Dienstag, 23. Juni 2015

Mietrecht: Quotenabgeltungsklauseln bei Renovierungspflichten prinzipiell unzulässig

Es ist so weit. Wie schon seit einiger Zeit zu erwarten war, hat der BGH der in Mietverträgen immer wieder vorzufindenden Quotenabgeltungsklausel nunmehr endgültig eine Absage erteilt.  Angedeutet hatte dies der BGH bereits in einem Urteil vom 22.01.2014 - VIII ZR 352/12 -.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Vertrag war die Klausel aufgenommen, der zufolge der Mieter, soweit Schönheitsreparaturen bei Mietende noch nicht fällig sein sollten, diese nach einer zeitlich bemessenen Quote regelmäßiger Renovierungsmaßnahmen dem Vermieter vergüten sollte. Der BGH sah (anders als das Berufungsgericht) darin das Transparenzgebot als nicht mehr gewahrt an (§ 307 Abs. 1  BGB). Klauseln dürften nicht so gefasst werden, dass der Vermieter als Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines potentiellen Mieters durchzusetzen versucht durchzusetzen (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB), ohne dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und einen Ausgleich zu schaffen.


Die Quotenregelungsklausel könne zwar hier eventuell noch mit dem Transparenzgebot übereinstimmen. Allerdings würde sie einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht standhalten, da der Mieter bei Vertragsschluss keine realistische Einschätzung der auf ihn  zukommenden Kostenbelastung habe. Dies würde ihn unangemessen benachteiligen.

Zur Begründung verweist der BGH darauf, dass der Mieter bei Vertragsschluss nicht erkennen könne, welchen tatsächlichen Abnutzungsgrad die Wohnung bei Mietende haben würde, da er weder unbedingt von vorherein die Mietzeit kennt, noch genau weiß, wie sein tatsächliches, eventuell auch während der Mietzeit unterschiedliches, Nutzungsverhalten sein wird.


Enthält der Mietvertrag eine Renovierungspflicht des Mieters mit Quotenabgeltungsklausel, ist der Mieter bei Mietende mithin weder zur Vornahme der Renovierung verpflichtet noch zur Abgeltung von möglichen Renovierungskosten. 

Ein Kommentar zu dieser Entscheidung findet sich auf Rechtsprechung.

BGH, Urteil vom 18.03.2015 - VIII ZR 242/13 -

Montag, 22. Juni 2015

Umsatzsteuer: Ermäßigter Satz bei Autorenlesung

Die Autorin hat für ihre Lesungen jeweils den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7% in Rechnung gestellt. Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat das beklagte Finanzamt die Rechtsauffassung, die Entgelte für Lesungen unterlägen der vollen Umsatzsteuer von 19% und hat insoweit Umsatzsteuer aus den Einnahmen nachgefordert. Die hiergegen von der Autorin erhobene Klage hatte Erfolg, die Revision des Finanzamtes wurde vom BFH zurückgewiesen.

Die Steuerermäßigung rechtfertigt sich hier nach Auffassung des BFH aus § 12 Abs. 2 Nr. 7 a UStG. Im Sinne dieser Norm wird unter Theateraufführung, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegt, nicht nur eine Theateraufführung o.ä, verstanden, sondern auch Pantomime, Tanz, Eisrevue, Kampfkunstschauen und Feuerwerksveranstaltungen. Voraussetzung ist lediglich, dass die Vorführung theater- oder konzertähnlich ist. Nach Brockhaus, so der BFH, bezeichnet Theater alle Formen szenischer Darstellung und künstlerischer Kommunikation zwischen Darstellern und Zuschauern. Dazu würde auch die künstlerische Rezitation gehören, nach Brockhaus der künstlerische Vortrag.

Bei der Lesung würde sich die Stimme des Vortragenden häufig, als Ausdruck besonderer Situation oder zur Darstellung handelnder Personen, ändern. Dazu wären hier Mimik, Körperhaltung und Bewegung gekommen, die Emotionen bei den Zuhörern hervorrufen sollte und durch Unterbrechungen, Zwischenbemerkungen und anderweitige, dazwischen gewobene Geschichten habe die Lesung kabarettistische Züge erhalten.

Klar wird vom BFH festgehalten, dass Frage- und Autogrammstunden keinen ermäßigten Steuersatz rechtfertigen.


BFH, Urteil vom 25.02.2015 – XI R 35/12 -

Donnerstag, 18. Juni 2015

Mietrecht: Schriftform und unvollständiges Rubrum

In beiden letztlich vom BGH entschiedenen Fällen stritten die Parteien um die Wirksamkeit eines längerfristig abgeschlossenen Mietvertrages. § 550 BGB fordert für Mietverträge, die eine längere Laufzeit als ein Jahr haben sollen, ausdrücklich die Schriftform. In den zwei vom BGH entschiedenen Fällen war an dem Mietvertrag eine Aktiengesellschaft (AG) beteiligt gewesen. In dem einen Fall war der Vorstand der AG im Rubrum des Vertrages benannt, allerdings hat nur ein Vorstandsmitglied den Vertrag unterzeichnet (BGH vom 04.11.2009 – XII ZR 86/07 -). Im anderen Fall wurden die Vertreter der AG im Rubrum gar nicht benannt und hat auch lediglich ein Vorstandsmitglied (ohne seine Stellung bei Unterschriftsleistung darzustellen) zusammen mit einem durch Zufügung von ppa. dies verdeutlichenden Prokuristen  unterschrieben (BGH vom 22.04.2015 – XII ZR 55/14 -).


In seiner Entscheidung im Jahr 2009 hat der BGH das Vorliegen der Schriftform negiert. Demgegenüber hat diese in seiner Entscheidung in 2015 bejaht. In Abgrenzung der Entscheidungen führt der BGH in seinem Urteil vom 22.04.2015 aus, dass in dem in 2009 zur Entscheidung anstehenden Fallvariante alle Vorstandsmitglieder im Rubrum benannt wurden und nunmehr nicht ersichtlich gewesen wäre, ob der alleinige Unterzeichner der AG für alle Vorstandsmitglieder handeln würde. Zweifel an der Vertretungsmacht würden sich daher aus der Urkunde im Hinblick auf die Aufnahme der Vertretungsregelung im Rubrum ergeben. Anders sei dies allerdings dann, wenn wie in dem jetzt 2015 z entscheidenden Fall keine Angaben zum Vertretungsverhältnis der AG im Vertrag aufgenommen würden, da sich dann bei der Unterschrift nicht Zweifel an der (alleinigen) Berechtigung ergeben könnten.


Auch sei unschädlich, dass es bei dem Vorstandsmitglied an einem Vertretungszusatz fehle. Zwar wäre dies erforderlich, wenn alle Vorstandsmitglieder im Rubrum des Vertrages aufgenommen würden, da sich hier Zweifel an der Vollständigkeit aus der Urkunde ergeben. Wenn aber der Vorstand im Rubrum nicht aufgelistet ist, könnten auch keine Zweifel darüber entstehen, ob das unterzeichnende Vorstandsmitglied nur für sich oder für alle Vorstandsmitglieder handelt. 

BGH, Urteil vom 22.04.2015 - XII ZR 55/14 -

Dienstag, 16. Juni 2015

Werkunternehmer und Diebstahl von Baumaterialien

Wohin mit Baumaterialien ? Natürlich auf die Baustelle. Ein naheliegender Gedanke. Doch was ist, wenn sie dort abhanden kommen ?  Das OLG Saarbrücken hat entschieden, dass das Verlustrisiko bis zur Abnahme des Gesamtwerls der Werkunternehmer trägt. Er hat für eine ausreichende Sicherung Sorge zu tragen. Dies gilt nach Auffassung des OLG Saarbücken auch dann, wenn der Besteller bereits alle Schlüssel hat.

Das bedeutet für den Werkunternehmer: Kann lediglich der Auftraggeber durch Schlüssel Zutritt erlangen, müsste er die Schlüsselübergabe verweigern oder Freistellung fordern. Handelt es sich um eine offene Baustelle, so muss er sich entweder die Baumaterialien „just in time“ liefern (lassen) oder eine Haftungsübernahme mit dem Auftraggeber vereinbaren. Letztlich ist dies von dem Werkunternehmer einzupreisen, auch dann, wenn er dieses Risiko versichern kann (in diesem Fall die Kosten der Versicherung).

OLG Saarbrücken, Urteil vom 03.12.2014 - 1 U 49/14 -

Samstag, 13. Juni 2015

Motorradunfall durch querliegende Wasserleitung auf "Feldweg"

Bild: Ralf Kistner  / pixelio.de
Der Kläger befuhr seiner Behauptung zufolge mit seinem Motorrad auf Feldwegen Richtung Main. Dort sei er in einen Pfad eingebogen, der sich „erkennbar als Fahrbahn darstelle“ um dort zu wenden. Quer über diesen „Pfad“ war eine Wasserleitung der Beklagten (auf deren nicht als Privatgrundstück gekennzeichneten Gelände) verlegt, mit der er kollidiert sein will. Durch den Sturz will er sich Verletzungen zugezogen haben. Mit seiner Klage macht er gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche einschließlich Schmerzensgeld geltend, da die Beklagte ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht genügt habe.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Das Amtsgericht wies die Klage ab, da der Kläger den Nachweis einer von ihm behaupteten Kollision mit der Wasserleitung nicht geführt habe. Im entsprechenden Bereich konnten später, nachdem der Kläger einen Polizisten hinzuzog, keine Unfallspuren festgestellt werden.


Das Amtsgericht wies aber darauf hin, dass auch ansonsten die Klage abzuweisen gewesen wäre. Der „Pfad“ würde sich bereits optisch deutlich von den offiziellen Feldwegen durch höheren Grasbewuchs und weniger ausgebildeten Spuren abheben. Bereits daher hätte der Kläger davon Abstand nehmen müssen, diesen Weg zu befahren oder aber äußerst vorsichtig auf Sicht fahren müssen. Sowohl nach den Lichtbildern als auch der Aussage des Polizeibeamten sei die Leitung deutlich sichtbar gewesen, weshalb der Kläger bei einem Fahren auf Sicht auch dann noch hätte abbremsen können müssen, wenn die Leitung vor einer Kurve durch Gras verdeckt gewesen sein sollte. Das Eigenverschulden des Klägers würde hier ein etwaiges Verschulden der Beklagten zurückdrängen. 

AG Würzburg, Urteil vom 09.06.2015 - 15 C 671/15 -

Mittwoch, 10. Juni 2015

Arbeitsrecht: Qua Regelung im Vorruhestandsvertrag Zwang zur Rente mit 63

Das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) musste in einem Rechtsstreit zwischen einem Arbeitgeber und dessen ehemaliger Arbeitnehmerin entscheiden, die mit ihrem Arbeitgeber im Dezember 2012 einen Vorruhestandsvertrag abgeschlossen hatte, in dem zum einen auf die geltenden Tarifverträge Bezug genommen wurde, zum anderen aber auch festgehalten wurde, dass sie verpflichtet ist, die frühest mögliche ungekürzte Altersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung zu beanspruchen. Der Vorruhestand sollte zu dem Zeitpunkt enden, zu dem die klagende Arbeitnehmerin die Regelaltersrente resp. die benannte ungekürzte Altersrente beanspruchen kann.

Nachdem mit Einfügung des § 236b SGB VI unter bestimmten Umständen die Rente mit 63 bezogen werden konnte, verwies die beklagte Arbeitgeberin die Arbeitnehmerin, bei der die gesetzlichen Voraussetzungen für diesen Bezug unstreitig vorlagen, auf diese Rente. Die Arbeitnehmerin erhob Klage, da die Altersrente mit 63 betragsmäßig niedriger war als das Vorruhestandsgeld, welches sie von der Beklagten bezog. Sie war der Auffassung, nach dem Tarifvertrag könne sie nicht auf die abschlagsfreie Rente mit 63 nach § 236b SGB VI verwiesen werden.

Ihre Klage wurde abgewiesen. Das Arbeitsgericht ließ offen, ob hier nach dem Tarifvertrag ein entsprechender Verweis der Klägerin auf die Rente mit 63 ausgeschlossen ist. Denn jedenfalls wäre dieser Verweis nach dem zwischen ihr und der Beklagten abgeschlossenen Vorruhestandsvertrag zulässig. Der Vertrag halte auch einer AGB-Kontrolle nach §§ 305ff BGB stand. 

ArbG Frankfurt (Oder), Urteil vom 07.05.2015 - 6 Ca 1381/14 -

Montag, 8. Juni 2015

Schadensfall durch Schreckreaktion und fehlendes Verschulden

Die Klägerin war zu Fuß unterwegs. Sie befand sich gerade am Anwesen der Familie K., als der Beklagte mit (sehr) geringer Geschwindigkeit der Klägerin mit seinem PKW entgegenkam.  In dem mit einem Maschendrahtzaun abgetrennten Garten der Familie K. befand sich ein Hund, der von der Klägerin unbemerkt an den Zaun kam und plötzlich laut bellte. Vor Schreck machte die Klägerin einen Schritt nach rechts und geriet so auf die Fahrbahn. Hierbei geriet sie gegen den rechten Außenspiegel des gerade vorbeifahrenden PKW des Beklagten. Durch den Kontakt stürzte die Klägerin und machte in der Folge Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten geltend. Die Klage hatte Erfolg; mit seinem Beschluss vom 07.01.2015 wies das OLG Karlsruhe den beklagten darauf hin, dass seine Berufung keine Erfolgsaussichten habe, § 522 ZPO.

Die Haftung des Beklagten leitet das OLG aus der Gefährdungshaftungsnorm des § 7 Abs. 1 StVG her. Höhere Gewalt iSv. § 7 Abs. 2 StVG läge bei einer solchen Konstellation nicht vor. Damit kam es nur noch darauf an, ob und inwieweit der Klägerin ein Mitverschuldensvorwurf gemacht werden konnte, § 254 BGB.  Einen solchen negiert allerdings das OLG, da hier eine einen Verschuldensvorwurf ausschließende Situation vorgelegen habe. Es gehöre zum Wesen der Schreckreaktion, dass im ersten Moment nicht ohne weiteres unterschieden werden könne, ob der bellende und springende Hund vom Zaun zurückgehalten wird oder es zu einem Angriff mit Bissverletzungen kommen würde. 

OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 07.01.2015 - 9 U 9/14 -