Die Suizidgefahr hindert häufig
eine Vollstreckung einer Wohnung, sei es im Rahmen der Räumungsvollstreckung
aus einem in einem Mietrechtsverfahren erwirkten Titel, sei es im Rahmen eines
Zwangsversteigerungsverfahrens. Vorliegend musste sich der BGH mit der Frage
auseinandersetzen, ob ein Zuschlagsbeschluss in einem
Zwangsversteigerungsverfahren bei psychischer Erkrankung des Schuldners, bei
der ernsthaft mit seinem Suizid gerechnet werden muss, ergehen darf.
Im Laufe des Verfahrens hatte der
Schuldner mehrfach erfolgreich einen Zuschlag auf Grund seines gesundheitlichen
Zustandes verhindert. Teilweise hatte er auch eine (nicht erfolgreiche)
Therapie wahrgenommen. Schließlich versagte das Amtsgericht neuerlich einen
Zuschlag in Ansehung der Suizidgefahr bei dem Schuldner, setzte das Verfahren
zeitlich befristet aus und gab dem Schuldner die Auflage zur Aufnahme einer
psychotherapeutischen Maßnahme mit dem Hinweis, bei Nichtbefolgung keinen
weiteren Vollstreckungsschutz zu gewähren. Vor einem auf dem 30.06.2016
bestimmten erneuten Zwangsversteigerungstermin stellte der Schuldner erneut
einen Vollstreckungsschutzantrag mit der Begründung, er sei zu einer Therapie
nicht in der Lage gewesen und außerdem sei seine Skepsis an einem
Behandlungserfolg geblieben. Am 14.07.2016 wies das Amtsgericht den
Vollstreckungsschutzantrag zurück und erteilte dem Ersteher den Zuschlag. Das
Beschwerdegericht hat nach Einholung gutachterlicher Stellungnahmen der
Amtsärztin die Suizidgefahr für begründet angesehen und die Auffassung
vertreten, dass keinerlei Aussicht darauf bestehe, dass der Schuldner eine
längerfristige Psychotherapie aufnehme und keine Aussicht darauf bestehe, dass
sich der Zustand des Schuldners in den nächsten Jahren verändern würde. Auch eine
Unterbringung käme nicht in Betracht, da diese nicht dauerhaft helfen würde.
Damit käme allenfalls eine dauerhafte Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens
ohne Auflagen in Betracht, was aber einem Eingriff in das Eigentumsrecht des
Gläubigers gleichkäme. Von daher wies es die Beschwerde des Schuldners zurück.
Auf die Rechtsbeschwerde hob der
BGH die Entscheidung des Beschwerdegerichts auf und verwies zur erneuten
Entscheidung an das Beschwerdegericht zurück.
Zutreffend sei, so der BGH, dass
die Interessen des Schuldners an Lebensschutz mit jenen des Gläubigers nach
Art. 14 und 19 Abs. 4 GG abzuwägen sind.
Kann der Suizidgefahr nach
polizeirechtlichen Vorschriften oder durch Unterbringung nach einschlägigen
Landesgesetzen oder betreuungsrechtliche Unterbringung (§ 1906 BGB) abgewendet
werden, scheidet eine Aussetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens aus. Das
Vollstreckungsgericht sei daher gehalten, die einschlägigen Stellen zu
beteiligen, wenn entsprechende Maßnahmen als Alternative zur einstweiligen
Einstellung in Betracht kämen.
Würde allerdings fest stehen oder
ist aller Voraussicht nach davon auszugehen, dass dies zu einer dauerhaften
Verwahrung führt, würde dies Verfahren ausscheiden und sei (gegebenenfalls wiederholt)
auf Zeit das Verfahren einzustellen. Dies würde auch dann gelten, wenn der Gefahr
der Selbsttötung nur durch eine jahrelange Unterbringung ohne therapeutischen
Nutzen begegnet werden könnte. Anders
würde es sich nur verhalten, wenn innerhalb eines überschaubaren Zeitraums die
Freiheitsentziehung eine Chance zur Stabilisierung durch therapeutische
Maßnahmen biete.
Diese Vorgaben habe das
Beschwerdegericht nicht beachtet. Der Umstand, dass psychotherapeutische
Behandlungen durch den Schuldner abgebrochen bzw. gar nicht erst aufgenommen
würden, ließe nicht den Schluss zu, dass eine Unterbringung auch nicht
erfolgversprechend ist. Gerade die Feststellung des Beschwerdegerichts zur
Antriebslosigkeit des Schuldners schließe einen Erfolg einer Unterbringung
nicht aus. Das Beschwerdegericht hätte die Amtsärztin bzw. einen
psychiatrischen Sachverständigen befragen müssen.
Auch die Ausführung des
Beschwerdegerichts, eine Unterbringung käme vorliegend nicht in Betracht, könne
die Entscheidung nicht stützen. § 11 Abs. 1 PsychKG NRW erlaube eine
Unterbringung, wenn und solange eine krankheitsbedingte Selbstgefährdung
bestehe und nicht anders abgewendet werden kann. Damit hätte das
Beschwerdegericht die für den Antrag auf Unterbringung zuständige örtliche
Ordnungsbehörde nach § 12 PsychKG NRW einschalten müssen.
Im Übrigen käme auch eine
Unterbringung nach dem Betreuungsrecht (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB) in Betracht,
wenn zwar keine akute, unmittelbare Gefahr für den Betreuten bestünde, aber eine
ernstliche und konkrete Gefahr für dessen Leib und Leben (ohne dass die Anforderungen
hier überspannt werden dürften). Zwar dürfe gegen den freien Willen eines Volljährigen
ein Betreuer nicht bestellt werden (§ 1896 Abs. 1a BGB), doch habe das
Beschwerdegericht keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich der Schuldner
einer solchen Betreuung widersetzen würde.
Das Beschwerdegericht müsste also
zum einen das Betreuungsgericht einschalten, gegebenenfalls gleichzeitig die
nach § 12 PsychKG NRW zuständige örtliche Stelle.
Auch wenn das Beschwerdegericht
abschließend zu dem Ergebnis gelangt, dass eine zeitweise Unterbringung des
Schuldners vor dem Zuschlagsbeschluss keine Aussicht auf Erfolg hat oder aus
rechtlichen Gründen nicht möglich ist, so könne es nicht eine befristete
Einstellung mit den genannten Erwägungen ausschließen, selbst wenn die
Aussichten auf eine Besserung des Gesundheitszustandes des Schuldners gering
sein sollten.
Anmerkung: Der BGH folgt schon vom Ergebnis nicht der
Annahme des Beschwerdegerichts, dass bei geringer Aussicht auf Erfolg für eine
Änderung der psychischen Situation des Schuldners eine weitere Einstellung
nicht in Betracht käme und dem Eigentumsrecht des Gläubigers Rechnung getragen
werden müsse.
BGH, Urteil vom 16.03.2017 - V ZB 150/16 -