Freitag, 28. Juli 2017

Zur Erwerbstierhaltung und dem Entlastungsbeweis nach § 833 S. 2 BGB

Grundsätzlich haftet der Tierhalter einem Dritten für jeden diesem durch die (von ihm nachzuweisende) tierische Unberechenbarkeit des Tieres, unabhängig von einem Verschulden, § 833 S. 1 BGB. Etwas anderes gilt nur, wenn es sich um ein Haustier (Rind, Pferd, Schaf, Hund u.a.) handelt und dieses von ihm für seinen Beruf, zum Erwerb oder für seinen Unterhalt gehalten wird. In diesem Fall kann sich der Tierhalter nach § 833 S. 2 BGB exkulpieren, also nachweisen, dass er bei der Aufsicht über das Tier die im Verkehr erforderliche Sorgfalt obwalten ließ, § 833 S. 2 BGB.

Der BGH musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob  - wie von OLG angenommen -  eine Erwerbtierhaltung iSv. § 833 S. 2 BGB vorlag. Die Pferde des Beklagten waren von einer Koppel ausgebrochen, und es kam zu einem Verkehrsunfall auf der Staatstraße 217 in Bayern. Er hatte geltend gemacht, Pferde zu züchten und damit Erwerbstierhalter zu sein; die Koppel sei ordnungsgemäß gesichert gewesen.

Der BGH führte zur Erwerbstierhaltung aus, dass diese nur angenommen werden könne, wenn die Erwerbstätigkeit auf Gewinnerzielung gerichtet sei. Eine entsprechende Absicht, die in objektiven Umständen keinen Niederschlag fände, sei nicht ausreichend.  Es müsse zumindest die realistische Möglichkeit bestehen, dass der Tierhalter, eventuell nach einer gewissen Anlaufzeit, Gewinn erzielt. Nicht erforderlich sei allerdings, dass er seinen Lebensunterhalt aus einem wesentlichen Anteil der Tierhaltung erwirtschaftet und diese Grundlage seines Erwerbs bilde; eine entsprechende Einschränkung fände sich weder im Wortlaut noch in den Gesetzesmaterialien.

Vorliegend habe das OLG nicht geprüft, ob der Zuchtbetrieb in objektiver Hinsicht darauf angelegt war, Gewinne zu erzielen. Es gäbe keine Feststellungen dazu, dass zumindest im Ansatz realistische Chancen bestehen würden, in Zukunft durch den Verkauf von Fohlen Erlöse zu erzielen, die die Anschaffungskosten und den laufenden Unterhalt des Wallachs, des Hengstes und der zwei Stuten übersteigen würden.

Zur Frage der Sicherung der Pferde habe das OLG übersehen, dass es sich um eine zweite Tatsacheninstanz handelt, die nicht  auf eine Kontrolle von Verfahrensfehlern und damit auf einen Umfang wie beim Revisionsverfahren beschränkt sei. Die Aufgabe des Berufungsgerichts als (eingeschränkte) 2. Tatsacheninstanz sei die Gewinnung einer fehlerfreien und überzeugenden und damit fehlerfreien Entscheidung. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen könnten sich auch aus einer unterschiedlichen Wertung ergeben. Besteht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür, dass im Falle einer Beweiserhebung die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben würden, wäre das Berufungsgericht zur erneuten Beweisaufnahme veranlasst. Soweit das OLG auf das erstinstanzliche Gutachten zur Sicherung der Pferde abstellte und damit die Position des Landgerichts übernahm, der Beklagte sei seiner Sicherungspflicht ausreichend nachgekommen, da der Beklagte lediglich „seine eigenen, von den Beurteilungen des Sachverständigen abweichenden Einschätzungen“ angegeben habe, habe es sich nicht ausreichend mit diesen auseinandergesetzt.

Dabei wies der BGH darauf hin, dass der Pferdehalter für eine ausreichende sichere Einzäunung Sorge zu tragen habe. Dies diene dazu, ein Entweichen der Tiere (so auf Straßen) zu verhindern. Es seien hohe Anforderungen zu stellen, doch müsse nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden. Sicherungen von absoluter Wirksamkeit wären kaum möglich. Deshalb müssten nur die allgemein üblichen und im Verkehr als erforderlich angesehenen Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden.

Der BGH hob das angefochtene Urteil auf und Verwies den Rechtsstreit zu anderweitigen Entscheidung an das OLG zurück.


BGH, Urteil vom 14.02.2017 – VI ZR 434/15

Benennung der wesentlichen Eigenschaften der Waren im Online-Shop und substantieller Unterlassungstitel

§ 312j Abs. 2 BGB iVm. Art 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGBGB verpflichten den Unternehmer bei einem Verbraucher im elektronischen Geschäftsverkehr vor der Bestellung des Verbrauchers diesen über die wesentlichen Eigenschaften Informationen über die Waren bzw. Dienstleistungen in angemessener und klar verständlich in hervorgehebener Weise zur Verfügung stellen.   

Sie Schuldnerin stellte das Produkt ohne Abbildung in der Warenkorbansicht wie folgt dar: „GLATZ `Sunwing´ Schirm 260x260cm, Stoffklasse 5“. Dies führte zur im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zur Verurteilung der Schuldnerin wegen Verstoßes gegen die vorgenannten Bestimmungen auf Unterlassung. Im Rahmen des jetzigen Ordnungsmittelantrages beanstandete die Gläubigern, dass die Warenkorbansicht mit der Schaltfläche „Kaufen“  das Produkt (mit Abbildung) nur wie folgt beschrieben habe: „Alu-Marktschirm 'Sahara' Ø300cm, terrakotta Sonnenschirm mit komfortablem Kurbelantrieb. Wasserabweisender Polyesterbezug terrakottafarben mit Volants. Kartonverpackt.“ Das Landgericht sah darin einen Verstoß gegen die Unterlassungsverfügung und verhängte ein Ordnungsgeld von € 500,00. Dagegen legten beide Parteien Beschwerde ein, die Gläubigerin mit den Zielen, das Ordnungsgeld und den Streitwert auf € 5.000,00 heraufsetzen zu lassen, die Schuldnerin mit dem Ziel, den Ordnungsgeldbeschluss aufzuheben.

Das OLG hob den Ordnungsgeldbeschluss auf und setzte den Wert auf € 5.000,00 fest. Die Warenkorbansicht erweise sich entgegen der Ansicht des Landgerichts letztlich als gesetzeskonform.

Es zweifelte bereits an der Zuwiderhandlung, da das Landgericht in der dem Verfahren zugrundeliegenden Unterlassungsverfügung nicht angegeben hat, welche konkreten Angaben es in der damaligen Warenkorbansicht vermisst habe. Das spräche dafür, dass nur die dortige Darstellung als nicht gesetzeskonform gewertet worden wäre, mit der Folge, dass andere Formulierungen nicht betroffen sind. Denn andernfalls müsste im (hiesigen) Ordnungsmittelverfahren die materiell-rechtlich unbeantwortet gebliebene Frage nach dem inhaltlichen Umfang der hier in Rede stehenden Informationspflicht geklärt werden, was einem Vollstreckungsverfahren fremd ist.

Allerdings ließ es das OLG auf sich beruhen, ob die Gläubigerin aus dem Titel für den vorliegenden Fall überhaupt ein Ordnungsgeld ableiten könnte, da nach Ansicht des OLG die im Ordnungsgeldverfahren gerügte Darstellung gesetzeskonform sei. Gefordert würde eine detaillierte übersichtliche Beschreibung ohne Weitschweifigkeit, aus der der Verbraucher die maßgeblichen Kriterien für seine Bestellentscheidung entnehmen könne. Die Form des Sonnenschirms ergäbe sich ebenso wie die Farbe aus der farbigen Abbildung, das Material (Alu für Aluminium) und die Spannbreite, die Farbe des Schirms, das Material der Bespannung und der Mechanismus zum Aufspannen aus den Textangaben. Damit wären die wesentlichen Angaben benannt. Entgegen der Auffassung des OLG Hamburg (Beschluss vom 13.08.2014 - 5 W 14/14 -) müsste das Gewicht des Schirmes nicht angegeben werden. Es sei bekannt, dass es sich bei einem Sonnenschirm (ohne Schirmständer) um einen eher schweren Gegenstand handele, der aber von einem Menschen mit durchschnittlicher körperlicher Konstitution mit maßvollem Kräfteeinsatz getragen werden könne. Es sei nicht erkennbar, dass dies hier anders sein sollte, zumal das Gestell aus Aluminium sei. Auch wenn es einige Verbraucher interessieren könnte, wie schwer der Schirm ist, würde es sich nicht um wesentliche Eigenschaften im Sinne der Vorschriften handeln.

Bei dem Gegenstandswert sei auf das Interesse des Gläubigers abzustellen, § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG. Anzusetzen sei damit der Wert der Hauptsache aus dem Verfügungsverfahren, hier € 5.000,00.


OLG Hamm, Beschlüsse vom 14.03.2017 - 4 W 34/16 - und - 4 W 35/16 -

Donnerstag, 20. Juli 2017

Zwangsversteigerung und Suizidgefahr

Die Suizidgefahr hindert häufig eine Vollstreckung einer Wohnung, sei es im Rahmen der Räumungsvollstreckung aus einem in einem Mietrechtsverfahren erwirkten Titel, sei es im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens. Vorliegend musste sich der BGH mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Zuschlagsbeschluss in einem Zwangsversteigerungsverfahren bei psychischer Erkrankung des Schuldners, bei der ernsthaft mit seinem Suizid gerechnet werden muss, ergehen darf.

Im Laufe des Verfahrens hatte der Schuldner mehrfach erfolgreich einen Zuschlag auf Grund seines gesundheitlichen Zustandes verhindert. Teilweise hatte er auch eine (nicht erfolgreiche) Therapie wahrgenommen. Schließlich versagte das Amtsgericht neuerlich einen Zuschlag in Ansehung der Suizidgefahr bei dem Schuldner, setzte das Verfahren zeitlich befristet aus und gab dem Schuldner die Auflage zur Aufnahme einer psychotherapeutischen Maßnahme mit dem Hinweis, bei Nichtbefolgung keinen weiteren Vollstreckungsschutz zu gewähren. Vor einem auf dem 30.06.2016 bestimmten erneuten Zwangsversteigerungstermin stellte der Schuldner erneut einen Vollstreckungsschutzantrag mit der Begründung, er sei zu einer Therapie nicht in der Lage gewesen und außerdem sei seine Skepsis an einem Behandlungserfolg geblieben. Am 14.07.2016 wies das Amtsgericht den Vollstreckungsschutzantrag zurück und erteilte dem Ersteher den Zuschlag. Das Beschwerdegericht hat nach Einholung gutachterlicher Stellungnahmen der Amtsärztin die Suizidgefahr für begründet angesehen und die Auffassung vertreten, dass keinerlei Aussicht darauf bestehe, dass der Schuldner eine längerfristige Psychotherapie aufnehme und keine Aussicht darauf bestehe, dass sich der Zustand des Schuldners in den nächsten Jahren verändern würde. Auch eine Unterbringung käme nicht in Betracht, da diese nicht dauerhaft helfen würde. Damit käme allenfalls eine dauerhafte Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens ohne Auflagen in Betracht, was aber einem Eingriff in das Eigentumsrecht des Gläubigers gleichkäme. Von daher wies es die Beschwerde des Schuldners zurück.

Auf die Rechtsbeschwerde hob der BGH die Entscheidung des Beschwerdegerichts auf und verwies zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurück.

Zutreffend sei, so der BGH, dass die Interessen des Schuldners an Lebensschutz mit jenen des Gläubigers nach Art. 14 und 19 Abs. 4 GG abzuwägen sind.

Kann der Suizidgefahr nach polizeirechtlichen Vorschriften oder durch Unterbringung nach einschlägigen Landesgesetzen oder betreuungsrechtliche Unterbringung (§ 1906 BGB) abgewendet werden, scheidet eine Aussetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens aus. Das Vollstreckungsgericht sei daher gehalten, die einschlägigen Stellen zu beteiligen, wenn entsprechende Maßnahmen als Alternative zur einstweiligen Einstellung in Betracht kämen.

Würde allerdings fest stehen oder ist aller Voraussicht nach davon auszugehen, dass dies zu einer dauerhaften Verwahrung führt, würde dies Verfahren ausscheiden und sei (gegebenenfalls wiederholt) auf Zeit das Verfahren einzustellen. Dies würde auch dann gelten, wenn der Gefahr der Selbsttötung nur durch eine jahrelange Unterbringung ohne therapeutischen Nutzen begegnet werden könnte.  Anders würde es sich nur verhalten, wenn innerhalb eines überschaubaren Zeitraums die Freiheitsentziehung eine Chance zur Stabilisierung durch therapeutische Maßnahmen biete.

Diese Vorgaben habe das Beschwerdegericht nicht beachtet. Der Umstand, dass psychotherapeutische Behandlungen durch den Schuldner abgebrochen bzw. gar nicht erst aufgenommen würden, ließe nicht den Schluss zu, dass eine Unterbringung auch nicht erfolgversprechend ist. Gerade die Feststellung des Beschwerdegerichts zur Antriebslosigkeit des Schuldners schließe einen Erfolg einer Unterbringung nicht aus. Das Beschwerdegericht hätte die Amtsärztin bzw. einen psychiatrischen Sachverständigen befragen müssen.

Auch die Ausführung des Beschwerdegerichts, eine Unterbringung käme vorliegend nicht in Betracht, könne die Entscheidung nicht stützen. § 11 Abs. 1 PsychKG NRW erlaube eine Unterbringung, wenn und solange eine krankheitsbedingte Selbstgefährdung bestehe und nicht anders abgewendet werden kann. Damit hätte das Beschwerdegericht die für den Antrag auf Unterbringung zuständige örtliche Ordnungsbehörde nach § 12 PsychKG NRW einschalten müssen.

Im Übrigen käme auch eine Unterbringung nach dem Betreuungsrecht (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB) in Betracht, wenn zwar keine akute, unmittelbare Gefahr für den Betreuten bestünde, aber eine ernstliche und konkrete Gefahr für dessen Leib und Leben (ohne dass die Anforderungen hier überspannt werden dürften). Zwar dürfe gegen den freien Willen eines Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden (§ 1896 Abs. 1a BGB), doch habe das Beschwerdegericht keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich der Schuldner einer solchen Betreuung widersetzen würde.

Das Beschwerdegericht müsste also zum einen das Betreuungsgericht einschalten, gegebenenfalls gleichzeitig die nach § 12 PsychKG NRW zuständige örtliche Stelle.

Auch wenn das Beschwerdegericht abschließend zu dem Ergebnis gelangt, dass eine zeitweise Unterbringung des Schuldners vor dem Zuschlagsbeschluss keine Aussicht auf Erfolg hat oder aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist, so könne es nicht eine befristete Einstellung mit den genannten Erwägungen ausschließen, selbst wenn die Aussichten auf eine Besserung des Gesundheitszustandes des Schuldners gering sein sollten.

Anmerkung: Der BGH folgt schon vom Ergebnis nicht der Annahme des Beschwerdegerichts, dass bei geringer Aussicht auf Erfolg für eine Änderung der psychischen Situation des Schuldners eine weitere Einstellung nicht in Betracht käme und dem Eigentumsrecht des Gläubigers Rechnung getragen werden müsse.


BGH, Urteil vom 16.03.2017 - V ZB 150/16 - 

Freitag, 7. Juli 2017

Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers aus wichtigem Grund und Stimmrechtsverbot

Die GmbH bestand aus zwei Gesellschaftern. Der Kläger hielt 49% der Gesellschaftsanteile, der Alleingeschäftsführer, 51% der Gesellschaftsanteile an der Beklagten GmbH.  Auf einer Gesellschafterversammlung standen die Abberufung des Alleingeschäftsführers aus wichtigem Grund, die fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrages und die Bestellung des Klägers zum neuen Geschäftsführer auf der Tagesordnung. Die Beschlussanträge wurden mit den Stimmen des Alleingeschäftsführers gegen die Stimmen des Klägers abgewiesen. Der Kläger erhob Beschlussanfechtungsklage und verband diese mit einer  Klage auf positive Beschlussfeststellung.

Die Klage war in allen Instanzen erfolglos.

Gegen die Beschlussfassung würde nach Auffassung des BGH nicht sprechen, dass der Alleingeschäftsführer als Gesellschafter selbst mit abgestimmt habe. Ein Stimmrechtsausschluss würde weder bei der normalen Abberufung noch bei der normalen Kündigung des Anstellungsvertrages greifen, da es hier um innere Angelegenheiten der Gesellschaft ginge,  weshalb die Einwirkung auf seinen persönlichen Rechtskreis unbeachtlich sei. Anders sei dies allerdings dann, wenn eine Abberufung aus wichtigem Grund erfolge und ein Anstellungsvertrag fristlos gekündigt werden soll. In diesem Fall würde das Stimmrechtsverbot greifen können, da niemand zum Richter in eigenen Sachen berufen sei. Der BGH zeigt auf, dass im Einzelnen in Literatur und Rechtsprechung streitig sei, wann unter diesen Voraussetzungen ein abstimmungserhebliches Stimmverbot vorläge. Zu dieser Frage bedürfe es aber keiner Entscheidung. Denn das Gericht dürfe nicht alleine auf Grund eines schlüssigen Vortrages davon ausgehen, dass ein wichtiger Grund  vorläge, sondern hat diesen zu prüfen, wenn er im Streit ist. Eine Anfechtungsklage des Mehrheitsgesellschafters gegen seine Abberufung und die Kündigung aus wichtigem Grund könnte auch nicht alleine deshalb abgewiesen werden, wenn er seine Stimmen in der Annahme fehlender Stimmberechtigung nicht berücksichtigt hätte. In diesem Fall würde der wichtige Grund nicht geklärt und Rechtsschutz verweigert. Damit aber könne auch in dem vorliegenden Fall nicht alleine wegen einer vermeintlich unstatthaften Stimmabgabe der Beschluss für nichtig erklärt werden und dem positiven Beschlussfeststellungsantrag stattgegeben werden, sondern müsse geprüft werden, ob ein wichtiger Grund vorläge.

Im Verfahren ist derjenige für das Vorliegen eines die Abberufung und Kündigung des Anstellungsvertrages rechtfertigenden wichtigen Grundes darlegungs- und beweisbelastet, der sich darauf beruft (hier also der Kläger). Im Ergebnis verneinte der BGH auf der Grundlage der Entscheidung des OLG das Vorliegen eines wichtigen Grundes.


BGH, Urteil vom 04.04.2017 - II ZR 77/16 -

Umfang der Schiedsgerichtsvereinbarung in einer (Personen-) Gesellschaft

Die Antragsgegnerinnen waren Kommanditistinnen einer in Form einer GmbH & Co. KG geführten Reederei, die mit den Stimmen der Antragstellerinnen durch Einzug ihrer Anteile aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurden. Gegen diesen Beschluss leiteten die Antragsgegnerinnen das im Gesellschaftsvertrag und dem Schiedsgerichtsvertrag vorgesehene Schiedsgerichtsverfahren ein. Die Antragsstellerinnen rügten die Zuständigkeit des Schiedsgerichts nach dessen Bildung und haben, nachdem dieses sich durch Zwischenentscheid für zuständig befand, beantragt, das Schiedsgericht für unzuständig zu erklären. Das OLG hatte diesen Antrag zurückgewiesen; die dagegen erhobene Rechtsbeschwerde wurde vom BGH positiv verbeschieden.

Der BGH hält fest, dass die Schiedsklausel im Gesellschaftsvertrag 1968 und der Schiedsgerichtsvertrag unmittelbar aufeinander bezogen und miteinander verknüpft wären. Schon der Wortlaut des Schiedsgerichtsvertrage verdeutliche allerdings, dass er nicht auf eine spätere Neufassung des Gesellschaftsvertrages und daraus resultierender Streitigkeiten anwendbar sei. Wenn 1969 die Gesellschafter eine Kopplung des Schiedsgerichtsvertrages nicht an den konkreten Gesellschaftsvertrag hätten haben wollen, hätten sie von einer direkten Bezugnahme, wie sie hier geschehen ist, Abstand nehmen müssen. Das ist nicht geschehen und der neue Gesellschaftsvertrag von 2013 enthält keine Schiedsklausel.

Der Beschluss des OLG würde sich auch nicht deshalb als im Ergebnis richtig darstellen, da es an einem wirksamen Beschluss über die Neufassung des Gesellschaftsvertrages in 2013 ermangele. Dabei könne dahinstehen, ob die Neufassung wirksam war oder nicht. Denn die weitergehende Ansicht des OLG, Beschlussmängelstreitigkeiten seien bei einer Personengesellschaft ohne weiteres schiedsfähig, sei verfehlt.

Der BGH habe für Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) bestimmte Mindestanforderungen gestellt, wenn die Schiedsfähigkeit auch Beschlussmängelstreitigkeiten erfassen soll. Dazu gehöre, dass neben den Organen der Gesellschaft jeder Gesellschafter über Einleitung und Verlauf des Verfahrens informiert werden muss und die Möglichkeit erhalten muss, dem Verfahren auch als Nebenintervenient beizutreten. Sämtliche Gesellschafter müssten an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, wenn dies nicht durch eine neutrale Stelle erfolgt. Und es müsse gewährleistet werden, dass alle einen Beschlussgegenstand betreffenden Anträge bei einem Schiedsgericht abgehandelt würden. Die zu Kapitalgesellschaften (GmbH) ergangene Rechtsprechung würde auch aus den grundlegend zu berücksichtigenden § 138 BGB und Rechtsstaatsprinzip bei Personengesellschaften greifen.

Da vorliegend der Schiedsgerichtsvertrag von 1969 keine entsprechenden Regelungen zum Schutz der Kommanditisten vorsähe, würde der Streitfall von daher schon nicht von der Schiedsklausel erfasst werden.


BGH, Beschluss vom 06.04.2017 - I ZB 23/16 -

Montag, 3. Juli 2017

Werbungskosten im Rahmen von VuV auch bei gescheitertem Immobilienerwerb

Der Kläger wollte im Juni 2000 ein Grundstück nebst Villa erwerben. Der Beurkundungstermin platzte, nachdem die Verkäuferin kurzfristig einen höheren Kaufpreis haben wollte. Es erbot sich nunmehr ein Makler, für ihn tätig zu werden, doch dürfe der Kläger nicht in Erscheinung treten. Der Kläger gab letztlich dem Makler DM 3.5 Mio. als Kaufpreis, DM 400.000,00 als Provision und ein Handgeld von US-$ 100.000,00. Doch der Erwerb wurde nicht durchgeführt. Der Makler wurde in der Folge wegen Betrug strafrechtlich verurteilt und im Adhäsionsverfahren wurden dem Kläger DM 3.9 Mio. und US-$ 100.000,00 zugesprochen. Im Oktober 2000 erwarb der Kläger schließlich die Immobilie für DM 3,9 Mio. und vermietete sie ab 2003 unter Selbstnutzung des Dachgeschosses als Wohnung an diverse gewerbliche Mieter.

Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für 2000 machte er den Betrugsschaden, anteilig umgelegt auf die  vermietete Fläche, mit DM 3.555,150,00 als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (VuV) geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab und wies einen gegen den Bescheid vom Kläger eingelegten Einspruch zurück.  Im Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) wurde der Anspruch des Klägers wegen des Betrugsschadens zurückgewiesen. Die Klage hatte dort nur insoweit Erfolg, als der Kläger auch ab dem Kalenderjahr 2000 Absetzungen für Abnutzungen (AfA) für die erworbene Immobilie in Ansatz brachte. Insoweit vertrat das FG die Auffassung, dass der Kläger seit Erwerb bis zur Vermietung zu der Vermietung fest entschlossen gewesen sei, und von daher auch für das Streitjahr 2000 bereits (und folgend) AfA ansetzen dürfe.

Auf die Revision des Klägers wurde das Urteil des FG aufgehoben und der Rechtsstreit, soweit zuungunsten des Klägers entschieden wurde, an das FG zurückverwiesen.

Vom Grundsatz her formulierte der BFH den bekannten Grundsatz, dass Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG Aufwendungen seien, die der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen dienen würden. Diese sind bei der Einkunftsart VuV abzuziehen, wenn sie bei dieser auch entstanden sind.

Entsprechende Aufwendungen könnten auch anfallen, bevor Einnahmen erzielt werden. Sie können dann als vorab entstandene Werbungskosten abgezogen werden, wenn ein ausreichend bestimmter Zusammenhang zwischen der Aufwendung und der in Betracht kommenden  Einkunftsart bestehen würde. Dieser Abzug sei bereits ab dem Zeitpunkt zulässig, zu dem sich feststellen lasse, dass ein endgültiger Entschluss zur Erzielung von Einkünften aus der entsprechenden Einkunftsart gefasst worden sei. Im Hinblick darauf bliebe dieser Werbungskostenabzug auch dann bestehen, wenn es entgegen den Planungen des Steuerpflichtigen doch nicht zur Erzielung von den beabsichtigten Einkünften käme.

Danach wäre für die Einkunftsart VuV entscheidend der Zeitpunkt, zu dem sich der Steuerpflichtige entschieden hat, durch Vermietung Einkünfte zu erzielen, wobei sich dieser Entschluss noch nicht einmal auf ein bestimmtes Grundstück beziehen müsse. Fehle es an einem Objekt, müsse aber die Absicht bestehen, ein solches jedenfalls in absehbarer Zukunft zu erwerben. Indiziell ist die innere Tatsache der Absicht durch äußere Umstände festzustellen.

Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung von Gebäuden gehören bei VuV zu den Werbungskosten. Sie können in der Regel nicht sofort sondern nur über Jahre als sogenannten AfA steuerlich abgezogen werden. Allerdings sind Kosten für Grund und Boden deshalb keine Werbungskosten, die steuerlich berücksichtigt werden könnten, da es sich um ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut handelt.  Herstellungskosten sollen nur dann zu den bei Werbungskosten berücksichtigungsfähigen Aufwendungen gehören, wenn dem tatsächlich erbrachte Leistungen gegenüberstehen, weshalb Vorauszahlungen für ein Bauvorhaben, bei dem es infolge Konkurses zu keinen Herstellungsleistungen kam, zu sofort abziehbaren Werbungskosten kommt.  Insgesamt würde gelten, dass Anschaffungskosten, die letztlich nicht zur geplanten Anschaffung führen würden, zu dem Zeitpunkt voll abzugsfähig würden, zu dem feststünde, dass es zu keiner AfA mehr kommen kann.

Anders als vom FG angenommen, würde das Fehlen einer verbindlichen Rechtsgrundlage gegenüber dem Verkäufer für die Hingabe des Geldes den wirtschaftlichen Zusammenhang  der Aufwendungen mit einer beabsichtigen Vermietungsaufnahme nicht ausschließen. Denn entscheidend sei nur, dass sich der Steuerpflichtige zum Erwerb und zur Vermietung entschlossen habe. Auch scheitere der vorweggenommene Werbungskostenabzug nicht daran, dass der Kläger später das Objekt doch erworben habe, , da diese Kosten zu einem zuvor gescheiterten Kaufversuch gehören würden und nicht mehr über die AfA geltend gemacht werden könnten.


BFH, Urteil vom 09.05.2017 – IX R 24/16

Freitag, 30. Juni 2017

Unwirksame bzw. unklare Kündigungsklausel in Kita-Vertrag einer Kirchengemeinde

Die Beklagten hatten mit der klagenden evangelischen Kirchengemeinde einen Vertrag, nach dem das Kind der Beklagten in der Ganztagsbetreuung in der Kindertagesstätte der klagenden Kirchengemeinde war. Mit einem Schreiben vom 19.06.2016 kündigten die Beklagten zum 31.07.2016. Die Klägerin hält die Kündigung zu diesem Zeitpunkt für unzulässig und klagte Essengeld für August 2016 ein.

Das Amtsgericht musste sich mit der bzw. den Kündigungsklausel(n) des Vertrages auseinandersetzen, bei dem es sich um einen AGB-Vertrag handelte, da er für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert war. Die Klausel(n) lauteten:

"Über Ab­schluss und Be­en­di­gung (Kün­di­gung) des Ver­tra­ges ent­schei­det der Kir­chen­vor­stand. Kün­di­gungs­frist ist 4 Wo­chen zum Mo­nats­en­de. Ab­mel­dun­gen durch die El­tern kön­nen nur zum Mo­nats­er­sten er­fol­gen und müs­sen 4 Wo­chen vor­her schrift­lich vor­lie­gen.

Kin­der, die im Herbst zur Schu­le kom­men und nicht bis zur all­ge­mei­nen Ent­las­sung in der Kin­der­ta­ges­stät­te blei­ben sol­len, müs­sen zum 28. Fe­bru­ar ab­ge­mel­det sein und die Ein­rich­tung zum 1. April ver­las­sen, da­mit der Platz neu ver­ge­ben wer­den kann. Bei voll­stän­di­ger Frei­stel­lung vom El­tern­bei­trag kann von die­ser Re­ge­lung Ab­stand ge­nom­men wer­den."

Das Amtsgericht wies darauf hin, dass die Kündigung die vereinbarte Frist von vier Wochen zum Monatsende eingehalten habe.  Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass die Kündigung bis zum 28.02.2016 hätte erfolgen müssen. Die entsprechende Klausel sei nicht klar und verständlich. Dabei könne auf sich beruhen, ob die Klausel gem. § 305c Abs. 2 BGB dahingehend ausgelegt werden kann, dass eine Kündigung zum 31.07.2016 möglich ist oder zu diesem Zeitpunkt ohnehin der allgemeine Entlassungszeitpunkt lag oder ob die Klausel gem. § 307 Ans. 1 S. 2 BGB unwirksam sei.

Die Klausel, welche für angehende Schulkinder vorsehe, dass die Kündigung bis zum 28.02. erfolgen müsse, wenn die Kinder nicht bis zur „allgemeinen Entlassung“ in der Einrichtung verbleiben, in keinem Verhältnis zur vorangehenden Klausel (vierwöchige Frist zum Monatsende) stünde. Zwar spräche einiges dafür, dass es sich hier um eine Ausnahme von der allgemeinen Kündigungsmöglichkeit  handeln soll, mit der Folge, dass bei angehenden Schulkindern die Kündigungsmöglichkeit eingeschränkt wird.  Diese Auslegung sei aber nicht zwingend, was notwendig dann nach der Unklarheitenregelung des § 305c BGB zu Lasten des Verwenders (hier der klagenden Kirchengemeinde) geht.

Zudem sei auch nicht erkennbar, zu welchem Zeitpunkt  die „allgemeine Entlassung“ erfolgt, weshalb die Eltern nicht erkennen könnten, zu welchem Zeitpunkt das Betreuungsverhältnis endet. Möglich wäre ein Ende des Betreuungsverhältnisses zum Beginn als auch zum Ende der Sommerferien, wie auch zum Monatsende vor bzw. nach der Einschulung. So sei in 2016 der 26.08. der letzte Tag der Sommerferien gewesen, weshalb die Einschulung noch im August erfolgte.


AG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.06.2017 - 29 C 1038/17 (97)