Samstag, 6. Mai 2017

Weiterbeschäftigungsanspruch: Die Durchsetzung in der Zwangsvollstreckung richtet sich nach der konkreten Beschreibung in dem gerichtlichen Titel

Die Arbeitnehmerin hatte ihre Arbeitgeberin im Rahmen einer einstweiligen Verfügung auf Weiterbeschäftigung in Anspruch genommen. U.a. wurde die Arbeitgeberin im Verfügungsverfahren  verurteilt,  die Arbeitnehmerin als Leiterin der nicht invasiven und ambulanten Kardiologie in der Abteilung Innere Medizin wieder einzusetzen. Da nach Auffassung der Arbeitnehmerin die Arbeitgeberin dem nicht voll umfänglich nachgekommen sei, beantragte sie die Festsetzung eines Zwangsgeldes, hilfsweise Zwangshaft, zu vollstrecken  an dem Vorstandsmitglied der Arbeitgeberin.

Das Arbeitsgericht wies den Antrag zurück. Die dagegen von der Arbeitnehmerin eingelegte Beschwerde wurde vom Landesarbeitsgericht (LAG) zurückgewiesen.

Das LAG hält in seiner Begründung fest, dass die formalen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gegeben wären, insbesondere der titulierte Anspruch hinreichend bestimmt sei. Allerdings habe die Arbeitgeberin diesen Anspruch auch erfüllt.

Von der Arbeitnehmerin wurde gerügt, sie sei nicht „offiziell“ in ihre Position wiedereingesetzt worden.  Nach Ansicht des LAG lässt sich aus dem Titel allerdings nicht ableiten, dass ein Anspruch auf eine „offiziellere“ Wiedereinsetzung als die Wiedereinsetzung selbst nicht bestünde. Auch soweit die Arbeitnehmerin ausführte, sie sei nur formal wiedereingesetzt worden, folgte dem das LAG nicht. Zwar würde die rein formale Wiedereinsetzung keine Erfüllung des Titels darstellen; formal sei die Wiedereinsetzung allerdings nur dann, wenn der Arbeitnehmer nicht an Arbeitsmittel käme oder der Zugang zu sonstigen Einrichtungen und Informationen versagt würde. Dies sei von der Arbeitnehmerin nicht behauptet worden.

Der Streit der Parteien ginge vielmehr um die Reichweite des Direktionsrechts der Arbeitgeberin. U.a. würde darum gestritten, ob sich der bis zum Erlass der Entscheidung eingesetzte Leiter der Ambulanz Dr. E. weiter in ihrer Nähe aufhalten dürfe, der ärztliche Direktor sie kritisieren dürfe, dieser Einfluss auf die Reihenfolge der durchzuführenden Untersuchungen nehmen dürfe, die Arbeitnehmerin an Budget-Gesprächen zu beteiligen sei, sie Patienten behandeln dürfe, ohne diese dem Ambulanzarzt vorzustellen, sie an allen Oberarztkonferenzen teilnehmen dürfe, sie sich nach Kritik an einem Assistenzarzt eine Zurechtweisung durch Dr. E. gefallen lassen müsse.

Das LAG wies darauf hin, dass diese im Vollstreckungsverfahren vorgebrachten Streitpunkte in diesem Verfahren nicht geklärt werden könnten. Zwar gebiete das Rechtsstaatsprinzip die effektive Durchsetzung materiell-rechtlicher Ansprüche auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung, was auch bedeuten würde, dass eine gegebenenfalls schwierig zu klärende Frage geklärt werden müsse, ob gegen einen titulierten Anspruch verstoßen wurde. Vorliegend gäbe aber der titulierte „Beschäftigungsanspruch“ nichts dafür hier, ob die im Einzelnen von der Arbeitnehmerin gerügten und von ihr behaupteten Eingriffe vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst wären oder nicht. Ob dieser oder ein von ihm Beauftragter von seinem Weisungsrecht korrekt Gebrauch gemacht hat, müsse im Erkenntnisverfahren, nicht im Vollstreckungsverfahren geklärt werden.


LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.04.2017 – 1 Ta 2/17 -

Freitag, 5. Mai 2017

WEG: Kann ein nachträglicher Einbau eines Aufzuges wegen gesundheitlicher Behinderungen verlangt werden (Barrierefreiheit) ?

U.a. vom Kläger wurde beantragt, dass in der Mitte des Treppenhausschachtes ein geräuscharmer und energieeffizienter Personenaufzug auf Kosten der Antragsteller eingebaut wird. Der Antrag wurde abgelehnt. Der  - mit verschiedenen Anträgen – dagegen erhobenen Klage, mit der der Kläger u.a. geltend machte, an Wochenenden sei häufiger seine schwerstbehinderte Tochter bei ihm und auf den Aufzug angewiesen, wurde vom Landgericht stattgegeben; die dagegen von den Beklagten eingelegte, vom Landgericht zugelassene Revision  war erfolgreich. Das landgerichtliche Urteil wurde aufgehoben und die Klage abgewiesen.

§ 22 Abs. 2 WEG scheide als Anspruchsnorm aus, da diese Bestimmung lediglich eine Beschlusskompetenz (für bauliche Veränderungen pp.) regele, sich aber nicht als Anspruchsgrundlage darstelle. Aus § 21 Abs. 8 WEG ergäbe sich aber die Möglichkeit einer Beschlussersetzungsklage. Diese sei zulässig erhoben, wie auch das Berufungsgericht erkannt habe.

Entscheidend sei, ob den Wohnungseigentümern, die dem Antrag nicht zugestimmt hätten, ein  durch den Einbau des Aufzuges entstehen würde, §§ 22 Abs. 1 iVm. 14 Nr. 1 WEG.  Dabei könnten sich beide Parteien auf das Grundrecht am Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) als auch der Kläger auf ein Benachteiligungsverbot bei Behinderung gem. Art 3 Abs. 3 S. 3 GG berufen. Im Hinblick auf die Behinderung reiche die der Enkelin, die vom Kläger betreut würde, grundsätzlich aus.

Der BGH zitiert eine in der Rechtsprechung verbreitete Ansicht, derzufolge die Interessensabwägung ergeben könne, dass ein Wohnungseigentümer einen Treppenlift, eine Rollstuhlrampe oder einen Handlauf ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer anbringen dürfe, sofern er seine Wohnung ohne entsprechende Hilfsmittel nicht erreichen könne. Diese Rechtsansicht habe sich auch der Gesetzgeber bei der Reform des WEG zu eigen gemacht, wenn es in der Gesetzesbegründung heiße, dass Rollstuhlrampen und Treppenlifte als unvermeidbar anzusehen sind, wenn es der notwendigen Barrierefreiheit dient und ohne Eingriff in die Substanz technisch machbar sei (BT-Drucks. 16/887, S. 31). Allerdings gehe er, der zur Entscheidung berufene Senat des BGH, davon aus, dass die entsprechenden Maßnahmen ohne Zustimmung der Wohnungseigentümer nicht erfolgen dürfe. Ein Nachteil müsse allerdings von den Wohnungseigentümern bei einer erheblichen Gehbehinderung und in Abwägung mit dieser hingenommen werden. Der Einbau eines Fahrstuhls gehe aber weit über den Einbau eines Treppenlifts hinaus. Technisch machbar wäre dieser auch nur durch einen erheblichen Eingriff in die Substanz des Gemeinschaftseigentums, was auch dann einen Nachteil begründe würde, wenn es der Barrierefreiheit dient (BT-Drucks. 16/887, S. 31). Zu berücksichtigen sei auch, dass selbst bei einer Kostenübernahme bei Nutzung des Aufzugs durch Dritte möglicherweise auf die WEG Betreiberpflichten zukommen könnten, was zur Verantwortlich jedenfalls der Prüfung des Aufzuges führen würde; hinzu kämen eventuell notwendige Rückbaukosten, wobei dieser Rückbau wieder mit einem erheblichen Substanzeingriff verbunden wäre.

Da die Wohnungseigentümer insgesamt von den nachteiligen Folgen des Einbaus betroffen wären, müssten alle der Baumaßnahme zustimmen. Eine Beschlussersetzung würde hier ferner deshalb ausscheiden, da mit dem Aufzug kein gemeinschaftliches Eigentum iSv. § 15 Abs. 2 WEG geschaffen werden soll, sondern ein Sondernutzungsrecht; dieses wäre nur durch eine Vereinbarung zu regeln, auf die der Kläger nach § 10 Abs. 2 WEG keinen Anspruch habe.

Im Ergebnis bedeutet dies: Der Kläger konnte bereits deshalb mit seiner Klage keinen Erfolg haben, da er ein Sondernutzungsrecht geltend machte, was lediglich durch eine freiwillige Vereinbarung der Wohnungseigentümer untereinander erzielbar wäre. Aber auch wenn er den Antrag auf Erstellung von Gemeinschaftseigentum umgestellt hätte, könnte er hier eine derartige Anlage selbst unter Berücksichtigung des Gedankens der Barrierefreiheit nicht durchsetzen, da es sich um einen zu starken Eingriff in das Gemeinschaftseigentum, verbunden (selbst bei Freistellung) mit möglichen Folgeaufwendungen durch die Gemeinschaft, handeln würde.


BGH, Urteil vom 13.01.2017 – V ZR 96/16 -

Donnerstag, 4. Mai 2017

Keine Kostenerstattung für Privatgutachten für „Sachkundigen“ in einem Prozess

Zur Unterstützung des eigenen Sachvortrages (z.B. in Bezug auf eine fachspezifische Marterie) oder zur Stellungnahme auf ein (für die Partei negatives), vom Gericht eingeholtes Sachverständigengutachten werden häufig von den Parteien Gutachten zur Stützung der eigenen Ansicht eingeholt. Holt eine Partei ein Privatgutachten ein, so kommt es auch vor, dass die andere Partei ebenfalls ein Gutachten einholt. Muss aber die im Rechtsstreit unterlegende Partei nach § 91 ZPO stets die so bei der anderen Partei entstandenen Gutachterkosten tragen ? Die Rechtsprechung dazu ist beinahe unübersichtlich. Nunmehr  hat der BGH zu einem Fall Stellung bezogen, in dem ein Bauunternehmer in Ansehung eines von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten auch ein solches einholte. Diese dem klagenden. Bauunternehmen entstandenen Kosten wurden als nicht erstattungsfähig behandelt.

Die Beklagten hatten im Laufe des Verfahrens zwei von ihnen vorgerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten zu Mängeln und fehlenden Ausführungsarbeiten vorgelegt. Das klagende Bauunternehmen beauftragte daraufhin selbst einen Sachverständigen, um dieses den Privatgutachten der Beklagten entgegenzuhalten. Der Rechtspfleger hatte die dem Bauunternehmen entstandenen Kosten bei der Kostenfestsetzung berücksichtigt. Die Beschwerde der Beklagten dagegen war erfolgreich. Das zugelassene Rechtsbeschwerdeverfahren des klagenden Bauunternehmens blieb erfolglos.

Der BGH folgt dem Beschwerdegericht in dessen Ansicht, dass grundsätzlich die Kosten von Privatgutachten nicht erstattungsfähig sind. Lediglich dann, wenn sie sachbezogen wären und die eigene Sachkunde der Partei nicht ausreiche, ihrer Darlegungslast zu genügen, einen gebotenen Beweisantrag zu stellen oder Angriffe des Gegners abzuwehren, könne eine Erstattungsfähigkeit im Einzelfall angenommen werden.

Vorliegend käme es nicht darauf an, ob das vom Bauunternehmen vorgelegte Gutachten als gewichtig anzusehen wären. Dies selbst dann nicht, wenn das Gutachten die Rechtsposition des klagenden Bauunternehmens im Rechtstreit positiv beeinflusst haben sollte, da die Frage der Erstattungsfähigkeit nicht damit verbunden sei, ob es den Rechtsstreit beeinflusst habe. Entscheidend sei, ob die Partei die Einholung eines Gutachtens zum Zeitpunkt der Einholung und der Kosten dafür als sachdienlich ansehen durfte und ob die Partei selbst in der Lage gewesen wäre, auch ohne Gutachten substantiiert Stellung zu nehmen. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, dass ein Gutachten bei Gericht als gewichtiger angesehen würde als Parteivortrag, sei zu verneinen; das Gericht sei verpflichtet, Sachvortrag (egal ob Parteivortrag oder durch Gutachten unterstützten Parteivortrag) zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen.

Das klagende Bauunternehmen könne sich hier nicht auf eine „Waffengleichheit“ berufen, da das klagende Bauunternehmen aus eigener Sachkunde und ohne Hilfe eines Sachverständigen in der Lage sei, zu den streitigen Punkten Stellung zu nehmen und so die Privatgutachten der Beklagten hätte widerlegen können.


Anmerkung: Die Entscheidung des BGH wurde kritisiert, da Gerichte (was sicherlich zutreffend ist) regelmäßig mehr Gewicht auf ein vorgelegtes Sachverständigengutachten als auf Parteivortrag legt. Da aber nach Art. 103 GG auch die Gegenargumente zu hören und zu beachten sind, hat es eventuell selbst ein Gutachten einzuholen. Ob gegen eine darauf beruhende Bewertung, die negativ für die sachkundige Partei ausgeht, diese mit einem eigenen Gutachten ihre Berufung stützen kann, stand nicht zur Entscheidung. Dogmatisch richtig ist, dass grundsätzlich der Sachkundige, anders als der Laie, die Grundlagen kennt und selbst beurteilen kann.

BGH, Beschluss vom 01.02.2017 – VII ZB 18/14 -

Rechtsbehelfsfrist: Zur Wirksamkeit der Unterschrift bei Abweichung derselben von der maschinenschriftlichen Angabe

Es kann leicht passieren. Der sachbearbeitende Anwalt gibt seiner Mitarbeiterin an, gegen ein bestimmtes Urteil für den Mandanten Berufung einzulegen. Die Mitarbeiterin fertigt die Berufungsschrift und setzt unter die vorgesehene Unterschriftszeile des Namen des sachbearbeitenden Anwalts. Ein anderer Anwalt unterschreibt (ohne Vertretungszusatz). 

In einem entsprechenden Fall hat OLG Stuttgart darauf hingewiesen, dass es die Verwerfung der Berufung als unzulässig beabsichtige. Der Berufungsführer stellte mit der Begründung einen Wiedereinsetzungsantrag, es sei seit jeher usus der Partnerschaftsgesellschaft der Anwälte, dass ein anderes Mitglied der Kanzlei bestimmende Schriftsätze unterschreibe, als derjenige, der maschinenschriftlich aufgenommen wurde, ohne dass dies bisher jemals beanstandet worden wäre. Das half nichts. Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig. Zwar ergäbe sich die Unwirksamkeit der Berufung nicht daraus, dass die Namensunterschrift nicht lesbar sei, da es sich doch noch um eine hinreichend individualisierende Unterschriftsleistung handele, die auch dem unterzeichnenden Anwalt zugeordnet werden könne. Allerdings sei der maschinenschriftliche Zusatz des Namens eines anderen Anwalts aufgenommen worden, ohne zu verdeutlichen, dass der unterzeichnende Anwalt für diesen in Vertretung handele. Damit, so das OLG, sei der unbedingte Wille der unterzeichnenden Anwalts, die Verantwortung für den Inhalt zu übernehmen, nicht deutlich gemacht worden. Für das Gericht müssen gewährleistet sein, dass eine nicht lesbare Unterschrift durch einen maschinenschriftlichen Zusatz identifizierbar würde, was hier nicht der Fall sei. Da ein Verschulden vorläge, käme auch eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht.

Die gegen den Verwerfungsbeschluss erhobene Rechtsbeschwerde zum BGH war erfolgreich.

Die eigenhändige Unterschrift des zugelassenen Anwalts unter die Berufungsschrift sei Wirksamkeitsvoraussetzung für die rechtzeitige Berufung, §§ 519 Abs. 4, 130 Nr. 6 ZPO. Das Berufungsgericht habe richtig angenommen, dass die Unterschrift auf Berufungs- und Berufungsbegründung den  Anforderungen an eine Unterschrift entsprochen habe, da sie zwar unleserlich war, aber ersichtlich keine Paraphe oder Abkürzung.   Rechtsfehlerfrei habe das OLG die Unterschrift auch einem bestimmten postulationsfähigen Anwalt zugeordnet; zwar wurde erst später (nach dem Hinweis des OLG) erklärt, wer die Unterschrift geleistet habe, doch sei eine Identitätsfeststellung noch ausreichend und rechtzeitig, wenn diese zum Zeitpunkt über die Entscheidung über die Zulässigkeit feststünde.

Die Formwirksamkeit der Unterschrift scheitere entgegen der Auffassung des OLG nicht daran, dass unterhalb der Unterschrift maschinenschriftlich der Name eines anderen Anwalts aufgenommen wurde.  Der maschinenschriftliche Zusatz verdeutliche, dass der Schriftsatz von diesem Anwalt und nicht vom Unterzeichner stamme. Auch wenn bei der Unterschrift ein Zusatz fehle „für“ diesen zu unterschrieben, ließe sich doch erkennen, dass der Unterzeichner an dessen Stelle die Unterschrift leiste und damit als weiterer Hauptbevollmächtigter oder zumindest Unterbevollmächtigter in Wahrnehmung des Mandats auftreten wolle. Damit habe er auch die Verantwortung für den Inhalt übernommen, da sich dies für einen Anwalt im Zweifel von selbst verstehe; er sei nicht als Erklärungsbote tätig geworden. Über den Wiedereinsetzungsantrag habe danach nicht mehr entschieden werden müssen, da die Berufung formgerecht eingelegt wurde.


BGH, Beschluss vom 29.03.2017  - XII ZB 567/16 -

Dienstag, 2. Mai 2017

Die (prozessual) zulässige Unterschrift

Immer wieder keimt der Streit auf, ob ein Schriftstück von dem Urheber tatsächlich unterschrieben wurde, also die auf diesem befindliche Unterschrift ihm zugeordnet werden kann. Problematisch ist dies bei bestimmenden Schriftsätzen an das Gericht, wenn mit ihnen eine Frist (z.B. die Berufungsfrist) zu wahren ist.

Das OLG hatte die Berufung des Klägers gegen ein (überwiegend) klageabweisendes Urteil des Landgerichts wurde nach Rüge des Beklagtenvertreters der Unterschrift auf der Berufungsschrift den darauf gestellten Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Die Rechtsbeschwerde führte zur Aufhebung des Urteils des OLG und Zurückverweisung.

Der BGH gab der Rechtsbeschwerde statt, ohne den Wiedereinsetzungsantrag zu berücksichtigen. Es vertrat die Auffassung, die Unterschrift des Klägervertreters wäre zur Identifizierung des Urhebers ausreichend und stelle sicher, dass die Berufungsschrift mit Wissen und Wollen dem Gericht zugeleitet wurde, es sich also nicht nur um einen Entwurf handele, § 130 Nr. 6 ZPO.

Zwar handele es sich bei der Unterschrift nicht um einen lesbaren Namenszug, wie ihn der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der Klageschrift und anderen Schriftsätzen verwandt habe. Allerdings komme es nicht auf die Lesbarkeit an, auch nicht auf die Ähnlichkeit des handschriftlichen Gebildes mit den Namensbuchstaben. Entscheidend sei, ob der Name vollständig (nicht nur als Paraphe o.ä.) wiedergeben würde, nicht die Lesbarkeit. Vorliegend verwies der BGH auf die Länge des Schriftzuges, bestimmte Linien und Schnörkel, die erkennen lassen würden, so dass es sich nicht nur um eine Paraphe oder Abkürzung handele. Auch habe der Schriftzug Ähnlichkeiten mit anderen Schriftzügen, die der Klägerbevollmächtigte im Laufe des Verfahrens in Schriftsätzen (unbeanstandet) verwandt habe. Entscheidend sei, dass Zweifel an der Urheberschaft entgegen der Annahme des OLG nicht bestünden, da für die Urheberschaft die unter dem Namenszug befindliche maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens und die Berufsbezeichnung  stünden und die Umstellung des Namenszuges bereits erstinstanzlich in mehreren Schriftsätzen erfolgt sei. Für eine Unterzeichnung durch eine andere Person oder Fälschung bestünden keine Anhaltspunkte.

Anmerkung: Bleibt bei einem Gericht (Kammer/Senat) eine Unterschrift jahrelang unbeanstandet, wird dann aber die Unterschrift als unzulässige Paraphe o.ä, beanstandet, die den Voraussetzungen des § 139 Nr. 6 ZPO nicht genüge, kann ein Wiedereinsetzungsantrag (mit „korrekter Unterschrift“ gestellt werden, dem stattzugeben ist (Beschluss des BGH vom 05.06.1975 – II ZB 1/75 –).


BGH, Beschluss vom 29.11.2016 – VI ZB 16/16 -

Samstag, 29. April 2017

Umfang der Tierhalterhaftpflicht im Rahmen der Allgemeinen Haftpflichtversicherung

Die Antragstellerin begehrte Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Antragsgegnerin auf Freistellung und Feststellung deren Einstandspflicht aus einem Verkehrsunfall mit zwei bei ihr eingestellten Eselinnen. Das OLG wies die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die ablehnenden Entscheidung des Landgerichts zurück.

Die Antragsgegnerin hatte  Versicherungsschutz unter Bezugnahme auf die Besonderen Bedingungen der privaten Haftpflichtversicherung (BBPHV) versagt. Als Halterin falle die Antragstellerin bereits unter den Risikoausschluss von A. Nr. 9 Abs. 1 BBPHV und könnte von daher nur bei Abschluss einer gesonderten Tierhalterhaftpflichtversicherung Deckung verlangen. Unabhängig davon könne sich die Antragstellerin auch nicht auf A. Nr. 9 Abs. 2 BBPHV berufen, da diese Klausel zum Hüten fremder Tiere „pferdeartige Säugetiere“ ausnehme.

LG und OLG folgen der Auffassung der Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin sei Halterin. Der Halterbegriff in der Haftpflichtversicherung sei deckungsgleich mit jenem in § 833 BGB zur Tierhalterhaftung. Da die Antragstellerin das alleinige Bestimmungsrecht über die Tiere habe, über die Weideverbringung der Eselinnen entscheide, für sie Sorge traget und alle Kosten trage, sei sie rechtlich als Halterin anzusehen. Die Bestimmung in A. Nr. 9 Abs. 1 BBPHV besage aber, dass die Tierhaltereigenschaft nicht von der privaten (allgemeinen) Haftpflichtversicherung umfasst sei. Sie hätte damit eine gesonderte Tierhalterhaftpflichtversicherung abschließen müssen.

Im übrigen sei auch die Annahme der Antragstellerin unzutreffend, A. 9 Abs. 2 BBPHV enthalte keinen Risikoausschluss für Esel. Zwar sei der Risikoausschluss nicht weiter auszulegen, als es der Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Zwecks und der Ausdrucksweise erfordere. Hier sei aber bereits die Aufzählung der Tiergruppen eindeutig. Zudem würde auch der Zweck des Risikoausschlusses für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich. Es wird nämlich an den grundlegenden Risikoausschluss in der privaten Haftpflichtversicherung mit der Aufnahme von Rückausnahmen angeschlossen. Vor diesem Hintergrund sind bestimmte Haustiere ausgenommen, nicht aber Reit- und Zugtiere. Zu dieser ausgeschlossenen Gruppe der reit- und Zugtiere gehören aber Esel, selbst dann, wenn diese, wie die Antragstellerin behauptet, alleine zum Spiel und Zeitvertreib für die Kinder gehalten würden.

Auch könne die Antragstellerin nicht damit gehört werden, die Tiergefahr der Esel habe sich nur deshalb verwirklichen können, da die Stromzufuhr nicht eingehangen wurde. Zwar hätten Gerichte in der Vergangenheit eine Deckung in der privaten (allgemeinen) Haftpflichtversicherung in Fällen der Verwirklichung der Tiergefahr auch dann angenommen, wenn der Versicherungsnehmer (wie hier durch das Nichteinhängen der Stromzufuhr) einen eigenen Haftungsbetrag gesetzt habe. Allerdings habe der BGH mit Urteil vom 25.04.2007 – IV ZR 85/05 – diese Ansicht verworfen.


OLG Dresden, Beschluss vom 13.10.2016 – 4 W 977/16 -

Freitag, 28. April 2017

Zur Darlegungslast des Nutzers eines Fitnessstudios bei Kündigung aus gesundheitlichen Gründen

Der Nutzer des Fitness-Studios kündigte unter Beifügung eines ärztlichen Attests, demzufolge er „aufgrund einer akuten Erkrankung“ bis auf weiteres sportunfähig sei. Die Klägerin, die die Kündigung als unbegründet zurückwies, verlangt ausstehende du für die restliche Vertragsdauer zukünftige Nutzungsentgelte mit ihrer Klage geltend.

Das Amtsgericht gab der Klage statt.

1. Zwar rechtfertigt eine dauerhafte Erkrankung, die eine Nutzung der Fitnesseinrichtung unmöglich macht, die Kündigung des Vertrages mit dem Studio. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt allerdings im Rahmen des hier einschlägigen § 314 BGB der Nutzer. Dieser darlegungslast ist der beklagte allerdings nach Auffassung des Amtsgerichts nicht nachgekommen. Er habe nur pauschal vorgetragen, wegen einer „akuten Erkrankung“ keine sportliche Betätigung ausüben zu können. Dies sei einer Überprüfung nicht zugänglich. Die Klägerseite habe darauf bereits hingewiesen.

Aus diesem Grund sei die Kündigung als fristlose Kündigung unzulässig und als fristgerechte Kündigung auszulegen.

2. Die Klägerin könne hier auch die Vorauszahlungen des Nutzungsentgelts begehren, nachdem der Beklagte mit zwei Beträgen in Rückstand war. Die entsprechende Klausel in den vereinbarten Vertragsbedingungen sei wirksam. Es sei insbesondere nicht zu beanstanden, dass diese Klausel für den Fall des Zahlungsverzugs keine Kündigung des Vertrages vorsähe, sondern die vorzeitige Fälligkeit aller ausstehenden Beträge. Eine Unangemessenheit scheide aus, da sich der Nutzer durch die Nichtzahlung vertragswidrig verhalte und ohnehin für den Rest der Laufzeit des Vertrages an seinen bestehenden Pflichten festgehalten würde. Der Nutzer habe kein schutzwürdiges Interesse daran, eine vorzeitige Vertragsbeendigung durch ein eigenes vertragswidriges Verhalten herbeizuführen.

3. Die Jährlichen Erhöhungen des Nutzungsentgelts von € 0,50/Monat gemäß den Vertragsbedingungen sind ebenso wie die vereinbarte Wartungspausche vom Nutzer zu zahlen.


AG Bad Homburg, Urteil vom 13.04.2017 - 2 C 2672/16 (20) -