Streithilfe bedeutet, dass ein
Dritter dem Rechtsreit anderer Beteiligter auf Seiten von einem von ihm
beitritt, sei es, da er dies von sich aus vornimmt oder ihm von einer der Parteien
des Rechtsstreits der Streit verkündet wird. So hat z.B. regelmäßig der
(private) Haftpflichtversicherer in einem Rechtstreit seines
Versicherungsnehmers ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens, da die
Entscheidung Grundlage des Deckungsanspruchs des Versicherungsnehmers gegen den
Versicherer ist. Ein Interesse an einer Streitverkündung durch eine Partei kann
dann bestehen, wenn z.B. der Streitverkündete gesamtschuldnerisch mit der
streitverkündenden Partei haften könnte und damit die Feststellung zum
Haftungsgrund und zur Haftungshöhe auch mit Bindungswirkung zur Vermeidung
divergierender Entscheidungen in einem Verfahren gegen den Gesamtschuldner diesem
gegenüber festgestellt werden.
Vorliegend hatten sowohl die
Streithelferin als auch die von ihr unterstützte Hauptpartei gegen eine
vorangegangene Entscheidung Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH eingelegt. Danach
kam es zu einem umfassenden außergerichtlichen Vergleich zwischen den Parteien
des Rechtstreits (der Streithelfer ist nicht Partei), in dessen Folge die
Beklagte, auf deren Seite die Streithelferin beigetreten war, das Rechtsmittel
zurücknahm.
Der BGH wies daraufhin die
selbständige Nichtzulassungsbeschwerde der Streithelferin der Beklagten als
unzulässig zurück und verwies zur Begründung auf § 67 Halbs. 2 ZPO. Nach § 67
ZPO ist es dem Nebenintervenienten/Streithelfer zwar unbenommen eigene
Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen
(mithin auch die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde) vorzunehmen;
eingeschränkt wird dies allerdings durch § 67 Halbs. 2 ZPO dadurch, dass dies
nicht in Widerspruch zu Erklärungen und Handlungen der unterstützten Partei
steht.
Durch die Rücknahme der
Nichtzulassungsbeschwerde durch die Beklagte als unterstützte Partei stand
damit ersichtlich in Ansehung des zwischen den Parteien des Rechtsstreits
umfassend abgeschlossenen Vergleich die (nicht zurückgenommene)
Nichtzulassungsbeschwerde der Streithelferin im Widerspruch zur Handlung der
unterstützten Partei. Erkennbar wollte die unterstützte Partei keine
Entscheidung mehr über ihr Rechtsmittel und den Prozess (auf Grund des
außergerichtlichen Vergleichs) beenden.
Anmerkung zur rechtlichen Konsequenz des Verhaltens der
unterstützten Partei:
Nicht auseinandersetzten musste
sich der BGH hier mit den möglichen Konsequenzen der Verhaltensweise der
unterstützten Partei. Da offenbar die Streithelferin an dem Vergleich der
Parteien des Rechtsstreits nicht beteiligt wurde, soll dies doch beleuchtet werden:
Vorliegend handelte es sich um
eine einfache Nebenintervention (Streithilfe), d.h. der Nebenintervenient war
nicht Streitgenosse der Hauptpartei. Die tragenden Gründe eines Urteils wirken
für und gegen den Nebenintervenienten, § 68 ZPO. Kommt es nicht zu einem rechtskräftigen
Urteil, da sich die Parteien vergleichen, greift die Bindungswirkung des § 68
ZPO bereits deshalb nicht, da es an bindenden Feststellungen des Gerichts durch
ein (bestandkräftiges) Urteil ermangelt. Wird ein Vergleich zwischen den
Parteien in 2. Instanz geschlossen, gilt dies auch, da mit dem Vergleich dem
Urteil seine Bestandkraft genommen wurde. Etwas anderes gilt nur dann, wenn bereits
vor Abschluss des Vergleichs ein bestandskräftiges Grundurteil ergangen ist,
der Vergleich nur in der Folge geschlossen wurde (z.B. sich die Parteien zur
Höhe verglichen); in diesem Fall entfalten die tragenden Gründe zum Grund des
Anspruchs Bindungswirkung auch zwischen dem Nebenintervenienten und der
unterstützten Partei.
Durch die Rücknahme der
Nichtzulassungsbeschwerde seitens der unterstützten Partei und der dadurch
bedingten Unzulässigkeit der eigenen Nichtzulassungsbeschwerde der Streithelferin
kann nur bedingt eine Bindungswirkung er damit rechtskräftigen Entscheidung der
Vorinstanz eintreten. Denn die Streithelferin ist nur dann mit Einwendungen zur
mangelhaften Prozessführung der Hauptpartei
nach § 68 ZPO ausgeschlossen, als sie nicht durch Vortrag oder Anträge bzw.
Prozesshandlungen Einfluss nehmen konnte. Hier war der Streithelferin eine
weitere Einflussnahme auf das vorangegangene Urteil durch die durch Handlung
der unterstützten Partei unzulässige Nichtzulassungsbeschwerde ausgeschlossen.
Das führt dazu, dass in einem möglichen Folgeverfahren zwischen der
unterstützten Partei und der Streithelferin die Streithelferin immer noch die
Angriffe gegen die bestandskräftige Entscheidung vorbringen kann, die sie auch
im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren hätte vorbringen können, weshalb im Falle
deren Erheblichkeit dies zur gewollten Abänderung oder Zurückverweisung des
Rechtsstreits zur anderweitigen Entscheidung geführt hätte und auch insoweit in
dem jetzt neuen Verfahren zu berücksichtigen wäre. Vor diesem Hintergrund
sollte die unterstützte Hauptpartei stets versuchen, bei einem gewollten
Vergleich den Nebenintervenienten mit einzubeziehen; ist dieser nicht bereit,
wäre von ihr das Risiko abzuschätzen, welches sich aus der Nichteinbeziehung
durch die (eventuell teilweise) fehlende Bindungswirkung eines Urteils ergibt.
BGH, Beschluss vom 11.04.2017 - VI ZR 636/15 -