Donnerstag, 1. Juni 2017

WEG: Modernisierungsbeschluss für einzelne Wohnungseigentümer unwirksam (§ 22 WEG) ?

Die Eigentümergemeinschaft fasste mit qualifizierter Mehrheit (3/4-Mehrheit) in dem vom LG Frankfurt am Main zu entscheidenden Fall den Beschluss, einem Wohnungseigentümer die Nachrüstung seiner Wohnung mit einer sichtbaren Klimaanlage zu genehmigen. Der dagegen erhobenen Anfechtungsklage gab das Landgericht (LG) im Berufungsverfahren statt. In einem vom BGH entschiedenen Fall (das Berufungsverfahren wurde auch bei dem LG Frankfurt am Main geführt) wurde von einem Miteigentümer auf seine Kosten eine Veränderung am Dachvorbau einer Penthousewohnung vorgenommen; anders als das LG ging der BGH nicht grundlegend von einer Unzulässigkeit iSv. § 22 Abs. 2 WEG aus und verwies den Rechtstreit zur anderweitigen Entscheidung an das LG zurück.

1. Zur Entscheidung des LG vom 13.01.2017: Grundlage war die Frage, ob es sich bei der Maßnahme um eine Modernisierung iSv. § 22 Abs. 2 S. 1 WEG handelt, da eine solche auch gegen den Willen einzelner Wohnungseigentümer durchgesetzt werden könnte. Anders als das erstinstanzlich entscheidende Amtsgericht wurde dies vom LG negiert. Dabei stellte das LG auf § 559 Abs.. 1 BGB (§ 555b Nr. 1 BGB a.F.) ab, der eine Modernisierung u.a. dann bejaht, wenn es zu einer nachhaltigen Erhöhung des Gebrauchswerts oder Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse käme (andere Möglichkeiten nach der Norm würden hier ausscheiden). Während allerdings diese als Legaldefintion vom Landgericht herangezogene Norm auf die einzelne Wohnung zugeschnitten ist, verlangt das Landgericht, dass diese Voraussetzung sich nicht nur auf einzelne Wohnungen beziehen dürfe, sondern sich auf die gesamte Wohnungsanlage beziehen müsse. Dies begründet es mit Verweis auf § 22 WEG und die sich daraus ergebende Gesetzessystematik: Zu beachten sei das Regel-Ausnahmeverhältnis zwischen § 22 Abs. 1 WEG (beeinträchtigende bauliche Veränderungen bedürfen der Zustimmung aller Wohnungseigentümer) und § 22 Abs. 2 BGB (bei Modernisierungen iSv. § 555b BGB reicht eine 3(4-Mehrheit aus) umkehren, da eine bauliche Maßnahme im Bereich des Sondereigentums des Einzelnen in der Regel zu einer Erhöhung dessen Gebrauchswert bzw. zur Verbesserung der dortigen Wohnverhältnisse führen würde (beispielsweise Anbau eines Balkons oder eines Wintergartens, Anbringung einer Markise pp.).

Soweit sich das Amtsgericht zur Stützung seiner gegensätzlichen Auffassung auf zulässige Mehrheitsbeschlüsse nach § 22 Abs. 2 WEG zum Einbau eines Aufzugsbezieht, würde es verkennen, dass es sich dabei um eine tatsächliche Maßnahme nach dieser Norm handele, da sich mit ihm der Gebrauchswert für alle Einheiten erhöhe.

2. Zur Entscheidung des BGH vom 18.11.2016:  Auch der BGH prüft zunächst, ob eines erhebliche Veränderung des optischen Gesamteindrucks erfolgt. Allerdings sei, so der BGH, in diesem Fall nicht notwendig die Zustimmung aller Eigentümer nach § 22 Abs. 1 WEG erforderlich. Zwar erschließt sich aus den Entscheidungsgründen, dass auch der BGH davon ausgeht, dass § 22 Abs. 2 WEG ebenso wie § 22 Abs. 3 WEG (modernisierende Instandsetzung iSv. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG) die Gesamtanlage und nicht das einzelne Sondereigentum betrifft. Allerdings sei im Falle der Beeinträchtigung der baulichen Maßnahme § 22 Abs. 2 WEG resp. § 22 Abs. 3 WEG entsprechend anzuwenden. Der Gesetzgeber habe lediglich die bauliche Beeinträchtigung und deren Folgen für das Gemeinschaftseigentum gesehen und nicht bedacht, dass entsprechende Probleme auch bei dem Sondereigentum auftreten können. Die Zurückverweisung erfolgte zur Feststellung, ob eine entsprechende Modernisierung angenommen werden kann, da das LG im Berufungsverfahren auf der Grundlage eines fehlenden Beschlusses entschieden hatte.

Anmerkung: Die Auffassung des BGH dürfte rechtsdogmatisch richtig sein. Zwar kann nicht das Gericht anstelle des Gesetzgebers entscheiden und würde dies einer entsprechenden Anwendung der §§ 22 Abs. 2 und 3 WEG für Maßnahmen, die lediglich einzelnen Eigentümern nutzen, entgegenstehen. Allerdings ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, dass dort z.B. die Verglasung von Balkonen, von der lediglich einzelne Sondereigentümer profitieren würden, als Veränderung der Eigenart der Anlage behandelt wurde. Allerdings verwundert, dass der BGH dem fehlenden Beschluss keine Bedeutung beizumessen scheint und nur erörtert, dass ein Rückbau lediglich bei fehlender Modernisierung im Sinne der Norm verlangt werden könne, was impliziert, dass ein Rechtsanspruch auf positive Beschlussfassung angenommen wird.


LG Frankfurt am Main, Urteil vom 13.01.2017 – 2-13 S 186/14 -

BGH, Urteil vom 18.11.2016 - V ZR 49/16 -

Freitag, 26. Mai 2017

Zur Frage eines Stimmrechtsverbots des geschäftsführenden Gesellschafters bei Abstimmung über Abberufung aus wichtigem Grund

Der Kläger ist Minderheitsgesellschafter und hatte zur Tagesordnung der beklagten GmbH u.a. die Abberufung des Mehrheitsgesellschafters als Geschäftsführer aus wichtigem Grund beantragt. Der Antrag wurde durch den Mehrheitsgesellschafter mit seiner Stimmenmehrheit abgelehnt. Der Kläger erhob Anfechtungsklage und hat im Rahmen derselben die positive Feststellung seiner Anträge begehrt. Die Klage war in allen Instanzen erfolglos.

Zunächst wird vom BGH darauf hingewiesen, dass alleine die Abberufung als Geschäftsführer oder die Kündigung seines Anstellungsvertrages noch nicht zum Stimmrechtsausschluss für den betroffenen Gesellschafter führt. Erst dann, wenn mit der Stimmrechtsausübung der Gesellschafter quasi zum Richter in eigener Sache würde (wie es bei einer Abberufung oder Kündigung aus wichtigem Grund wäre, wie hier), läge ein Stimmrechtsausschluss vor. Für den Rechtsstreit käme es vorliegend nicht darauf an, ob das Stimmrechtsverbort nur beachtlich sei, wenn der behauptete wichtige Grund auch wirklich bestünde, oder unabhängig davon alleine schon in Ansehung des Antrages. Denn selbst wenn man von einem Stimmrechtsausschluss ausgehen wollte, wäre es vorliegend nicht beachtlich, dass der betroffene Geschäftsführer doch mit abgestimmt habe. Der BGH verweist darauf, dass im Rahmen der gerichtlichen Prüfung zu überprüfen ist, ob tatsächlich ein wichtiger Grund vorliegt. Mithin könne der Anfechtungsklage (verbunden mit einer positiven Feststellungsklage) nicht bereits deshalb stattgegeben werden , da eventuell der Geschäftsführer trotz Stimmverbots mit abgestimmt hat. In dem Zusammenhang verweist der BGH darauf, dass bei einer Beachtung eines möglichen Stimmrechtsausschlusses durch den Geschäftsführer dieser dann Anfechtungsklage gegen einen seine Abberufung aus wichtigem Grund bestätigenden Beschluss  erheben könnte, im Rahmen dessen auch die Frage des Vorliegens eines wichtigen Grundes zu prüfen sei.

Das Vorliegen eines wichtigen Grundes wurde von den Instanzgerichten negiert. Der BGH weist auf die Darlegungs- und Beweislast desjenigen hin, der sich auf den wichtigen Grund beruft. Dies sei hier der Kläger. Es sei nicht zu beanstanden, dass der wichtige Grund nicht als ausreichend dargelegt angesehen wurde (dies wird näher begründet).

Anmerkung; Der BGH setzt sich aus letztlich pragmatischen Gründen nicht mit der Frage auseinander, ob ein Stimmrechtsausschluss vorliegt oder nicht. Dies hat allerdings erhebliche praktische Konsequenzen: Der Mehrheitsgesellschafter wird im Zweifel nie von einem Stimmrechtsausschluss ausgehen und so seine Abberufung bzw. Kündigung aus wichtigen Grund mit den eigenen Stimmen verhindern. Es müssen die Minderheitsgesellschafter klagen. Er bleibt (jedenfalls vorerst) Geschäftsführer. Auch wird man damit nicht einen eigenständigen wichtigen Grund in der Stimmabgabe und –berücksichtigung finden können, da der BGH es gerade offen lässt, welcher rechtstheoretischen Betrachtung er folgen würde. Indem der BGH ergebnisbezogen auf die Prüfungspflicht abstellt führt dies letztlich dazu, dass das Abstimmverhalten des Mehrheitsgesellschafters als solches folgenlos ist.


BGH, Urteil vom  04.04.2017 – II ZR 77/16 -

Samstag, 20. Mai 2017

Verkehrsunfall: Erstattungsfähigkeit nur von „üblichen“ Sachverständigenkosten und Beweislast

Sachverständigenkosten gehören nach § 249 BGB grundsätzlich zu dem erstattungsfähigen Herstellungsaufwand des Geschädigten. Allerdings ist der Anspruch beschränkt auf die Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und notwendig erscheinen. Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ist er gehalten, den wirtschaftlicheren Weg, wenn er die Höhe der Kosten beeinflussen kann, im Rahmen des ihm Zumutbaren zu begehen. Dabei ist die spezielle Situation und seine Erkenntnisse und Einflussmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Diese Grundsätze gelten, worauf der BGH verweist, auch für ein vom Geschädigten nach einem Verkehrsunfall eingeholtem Sachverständigengutachten. Seiner Darlegungslast nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB würde er aber zunächst durch Vorlage der (von ihm beglichenen)  Rechnung des Sachverständigen genügen. Es wäre dann Sache des Gegners substantiiert Einwendungen zu erheben; ein einfaches Bestreiten der Angemessenheit würde nicht ausreichen.

Diese Grundsätze gelten auch im Falle einer Zession der Sachverständigenkosten, wie sie üblicherweise vom Geschädigten als Zedenten an den die Begutachtung durchführenden Sachverständigen (als Zessionar) erfüllungshalber vorgenommen würden. Durch diese Zession sei allerdings nicht auf die Erkenntnismöglichkeit des Zessionars (Sachverständigen) sondern weiterhin auf jene des Geschädigten (Zedenten) abzustellen, da der Zessionar die Forderung so erwerbe, wie sie zuvor bei dem Zedenten bestand.

Vorliegend hatte das Berufungsgericht die Klage aus der abgetretenen Forderung teilweise abgewiesen, da es die Sachverständigenkosten nach § 287 ZPO schätzte. Grundlage der Kosten war die Vereinbarung zwischen dem Geschädigten du dem Sachverständigen, dass sich die Kosten nach der festzustellenden Schadenshöhe zuzüglich Nebenkosten berechnen würden. Da die Höhe hinreichend bestimmt  bestritten wurde, könne eine Schätzung nach § 287 ZPO erfolgen. Die berechneten Nebenkosten seien nach JVEG anzugleichen, da dies eine hinreichende Schätzgrundlage darstelle. Diese Vorgehensweise wurde vom BGH gebilligt.


BGH, Urteil vom 28.02.2017 – VI ZR 76/16 -

Freitag, 19. Mai 2017

Nichtiger Werkvertrag auch bei nachträglicher (teilweiser) Schwarzgeldabrede


Unstreitig bot der Beklagte Leistungen zu einem Gesamtpreis von rund € 16.000,00 an. Die Arbeiten wurden ausgeführt. Wann es zur Auftragserteilung und ob und wann es zu einer „ohne-Rechnung-Vereinbarung“ kam ist streitig. Der Beklagte rechnete mit einer Rechnung einen Betrag von rund € 8.600,00 ab, wobei die Rechnung aber andere Objekte (vermiete Wohnungen des Klägers) betraf. Der in Rechnung gestellte Betrag wurde vom Kläger beglichen.  Der Kläger behauptet neben der Überweisung Barzahlungen von € 6.400,00, der Beklagte eine Barzahlung von € 4.000,00.

Der Kläger macht Rückforderungsansprüche gegen den Beklagten nach einem schriftlich erklärten Rücktritt wegen Mängeln geltend. Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen.

Mängelansprüche, gleich welcher Art, könnten vom Kläger wegen Nichtigkeit des Werkvertrages nicht geltend gemacht werden, §§ 134 BGB, 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG sei es untersagt einen Vertrag abzuschließen, der dazu dient, dass eine Partei ihrer Steuerpflicht aus einem Werkvertrag nicht nachkommt. Zur Nichtigkeit führt der verstoß, wenn der Werkunternehmer gegen die Bestimmung vorsätzlich verstößt und der Besteller (hier der Kläger) den Verstoß kennt und bewusst zum eigene Vorteil ausnutzt.  

Nach dem Wortlaut sowie nach Sinn und Zweck des Verbotes käme es nicht darauf an, ob die Vereinbarung vor, bei oder nach Abschluss des Werkvertrages geschlossen wurde. Ziel des Gesetzes sei, Schwarzarbeit schlechthin zu verbieten. Es soll mit ihm nicht nur der tatsächliche Vorgang der Schwarzarbeit eingedämmt werden, sondern der Schwarzarbeit soll auch die rechtliche Wirkung genommen werden.

Vor diesem Hintergrund greife die Argumentation nicht, dass nach einem wirksamen Abschluss des Werkvertrages die nachträgliche Schwarzarbeitverabredung nicht greife, da diese also solche unwirksam sei. Das greife aber zu kurz. Die zusätzliche Vereinbarung betreffe lediglich Umstände der Zahlung, Rechnungsstellung sowie Umsatzsteuer. Dies alleine führe nicht zur Nichtigkeit, da es kein eigenständiges Rechtsgeschäft sei. Erst die Verknüpfung mit dem vorangegangenen Vorgang des Abschlusses des Werkvertrages lasse die inkriminierende Wirkung der Schwarzgeldabrede zur Wirkung kommen und führe so zur Nichtigkeit.


BGH, Urteil vom 16.03.2017 - VII ZR 197/16 -

Dienstag, 16. Mai 2017

Keine Mängelhaftung des Werkunternehmers für Fehler ihm übergebener Ausführungsunterlagen und zur treuwidrig verweigerten Abnahme

Die Beklagte, ein Generalbauunternehmen (GU), ließ von der Klägerin 2010 Rohbauarbeiten für ein Einfamilienhaus ihrer Auftraggeber durchführen. Im Oktober 2011 wurde das Haus den Auftraggebern der Klägerin übergeben. Eine Woche nach der Übernahme rügten die Beklagte diverse Mängel und forderte die Beklagte unter Fristsetzung zur Beseitigung auf. So rügte sie gegenüber der Klägerin Mauerrisse in den Kinderzimmern. Einige Tage später erstellte die Klägerin ihre Schlussrechnung und forderte die Beklagte zur Zahlung auf. Die Werklohnklage hatte im wesentlichen Erfolg.

Insbesondere negierte das Landgericht das Vorliegen eines die Abnahme des Werkes hindernden Mangels, der von der Beklagten wegen der Risse eingewandt wurde.  Insoweit sei nicht die Klägerin für diese Risse verantwortlich. Ursächlich sei eine der Klägerin von der Beklagten zur Verfügung gestellte Statik, die nach den Feststellungen eines im Verfahren eingeholten Gutachtens fehlerhaft gewesen sei. Die Deckenplatte der Erdgeschossdecke sei bei weitem nicht dick genug, um unter Berücksichtigung ihrer Belastung durch die Trennwand zwischen den Kinderzimmern den Wohnbereich zu überspannen, ohne sich durchzubiegen. Die Risse wären das Ergebnis einer Formänderung der Wände. Die Durchbiegung der Decke würde eine Bogenwirkung der Wände begründen.

Auch nach § 13 III VOB/B würde eine Haftung der Klägerin ausscheiden. Danach muss zwar der Auftragnehmer für fehlerhafte Leistungsbeschreibung, Anordnungen pp. des Auftraggebers einstehen, allerdings nur nach Maßgabe von § 4 Nr. 3 VOB/B. § 4 Nr. 3 VOB/B  fordert die Mitteilung des Auftragnehmers an den Auftraggeber und verlangt deshalb dessen Kenntnis.  Der Mangel der Statik war aber für die Klägerin nicht ersichtlich gewesen und sie hätte sich auch auf deren Richtigkeit verlassen dürfen.

Die Beklagte wandte ferner fehlerhafte Maße bei Fenstern und Türen als Abnahmehindernis ein. Dem folgte das Landgericht ebenfalls nicht. Es verwies darauf, dass der gesamte Bau der Überwachung durch den Bauleiter der Beklagten unterlag und nach Aufbringung des Putzes die Rohbaumaße nicht mehr zuverlässig prüfbar sind. Da die Beklagte die Bauteile zur Fortführung des Baus durch die Folgegewerke freigegeben hatte und damit auch eine Nachbesserung wesentlich erschwert hätte, sofern tatsächlich die Maße fehlerhaft gewesen sein sollte, wäre eine darauf gestützte Abnahmeverweigerung treuwidrig.


LG Hamburg, Urteil vom 16.12.2016 – 412 HKO 10/14 -

Montag, 15. Mai 2017

Unzulässiges Rechtsmittel des Streithelfers nach Rücknahme des Rechtsmittels durch die unterstütze Partei

Streithilfe bedeutet, dass ein Dritter dem Rechtsreit anderer Beteiligter auf Seiten von einem von ihm beitritt, sei es, da er dies von sich aus vornimmt oder ihm von einer der Parteien des Rechtsstreits der Streit verkündet wird. So hat z.B. regelmäßig der (private) Haftpflichtversicherer in einem Rechtstreit seines Versicherungsnehmers ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens, da die Entscheidung Grundlage des Deckungsanspruchs des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer ist. Ein Interesse an einer Streitverkündung durch eine Partei kann dann bestehen, wenn z.B. der Streitverkündete gesamtschuldnerisch mit der streitverkündenden Partei haften könnte und damit die Feststellung zum Haftungsgrund und zur Haftungshöhe auch mit Bindungswirkung zur Vermeidung divergierender Entscheidungen in einem Verfahren gegen den Gesamtschuldner diesem gegenüber festgestellt werden.

Vorliegend hatten sowohl die Streithelferin als auch die von ihr unterstützte Hauptpartei gegen eine vorangegangene Entscheidung Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH eingelegt. Danach kam es zu einem umfassenden außergerichtlichen Vergleich zwischen den Parteien des Rechtstreits (der Streithelfer ist nicht Partei), in dessen Folge die Beklagte, auf deren Seite die Streithelferin beigetreten war, das Rechtsmittel zurücknahm.

Der BGH wies daraufhin die selbständige Nichtzulassungsbeschwerde der Streithelferin der Beklagten als unzulässig zurück und verwies zur Begründung auf § 67 Halbs. 2 ZPO. Nach § 67 ZPO ist es dem Nebenintervenienten/Streithelfer zwar unbenommen eigene Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen (mithin auch die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde) vorzunehmen; eingeschränkt wird dies allerdings durch § 67 Halbs. 2 ZPO dadurch, dass dies nicht in Widerspruch zu Erklärungen und Handlungen der unterstützten Partei steht.

Durch die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde durch die Beklagte als unterstützte Partei stand damit ersichtlich in Ansehung des zwischen den Parteien des Rechtsstreits umfassend abgeschlossenen Vergleich die (nicht zurückgenommene) Nichtzulassungsbeschwerde der Streithelferin im Widerspruch zur Handlung der unterstützten Partei. Erkennbar wollte die unterstützte Partei keine Entscheidung mehr über ihr Rechtsmittel und den Prozess (auf Grund des außergerichtlichen Vergleichs) beenden.

Anmerkung zur rechtlichen Konsequenz des Verhaltens der unterstützten Partei:

Nicht auseinandersetzten musste sich der BGH hier mit den möglichen Konsequenzen der Verhaltensweise der unterstützten Partei. Da offenbar die Streithelferin an dem Vergleich der Parteien des Rechtsstreits nicht beteiligt wurde,  soll dies doch beleuchtet werden:

Vorliegend handelte es sich um eine einfache Nebenintervention (Streithilfe), d.h. der Nebenintervenient war nicht Streitgenosse der Hauptpartei. Die tragenden Gründe eines Urteils wirken für und gegen den Nebenintervenienten, § 68 ZPO. Kommt es nicht zu einem rechtskräftigen Urteil, da sich die Parteien vergleichen, greift die Bindungswirkung des § 68 ZPO bereits deshalb nicht, da es an bindenden Feststellungen des Gerichts durch ein (bestandkräftiges) Urteil ermangelt. Wird ein Vergleich zwischen den Parteien in 2. Instanz geschlossen, gilt dies auch, da mit dem Vergleich dem Urteil seine Bestandkraft genommen wurde. Etwas anderes gilt nur dann, wenn bereits vor Abschluss des Vergleichs ein bestandskräftiges Grundurteil ergangen ist, der Vergleich nur in der Folge geschlossen wurde (z.B. sich die Parteien zur Höhe verglichen); in diesem Fall entfalten die tragenden Gründe zum Grund des Anspruchs Bindungswirkung auch zwischen dem Nebenintervenienten und der unterstützten Partei.

Durch die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde seitens der unterstützten Partei und der dadurch bedingten Unzulässigkeit der eigenen Nichtzulassungsbeschwerde der Streithelferin kann nur bedingt eine Bindungswirkung er damit rechtskräftigen Entscheidung der Vorinstanz eintreten. Denn die Streithelferin ist nur dann mit Einwendungen zur mangelhaften Prozessführung  der Hauptpartei nach § 68 ZPO ausgeschlossen, als sie nicht durch Vortrag oder Anträge bzw. Prozesshandlungen Einfluss nehmen konnte. Hier war der Streithelferin eine weitere Einflussnahme auf das vorangegangene Urteil durch die durch Handlung der unterstützten Partei unzulässige Nichtzulassungsbeschwerde ausgeschlossen. Das führt dazu, dass in einem möglichen Folgeverfahren zwischen der unterstützten Partei und der Streithelferin die Streithelferin immer noch die Angriffe gegen die bestandskräftige Entscheidung vorbringen kann, die sie auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren hätte vorbringen können, weshalb im Falle deren Erheblichkeit dies zur gewollten Abänderung oder Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Entscheidung geführt hätte und auch insoweit in dem jetzt neuen Verfahren zu berücksichtigen wäre. Vor diesem Hintergrund sollte die unterstützte Hauptpartei stets versuchen, bei einem gewollten Vergleich den Nebenintervenienten mit einzubeziehen; ist dieser nicht bereit, wäre von ihr das Risiko abzuschätzen, welches sich aus der Nichteinbeziehung durch die (eventuell teilweise) fehlende Bindungswirkung eines Urteils ergibt.


BGH, Beschluss vom 11.04.2017 - VI ZR 636/15 -

Samstag, 13. Mai 2017

Gefälligkeit unter Nachbarn und Haftung

Der Beklagte übernahm es für seinen Nachbarn, den Versicherungsnehmer des klagenden Gebäudeversicherers, während dessen Kuraufenthalt dessen Haus zu versorgen und den Harten zu bewässern. Bei dem Bewässern des Gartens schloss er zwar die Spritze am Schlauchende, drehte aber nicht die Wasserzufuhr zu. In der Nach löste sich unter dem Wasserdruck die Spritze vom Schlauch und das ausströmende Wasser floss in erheblicher Menge in das Gebäude und führte dort zu Schäden im Untergeschoß. Die Klägerin zahlte den Schaden an ihren Versicherungsnehmer und begehrt auf Zeitwertbasis Schadensersatz von über € 11.000,00 vom Beklagten aus nach § 86 VVG übergegangenen Recht.

Das Landgericht gab der Klage statt, das Oberlandesgericht (OLG) wies sie ab. Auf die Revision hob der BGH die klageabweisende Entscheidung auf und wies die Berufung des Beklagten zurück.

Der BGH wies darauf hin, dass nicht ohne weiteres mangels einer ausdrücklichen Vereinbarung davon ausgegangen werden könne, dass derjenige, dem eine Gefälligkeit erwiesen würde, auf deliktische Ansprüche verzichten würde. Eine Haftungsbeschränkung könne sich zwar auf der Grundlage des § 242 BGB (Treu und Glauben) im Wege ergänzender Vertragsauslegung ergeben, wofür aber besondere Umstände erforderlich sind.

Eine Voraussetzung sei, dass der Schädiger, wäre die Rechtslage vorher zur Sprache gekommen, den Haftungsausschluss gefordert haben müsste und der Geschädigte dem billigerweise nicht hätte versagen dürfen. An dieser Voraussetzung würde es aber regelmäßig fehlen, wenn der Schädiger haftpflichtversichert sei. Eine Regelung, die nicht den Schädiger, sondern dessen Haftpflichtversicherer entlaste, würde regelmäßig nicht dem Willen der Beteiligten entsprechen.

Auch sei eine Gefälligkeit und zwischen Schädiger und Geschädigten eine enge persönliche Beziehung bestünde für sich nicht ausreichend. Erforderlich sei vielmehr, dass für den nicht haftpflichtversicherten Schädiger ein nicht hinnehmbares Haftungsrisiko mit der Übernahme der Gefälligkeit besteht, die im konkreten Fall einen Haftungsverzicht als besonders naheliegend erscheinen lassen würden.

Vorliegend habe das OLG rechtsfehlerhaft angenommen, alleine das Bestehen einer privaten Haftpflichtversicherung könne eine Haftung aus Gefälligkeit nicht begründen. Die Haftung des Beklagten sei durch die deliktsrechtliche Norm des § 823 BGB begründet, während die Frage nach der Haftpflichtversicherung nur für die Beantwortung der Frage bedeutsam sei, ob abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 823 BGB  ausnahmsweise eine Haftungsbeschränkung angenommen werden könne.

Auch habe das OLG rechtsfehlerhaft als besonderen Umstand angenommen, dass es sich vorliegend um eine alltägliche und unter Nachbarn übliche Gefälligkeit gehandelt habe. Es fehle an einem nicht mehr hinnehmbaren Haftungsrisiko. Das OLG selbst habe richtig festgehalten, dass das Bewässern des Gartens durch den Nachbarn wie jede Tätigkeit für einen anderen Gefahrenmomente berge, ohne dass diese vordergründig gefahrengeneigt sind.

Ebensowenig käme eine Haftungsbeschränkung nicht deshalb in Betracht, da der Geschädigte eine Gebäudehaftpflichtversicherung habe. Der deliktische Anspruch des Versicherungsnehmers der Klägerin gegen den Beklagten sei nicht vom Bestand einer Gebäudehaftpflichtversicherung abhängig; der Anspruch ging lediglich durch Zahlung durch diesen auf ihn über, § 86 VVG. Die Willensfiktion einer Haftungsbeschränkung würde zu Lasten der klagenden Versicherung gehen und das Haftungsrisiko von dem Verursacher und dessen Haftpflichtversicherung auf die Versicherung des Geschädigten verschieben.

Anmerkung:  Wollen die Nachbarn einen Streit zwischen Versicherern ausschließen, bei dem sie letztlich in irgendeiner Art und Weise beteiligt sind (der Versicherungsnehmer des Haftpflichtversicherers gar als Partei des Rechtstreites), sollte vorher abgesprochen werden, ob und inwieweit ein Haftungsverzicht gelten soll.  


Unabhängig davon ist auch nicht einleuchtend, weshalb das Bestehen einer eigenen eintrittspflichtigen Versicherung des Geschädigten hier nicht zur Haftungsbeschränkung führen soll, wenn jedenfalls die weitere Voraussetzung (ein nicht hinnehmbares Haftungsrisiko) vorliegen sollte. Dass der Anspruch auf den Gebäudeversicherer nach § 86 VVG übergeht, ist kein Argument gegen die Haftungsbeschränkung. Die Eintrittspflicht des Haftpflichtversicherer hängt auch von dem schuldhaft verursachten Schadensfall ihres Versicherten ab. Gerade bei der Fragestellung, was die Nachbarn vereinbart haben würden, wenn sie den Rechtsfall bedacht hätten, wäre ohne weiteres auch in die Überlegung mit aufgenommen worden, dass auch der Geschädigte versichert ist und letztlich der Schädiger für diesen eine Gefälligkeit verrichtet; würde er keine Person für die Gefälligkeit finden, müsste er möglicherweise einen gewerblichen Dritten engagieren. 

BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 467/15 -