Freitag, 1. Februar 2019

Architektenhaftung: Berechnung des Schadensersatzanspruchs


Aus mangelhafter Bauüberwachung machte der Kläger gegen den Architekten (Beklagten) Schadensersatzansprüche mit € 123.800,92 geltend und begehrte darüber hinaus die Feststellung, dass der Beklagte ihm einen weitergehenden Schaden bei Durchführung der notwendigen Arbeiten zu ersetzen. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben; die Berufung wurde vom OLG zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ließ der BGH die Revision in Bezug auf die Verurteilung zur Zahlung von € 123.800,92 sowie im Kostenausspruch zu. Es hate sodann das Urteil des OLG insoweit aufgehoben und zur anderweitigen Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Das OLG hatte angenommen, der Kläger habe gegen den Architekten einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 280 Abs. 1, 633, 634 Nr. 4 BGB . Dem läge eine Bauüberwachungsfehler des Beklagten zugrunde, der sich nicht in Bezug auf den erforderlichen Klebeflächenanteil für die Dämmplatten von mindestens 40%  auf Stichproben hätte verlassen dürfen, sondern konkret die Anwendung die Anwendung der zu den Herstellervorgaben gehörenden Klebemethode hätte überprüfen müssen.  Der Schaden würde in Höhe der erforderlichen Mängelbeseitigungskosten (des bisher nicht beseitigten Mangels) bestehen.

 Vom Ausgangspunkt folgte der BGH der Rechtsauffassung des OLG, wonach dem Kläger wegen mangelhafter Bauüberwachung ein Schadensersatzanspruch zustünde. Der Anspruch bestünde auch in voller Höhe und wäre nicht wegen eines Mitverschuldens des Klägers zu kürzen. Allerdings könnte die Entscheidung zur Feststellung der Höhe keinen Bestand haben.

Entgegen der Annahme des OLG lasse sich der Schaden nicht nach der voraussichtlichen Höhe der (Netto-) Mängelbeseitigungskosten bemessen. Insoweit beruhe die Entscheidung auf einer älteren Rechtsauffassung des BGH, die dieser nach Erlass des Beschlusses zur Zurückweisung der Berufung geändert habe. Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung habe er entschieden, dass im Verhältnis zum Architekten hinsichtlich von ihm zu vertretender Planungs- und Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht hätten, ein Zahlungsanspruch in Höhe fiktiver Mängelbeseitigungskosten ausscheide (BGH, Urteil vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17 -). Die Zurückverweisung müsse erfolgen, um dem Kläger die Möglichkeit zu geben, seinen Schaden anderweitig darzulegen und zu beziffern.

Anmerkung: Der Kläger kann hier wegen Planungs- und Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 634 Nr. 4, 280 BGB  auf Vorfinanzierung in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrages gegen den Architekten geltend machen, wenn er beabsichtigt, den Mangel beseitigen zu lassen. Will er ihn nicht beseitigen lassen, kann er auch den Minderwert des Bauwerks im Vergleich zu dem hypothetischen Wert desselben bei mangelfreier Erstellung geltend machen. Hat der durch die mangelhafte Architektenleistung verursachte Schaden am Bauwerk zur Folge, dass eine Störung des Äquivalenzverhältnisses der Bauvertrages vorliegt, kann er seinen Schaden auch dergestalt geltend machen, dass er ausgehend von der mit dem Werkunternehmer vereinbarten Vergütung den mangelbedingten Minderwert des Werks des Werkunternehmers berechnet.

BGH, Urteil vom 08.11.2018 - VII ZR 100/16 -

Aus den Gründen:


Tenor

Auf die Revision des Beklagten und seiner Streithelferin wird der Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. April 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Beklagten gegen seine Verurteilung zur Zahlung von 123.800,92 € nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithilfe, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem beklagten Architekten Schadensersatz wegen mangelhafter Bauüberwachung.
Der Kläger ließ auf einem ihm gehörenden Grundstück in K. ein Mehrfamilienhaus errichten. Im Juli 2007 beauftragte er den Beklagten mit der Erbringung von Architektenleistungen hierfür, unter anderem mit der Bauüberwachung. Die Streithelferin des Beklagten beauftragte er entsprechend der Planung und Ausschreibung des Beklagten mit der Aufbringung eines Wärmedämmverbundsystems auf den Fassaden. Diese Arbeiten nahm der Kläger ab.
Im Jahr 2011 leitete der Kläger ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Streithelferin ein. Der Sachverständige gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass das Wärmedämmverbundsystem nicht fachgerecht angebracht worden sei. Es müsse komplett entfernt und eine neue Dämmung angebracht werden. Die hierfür erforderlichen Kosten schätzte der Sachverständige auf 131.300 € bis 178.342 € netto.
Der Kläger hat Bauüberwachungsfehler des Beklagten in Bezug auf die Erstellung des Wärmedämmverbundsystems behauptet. Hierdurch sei ihm ein Schaden von 150.000 € (Mittelbetrag aus der vom Sachverständigen ermittelten Spanne) entstanden. Unter Abzug von 26.199,08 € wegen einer von ihm gegenüber dem Restwerklohnanspruch der Streithelferin in einem Vorprozess erfolgreich erklärten Aufrechnung nimmt der Kläger den Beklagten in Höhe von 123.800,92 € auf Zahlung in Anspruch. Darüber hinaus begehrt der Kläger, der eine Sanierung der Fassade bislang nicht vorgenommen hat, die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten, ihm jeden weiteren, über den Betrag von 150.000 € hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der ihm durch die näher bezeichneten Mängel des Wärmedämmverbundsystems entstanden sei und/oder entstehe.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten und seiner Streithelferin hat das Berufungsgericht durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Beklagten und seiner Streithelferin hat der Senat unter Zurückweisung der weiteren Beschwerde die Revision zugelassen, soweit die Berufung des Beklagten gegen die Verurteilung zur Zahlung von 123.800,92 € nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist, wobei die Zulassung auf die Anspruchshöhe beschränkt worden ist. Mit ihrer im Umfang der Zulassung eingelegten Revision beantragen der Beklagte und seine Streithelferin, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit die Berufung des Beklagten gegen die Verurteilung zur Zahlung von 123.800,92 € nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist, und insoweit unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten und seiner Streithelferin führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Beschlusses des Berufungsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für ab dem 1. Januar 2002 und bis zum 31. Dezember 2017 geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1, § 39 EGBGB.
I.
Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - ausgeführt:
Der Kläger habe gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1, §§ 633, 634 Nr. 4 BGB. Der Beklagte habe einen Bauüberwachungsfehler begangen, der zu einem Mangel des Bauwerks, nämlich einer mangelhaften Erstellung des Wärmedämmverbundsystems geführt habe. Das von der Streithelferin verwandte Wärmedämmverbundsystem sei von dieser nicht nach den Vorgaben der Verarbeitungsrichtlinien des Herstellers angebracht worden. Im Wesentlichen lägen die Mängel darin, dass bei den Dämmplatten nicht der mindestens erforderliche Klebeflächenanteil von 40 % erreicht worden sei. Das Dämmsystem entspreche so nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik, auch wenn aktuell keine Risse an der Gebäudefassade festzustellen seien.
Es liege ein Bauüberwachungsfehler des Beklagten vor. Er habe sich nicht auf bloße Stichproben verlassen dürfen, sondern habe konkret die Anwendung der zu den Herstellervorgaben gehörenden Klebemethode überprüfen müssen.
Dem Kläger sei ein Schaden in eingeklagter Höhe entstanden. Dieser bestehe in Höhe der erforderlichen Mangelbeseitigungskosten, obwohl der Kläger die Mängel (bisher) tatsächlich nicht beseitigt habe. Es komme nicht darauf an, ob und in welchem Umfang der Besteller einen Mangel tatsächlich habe beseitigen lassen.
II.
Das hält der rechtlichen Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Aufgrund der beschränkten Zulassung der Revision und der Zurückweisung der weitergehenden Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten und seiner Streithelferin durch den Senat steht rechtskräftig fest, dass dem Kläger gegen den Beklagten dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch wegen mangelhafter Bauüberwachung zusteht, weil diese dazu geführt hat, dass das gesamte Wärmedämmverbundsystem nicht nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik durch die Streithelferin angebracht worden ist. Es steht weiter fest, dass der Kläger seinen Schaden in voller Höhe ersetzt verlangen kann und der Anspruch nicht wegen eines Mitverschuldens des Klägers gekürzt ist.
2. Keinen Bestand hat die Feststellung der Höhe dieses Anspruchs.
Die Ermittlung der Höhe des Vermögensschadens des Klägers durch das Berufungsgericht beruht auf der Annahme, er lasse sich nach den erforderlichen, tatsächlich jedoch nicht angefallenen (Netto-)Mängelbeseitigungskosten betreffend das Bauwerk - hier das unzulängliche Wärmedämmverbundsystem - bemessen. Diese im Einklang mit der früheren Rechtsprechung des Senats stehende Auffassung trifft nicht zu. Der Senat hat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass im Verhältnis zum Architekten hinsichtlich der von ihm zu vertretenden Planungs- oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, ein Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten betreffend das Bauwerk ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 Rn. 60-67, BauR 2018, 815 = NZBau 2018, 201, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann deshalb ein Schaden des Klägers in der vom Berufungsgericht angenommenen Höhe nicht festgestellt werden.
3. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um die Höhe des vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruchs wegen der Mängel des gesamten Wärmedämmverbundsystems neu festzustellen und zu berechnen. Hierzu muss der Kläger zunächst auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung Gelegenheit bekommen, seinen Schaden anderweitig darzulegen und zu beziffern (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 Rn. 62-67, BauR 2018, 815 = NZBau 2018, 201). Sodann wird das Berufungsgericht nach Anhörung der Parteien Feststellungen zur Schadenshöhe neu zu treffen haben.

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