senatsentscheidung jedoch weder
veranlasst noch geboten war, erschließt sich, zumal die Verfügungsbeklagte
anwaltlich beraten war, von selbst. Vor dem Hintergrund ist in der
Zuwiderhandlung ein vorsätzlicher und - aufgrund der Zeitdauer - auch schwerer
Verstoß seitens der Verfügungsbeklagten gegen die Unterlassungsverfügung zu
sehen, der - auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der
Verfügungsbeklagten - die Verhängung eines deutlich höheren Ordnungsgeldes als
vom Landgericht angenommen rechtfertigt. Nachdem es sich jedoch auf der anderen
Seite um den Erstverstoß seitens der Verfügungsbeklagten handelt, hat der Senat
davon abgesehen, das Ordnungsgeld auf den Höchstbetrag festzusetzen, sondern
hält im Ergebnis der Gesamtabwägung die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe
von 100.000,00 € (noch) für ausreichend.
Sollte das
Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden können, tritt an dessen Stelle
Ordnungshaft. Insoweit stellt sich die Verhängung einer Ersatzordnungshaft von
einem Tag Ordnungshaft für jeweils 20.00,00 € Ordnungsgeld als angemessen dar.
III.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Gründe für die Zulassung der
Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.
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