Mittwoch, 10. Juni 2015

Arbeitsrecht: Qua Regelung im Vorruhestandsvertrag Zwang zur Rente mit 63

Das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) musste in einem Rechtsstreit zwischen einem Arbeitgeber und dessen ehemaliger Arbeitnehmerin entscheiden, die mit ihrem Arbeitgeber im Dezember 2012 einen Vorruhestandsvertrag abgeschlossen hatte, in dem zum einen auf die geltenden Tarifverträge Bezug genommen wurde, zum anderen aber auch festgehalten wurde, dass sie verpflichtet ist, die frühest mögliche ungekürzte Altersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung zu beanspruchen. Der Vorruhestand sollte zu dem Zeitpunkt enden, zu dem die klagende Arbeitnehmerin die Regelaltersrente resp. die benannte ungekürzte Altersrente beanspruchen kann.

Nachdem mit Einfügung des § 236b SGB VI unter bestimmten Umständen die Rente mit 63 bezogen werden konnte, verwies die beklagte Arbeitgeberin die Arbeitnehmerin, bei der die gesetzlichen Voraussetzungen für diesen Bezug unstreitig vorlagen, auf diese Rente. Die Arbeitnehmerin erhob Klage, da die Altersrente mit 63 betragsmäßig niedriger war als das Vorruhestandsgeld, welches sie von der Beklagten bezog. Sie war der Auffassung, nach dem Tarifvertrag könne sie nicht auf die abschlagsfreie Rente mit 63 nach § 236b SGB VI verwiesen werden.

Ihre Klage wurde abgewiesen. Das Arbeitsgericht ließ offen, ob hier nach dem Tarifvertrag ein entsprechender Verweis der Klägerin auf die Rente mit 63 ausgeschlossen ist. Denn jedenfalls wäre dieser Verweis nach dem zwischen ihr und der Beklagten abgeschlossenen Vorruhestandsvertrag zulässig. Der Vertrag halte auch einer AGB-Kontrolle nach §§ 305ff BGB stand. 

ArbG Frankfurt (Oder), Urteil vom 07.05.2015 - 6 Ca 1381/14 -

Aus den Gründen:

Tatbestand 


Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres einzelvertraglich vereinbarten Vorruhestandsverhältnisses sowie hilfsweise um die Zahlung des Vorruhestandsentgelts für den Monat Oktober 2014.

Die am 10.09.1951 geborene Klägerin stand zu der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin an Sie vertritt die Rechtsauffassung, das Vorruhestandsverhältnis der Parteien habe zum Ablauf des 30.09.2014 sein Ende gefunden , da die Klägerin - insoweit unstreitig - mit Wirkung zum 01.10.2014 die Voraussetzungen für den vorzeitigen , abschlagsfreien Bezug der Rente mit 63" erfülle. § 2 Abs . 2 Satz 2 des Vorruhestandsvertrages vom 05.12.2012 sehe ausdrücklich vor, dass der Vorruhestand zu dem Zeitpunkt ende, in dem die Berechtigte die frühestmögliche      ungekürzte     Altersrente     nach     den     Vorschriften    der     gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen könne. Der Begriff ungekürzte" Altersrente  sei in diesem Zusammenhang   als  „abschlagsfreier Rentenbezug   zu  verstehen ,  da   jeder vorzeitige Rentenbezug vor Eintritt des Regelrenteneintrittsalters zu geringeren  Einzahlungen in die Rentenkasse, dadurch  zu  einer  Verminderung  von  Rentenpunkten   und faktisch letztlich immer zu einer anteiligen Kürzung der Rente führe. Würde dieser Vertragspassus im Sinne der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung verstanden,  liefe er letztlich leer, da der vorzeitige  Bezug  einer  ungekürztenRente - im Vergleich  zum  Regelrenteneintrittsalter  - rechtlich  nie  möglich  sei.  Diese  vertragliche Regelung  sei nicht gegenüber der Klägerin gemäß § 41 SGB VI unwirksam, da vorliegend nicht, wie von dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift gefordert , die vorzeitige Auflösung des   Arbeitsverhältnisses   vor   Eintritt  der Regelaltersgrenze     im     Streit     stehe sondern     die    vorzeitige    Beendigung    des Vorruhestandsverhältnisses

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 21.11.2014 (Blatt 47 f . d. A.) und 06.05.2015 (8. 164 f. d. A.) verwiesen.

 

 

    Entscheidungsgründe


I.

Die Klage ist zulässig.


1.



Der Feststellungsantrag  ist hinreichend  bestimmt  i. S. v.  § 46 Abs.  2 ArbGG  i. V.  m. §§ 495,
253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin begehrt mit ihm die befristete Fortsetzung ihres Vorruhestandsverhältnisses bis zum Eintritt in die Regelaltersrente.
Die am 10.09.1951 geborene Klägerin stand zu der Beklagten bzw. Deren Rechtsvorgängerin an deren Standort in Hoppegarten mit einer anzuerkennenden Betriebszugehörigkeit seit dem 05.08.1991 in einem Arbeitsverhältnis.

Am 05.12.2012 (Blatt 12 ff. d. A.) schlossen die Parteien einen Vertrag über die Auflösung des Arbeitsvertrages und die Begründung des Vorruhestandes", den die Beklagte in dieser Form in einer Vielzahl von  vergleichbaren  Fällen  bundesweit  verwendet  und  der auszugsweise, sofern für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits von Bedeutung, folgenden  Inhalt hat:





§ 1
 
11

(1) Zwischen den Vertragsparteien wird der in beiderseitigem Einvernehmen am
31.07. 1991 geschlossene Arbeitsvertrag - in der Fassung der 2. Anlage -
nach § 11 Abs. 1 FU-TV/LSV aufgelöst.


(2) Die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis enden damit für beide Vertragsparteien, soweit in diesem Vertrag nichts anderes vereinbart worden ist.

§ 2
(1) Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des 31.12.2012, an den sich unmittelbar der Vorruhestand anschließt.

(2) Der Vorruhestand endet vor Beginn des Tages, ab dem die Berechtigte Anspruch auf Bezug der Regelaltersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung hat. Unabhängig hiervon endet der Vorruhestand zu dem Zeitpunkt, in dem die Berechtigte die frühest  mögliche  ungekürzte Altersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann. Die Berechtigte ist zur Antragstellung verpflichtet.
(3)  Die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente auf Antrag ist der Beteiligten bereits bei Beantragung dieser Rentenleistung mitzuteilen.

§ 3
Rechtsgrundlage dieses Vertrages sind der BAT/LSV 1993, der FU-TVILSV, die Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder vom 19.09.2002 (VBLS) und das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz) in derjeweils  geltenden Fassung. *)

(*) Über den BATILSV 1993 gilt der Tarifvertrag für den öf fentlichen Dienst des Bundes!TVöD/Bund) wie der Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung - ATV) vom 01.03.2002.

§ 4
(1) Die Höhe des zu zahlenden Vorruhestandsgeldes ergibt sich aus § 11 Abs. 1 FU­ TVILSV und wird ab dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Monat jeweils am 15. eines Monats gezahlt.
…”
   

Die Höhe des Vorruhestandsgeldes der Klägerin setzte sich zuletzt zusammen aus einem Bruttobetrag von 2.620,23 Euro zuzüglich einer freiwilligen VBL (steuerfrei) in Höhe von 123,30 Euro sowie einer sonstigen Zulage in Höhe von 462 ,39 Euro und belief sich damit insgesamt auf 3.205,92 Euro brutto.

Die Klägerin erfüllt in ihrer Person sämtliche Voraussetzungen der sog. ,,Rente mit 63" und kann auf Grund erfolgter Beitragszahlungen zur Sozialversicherung von 45 Jahren mit Wirkung zum 01.10.2014 ohne Abschläge in Rente gehen. Nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 12.12.2014 (Blatt 64 d. A.) beträgt ihr Rentenanspruch zum Zeitpunkt des Eintritts in die Regelaltersrente mit Wirkung zum 01.03.2017  1.175,00 Euro netto monatlich, während sich im Falle der Nichtinanspruchnahme der Rente mit 63" ein monatlicher Zahlbetrag zum 01.03.2017 in Höhe von 1.243,29 Euro netto ergäbe.

Die Beklagte stellte, da die Klägerin in ihrer Person die Voraussetzungen der Inanspruchnahme der Rente mit 63" erfüllt . mit Wirkung ab dem Monat Oktober 2014 die Zahlung   des   Vorruhestandsgeldes   ein.   Um   diesen   Wegfall   der   Zahlungen  finanziell

überbrücken zu können, beantragte die Klägerin vorläufig bei der Deutschen Rentenversicherung Bund mit Wirkung zum 01.10.2014 die Zahlung der Rente mit 63", die diese auch tatsächlich erbringt, auf Wunsch der Klägerin allerdings lediglich unter dem Vorbehalt des Ausgangs des hiesigen Rechtsstreits.

Die Klägerin ist der Rechtsauffassung , ihr Vorruhestandsverhältnis habe gemäß § 2 Abs. 2 des Vorruhestandsvertrages vom 05.12.2012 nicht mit Ablauf des 30.09.2014 sein Ende gefunden, sondern ende erst zum Ablauf des Monats Februar 2017. Eine Befristung der Vorruhestandsregelung bis zum 30.09.2014 sei vertraglich nicht vorgesehen , da die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses  die Einführung des Rentenversicherungsleistungsverbesserungsgesetzes zum 01.07.2014 nicht hätten vorhersehen können. Ungeachtet dessen sehe § 2 Abs. 2 des Vertrages vor, dass der Vorruhestand zu dem Zeitpunkt ende, in dem die Berechtigte die frühestmögliche ungekürzte Altersrente beanspruchen könne. Ausweislich der mitgeteilten Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund ergäbe sich im Verhältnis zum Regelaltersrenteneintritt mit Wirkung zum 01.03.2017 jedoch eine Rentenkürzung i. H. v. 68,29 Euro netto monatlich. Im Übrigen sei die vorzeitige Beendigung des Vorruhestandsverhältnisses ihr gegenüber gemäß
§ 41 SGB VI unwirksam .


Die Klägerin beantragt zuletzt klarstellend:


Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien mit dem Vertrag über die Auflösung   des  Arbeitsvertrages   und  die  Begründung  des  Vorruhestandes " vom
05.12.2012 vereinbarte sogenannte Vorruhestandsverhältnis " nicht mit Ablauf des 30.09.2014 endete, sondern darüber hinaus bis zum 28.02.2017 (Erreichen der Regelaltersrente)  fortbesteht

und


hilfsweise, sofern ihre begehrte Feststellung zur Entfristung nicht möglich sei,


die Beklagte zu verurteilen , ihr für den Monat Oktober 2014 eine Bruttovergütung in Höhe von 2.620,32 Euro zuzüglich 123,30 Euro betriebliche Altersvorsorge zur Zusatzversorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) sowie einer weiteren Zulage in Höhe von 462,39 Euro, jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2014, zu zahlen.

Die  Beklagte beantragt,


die  Klage abzuweisen.


Sie vertritt die Rechtsauffassung, das Vorruhestandsverhältnis der Parteien habe zum Ablauf des 30.09.2014 sein Ende gefunden , da die Klägerin - insoweit unstreitig - mit Wirkung zum 01.10.2014 die Voraussetzungen für den vorzeitigen , abschlagsfreien Bezug der Rente mit 63" erfülle. § 2 Abs . 2 Satz 2 des Vorruhestandsvertrages vom 05.12.2012 sehe ausdrücklich vor, dass der Vorruhestand zu dem Zeitpunkt ende, in dem die Berechtigte die frühestmögliche      ungekürzte     Altersrente     nach     den     Vorschriften    der     gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen könne. Der Begriff ungekürzte" Altersrente  sei in diesem Zusammenhang   als  „abschlagsfreier Rentenbezug   zu  verstehen ,  da   jeder vorzeitige Rentenbezug vor Eintritt des Regelrenteneintrittsalters zu geringeren  Einzahlungen in die Rentenkasse, dadurch  zu  einer  Verminderung  von  Rentenpunkten   und faktisch letztlich immer zu einer anteiligen Kürzung der Rente führe. Würde dieser Vertragspassus im Sinne der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung verstanden,  liefe er letztlich leer, da der vorzeitige  Bezug  einer  ungekürztenRente - im Vergleich  zum  Regelrenteneintrittsalter  - rechtlich  nie  möglich  sei.  Diese  vertragliche Regelung  sei nicht gegenüber der Klägerin gemäß § 41 SGB VI unwirksam, da vorliegend nicht, wie von dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift gefordert , die vorzeitige Auflösung des   Arbeitsverhältnisses   vor   Eintritt  der Regelaltersgrenze     im     Streit     stehe sondern     die    vorzeitige    Beendigung    des Vorruhestandsverhältnisses

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 21.11.2014 (Blatt 47 f . d. A.) und 06.05.2015 (8. 164 f. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe  

 

I.


Die Klage ist zulässig.
  

1.



Der Feststellungsantrag  ist hinreichend  bestimmt  i. S. v.  § 46 Abs.  2 ArbGG  i. V.  m. §§ 495,
253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin begehrt mit ihm die befristete Fortsetzung ihres Vorruhestandsverhältnisses bis zum Eintritt in die Regelaltersrente.

Auf Grund des Streits und der damit verbundenen rechtlichen  Unsicherheit  der  Parteien über den Zeitpunkt der Beendigung ihres Vorruhestandsverhältnisses ist für die Feststellungsklage auch das gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ 495 , 256 Abs . 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben . Nachdem die Parteien mit dem „Vertrag über die Auflösung des Arbeitsvertrages und die Begründung des Vorruhestandes " vom 05.12.2012 ihr Arbeitsverhältnis einvernehmlich mit Ablauf des 31.12.2012 aufgehoben und nahtlos mit Wirkung zum 01.01.2013 ein Vorruhestandsverhältnis begründet haben, handelt es sich bei der Feststellungsklage erkennbar nicht um eine Befristungskontrollklage gemäß § 17 TzBfG . Diese Vorschrift gilt nur dann, wenn der Arbeitnehmer  geltend  machen  will dass  die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtsunwirksam  ist.  Diese  Voraussetzungen  liegen erkennbar nicht vor. Denn das Arbeitsverhältnis der Parteien ist gemäß § 2  Abs.  1 des Vertrages vom 05.12.2012 einvernehmlich  mit Ablauf  des 31.12 .2012  beendet worden. Damit ist die Grundlage für die rechtliche Überprüfung der Befristung eines Arbeitsvertrages nicht gegeben. Tatsächlich haben die Parteien - nahtlos - mit Wirkung zum 01.01.2013 nach einvernehmlicher  Auflösung  ihres Arbe itsverhältnisses  ein neues Rechtsverhältnis  i. S. d. §§ 311 Abs. 1, 241 BGB (Vorruhestandsverhältnis) begründet, für das sich die rechtliche Unsicherheit seines Fortbestandes ausschließlich nach § 46 Abs . 2 ArbGG i. V. m. §§ 495 , 256 Abs . 1 ZPO bestimmt.

2.



Auch der Hilfsantrag ist am Maßstab des § 46 Abs . 2 ArbGG i. V. m. §§ 495 , 253 Abs . 2 Nr. 2 ZPO zulässig. Allerdings ergibt sich nach dem sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegr iff (Klageantrag unter besonderer  Berücksichtigung  seiner  Begründung) , dass  es  sich  bei  dem im  Klageantrag  bezifferten  Teil  der  Bruttovergütung   i.  H. v.    2.620,32  Euro  erkennbar   um  einen Zahlendreher handelt und die Klägerin insoweit lediglich 2.620,23 Euro brutto zur Zahlung an sich begehrt.

II.


Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. 

§ 2 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages vom 05.12.2012 ist rechtswirksam und hat das Vorruhestandsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 30.09.2014 vorzeitig beendet. Die Formulierung des Hilfsantrages (,,sofern die begehrte Feststellung zur Entfristung nicht möglich ist") lässt nicht hinreichend deutlich erkennen , dass die  Klägerin  den Hilfsantrag unter der Rechtsbedingung der Unzulässigkeit der Feststellungsklage erhoben wissen will. Dadurch ist der Kammer auch der Hilfsantrag zur Entscheidung angefallen , der jedoch ebenfalls der Abweisung zu unterliegen hatte.

1.



Die Feststellungsklage ist unbegründet. 

a) 

Eine Unwirksamkeit von § 2 Abs . 2 Satz 2 des Vorruhestandsvertrages der Parteien vom 05.12.2012 ergibt sich noch nicht am Maßstab einer durchzuführenden AGB-Kontrolle  gemäß
§§ 305 ff. BGB.


aa)
Da die Beklagte den Text des besagten Vertrages der Parteien vom 05.12.2012 in einer Vielzahl von vergleichbaren Fällen verwendet hat, handelt es sich bei diesem  Vertrag  um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB.

bb)
§ 2 Abs . 2 Satz 2 des Vertrages ist hinsichtlich der dort vorgesehenen vorzeitigen Beendigung des Vorruhestandsverhältnisses - nämlich zu dem Zeitpunkt , zu dem die Klägerin die frühestmögliche ungekürzte Altersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann - nicht überraschend i. S. v. § 305 c Abs . 1 BGB und deshalb Vertragsbestandteil geworden. Derartige Verweisungen auf eine vorzeitige Beendigung  eines  Rechtsverhältnisses  vor  Eintritt  in  die  reguläre  Altersrente  sind im Arbeitsleben,  auch  und gerade  im  Bereich  des  öffentlichen  Dienstes  im Zusammenhang  mit Vorruhestands- und Altersteilzeitverträgen als Gestaltungsinstrument so verbreitet , dass ihre Aufnahme in Formulararbeitsverträge nicht als überraschend anzusehen ist (vgl. BAG, Urteil vom 15.02.2011 - 9 AZR 750/09 - NZA 2011, 740 ff . m. w. N.; BAG, Urteil vom 12.11.2013 - 9 AZR 484/12 - ZTR 2014, 279 ff. m. w. N.).

cc)
§ 2 Abs . 2 Satz 2 des Vertrages ist auch nicht mehrdeutig oder unklar i. S. v. § 305 c Abs . 2 BGB. Er bestimmt unmissverständlich , dass das Vorruhestandsverhältnis - ausnahmsweise
- abweichend vor dem Regelaltersrenteneintritt endet , sofern die Klägerin als Berechtigte zu einem früheren Zeitpunkt ungekürzte Altersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann. Sofern die Klägerin die Rechtsauffassung vertritt , trotz Erfüllens der Voraussetzungen des Bezugs der „Rente mit 63" könne sie ab dem 01.10.2014 gerade keine ungekürzte Altersrente in Anspruch nehmen, wie die Information der Deutschen Rentenversicherung zeige, führt dies noch nicht zu einer Mehrdeutigkeit oder Unklarheit  der  Regelung  und damit zu ihrer Unwirksamkeit  nach § 305 c Abs . 2 BGB. ,,Mehrdeutig" oder „unklar" wäre diese von der Beklagten  gewählte  Formulierung  nur dann, wenn sich im Rahmen ihrer Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB nicht erschlösse, welche Bedeutung dieser Formulierung vom Empfängerhorizont der  Klägerin  und unter  Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben 242 BGB) zuzukommen hätte. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Ein Renteneintritt vor Erreichen der Regelaltersgrenze ist üblicherweise   mit   monatlichen  Abschlägen   in  der   Rentenhöhe  verbunden Der  Begriff der „ungekürzten" Altersrente i. S. v. § 2 Abs . 2 Satz 2 des Vertrages ist daher - vom Empfängerhorizont der Klägerin - dahin auszulegen, dass ein derartiger Abschlag gerade nicht anfallen darf. So liegt der Fall bei der „Rente mit 63", für deren Bezug die Klägerin ab dem  01.10.2014  die  Voraussetzungen  erfüllt.  Der von  der  Beklagten  verwendete Begriff „ungekürzt"    ist    damit    im    Rahmen    der    Auslegung    gleichzusetzen    mit    dem  Begriff „abschlagsfrei". Ansonsten liefe diese vertragliche Regelung leer. Das aber widerspräche den Grundsätzen, nach denen eine Vertragsauslegung zu erfolgen hat. Stellt sich die Frage einer Auslegung, so ist einer vertraglichen Regelung stets der Sinn zuzubilligen , der dazu führt , dass sie inhaltlich nicht leer läuft. In diesem Zusammenhang schadet auch eine falsche Bezeichnung nicht. Entscheidend ist, dass der Empfänger erkennt, was der Erklärende will. Dann gilt das Gewollte, da der Empfänger bei dieser Sachlage nicht schutzbedürftig ist (vgl. zu dieser Problematik: Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 35. Auflage 2011, § 6 Rn. 133 m. w. N.). So liegt der Fall hier. ,,Ungekürzt" i. S. d. Vertrages meint „abschlagsfrei ", denn eine vorzeitige Inanspruchnahme der  Rente  vor  Erreichen  der  Regelaltersgrenze führt  immer dazu,  dass auf Grund des vorzeitigen  Rentenbezuges  weitere  Zahlungen  in die  Rentenkasse unterbleiben, insoweit also Rentenpunkte verloren gehen und die Höhe des monatlichen Rentenbezugs  dadurch  niedriger ausfällt.

dd)
§ 2 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages benachteiligt die Klägerin schließlich nicht unangemessen  i.S. v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Denn die Vertragsklausel ist klar und verständlich und führt deshalb nicht zur lntransparenz der Regelung. Insoweit gilt vorliegend sinngemäß das bereits soeben Ausgeführte .

b)


§ 2 Abs. 2 Satz 2 des Vorruhestandsvertrages der Parteien vom 05.12.2012 ist auch nicht gemäß § 4 Abs . 3 oder Abs. 4 Satz 1 TVG unwirksam . Nach diesen Vorschriften sind abweichende Abmachungen nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten (§ 4 Abs . 3 TVG). Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG) . Die Voraussetzungen dieser Normen liegen nicht vor. Dabei kann für die Entscheidung des Rechtsstreits dahinstehen, ob § 2 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages überhaupt eine - insoweit zu Ungunsten der Klägerin wirkende - Abweichung von dem gemäß § 3 dieses Vertrages einzelvertraglich in Bezug genommenen „Tarifvertrag zur Regelung arbeitsrechtlicher Auswirkungen bei der Vereinigung von Trägern der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (Fusionstarifvertrag)" beinhaltet. Denn jedenfalls gilt dieser Tarifvertrag zwischen den Parteien des hiesigen Rechtsstreites nicht gemäß § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend, da die Klägerin nicht Mitglied einer der den Tarifvertrag abschließenden Gewerkschaften ist. Normwirkung vermag diesem Tarifvertrag daher nicht zuzukommen.

c)


Die Klage  hat auch  nicht  unter dem Gesichtspunkt  einer  Diskriminierung  der  Klägerin   Erfolg.
§ 2 Abs. 2 Satz 2 der Vorruhestandsvereinbarung  vom 05.12.2012 ist nicht gemäß §§ 7 Abs .2 und Abs. 1, 3 Abs. 2 AGG unwirksam. Denn die vereinbarte Beendigung des Vorruhestandsverhältnisses mit frühestmöglichem Renteneintritt zum Zeitpunkt des 1. ungekürzten Altersrentenbezuges benachteiligt die Klägerin nicht.
aa)
Nach § 7 Abs. 2 AGG sind Bestimmungen in Vereinbarungen , die gegen das Benachteiligungsverbot des Abs . 1 verstoßen , unwirksam. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt. § 1 AGG vom 14.08.2006 hat das Ziel, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts , der Religion oder Weltanschauung , einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

bb)
Das AGG findet auf die hier im Streit stehende Vorruhestandsvereinbarung Anwendung . Zwar gilt nach § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG für die betriebliche Altersvorsorge das Betriebsrentengesetz . Die Gewährung von Vorruhestandsgeld ist jedoch keine Leistung der betrieblichen Altersversorgung i. S. d. § 1 Abs. 1 BetrAVG. Übergangs- oder Vorruhestandsgelder , durch deren Zahlung die Zeit zwischen dem Ende des Arbeitsverhältnisses einerseits und dem Zeitpunkt der Rentenberechtigung anderseits überbrückt werden sollen, knüpfen nicht an den Eintritt in den Ruhestand an (vgl. zu dieser Problematik: SAG, Urteil von 15.02.2011 - 9 AZR 750/09 - a. a. 0., m. w. N.; BAG, Urteil vom 10.02.2009 - 3 AZR 783/07 - AP Nr. 58 zu § 1 BetrAVG). Derartige Leistungen zur Überbrückung einer erwarteten Arbeitslosigkeit gehören nicht zur betrieblichen Altersversorgung (vgl. auch BAG, Urteil vom 15.02.2011 - 9 AZR 750/09 - a. a. 0.).

cc)
Eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung der Klägerin  am  Maßstab  eines  i§  1 AGG genannten verpönten Merkmals, insbesondere ihres Geschlechts , vermag die Kammer nicht zu erkennen. Es ist nicht ersichtlich, dass derselbe Vertrag , wäre er mit einem Mann abgeschlossen worden , der in seiner Person dieselben Voraussetzungen erfüllt wie die Klägerin (hinsichtlich der langjährigen Sozialversicherungspflicht von 45 Jahren bei identischem Geburtsdatum) anders formuliert worden wäre und die Klägerin dadurch anders behandelt wird. In der vorliegenden Fallkonstellation ist es allein die Rente mit 63", die in der Person der Klägerin dazu führt, dass bereits vor Erreichen der Altersgrenze für den Bezug der Regelaltersrente das Vorruhestandsverhältn is der Parteien vorzeitig endet,  da  die Klägerin mit Wirkung zum 01.10.2014 abschlagsfrei und damit ungekürzt" i. S. d. Vertragsregelung gemäß §§ 133, 157 BGB (s. o.) Rente beanspruchen kann. Anknüpfungspunkt  ist  dadurch  ausschließlich  neben  ihrem  Lebensalter  - das  Merkmal der langjährig Sozialversicherten in der Person der Klägerin. Dieses aber ist neutral und unabhängig von einem der verpönten Merkmale des § 1 AGG, namentlich des Geschlechts .

d)



Auch sonstige  Unwirksamkeitsgründe  vermag  die  Kammer  nicht zu erkennen. 

Insbesondere  ist § 2 Abs.  2  Satz 2 der Vorruhestandsvereinbarung  der  Parteien  nicht gemäß § 41 Satz 2 SGB VI dahin auszulegen, er entfalte gegenüber der Klägerin keine Rechtsfolgen (vgl. zur Rechtsfolgenregelung dieser Vorschrift : Rolfs in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015 , § 41 SGB VI Rn. 13 m. w. N.).

aa)
Gemäß § 41 Satz 2 SGB VI gilt dem Arbeitnehmer gegenüber eine Vereinbarung , die die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung zu  einem  Zeitpunkt  vorsieht,  zu dem der Arbeitnehmer vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen Alters beantragen kann, als auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen, es sei denn, dass die Vereinbarung innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen oder von dem Arbeitnehmer innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt bestätigt worden ist.

bb)
Die Voraussetzungen dieser Norm liegen nicht vor. Die Klägerin wendet sich nicht gegen eine
- tatsächlich nicht erfolgte - Befristung ihres Arbeits-, sondern des nach Abschluss des Aufhebungsvertrages nahtlos begründeten Vorruhestandsverhältnisses. Dieses fällt nicht unter den Anwendungsbereich dieser Norm (vgl. hierzu: Rolfs in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht , a. a. 0., § 41 SGB VI Rn. 16 f. m. w. N.).

cc)
Für eine - ggf. in Betracht zu ziehende - analoge Anwendung vermag die Kammer eine planwidrige Regelungslücke nicht zu erkennen.

2.



Da die Klägerin den Hilfsantrag auf  Zahlung  des  Vorruhestandsentgelts  für  den Monat Oktober 2014 nicht unter die Rechtsbedingung gestellt hat, dass ihre Feststellungsklage vom Gericht  als  unzulässig  angesehen  wirdfiel  er  der  Kammer  aufgrund  der  Abweisung    der Feststellungsklage zur Entscheidung an (s. o.). Auch er ist unbegründet, da eine Anspruchsgrundlage für die Zahlung nicht erkennbar ist. Anspruchsgrundlage wäre allein der Vorruhestandsvertrag der Parteien vom 05.12.2012 . Das Vertragsverhältnis aber ist, wie bereits ausgeführt, mit Ablauf des 30.09 .2014 beendet worden und scheidet dadurch als Anspruchsgrundlage für die Zahlung von Entgelt nach diesem Zeitpunkt aus.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs . 1 ZPO.

Den gemäß § 61 Abs . 1 ArbGG im Urteil festzusetzenden Wert des Streitgegenstandes hat die Kammer mit insgesamt 4 Bruttomonatsvorruhestandsentgelten 3.205,92  Euro bemessen und dabei für den Feststellungsantrag  drei Entgelte in Ansatz gebracht.  Aufgrund
der Entscheidung über den Hilfsantrag war eine Addition mit dem durch den Zahlendreher auf 3.205 ,92 Euro zu korrigierenden Nennwert der Zahlungsklage (s. o.).vorzunehmen (§§ 3 ff . ZPO i. V. m. §§ 42 Abs . 2 Satz 1, 45 Abs. 1 Satz 2 GKG).

Gemäß § 64 Abs . 3 ArbGG war eine Entscheidung darüber, ob die Berufung für die nicht gesondert gemäß § 64 Abs . 2 lit. b) ArbGG berufungsfähigen Streitgegenstände zugelassen oder nicht zugelassen wird, in den Urteilstenor aufzunehmen. Diese Entscheidung ist für jeden Streitgegenstand gesondert zu treffen, wenn für ihn nicht schon kraft Gesetzes eine Berufungsfähigkeit besteht (BAG, Urteil vom 27.01.2004 - 1 AZR 105/03 - AP Nr. 35 zu § 64 ArbGG 1979; ermelmann in: Germelmann/Mattes/Prütting , ArbGG, 8. Auflage 2013 , § 64 Rn. 13 m. w. N.). Die Berufung war , bezogen auf die einzelnen Teile des abgewiesenen Hilfsantrages, nicht gesondert zuzulassen, da die Berufungszulassungsgründe des § 64 Abs. 3 ArbGG für die einzelnen , 600,00 Euro nicht übersteigenden Bestandteile eines Vorruhestandsmonatsbruttoentgeltes nicht vorliegen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen