Freitag, 1. Februar 2019

Architektenhaftung: Berechnung des Schadensersatzanspruchs


Aus mangelhafter Bauüberwachung machte der Kläger gegen den Architekten (Beklagten) Schadensersatzansprüche mit € 123.800,92 geltend und begehrte darüber hinaus die Feststellung, dass der Beklagte ihm einen weitergehenden Schaden bei Durchführung der notwendigen Arbeiten zu ersetzen. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben; die Berufung wurde vom OLG zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ließ der BGH die Revision in Bezug auf die Verurteilung zur Zahlung von € 123.800,92 sowie im Kostenausspruch zu. Es hate sodann das Urteil des OLG insoweit aufgehoben und zur anderweitigen Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Das OLG hatte angenommen, der Kläger habe gegen den Architekten einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 280 Abs. 1, 633, 634 Nr. 4 BGB . Dem läge eine Bauüberwachungsfehler des Beklagten zugrunde, der sich nicht in Bezug auf den erforderlichen Klebeflächenanteil für die Dämmplatten von mindestens 40%  auf Stichproben hätte verlassen dürfen, sondern konkret die Anwendung die Anwendung der zu den Herstellervorgaben gehörenden Klebemethode hätte überprüfen müssen.  Der Schaden würde in Höhe der erforderlichen Mängelbeseitigungskosten (des bisher nicht beseitigten Mangels) bestehen.

 Vom Ausgangspunkt folgte der BGH der Rechtsauffassung des OLG, wonach dem Kläger wegen mangelhafter Bauüberwachung ein Schadensersatzanspruch zustünde. Der Anspruch bestünde auch in voller Höhe und wäre nicht wegen eines Mitverschuldens des Klägers zu kürzen. Allerdings könnte die Entscheidung zur Feststellung der Höhe keinen Bestand haben.

Entgegen der Annahme des OLG lasse sich der Schaden nicht nach der voraussichtlichen Höhe der (Netto-) Mängelbeseitigungskosten bemessen. Insoweit beruhe die Entscheidung auf einer älteren Rechtsauffassung des BGH, die dieser nach Erlass des Beschlusses zur Zurückweisung der Berufung geändert habe. Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung habe er entschieden, dass im Verhältnis zum Architekten hinsichtlich von ihm zu vertretender Planungs- und Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht hätten, ein Zahlungsanspruch in Höhe fiktiver Mängelbeseitigungskosten ausscheide (BGH, Urteil vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17 -). Die Zurückverweisung müsse erfolgen, um dem Kläger die Möglichkeit zu geben, seinen Schaden anderweitig darzulegen und zu beziffern.

Anmerkung: Der Kläger kann hier wegen Planungs- und Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 634 Nr. 4, 280 BGB  auf Vorfinanzierung in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrages gegen den Architekten geltend machen, wenn er beabsichtigt, den Mangel beseitigen zu lassen. Will er ihn nicht beseitigen lassen, kann er auch den Minderwert des Bauwerks im Vergleich zu dem hypothetischen Wert desselben bei mangelfreier Erstellung geltend machen. Hat der durch die mangelhafte Architektenleistung verursachte Schaden am Bauwerk zur Folge, dass eine Störung des Äquivalenzverhältnisses der Bauvertrages vorliegt, kann er seinen Schaden auch dergestalt geltend machen, dass er ausgehend von der mit dem Werkunternehmer vereinbarten Vergütung den mangelbedingten Minderwert des Werks des Werkunternehmers berechnet.

BGH, Urteil vom 08.11.2018 - VII ZR 100/16 -

Mittwoch, 30. Januar 2019

Beginn der Verjährungsfrist nach § 548 Abs. 1 BGB bei verweigerter/verzögerter Rücknahme der Meitsache durch Vermieter


Schadensersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren binnen sechs Monaten, wobei die Frist mit der Rückgabe der Mietsache an den Vermieter zu laufen beginnt, § 548 Abs. 1 BGB. Obwohl im Verfahren vor dem OLG Brandenburg zum Zeitpunkt der Klageerhebung durch die Vermieterin hier die Mietsache noch keine 6 Monate zurückgegeben war, wies das OLG ihre Schadensersatzklage ab.  

Das OLG stellte bei seiner Entscheidung auf ein der Klägerin am 09.11.2010 übermitteltes Schreiben des beklagten ehemaligen Mieters ab, mit dem dieser der Klägerin „die Rückgabe der Mieträume ab sofort“ anbot und einen kurzfristigen (vermieterseits zu benennenden) Vor-Ort-Termin vorschlug, der u.a. zur Übergabe auch der von ihm eingebauten Zentralschließanlage dienen sollte. Zwar müsse der Vermieter nicht die Mietsache jederzeit (quasi auf Zuruf) zurücknehmen (BGH, Urteil vom 12.10.2011 - VIII ZR 8/11 -). Anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall habe allerdings hier der Beklagte das Mietverhältnis bereits am 05.07.2012 zum 30.09.2012 (außerordentlich) gekündigt gehabt (und die Kündigung sei auch, wie das OLG mit Urteil vom 07.02.2017 festgestellt habe, wirksam gewesen). Im Übrigen habe der Beklagte die Übergabe nicht faktisch unmittelbar vor der Haustür angeboten, sondern der Klägerin für die Übergabe Gelegenheit zur Benennung eines ihr genehmen Termins  gegeben. Da die Klägerin darauf nicht reagiert habe, befände sie sich in Annahmeverzug, was bereits den Beginn der kurzen Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB auslöse. Zwar sei nach dem Wortlaut der Norm auf den Besitzwechsel abzustellen, wofür spräche, dass sich der Vermieter erst im Rahmen der unmittelbaren Sachherrschaft ein umfassendes Bild über mögliche Veränderungen/Verschlechterungen der Mietsache machen könne. Dem aber würde es gleichstehen, wenn sich der Vermieter selbst der Möglichkeit begebe, die unmittelbare Sachherrschaft auszuüben, indem er die Übernahme verweigere oder unnötig hinauszögere.

Vorliegend hätten die Voraussetzungen für den Annahmeverzug seit dem 10.11.2012 vorgelegen. Die Klage ging erst am 08.07.2013 bei Gericht ein. Nicht entscheidend sei, ob bei fristbeginn die Mietsache bereits komplett geräumt gewesen sei und es evtl. noch eine Rücksprache wegen von der Klägerin ggf. zu übernehmender Einbauten hätte geben sollen. Die vollständige Rückgabe bzw. Räumung der Mietsache sei nicht Voraussetzung für den Fristbeginn, wobei hier wegen eines Rückbaus auch allenfalls eine kurze Unterbrechung der Verjährung für den dafür erforderlichen Aufwand (vom 24.01. – 08.02.2013) in Betracht käme.

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 19.06.2018 - 3 U 72/17 -

Montag, 28. Januar 2019

Sozialbindung der Wohnung als (Rechts-) Mangel


In dem notariellen Kaufvertrag der Parteien hieß es: „Ansprüche und Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels des Wohnungseigentums sind ausgeschlossen. Dies gilt auch für alle Ansprüche auf Schadensersatz, es sei denn, der Verkäufer handelt vorsätzlich. Der Kläger (Käufer) verlangte von der Beklagten (Verkäuferin) die Rückabwicklung des Kaufvertrages und die Feststellung, dass die Beklagte ihm zum Ersatz weiterer Schäden verpflichtet sei. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Auf die (zugelassene) Revision hob der  BGH das Urteil auf du verwies den Rechtsstreit zur anderweitigen Entscheidung an das OLG zurück.

Der BGH stellte fest, dass die Wohnung einen Mangel iSv. § 435 S. 1 BGB aufweise. Die Sozialbindung einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung stelle einen Rechtsmangel dar , da der Eigentümer in seinen rechtlichen Befugnissen eingeschränkt würde (so Eigennutzung, §§ 6 WoBindG, 27 Abs. 4 WoFG, als auch Fremdnutzung, §§ 4ff WoBinfG, 25ff WoFG). Dieser Mangel ließe sich auch nicht mit der Begründung verneinen, vom Kläger sei ein kausaler Zusammenhang zwischen der unterlassenen Aufklärung über die Sozialbindung und seinem Kaufentschluss nicht dargelegt worden, und es könne offen bleiben, ob der im Vertrag benannte Haftungsausschluss auch die Haftung für Rechtsmängel umfasse.

Würde man die Haftung für Rechtsmängel mit der vertraglichen Formulierung nicht als ausgeschlossen ansehen wollen, käme es, so der BGH, von vornherein nicht auf die Frage der Kausalität für den Kaufentschluss an, da die Beklagte nach §§ 433 Abs. 1 S. 2, 435 S. 1 und 437 BGB ohne weiteres für Rechtsmängel einzustehen habe.

Aber auch dann, wenn der vertragliche Haftungsausschluss Rechtsmängel umfassen würde, käme es auf die Kausalität nicht an. Denn die Beklagte könne sich nach § 444 BGB auf den Haftungsausschluss nicht berufen, wenn sie den in der Sozialbindung liegenden Rechtsmangel arglistig verschwiegen habe. Dies habe das OLG offen gelassen, weshalb das Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zurückzuverweisen sei.  
Zunächst würde das Berufungsgericht den Umfang der Freizeichnungsklausel zu prüfen haben, wobei es zu berücksichtigen habe, dass eine Freizeichnungsklausel als Abweichung vom dispositiven Recht stets eng auszulegen sei. Negiere das OLG die Anwendbarkeit auf Rechtsmängel, wäre der Klage stattzugeben. Sollte der Schadensersatzanspruch nach den zu treffenden Feststellungen des OLG ausgeschlossen sein, käme es darauf an, ob die Beklagte Kenntnis hatte, da sie dann den Kläger hätte aufklären müssen. Dabei käme es nicht darauf an, ob der Kläger die Wohnung besichtigt habe. Zwar würde für bei Besichtigung frei zugänglichen und damit ohne weiteres erkennbaren Mängeln keine Offenbarungspflicht bestehen (BGH, Urteil vom 09.02.2018 - V ZR 274/16 -). Dies gelte aber nicht für die Sozialbindung, da der Rechtsmangel nicht einer Besichtigung zugänglich sei.

Sollte danach die Beklagte den Mangel arglistig verschwiegen haben, müsse das OLG die Verjährungsproblematik klären. Die Verjährung beginne nach 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Kläger als Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erstmals Kenntnis erlangt habe oder (ohne grobe Fahrlässigkeit) hätte erlangen müssen.

BGH, Urteil vom 14.09.2018 - V ZR 165/17 -

Sonntag, 27. Januar 2019

Online-Auktion (eBay) und die Wirkung von Scheingeboten


Der Zuschlag im Rahmen einer (auch Online-) Auktion führt zum Abschluss des Kaufvertrages, nach dem sich bestimmt, welcher Leistung (Höhe des Kaufpreises) der Bieter (Käufer) an den Anbieter (Verkäufer) zu erbringen hat. Was aber ist, wenn der Anbieter (mittels eines Dritten) versucht, die Gebote künstlich zu erhöhen ?

Vorliegend, so das OLG München, sei zwischen den Parteien im Rahmen einer mit einem automatischen Bietsystem abgewickelten eBay-Auktion über den angebotenen PKW des Beklagten ein Kaufvertrag zu einem Kaufpreis von € 2.010,00 zustande gekommen. Dies, obwohl der Kläger als Höchstbietender mit seinem Maximalgebot von € 6.970,00 den Zuschlag erhalten habe. Nachdem dem Kläger das Fahrzeug zum Preis von € 2.010,00 nicht überlassen wurde, machte er Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen dem in Höhe der Differenz zwischen dem von ihm angenommenen (vom OLG München bestätigten) Kaufpreis von € 2.010,00 und einem Wert des Fahrzeuges von € 7.020,00 geltend.  Dieser Betrag wurde ihm vom OLG zugesprochen.

Das OLG sah es als bewiesen an, dass die durch das automatische Bietsystem vorgenommene Erhöhung des klägerischen Gebots auf den Betrag von € 6.970,00 einzig auf das kurz vorher vom Zeugen K. abgegebene Gebot über € 6.920,00 erfolgt sei. Bei diesem Gebot des Zeugen K. handele es sich aber um ein Scheingebot, welches daher nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig sei. Der Zeuge K und der Beklagte hätten bei der Auktion zusammengewirkt, um die Gebote Dritter zu erhöhen.

Dies folgerte das OLG aus dem Vortrag der Parteien und der Aussage des Zeugen K. Während der Beklagte eine nähere Bekanntschaft mit dem Zeugen K. wie auch irgendwelche Absprachen mit diesem zu dieser oder früheren Auktionen rundweg bestritt, habe der Zeuge K. bei seinen zwei Vernehmungen während des Verfahrens eine durchaus enge Freundschaft mit dem Beklagten einräumen müssen und ferner, dass er und der Beklagte sich bei früheren Auktionen durchaus gegenseitig mit Geboten unterstützt hätten um so einen besseren Preis zu erzielen. Von daher sei der Senat des OLG überzeugt, dass der Beklagte und der Zeuge K. auch bei der streitgegenständlichen Auktion gemeinsam vorgegangen seien, um einen vom Beklagten gewünschten Kaufpreis zu erzielen.

Zwar habe der Zeuge K. bekundet, dass er in diesem Fall den PKW tatsächlich habe für sich erwerbe wollen. Diese Bekundung ließe sich aber nicht mit seinem Bietverhalten in Übereinstimmung bringen. So hatte er bei der Abgabe seines ersten Gebots einen Betrag von € 69.200,00 eingetippt, was er damit begründete, dass er sich um eine Null zu viel vertippt hätte; diese Eingabe habe nicht dazu gedient, die Maximalgebote der anderen Bieter aufzudecken (was systembedingt erfolgt). Selbst, so das OLG, solle man diese Angabe des Zeugen als wahr unterstellen, ließe sich bei einem echten Interesse des Zeugen nicht erklären, weshalb er im Anschluss lediglich ein Gebot in Höhe von € 6.920,00 abgegeben habe, obwohl er nun gewusst habe, dass das Maximalgebot des Beklagten bei € 6.970,00 lag und er mit einem Einsatz von nur € 55,00 mehr den PKW hätte erwerben können und er selbst den Wert des Fahrzeuges mit € 7.000,00 angab. Der Zeuge K. habe auch keinen nachvollziehbaren Grund benannt, weshalb der Betrag von € 6.920,00 für ihn eine „Schmerzgrenze“ dargestellt habe und die geringfügige Erhöhung nicht möglich gewesen sei.

Zudem sei auch die Erklärung des Zeugen, der Beklagte habe sich geweigert ihm den Wagen direkt zu verkaufen, damit die Freundschaft nicht wegen eventueller Fahrzeugmängel aufs Spiel gesetzt würde, nicht glaubhaft. Er selbst will nach seiner Bekundung den Beklagten informiert haben, dass er mitbieten würde, ohne dass er diesbezüglich angibt, dass der Beklagte die zu unterbinden versucht habe. Es sei nicht ersichtlich, weshalb bei einem Erwerb im Rahmen einer eBay-Aktion bei nachträglichem Auftreten von Mängeln die persönliche Freundschaftsbeziehung nicht beeinträchtigt würde.

Maximalgebote würden noch keine unbedingten, betragsmäßig bezifferten Annahmeerklärungen darstellen. Lediglich würde mit ihnen erklärt, dass im Vergleich zu dem angegebenen Mindestbetrag oder bereits bestehenden Geboten jeweils nächsthöhere Gebote abzugeben, um dadurch den Mindestbetrag zu erreichen oder bereits bestehende Gebote zu übertreffen (BGH, Urteil vom 24.08.2016 - VIII ZR 100/15 -).  Da nach § 117 BGB das Gebot des Zeugen K. von vornherein kein geeignetes Gebot eines Dritten war, welches vom Kläger hätte überboten werden müssen, habe die aufgrund dieses Gebotes vom Bietsystem vorgenommene Erhöhung des klägerischen Gebots nach dem Erklärungsinhalt der vom Kläger abgegebenen Abnahmeerklärung keine Rechtswirkung entfalten können. Damit sei das letzte echte Gebot eines Dritten, das der Kläger überboten habe, zur Kaufpreisbestimmung heranzuziehen, vorliegend ein Gebot eines unbekannten Bieters über € 2.000,00. Dies sei vom Kläger mit einem Betrag von € 10,00 überboten worden. Der damit bei Auktionsende maßgebliche vereinbarte Kaufpreis beliefe sich deshalb auf € 2.010,00.

Der Beklagte habe seine vertragliche Pflicht zur Übergabe und Eigentumsverschaffung des PKW nicht erfüllt und verletzt. Mit fristsetzender Mahnung habe der Kläger den Beklagten fruchtlos zur Übergabe des PKW unter Angebot der Zahlung von € 2.010,00 aufgefordert; der Beklagte habe die geschuldete Erfüllung endgültig verweigert, §§ 293ff BGB. Der vom Kläger geltend gemachte Schaden sei auf das positive Interesse gerichtet und bestünde in dem Differenzbetrag zwischen dem Marktwert des Fahrzeuges und dem Kaufpreis von € 2.010,00 (OLG Frankfurt, Urteil vom27.06.2014 - 12 U 51/13 -). Auch wenn eine sachverständige Prüfung (das das Fahrzeug nicht mehr vorhanden sei) des Fahrzeugwertes nicht mehr möglich sei, sei von einem vom Kläger zugrunde gelegten Wert von € 7.020,00 auszugehen, da der Kläger selbst € 6.970,00 geboten habe und der Zeuge K. den Wert mit € 7.000,00 angegeben habe.

OLG München, Urteil vom 26.09.2018 - 20 U 749/18 -

Freitag, 25. Januar 2019

Tierhalter: Zum Nachweis der Haltereigenschaft im Rahmen der Haftung nach § 833 BGB


Der Kläger machte gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche nach § 833 BGB (Tierhalterhaftung) wegen eines angeblich durch ein Pferd verursachten Schadens geltend. U.a. wurde von der Beklagten ihre bestritten, dass sie Tierhalter sei. Das Landgericht hat die Klage wegen fehlenden Nachweises der Tierhalterstellung der Beklagten (fehlende Passivlegitimation) abgewiesen.

Entscheidend für die Bestimmung der Tierhaltereigenschaft seien das Eigeninteresse am Tier und die Entscheidungsgewalt über das Tier. Dabei seien die Anhaltspunkte Obdach und Unterhalt, Tragen der Unterhaltskosten, Versicherungsprämien und das Verlustrisiko Indizien für das Eigeninteresse, da davon auszugehen sei, dass diese Lasten regelmäßig derjenige trage, der auch die Nutzungsvorteile daraus ziehe. Die Kriterien des unmittelbaren bzw. mittelbaren Besitzes sowie das Eigentum seien Anhaltspunkte für die Bestimmung der Herrschaft über die Existenz und Verwendung des Tieres.

Die Indizien „Obdach und Unterhalt“ und „Kostentragung für den Unterhalt“ sprächen hier gegen die Haltereigenschaft der Beklagten, da unstreitig sei, dass das Pferd im Zeitpunkt des Vorfalls auf Kosten eines Tierschutzvereins untergebracht worden sei. Die Indizien „Verlustrisiko“ und „Nutzung im Haushalts- oder Wirtschaftsbetrieb“ seien  vom Kläger nicht dargetan worden. Die konkreten Umstände (das Pferd habe sich nicht in den Räumlichkeiten der Beklagten befunden sondern in denen einer dritten Person) sprächen auch dagegen.

Der Umstand, dass die Beklagte das Pferd trainiert habe, ließe nicht auf das Eigeninteresse der Beklagten schließen. So würde auch ein Pferd, welches von einem Trainer trainiert würde, weiterhin zu Zwecken des Eigentümers und nicht etwa des Trainers dienen, was auch für die pflegerische Leistungen der Beklagten gelten würde.

Für ein Eigeninteresse könne daher lediglich sprechen, dass die Beklagte das Pferd bei der ehemals weiteren Beklagten (einer Versicherung), gegen die die Klage wegen fehlender Passivlegitimation nach § 115 Abs. 1 S. 1 VVG zurückgenommen wurde,  haftpflichtversichert habe. Zwar habe die Rechtsprechung verschiedentlich alleine aus dem Bestehen einer Haftpflichtversicherung auf die Haltereigenschaft geschlossen. Dem würde die Kammer aber nicht folgen. Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung habe als Indiz nur einen begrenzten Wert, da die betroffene Person glaube, die Halterhaftung fürchten zu müssen (vgl. Hager in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2018, § 833 Rn. 79). Auch der Umstand, dass die Haftpflichtversicherung Ansprüche eines Dritten reguliert habe, ließe keinen Rückschluss zu, da sich die Beklagte zum Einen das Verhalten des Versicherers nicht zurechnen lassen müsse, zum Anderen nicht dargetan sei, dass die Haftpflichtversicherung aufgrund der mit der Beklagten bestehenden Versicherung geleistet habe.

Auch das Indiz der „Entscheidungsgewalt“ sei vom Kläger nicht dargetan worden. Die Behauptung sei von der Beklagten substantiiert bestritten worden und der Kläger habe keinen Beweis für seine Behauptung angeboten. Für seine Behauptung des unmittelbaren bzw. mittelbaren Besitzes der Beklagten habe es keinen belastbaren Vortrag des Klägers gegeben. Soweit er behauptet habe, die Beklagte sei als Halterin aufgetreten, und dafür Beweis angeboten habe, handele es sich lediglich um die Behauptung eines Rechtsbegriffs, der dem Beweis nicht zugänglich sei. Vielmehr hätte es ihm oblkegen, die oben genannten Indizien darzulegen und unter Beweis zu stellen. Im Übrigen ließe sich ein solches Auftreten hier aus dem Umstand erklären, dass die Beklagte die stellvertretende Vorsitzende des Tierschutzvereins war, der für die Unterhaltskosten des Pferdes aufkam und für den die Beklagte als Organ nach außen auftrat.

Damit bliebe einzig als Indiz der Abschluss der Tierhaftpflichtversicherung. Dies alleine sei aber nicht ausreichend um eine Überzeugung des Gerichts gem. § 286 ZPO (voller Beweis) zu erbringen.

Für eine Haftung aus § 834 BGB (Tierhüterhaftung) sei nicht dargetan worden, dass ein Vertrag zwischen der Beklagten und dem Tierhalter bestünde. (Anmerkung:) Tierhüter nach § 834 BGB mit der daraus erwachsenden Haftungsfolge ist nur derjenige, der es vertraglich übernommen hat, die Aufsicht über das Pferd zu übernehmen.

LG Marburg, Urteil vom 29.10.2018 - 1 O 80/18 -

Mittwoch, 23. Januar 2019

Das Aus für den fiktiven Schadensersatz im Vertrags- und Deliktsrecht ?


Den Anfang machte der BGH. In seiner Entscheidung vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17 - hatte er über Schadensersatzansprüche bei Werkmängeln und gegen den Architekten bei sich im Bauwerk bereits verwirklichten Planungs- und Überwachungsfehlern zu urteilen. Unter Abänderung der bis dahin herrschenden Meinung und seiner eigenen Rechtsprechung, entschied er nun, dass, jedenfalls für Bauwerksverträge, die ab dem 01.01.2002 abgeschlossen wurde, bei Mängeln der Besteller nicht mehr seinen Schaden fiktiv nach dem möglichen Aufwand für die Mängelbeseitigung berechnen könne. Entweder lässt er den Mangel beseitigen und hat deshalb einen Anspruch auf den dafür erforderlichen Aufwand (§§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB), oder er behält das Werk mit den Mängeln und bemisst den Schaden nach der Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, Im Eigentum des Bestellers stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit dem Mangel; im Falle einer Veräußerung ohne Mängelbeseitigung kann er den Schaden nach dem konkreten Mindererlös bemessen.

Nun haben zwei Kammern des LG Darmstadt in drei Entscheidungen im Anschluss an die benannte Entscheidung des BGH diese Rechtsprechungsänderung auch auf deliktische Ansprüche (Urteile vom 15.06.2018 - 8 O 134/16 -, vom 24.10.2018 -23 O 356/17 - sowie vom 05.09.2018 – 23 O 386/17 -) übertragen; die Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig (Berufungen zum OLG Frankfurt am Main wurden eingelegt).

Der Entscheidung der 8. Zivilkammer vom 15.06.2018 lag ein Schaden an einem Grundstück zugrunde: Bei Bauarbeiten auf einem Nachbargrundstück wurde der dortige (ungesicherte) Bauzaun gegen die Fassade des Hauses des Klägers gedrückt. Auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags machte der Kläger Schadensersatz in Höhe der voraussichtlichen Nettokosten für die Schadensbeseitigung geltend. Vom Grundsatz erkannte das Landgericht einen Schadensersatzanspruch auf der Grundlage der §§ 906 Abs. 2 S. 2, 823 Abs. 1 BGB zu. Allerdings sei der klägerseits geltend gemachte fiktive Schadensersatzanspruch nicht nach §§ 249ff BGB als erstattungsfähig anzusehen. Unter Bezugnahme auf die benannte Entscheidung des BGH hätte hier der Kläger entweder die Reparatur durchführen lassen müssen und den dafür erforderlichen Aufwand einklagen können, oder er hätte den tatsächlichen Wert der unbeschädigten Sache zum tatsächlichen Wert der beschädigten Sache ermitteln und geltend machen müssen. Dies sei auch hier nicht unbillig, da die Erstattung von fiktiven Schadensersatz nicht notwendig sei, um den Geschädigten seine Dispositionsfreiheit zu belassen, auch zu einem späteren Zeitpunkt den Schaden noch beseitigen zu lassen. Insoweit könnte er einen Antrag auf Freistellung von möglicherweise tatsächlich noch entstehenden Schadensbeseitigungskosten stellen.

In Ansehung der Bezugnahme auf die BGH-Entscheidung wird im Urteil festgehalten, dass der BGH seine Argumentation zur Vermeidung auf eine Überkompensation zwar auf das Werkvertragsrecht bezog, doch ließe sich dies auf alle fiktiven Schadensbeseitigungskosten im vertraglichen und deliktischen Bereich übertragen. Ebenso argumentierte die 23. Zivilkammer in den zwei benannten Urteilen vom 05.09. und 24.10.2018. In denen waren Schadensersatzansprüche aus Verkehrsunfällen streitgegenständlich und die Kammer negierte eine Möglichkeit des Geschädigten, den Schaden am Fahrzeug auf der Grundlage eines Gutachtens fiktiv geltend zu machen. Die 23. Zivilkammer hat im Urteil vom 05.09.2018 ausdrücklich ausgeführt, dass diesfür alle Schadensersatzansprüche gelte, so bei Beschädigungen von Sachen wie auch jedenfalls gewährleistungsrechtlich begründeten Schadensersatzansprüchen (z.B. kaufvertragliche oder mietvertragliche).

Es bleibt abzuwarten, wann zu dieser Fragestellung der Tragweite der Entscheidung des BGH durch diesen eine weitere Entscheidung erfolgt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird derjenige, der aus Delikt oder z.B. Kaufvertrag oder Mietvertrag Schadensersatzansprüche geltend macht, nicht sicher sein können, dass er insoweit weiterhin den Schaden fiktiv in Höhe des mutmaßlichen Aufwandes für die Beseitigung bemessen kann.


Dienstag, 22. Januar 2019

Widerruf des im Bezugsrecht einer Lebensversicherung liegenden Auftrags auf Mitteilung des Schenkungsangebots durch den Nachlasspfleger


Streitig war, ob eine Versicherungsleistung aus einer Lebensversicherung (der Beklagten) den Klägern als Nachlassforderung zustand, nachdem der Nachlasspfleger einen „Widerruf des Bezugsrechts“ erklärte. Nach § 160 Abs. 2 VVG sind die Erben bezugsberechtigt. Allerdings, so das OLG Dresden, würde sich daraus nicht ergeben, dass die Versicherungsleistung zunächst in den Nachlass falle, bevor sie an die Erben ausgekehrt würde. Der Auszahlungsanspruch auf die Versicherungsleistung gehöre nicht zum Erblasservermögen, sondern würde mit dem Todesfall unmittelbar in das Vermögen des Bezugsberechtigten fallen (BGH, Urteil vom 30.01.2018 - X ZR 119/15 -).

Allerdings sei die Bestimmung des Bezugsberechtigten als Willenserklärung, wenn sie nicht eindeutig sei, der Auslegung zugänglich. § 160 VVG würde nicht grundsätzlich die Auslegung der Bezugsberechtigung regeln, sondern nur deren Auslegung in bestimmten Fällen, weshalb §§ 133, 157 BGB heranzuziehen seien (BGH, Urteil vom 01.04.1987 - Iva ZR 26/86 -). Vorliegend lasse die Formulierung „Erben laut Rechtsnachfolge“ nach Ansicht des OLG Dresden keinen eindeutigen Schluss zu, ob damit die Erben kraft gesetzlicher Rechtsnachfolge einerseits oder kraft Testaments andererseits oder schlicht als direkte Bezugsberechtigte ohne gesetzliche Erbfolge gemeint seien. Der mögliche Zweck der Lebensversicherung als Aufstockung der Altersrente spräche für den Todesfall weder für einen Begünstigungswillen im Hinblick auf den Nachlass noch die Erben direkt. Auch die klägerseits behauptete (und beklagtenseits bestrittene) Formulargestaltung ließe nichts anderes schlussfolgern. Hier käme die Regelung des § 160 Abs. 2 S. 1 iVm. S. 2 VVG zum Tragen, wonach „die Erben“ die Ansprüche auf die Versicherungssumme gerade nicht kraft Erbrechts, sondern als Bezugsberechtigte erwerben sollen.

Der Nachlasspfleger, so das OLG, habe das Bezugsrecht nicht wirksam widerrufen können, da es mit dem Todesfall des Versicherungsnehmers (VN) zum Vollrecht erstarkt sei, also ein originäres neues Recht zugunsten der Bezugsberechtigten entstanden sei (BGH, Urteil vom 21.05.2008 - IV ZR 238/06 -). Ob die Bezugsberechtigten das Recht „behalten“ dürften, würde sich nicht aus dem Deckungsverhältnis, sondern dem Valutaverhältnis (also dem Verhältnis zwischen Versicherer und Bezugsberechtigten) beantworten. Als Rechtsgrund für die Leistung käme nur ein Schenkungsvertrag gem. § 518 BGB in Betracht; die Bestimmung des VN zum Bezugsberechtigten enthalte gegenüber dem Versicherer den konkludenten Auftrag, dem Bezugsberechtigten nach Eintritt des Versicherungsfalls das noch zu Lebzeiten abgegebene Schenkungsangebot des VN zu überbringen (BGH, Urteil vom 21.05.2008 - IV ZR 238/06 -), was der Versicherer durch Mitteilung an den Bezugsberechtigten oder Auszahlung an diesen erfülle. Dieser Auftrag zur Überbringung des Schenkungsangebots könne allerdings (anders als das Bezugsrecht) von den gesetzlichen Erben widerrufen werden (Winkens in VersR 2018, 133f). Der Widerruf des Bezugsrechts sei konkludent als Widerrufs des Übermittlungsauftrages anzusehen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.05.2017 - 5 U 35/16 -).

Allerdings, so das OLG Dresden,  wäre in dieser Konstellation die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Nachlasspfleger (der nicht als Vertreter des Nachlasses, sondern der unbekannten Erben anzusehen sei) rechtsmissbräuchlich, da dies dazu führen würde, da dies dazu führen würde, dass für deren unwiderrufliches und außerhalb des Nachlasses entstandene Bezugsrecht der Rechtsgrund entfiele. Einen Bereicherungsanspruch (§ 812 BGB) würden sodann die Erben (vertreten durch den Nachlasspfleger, gegen sich selbst durchsetzen müssen, ohne hiervon einen Vorteil zu haben. Die Folge einer Herausgabe nach § 812 BGB  wäre zwar, dass die Erben entsprechend ihrer jeweiligen Erbquote an der Versicherungssumme teilhaben würden, allerdings wäre dann die Nachlassverbindlichkeiten abzusetzen, was bei einem direkten Bezug unterbliebe.  

Es könne allerdings auf sich beruhen, ob der Nachlasspfleger hier einen Widerruf des Schenkungsangebotes erklären kann. Der wirksame Widerruf habe lediglich zur Folge, dass den laut Erbschein quotal berechtigten Erben (so sie vorhanden sind) ein Bezugsrecht ohne Rechtsgrund zugefallen wäre. Im Hinblick auf die Relativität der Schuldverhältnisse sei ein hieraus folgender Bereicherungsanspruch allerdings nicht im Deckungsverhältnis zum Versicherer, sondern im Valutaverhältnis der Erben gegenüber den Bezugsberechtigten zu verfolgen (OLG Hamm, Urteil vom 03.12.2004 - 20 U 132/04; KG, Beschluss vom 29.11.2016 - 6 W 112/16 -), was auch dann der Fall sei, wenn (wie hier) zum Zeitpunkt des Widerrufs noch offen sei, ob überhaupt Bezugsberechtigte und Erben vorhanden seien. Der Gefahr, dass der Nachlasspfleger einen unzulässigen „in-sich-Prozess“ führen müsse, da Erben und Bezugsberechtigte personenidentisch seien, sei nicht dadurch Rechnung zu tragen, dass der Widerruf des Schenkungsangebots in einem solchen Fall auf das Deckungsverhältnis durchschlage.

OLG Dresden, Urteil vom 09.10.2018 - 4 U 808/18 -