Die Suizidgefahr hindert häufig
eine Vollstreckung einer Wohnung, sei es im Rahmen der Räumungsvollstreckung
aus einem in einem Mietrechtsverfahren erwirkten Titel, sei es im Rahmen eines
Zwangsversteigerungsverfahrens. Vorliegend musste sich der BGH mit der Frage
auseinandersetzen, ob ein Zuschlagsbeschluss in einem
Zwangsversteigerungsverfahren bei psychischer Erkrankung des Schuldners, bei
der ernsthaft mit seinem Suizid gerechnet werden muss, ergehen darf.
Im Laufe des Verfahrens hatte der
Schuldner mehrfach erfolgreich einen Zuschlag auf Grund seines gesundheitlichen
Zustandes verhindert. Teilweise hatte er auch eine (nicht erfolgreiche)
Therapie wahrgenommen. Schließlich versagte das Amtsgericht neuerlich einen
Zuschlag in Ansehung der Suizidgefahr bei dem Schuldner, setzte das Verfahren
zeitlich befristet aus und gab dem Schuldner die Auflage zur Aufnahme einer
psychotherapeutischen Maßnahme mit dem Hinweis, bei Nichtbefolgung keinen
weiteren Vollstreckungsschutz zu gewähren. Vor einem auf dem 30.06.2016
bestimmten erneuten Zwangsversteigerungstermin stellte der Schuldner erneut
einen Vollstreckungsschutzantrag mit der Begründung, er sei zu einer Therapie
nicht in der Lage gewesen und außerdem sei seine Skepsis an einem
Behandlungserfolg geblieben. Am 14.07.2016 wies das Amtsgericht den
Vollstreckungsschutzantrag zurück und erteilte dem Ersteher den Zuschlag. Das
Beschwerdegericht hat nach Einholung gutachterlicher Stellungnahmen der
Amtsärztin die Suizidgefahr für begründet angesehen und die Auffassung
vertreten, dass keinerlei Aussicht darauf bestehe, dass der Schuldner eine
längerfristige Psychotherapie aufnehme und keine Aussicht darauf bestehe, dass
sich der Zustand des Schuldners in den nächsten Jahren verändern würde. Auch eine
Unterbringung käme nicht in Betracht, da diese nicht dauerhaft helfen würde.
Damit käme allenfalls eine dauerhafte Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens
ohne Auflagen in Betracht, was aber einem Eingriff in das Eigentumsrecht des
Gläubigers gleichkäme. Von daher wies es die Beschwerde des Schuldners zurück.
Auf die Rechtsbeschwerde hob der
BGH die Entscheidung des Beschwerdegerichts auf und verwies zur erneuten
Entscheidung an das Beschwerdegericht zurück.
Zutreffend sei, so der BGH, dass
die Interessen des Schuldners an Lebensschutz mit jenen des Gläubigers nach
Art. 14 und 19 Abs. 4 GG abzuwägen sind.
Kann der Suizidgefahr nach
polizeirechtlichen Vorschriften oder durch Unterbringung nach einschlägigen
Landesgesetzen oder betreuungsrechtliche Unterbringung (§ 1906 BGB) abgewendet
werden, scheidet eine Aussetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens aus. Das
Vollstreckungsgericht sei daher gehalten, die einschlägigen Stellen zu
beteiligen, wenn entsprechende Maßnahmen als Alternative zur einstweiligen
Einstellung in Betracht kämen.
Würde allerdings fest stehen oder
ist aller Voraussicht nach davon auszugehen, dass dies zu einer dauerhaften
Verwahrung führt, würde dies Verfahren ausscheiden und sei (gegebenenfalls wiederholt)
auf Zeit das Verfahren einzustellen. Dies würde auch dann gelten, wenn der Gefahr
der Selbsttötung nur durch eine jahrelange Unterbringung ohne therapeutischen
Nutzen begegnet werden könnte. Anders
würde es sich nur verhalten, wenn innerhalb eines überschaubaren Zeitraums die
Freiheitsentziehung eine Chance zur Stabilisierung durch therapeutische
Maßnahmen biete.
Diese Vorgaben habe das
Beschwerdegericht nicht beachtet. Der Umstand, dass psychotherapeutische
Behandlungen durch den Schuldner abgebrochen bzw. gar nicht erst aufgenommen
würden, ließe nicht den Schluss zu, dass eine Unterbringung auch nicht
erfolgversprechend ist. Gerade die Feststellung des Beschwerdegerichts zur
Antriebslosigkeit des Schuldners schließe einen Erfolg einer Unterbringung
nicht aus. Das Beschwerdegericht hätte die Amtsärztin bzw. einen
psychiatrischen Sachverständigen befragen müssen.
Auch die Ausführung des
Beschwerdegerichts, eine Unterbringung käme vorliegend nicht in Betracht, könne
die Entscheidung nicht stützen. § 11 Abs. 1 PsychKG NRW erlaube eine
Unterbringung, wenn und solange eine krankheitsbedingte Selbstgefährdung
bestehe und nicht anders abgewendet werden kann. Damit hätte das
Beschwerdegericht die für den Antrag auf Unterbringung zuständige örtliche
Ordnungsbehörde nach § 12 PsychKG NRW einschalten müssen.
Im Übrigen käme auch eine
Unterbringung nach dem Betreuungsrecht (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB) in Betracht,
wenn zwar keine akute, unmittelbare Gefahr für den Betreuten bestünde, aber eine
ernstliche und konkrete Gefahr für dessen Leib und Leben (ohne dass die Anforderungen
hier überspannt werden dürften). Zwar dürfe gegen den freien Willen eines Volljährigen
ein Betreuer nicht bestellt werden (§ 1896 Abs. 1a BGB), doch habe das
Beschwerdegericht keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich der Schuldner
einer solchen Betreuung widersetzen würde.
Das Beschwerdegericht müsste also
zum einen das Betreuungsgericht einschalten, gegebenenfalls gleichzeitig die
nach § 12 PsychKG NRW zuständige örtliche Stelle.
Auch wenn das Beschwerdegericht
abschließend zu dem Ergebnis gelangt, dass eine zeitweise Unterbringung des
Schuldners vor dem Zuschlagsbeschluss keine Aussicht auf Erfolg hat oder aus
rechtlichen Gründen nicht möglich ist, so könne es nicht eine befristete
Einstellung mit den genannten Erwägungen ausschließen, selbst wenn die
Aussichten auf eine Besserung des Gesundheitszustandes des Schuldners gering
sein sollten.
Anmerkung: Der BGH folgt schon vom Ergebnis nicht der
Annahme des Beschwerdegerichts, dass bei geringer Aussicht auf Erfolg für eine
Änderung der psychischen Situation des Schuldners eine weitere Einstellung
nicht in Betracht käme und dem Eigentumsrecht des Gläubigers Rechnung getragen
werden müsse.
BGH, Urteil vom 16.03.2017 - V ZB 150/16 -
Aus den Gründen:
Tenor
- Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Siegen vom 26. September 2016 aufgehoben.
- Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
- Die Vollziehung des Zuschlagsbeschlusses des Amtsgerichts Siegen vom 14. Juli 2016 (20 K 69/07) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde des Schuldners ausgesetzt.
- Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 148.000 € für die anwaltliche Vertretung des Schuldners.
Gründe
- I.
- Die Gläubigerin betreibt seit dem Jahr 2007 die Zwangsversteigerung der eingangs genannten Grundstücke des Schuldners, deren Werte mit 83.000 € und 65.000 € festgesetzt wurde. Das Verfahren wurde wegen einer bestehenden Suizidgefährdung des Schuldners mehrmals einstweilen eingestellt. In dem Versteigerungstermin am 5. September 2011 wurde ein Meistgebot über 60.000 € abgegeben. Auf Antrag des Schuldners versagte das Amtsgericht nach Einholung einer amtsärztlichen Stellungnahme den Zuschlag auf das Meistgebot und stellte das Verfahren einstweilen bis zum 21. April 2012 ein. Dabei wies es den Schuldner darauf hin, dass sein Gesundheitszustand nicht zu einer dauerhaften Einstellung des Verfahrens führen könne; er sei daher gehalten, durch geeignete Maßnahmen seinen Gesundheitszustand zu stabilisieren. Vor dem für den 7. Februar 2013 anberaumten nächsten Versteigerungstermin stellte der Schuldner erneut Vollstreckungsschutzantrag, den er wiederum mit akuter Suizidgefahr begründete. Er teilte dabei mit, dass er keine psychiatrische oder psychotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen habe, da sich sein Zustand infolge der vorläufigen Einstellung des Verfahrens stabilisiert habe. Eine erhebliche Verschlechterung sei mit der Fortsetzung des Verfahrens eingetreten. In dem Termin wurde ein Meistgebot über 62.000 € abgegeben. Nach Einholung einer weiteren amtsärztlichen Stellungnahme, die wiederum vom Vorliegen einer Suizidgefahr bei dem Schuldner ausging, versagte das Amtsgericht erneut den Zuschlag und stellte das Verfahren bis zum 27. September 2013 einstweilen ein. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der betreibenden Gläubigerin wies das Landgericht nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zurück. Seine im März 2013 aufgenommene ambulante psychotherapeutische Behandlung beendete der Schuldner im April 2014. Unmittelbar vor dem nächsten Versteigerungstermin am 18. Dezember 2014 beantragte er erneut die einstweilige Einstellung wegen Suizidgefahr. In dem Termin wurde ein Gebot über 60.000 € abgegeben. Den Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts hob das Landgericht auf die sofortige Beschwerde des Schuldners auf, versagte den Zuschlag und stellte die Zwangsversteigerung einstweilen bis zum 14. März 2016 ein. In diesem Beschluss gab es dem Schuldner auf, sich in eine psychotherapeutische Behandlung zu begeben und dies dem Vollstreckungsgericht gegenüber nachzuweisen. Der Schuldner wurde darauf hingewiesen, dass weiterer Vollstreckungsschutz nicht in Betracht käme, sollte er der Auflage nicht nachkommen. Ab dem 5. April 2016 wurde das Verfahren fortgesetzt. Vor dem auf den 30. Juni 2016 bestimmten Versteigerungstermin stellte der Schuldner erneut Vollstreckungsschutzantrag. Zur Begründung führte er aus, er sei zunächst aufgrund von Erkrankungen nicht zur Aufnahme einer Therapie in der Lage gewesen; anschließend habe es keine zeitnahen Termine gegeben. Außerdem sei seine Skepsis an einem Behandlungserfolg weiterhin bestehen geblieben. Von seinem Entschluss, sich einer psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen, sei er wieder abgerückt. In dem Versteigerungstermin blieb der Ersteher mit einem Gebot von 60.000 € Meistbietender.
- Mit Beschlüssen vom 14. Juli 2016 hat das Amtsgericht den Vollstreckungsschutzantrag des Schuldners zurückgewiesen und dem Ersteher den Zuschlag erteilt. Die gegen beide Beschlüsse gerichteten sofortigen Beschwerden hat das Landgericht zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser will der Schuldner die Versagung des Zuschlags und die einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens erreichen.
- II.
- Das Beschwerdegericht geht aufgrund von mehreren gutachterlichen Stellungnahmen der Amtsärztin sowie des in dem vorangegangenen Beschwerdeverfahren eingeholten Gutachtens eines Psychiaters und Psychotherapeuten davon aus, dass der Schuldner psychisch erkrankt ist und dass ernsthaft mit einem Suizid des Schuldners gerechnet werden muss, falls der Zuschlagsbeschluss rechtskräftig wird und der Schuldner damit sein Eigentum an dem von ihm bewohnten Haus - seinem Elternhaus - endgültig verliert. Die Abwendung der Suizidgefahr werde nach allen eingeholten ärztlichen Stellungnahmen nur durch eine konsequente längerfristige psychotherapeutische Behandlung erfolgen können. Andere Möglichkeiten stünden nicht zu Gebote. Eine Unterbringung, die Gabe von Medikamenten oder eine stationäre Behandlung seien nicht geeignet, den zugrundeliegenden Konflikt zu lösen und es dem Schuldner zu ermöglichen, anders als mit einem Selbstmord auf den Eigentumsverlust zu reagieren sowie sich sicher von seinen Selbstmordabsichten zu distanzieren. Eine solche längerfristige Psychotherapie habe der Schuldner nicht aufgenommen. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts besteht auch keinerlei Aussicht darauf, dass er sich dazu bereitfinden werde. Dies sei zur Überzeugung des Gerichts nicht darauf zurückzuführen, dass der Schuldner krankheitsbedingt nicht in der Lage wäre, eine solche Therapie anzugehen oder durchzuführen. Zwar sei die ihm diagnostizierte Anpassungsstörung auch durch Antriebslosigkeit gekennzeichnet. Dass er bis heute keine Therapie begonnen habe, liege aber nicht hierin begründet, sondern sei vielmehr darauf zurückzuführen, dass er nach eigenem glaubhaften Vorbringen skeptisch sei, ob ihm eine Psychotherapie überhaupt helfen werde. Mithin sei davon auszugehen, dass der momentane Zustand des Schuldners sich in den nächsten Jahren nicht verändern werde. Auch eine Unterbringung oder Ingewahrsamnahme könne lediglich für die Zeit ihrer Dauer helfen; danach werde die Gefahr eines „Bilanzselbstmords“ weiterhin bestehen bleiben. Einzig in Betracht komme daher eine dauerhafte Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens ohne Auflagen, was praktisch einem dauerhaften Eingriff in das Eigentumsrecht der betreibenden Gläubigerin gleichkäme. Vor diesem Hintergrund überwögen nunmehr deren Interessen.
- III.
- Die Rechtsbeschwerde ist nach § 96 ZVG i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache Erfolg, da die Entscheidung des Beschwerdegerichts rechtlicher Nachprüfung nicht standhält.
- 1. Einer Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss ist nach § 100 Abs. 3 i.V.m. § 83 Nr. 6 ZVG stattzugeben, wenn wegen eines Vollstreckungsschutzantrages des Schuldners nach § 765a ZPO bereits der Zuschlag wegen einer mit dem Eigentumsverlust verbundenen konkreten Gefahr für das Leben des Schuldners oder eines nahen Angehörigen nicht hätte erteilt werden dürfen (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - V ZB 138/15, MDR 2017, 238 Rn. 8; Beschluss vom 28. Januar 2016 - V ZB 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 5; Beschluss vom 12. November 2014 - V ZB 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 6 mwN). Den Feststellungen des Beschwerdegerichts zufolge ist der Schuldner aufgrund einer psychischen Erkrankung ernsthaft suizidgefährdet, und zwar schon durch den mit dem Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses bewirkten Eigentumsverlust als solchen; hiervon ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren auszugehen.
- 2. Das Beschwerdegericht geht im Ansatz zutreffend davon aus, dass der Zuschlag nicht ohne weiteres zu versagen und die Zwangsversteigerung (einstweilen) einzustellen ist, wenn eine solche konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners mit der Zwangsvollstreckung verbunden ist. Vielmehr ist das in solchen Fällen ganz besonders gewichtige Interesse des von der Vollstreckung Betroffenen (Lebensschutz, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) gegen das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers (Gläubigerschutz, Art. 14 GG; wirksamer Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG) abzuwägen. Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Mit Blick auf die Interessen des Erstehers gilt nichts anderes (zum Ganzen: Senat, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - V ZB 138/15, MDR 2017, 238 Rn. 11; Beschluss vom 28. Januar 2016 - V ZB 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 6; Beschluss vom 12. November 2014 - V ZB 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 7 mwN; vgl. auch BVerfG, ZfIR 2014, 874 Rn. 11 f.).
- a) Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, die Ingewahrsamnahme des suizidgefährdeten Schuldners nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen sowie die betreuungsrechtliche Unterbringung (§ 1906 BGB). Kann der Suizidgefahr des Schuldners auf diese Weise entgegengewirkt werden, scheidet die Einstellung aus. Der Verweis auf die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Gerichte ist verfassungsrechtlich allerdings nur tragfähig, wenn diese entweder Maßnahmen zum Schutz des Lebens des Schuldners getroffen oder aber eine erhebliche Suizidgefahr gerade für das diese Gefahr auslösende Moment (Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses oder Räumung) nach sorgfältiger Prüfung abschließend verneint haben. Hat die Ordnungsbehörde Maßnahmen ergriffen, kann das Vollstreckungsgericht davon ausgehen, dass diese ausreichen; flankierende Maßnahmen hat es nur zu erwägen, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass die von der Behörde ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen, oder wenn sich konkrete neue Gesichtspunkte ergeben, die die Lage entscheidend verändern (vgl. zum Ganzen: Senat, Beschluss vom 28. Januar 2016 - V ZB 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 7; Beschluss vom 12. November 2014 - V ZB 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 8 mwN). Das Vollstreckungsgericht ist daher gehalten, die zuständigen Stellen zu beteiligen, wenn entsprechende Maßnahmen als Alternative zur einstweiligen Einstellung der Zwangsversteigerung in Betracht kommen (Schmidt-Räntsch, ZfIR 2011, 849, 854; siehe zur primären Zuständigkeit der Behörden und des Betreuungsgerichts für den Lebensschutz auch BVerfG, ZfIR 2014, 874 Rn. 12).
- b) Steht hingegen fest oder ist aller Voraussicht nach davon auszugehen, dass die Anordnung der Unterbringung zu einer bloßen Verwahrung auf Dauer führte, so ist eine Freiheitsentziehung zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung unverhältnismäßig und das Verfahren (ggfs. erneut) auf bestimmte Zeit einzustellen. Gleiches gilt, wenn der Gefahr der Selbsttötung nur durch eine außer Verhältnis stehende jahrelange Unterbringung ohne erkennbaren therapeutischen Nutzen begegnet werden kann (Senat, Beschluss vom 28. Januar 2016 - V ZB 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 8; Beschluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10, NJW-RR 2010, 1649 Rn. 14 mwN; siehe auch BVerfG, ZfIR 2014, 874 Rn. 11 mwN). Anders verhält es sich dagegen, wenn innerhalb eines überschaubaren Zeitraums eine Chance dafür besteht, dass die Freiheitsentziehung zu einer Stabilisierung des Suizidgefährdeten führen und durch therapeutische Maßnahmen während der Unterbringung die Grundlage für ein Leben in Freiheit ohne konkrete Suizidgefährdung gelegt werden kann (Senat, Beschluss vom 28. Januar 2016 - V ZB 115/15, aaO, Rn. 8 mwN).
- 3. Diesen Vorgaben der ständigen Rechtsprechung sowohl des Senats als auch des Bundesverfassungsgerichts wird die Vorgehensweise des Beschwerdegerichts aus mehreren Gründen nicht gerecht.
- a) Die durch das Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen tragen nicht die von ihm gezogene Schlussfolgerung, dass der Gefahr der Selbsttötung des Schuldners nicht auf andere Weise als durch die dauerhafte Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Das Beschwerdegericht geht auf der Grundlage der bisher eingeholten ärztlichen Stellungnahmen davon aus, dass die Suizidgefahr durch eine konsequente längerfristige psychotherapeutische Behandlung abgewendet werden kann. Die Möglichkeit, eine solche Behandlung durch bestimmte flankierende Maßnahmen, wie etwa eine vorübergehende Unterbringung des Schuldners oder eine ihm aufzuerlegende stationäre Behandlung (hierzu Zschieschack/Brücher, ZMR 2015, 745, 747 f.), sicherzustellen, lässt sich mit der von dem Beschwerdegericht gegebenen Begründung nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen. Dass der Schuldner in der Vergangenheit psychotherapeutische Behandlungen nicht aufgenommen oder aus eigenem Antrieb beendet hat, belegt alleine nicht, dass eine Unterbringung zu dem Zwecke der therapeutischen Behandlung keine Aussicht auf Erfolg hat. Wie das Beschwerdegericht selbst feststellt, ist die bei dem Schuldner diagnostizierte Anpassungsstörung auch durch Antriebslosigkeit gekennzeichnet. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Schuldner sich ungeachtet seiner Skepsis und der Aussicht, im Falle einer erfolgreichen Therapie mit einer Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens rechnen zu müssen, einer solchen im Falle der Unterbringung stellen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2013 - I ZB 15/13, NJW 2014, 2288 Rn. 27). Zumindest hätte das Beschwerdegericht diese Möglichkeit in Erwägung ziehen und die Amtsärztin bzw. den psychiatrischen Sachverständigen zu den Erfolgsaussichten einer solchen Maßnahme befragen müssen (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Januar 2016 - V ZB 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 12). Die Annahme des Beschwerdegerichts, eine Unterbringung könne lediglich für die Zeit ihrer Dauer helfen und danach sei die Gefahr eines Bilanzselbstmords weiterhin gegeben, bleibt ohne entsprechende Sachaufklärung mit ärztlicher Hilfe spekulativ und wird dem Gebot der sorgfältigen Abwägung der gegenseitigen Interessen des Betroffenen und des Gläubigers nicht gerecht.
- b) Die Feststellungen des Landgerichts tragen auch nicht seine Schlussfolgerung, dass eine solche Unterbringung vorliegend nicht in Betracht kommt. Nach dem einschlägigen Landesrecht ist dies nicht ausgeschlossen. § 11 Abs. 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG NRW) erlaubt eine Unterbringung Betroffener, wenn und solange durch deren krankheitsbedingtes Verhalten eine erhebliche Selbstgefährdung besteht, die nicht anders abgewendet werden kann. Dass eine Unterbringung auf dieser Grundlage nicht möglich ist, hat das Beschwerdegericht nicht begründet. Es kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden sich ihrer Verantwortung dadurch entziehen, dass sie auf die Möglichkeit der Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens verweisen. Das Beschwerdegericht durfte daher nicht davon absehen, die für den Antrag auf Unterbringung des Schuldners nach § 12 PsychKG NRW zuständige örtliche Ordnungsbehörde zu befassen.
- c) Entsprechendes gilt für die betreuungsrechtliche Unterbringung des Schuldners. Im Gegensatz zu einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung setzt die Unterbringung nach dem Betreuungsrecht (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB) keine akute, unmittelbare bevorstehende Gefahr für den Betreuten voraus. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für dessen Leib und Leben, wobei die Anforderungen an die Voraussehbarkeit einer Selbsttötung oder einer erheblichen gesundheitlichen Eigenschädigung jedoch nicht überspannt werden dürfen (Senat, Beschluss vom 28. Januar 2016 - V ZB 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 15; BGH, Beschluss vom 23. Juni 2010 - XII ZB 118/10, NJW-RR 2010, 1370 Rn. 10). Zwar darf gegen den freien Willen des Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden (§ 1896 Abs. 1a BGB). Das Beschwerdegericht hat aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich der Schuldner einer solchen Betreuung widersetzen würde und ob ein solcher Entschluss auf einer freien Willensbildung beruhte. Es wäre daher gehalten gewesen, zunächst das Betreuungsgericht einzuschalten, gegebenenfalls gleichzeitig mit der Befassung der für die Unterbringung nach § 12 PsychKG NRW zuständigen Stellen.
- IV.
- 1. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Sie ist nicht zur Entscheidung reif, da nicht abschließend feststeht, ob eine erneute befristete Einstellung des Verfahrens zur Abwendung der Gefahr der Selbsttötung des Schuldners geeignet ist.
- 2. Das Beschwerdegericht wird die fehlenden tatsächlichen Feststellungen zu der Frage, ob der Schuldner mit dem Ziel einer therapeutischen Behandlung untergebracht werden kann, nachzuholen haben. Dabei bietet es sich auch im Hinblick auf die schon jetzt erhebliche Verfahrensdauer an, die hierfür zuständigen Behörden parallel zu beteiligen und jeweils von der Befassung der anderen Behörden in Kenntnis zu setzen, um eine Koordination der zu ergreifenden Maßnahmen zu ermöglichen.
- 3. Gelangt das Beschwerdegericht bei der abschließenden, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Würdigung der Gesamtumstände (vgl. BVerfG, NZM 2014, 701 Rn. 19; Senat, Beschluss vom 28. Januar 2016 - V ZB 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 19; Beschluss vom 6. Dezember 2012 - V ZB 80/12, NZM 2013, 162 Rn. 8) zu dem Ergebnis, dass eine zeitweise Unterbringung vor Erteilung des Zuschlages keine Aussicht auf Erfolg hat oder aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist bzw. von den hiermit befassten öffentlichen Stellen nicht angeordnet wird, so wird es nach den genannten Maßstäben gleichwohl die Möglichkeit einer befristeten Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens nicht von vornherein mit der bisher gegebenen Begründung ausschließen können, selbst wenn die Aussichten auf eine Besserung des Gesundheitszustandes des Schuldners gering sein sollten (vgl. Senat, Beschluss vom 12. November 2014 - V ZB 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 13).
- V.
- 1. Da aus dem Zuschlagsbeschluss schon vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts gemäß § 575 Abs. 5, § 570 Abs. 3 ZPO auszusetzen (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Januar 2016 - V ZB 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 20; Beschluss vom 21. Juli 2011 - V ZB 48/10, NJW-RR 2011, 1452 Rn. 17).
- 2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die anwaltliche Vertretung des Schuldners beruht auf § 26 Nr. 2 RVG. Gerichtskosten sind in dem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht angefallen.
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