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Freitag, 28. Juli 2017

Zur Erwerbstierhaltung und dem Entlastungsbeweis nach § 833 S. 2 BGB

Grundsätzlich haftet der Tierhalter einem Dritten für jeden diesem durch die (von ihm nachzuweisende) tierische Unberechenbarkeit des Tieres, unabhängig von einem Verschulden, § 833 S. 1 BGB. Etwas anderes gilt nur, wenn es sich um ein Haustier (Rind, Pferd, Schaf, Hund u.a.) handelt und dieses von ihm für seinen Beruf, zum Erwerb oder für seinen Unterhalt gehalten wird. In diesem Fall kann sich der Tierhalter nach § 833 S. 2 BGB exkulpieren, also nachweisen, dass er bei der Aufsicht über das Tier die im Verkehr erforderliche Sorgfalt obwalten ließ, § 833 S. 2 BGB.

Der BGH musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob  - wie von OLG angenommen -  eine Erwerbtierhaltung iSv. § 833 S. 2 BGB vorlag. Die Pferde des Beklagten waren von einer Koppel ausgebrochen, und es kam zu einem Verkehrsunfall auf der Staatstraße 217 in Bayern. Er hatte geltend gemacht, Pferde zu züchten und damit Erwerbstierhalter zu sein; die Koppel sei ordnungsgemäß gesichert gewesen.

Der BGH führte zur Erwerbstierhaltung aus, dass diese nur angenommen werden könne, wenn die Erwerbstätigkeit auf Gewinnerzielung gerichtet sei. Eine entsprechende Absicht, die in objektiven Umständen keinen Niederschlag fände, sei nicht ausreichend.  Es müsse zumindest die realistische Möglichkeit bestehen, dass der Tierhalter, eventuell nach einer gewissen Anlaufzeit, Gewinn erzielt. Nicht erforderlich sei allerdings, dass er seinen Lebensunterhalt aus einem wesentlichen Anteil der Tierhaltung erwirtschaftet und diese Grundlage seines Erwerbs bilde; eine entsprechende Einschränkung fände sich weder im Wortlaut noch in den Gesetzesmaterialien.

Vorliegend habe das OLG nicht geprüft, ob der Zuchtbetrieb in objektiver Hinsicht darauf angelegt war, Gewinne zu erzielen. Es gäbe keine Feststellungen dazu, dass zumindest im Ansatz realistische Chancen bestehen würden, in Zukunft durch den Verkauf von Fohlen Erlöse zu erzielen, die die Anschaffungskosten und den laufenden Unterhalt des Wallachs, des Hengstes und der zwei Stuten übersteigen würden.

Zur Frage der Sicherung der Pferde habe das OLG übersehen, dass es sich um eine zweite Tatsacheninstanz handelt, die nicht  auf eine Kontrolle von Verfahrensfehlern und damit auf einen Umfang wie beim Revisionsverfahren beschränkt sei. Die Aufgabe des Berufungsgerichts als (eingeschränkte) 2. Tatsacheninstanz sei die Gewinnung einer fehlerfreien und überzeugenden und damit fehlerfreien Entscheidung. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen könnten sich auch aus einer unterschiedlichen Wertung ergeben. Besteht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür, dass im Falle einer Beweiserhebung die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben würden, wäre das Berufungsgericht zur erneuten Beweisaufnahme veranlasst. Soweit das OLG auf das erstinstanzliche Gutachten zur Sicherung der Pferde abstellte und damit die Position des Landgerichts übernahm, der Beklagte sei seiner Sicherungspflicht ausreichend nachgekommen, da der Beklagte lediglich „seine eigenen, von den Beurteilungen des Sachverständigen abweichenden Einschätzungen“ angegeben habe, habe es sich nicht ausreichend mit diesen auseinandergesetzt.

Dabei wies der BGH darauf hin, dass der Pferdehalter für eine ausreichende sichere Einzäunung Sorge zu tragen habe. Dies diene dazu, ein Entweichen der Tiere (so auf Straßen) zu verhindern. Es seien hohe Anforderungen zu stellen, doch müsse nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden. Sicherungen von absoluter Wirksamkeit wären kaum möglich. Deshalb müssten nur die allgemein üblichen und im Verkehr als erforderlich angesehenen Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden.

Der BGH hob das angefochtene Urteil auf und Verwies den Rechtsstreit zu anderweitigen Entscheidung an das OLG zurück.


BGH, Urteil vom 14.02.2017 – VI ZR 434/15