Das Arbeitsgericht Frankfurt
(Oder) musste in einem Rechtsstreit zwischen einem Arbeitgeber und dessen
ehemaliger Arbeitnehmerin entscheiden, die mit ihrem Arbeitgeber im Dezember
2012 einen Vorruhestandsvertrag abgeschlossen hatte, in dem zum einen auf die
geltenden Tarifverträge Bezug genommen wurde, zum anderen aber auch
festgehalten wurde, dass sie verpflichtet ist, die frühest mögliche ungekürzte
Altersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung zu
beanspruchen. Der Vorruhestand sollte zu dem Zeitpunkt enden, zu dem die
klagende Arbeitnehmerin die Regelaltersrente resp. die benannte ungekürzte
Altersrente beanspruchen kann.
Nachdem mit Einfügung des § 236b
SGB VI unter bestimmten Umständen die Rente mit 63 bezogen werden konnte,
verwies die beklagte Arbeitgeberin die Arbeitnehmerin, bei der die gesetzlichen
Voraussetzungen für diesen Bezug unstreitig vorlagen, auf diese Rente. Die
Arbeitnehmerin erhob Klage, da die Altersrente mit 63 betragsmäßig niedriger
war als das Vorruhestandsgeld, welches sie von der Beklagten bezog. Sie war der
Auffassung, nach dem Tarifvertrag könne sie nicht auf die abschlagsfreie Rente
mit 63 nach § 236b SGB VI verwiesen werden.
Ihre Klage wurde abgewiesen. Das
Arbeitsgericht ließ offen, ob hier nach dem Tarifvertrag ein entsprechender
Verweis der Klägerin auf die Rente mit 63 ausgeschlossen ist. Denn jedenfalls
wäre dieser Verweis nach dem zwischen ihr und der Beklagten abgeschlossenen
Vorruhestandsvertrag zulässig. Der Vertrag halte auch einer AGB-Kontrolle nach
§§ 305ff BGB stand.
ArbG Frankfurt (Oder), Urteil vom 07.05.2015 - 6 Ca 1381/14 -
Tatbestand
Die Parteien streiten über den
Fortbestand ihres einzelvertraglich vereinbarten Vorruhestandsverhältnisses
sowie hilfsweise um die Zahlung des Vorruhestandsentgelts für den Monat
Oktober 2014.
Die am 10.09.1951 geborene
Klägerin stand zu der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin an Sie
vertritt die Rechtsauffassung, das Vorruhestandsverhältnis der Parteien habe zum Ablauf des 30.09.2014 sein Ende gefunden , da die Klägerin - insoweit unstreitig - mit Wirkung zum 01.10.2014 die
Voraussetzungen für den vorzeitigen ,
abschlagsfreien Bezug der „Rente mit 63" erfülle. § 2 Abs . 2 Satz 2 des Vorruhestandsvertrages vom 05.12.2012 sehe ausdrücklich vor, dass der Vorruhestand zu dem Zeitpunkt ende, in dem die
Berechtigte die frühestmögliche
ungekürzte Altersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen
Rentenversicherung beanspruchen könne. Der Begriff
„ungekürzte" Altersrente
sei in diesem Zusammenhang als
„abschlagsfreier " Rentenbezug zu
verstehen , da jeder
vorzeitige Rentenbezug vor Eintritt des Regelrenteneintrittsalters zu geringeren Einzahlungen in die Rentenkasse, dadurch
zu einer Verminderung
von Rentenpunkten und
faktisch letztlich immer zu einer anteiligen Kürzung der Rente führe. Würde dieser Vertragspassus
im Sinne der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung verstanden,
liefe er letztlich leer, da der vorzeitige Bezug
einer „ungekürzten" Rente - im Vergleich
zum
Regelrenteneintrittsalter - rechtlich nie
möglich sei. Diese
vertragliche Regelung sei nicht gegenüber der Klägerin gemäß § 41
SGB VI unwirksam, da vorliegend nicht, wie von dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift gefordert , die
vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor
Eintritt der
Regelaltersgrenze im Streit
stehe,
sondern die vorzeitige Beendigung des Vorruhestandsverhältnisses
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst
Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 21.11.2014 (Blatt
47 f . d. A.) und 06.05.2015 (8. 164
f. d.
A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die
Klage ist zulässig.
1.
Der
Feststellungsantrag ist hinreichend bestimmt
i. S. v. § 46 Abs. 2 ArbGG
i. V. m.
§§ 495,
253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin begehrt mit ihm die befristete Fortsetzung ihres
Vorruhestandsverhältnisses bis zum Eintritt
in die Regelaltersrente.
Die am
10.09.1951 geborene Klägerin stand zu der Beklagten bzw. Deren Rechtsvorgängerin
an deren Standort in Hoppegarten mit einer anzuerkennenden Betriebszugehörigkeit seit dem
05.08.1991 in einem Arbeitsverhältnis.
Am 05.12.2012 (Blatt
12 ff. d. A.) schlossen die Parteien einen „Vertrag über die Auflösung des Arbeitsvertrages und die Begründung des Vorruhestandes", den die Beklagte in dieser Form in einer Vielzahl von vergleichbaren Fällen
bundesweit verwendet und der auszugsweise,
sofern für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits von Bedeutung, folgenden Inhalt hat:
|
11
(1) Zwischen den Vertragsparteien
wird der in
beiderseitigem
Einvernehmen am
31.07. 1991 geschlossene Arbeitsvertrag - in
der Fassung der
2. Anlage -
nach § 11 Abs. 1 FU-TV/LSV aufgelöst.
(2) Die
Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis enden damit für beide Vertragsparteien, soweit
in diesem Vertrag nichts anderes vereinbart worden ist.
§ 2
(1) Das Arbeitsverhältnis
endet mit Ablauf des 31.12.2012, an den sich
unmittelbar der Vorruhestand anschließt.
(2) Der
Vorruhestand endet vor Beginn des Tages, ab dem die Berechtigte Anspruch auf Bezug der
Regelaltersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung hat. Unabhängig hiervon
endet der Vorruhestand zu dem Zeitpunkt, in dem die Berechtigte die
frühest mögliche ungekürzte
Altersrente nach den
Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann. Die Berechtigte ist zur Antragstellung verpflichtet.
(3)
Die
vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente auf Antrag ist der Beteiligten bereits bei Beantragung dieser Rentenleistung mitzuteilen.
§ 3
Rechtsgrundlage
dieses Vertrages sind der BAT/LSV 1993, der FU-TVILSV, die Satzung
der Versorgungsanstalt des
Bundes und der
Länder vom 19.09.2002 (VBLS) und das Gesetz
zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz)
in derjeweils geltenden Fassung. *)
(*)
Über den BATILSV 1993 gilt der Tarifvertrag für den öf fentlichen Dienst des Bundes!TVöD/Bund) wie der Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung - ATV) vom 01.03.2002.
§ 4
(1) Die Höhe des zu zahlenden Vorruhestandsgeldes ergibt sich aus § 11 Abs. 1 FU TVILSV und wird ab dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Monat jeweils
am
15. eines Monats gezahlt.
…”
Die Höhe des
Vorruhestandsgeldes der Klägerin setzte sich zuletzt zusammen aus einem Bruttobetrag
von 2.620,23 Euro zuzüglich einer freiwilligen VBL (steuerfrei) in Höhe von 123,30 Euro
sowie einer sonstigen Zulage in Höhe von 462 ,39 Euro
und belief sich damit insgesamt auf
3.205,92 Euro brutto.
Die Klägerin erfüllt in ihrer
Person sämtliche Voraussetzungen der sog. ,,Rente
mit 63" und kann auf Grund erfolgter Beitragszahlungen
zur Sozialversicherung von 45 Jahren mit Wirkung zum 01.10.2014
ohne Abschläge in Rente gehen. Nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung
Bund vom 12.12.2014 (Blatt
64 d. A.) beträgt ihr Rentenanspruch zum Zeitpunkt
des Eintritts in die Regelaltersrente mit Wirkung zum 01.03.2017 1.175,00 Euro netto
monatlich, während sich im Falle der
Nichtinanspruchnahme der „Rente
mit 63" ein
monatlicher Zahlbetrag zum 01.03.2017
in Höhe von 1.243,29
Euro netto ergäbe.
Die Beklagte stellte, da die Klägerin in ihrer Person
die Voraussetzungen der Inanspruchnahme der „Rente
mit 63" erfüllt .
mit Wirkung ab dem Monat Oktober 2014 die Zahlung des
Vorruhestandsgeldes ein. Um diesen
Wegfall der Zahlungen finanziell
überbrücken zu können,
beantragte die Klägerin vorläufig bei der Deutschen Rentenversicherung
Bund mit Wirkung zum 01.10.2014
die Zahlung der „Rente mit 63", die diese auch tatsächlich erbringt, auf Wunsch
der Klägerin allerdings lediglich unter dem Vorbehalt
des Ausgangs des hiesigen Rechtsstreits.
Die
Klägerin ist der Rechtsauffassung , ihr
Vorruhestandsverhältnis habe gemäß § 2
Abs. 2 des Vorruhestandsvertrages vom 05.12.2012
nicht mit Ablauf des 30.09.2014
sein Ende gefunden, sondern ende erst zum Ablauf
des Monats Februar 2017. Eine Befristung der Vorruhestandsregelung
bis zum 30.09.2014
sei vertraglich nicht vorgesehen , da
die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Einführung des Rentenversicherungsleistungsverbesserungsgesetzes
zum 01.07.2014 nicht hätten vorhersehen
können. Ungeachtet dessen sehe § 2
Abs. 2 des Vertrages vor, dass der Vorruhestand zu dem
Zeitpunkt ende, in dem die Berechtigte die frühestmögliche ungekürzte Altersrente
beanspruchen könne. Ausweislich der mitgeteilten Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund ergäbe sich im
Verhältnis zum Regelaltersrenteneintritt mit Wirkung zum 01.03.2017
jedoch eine Rentenkürzung i. H. v. 68,29 Euro netto monatlich. Im Übrigen sei die vorzeitige Beendigung des
Vorruhestandsverhältnisses ihr gegenüber gemäß
§ 41 SGB VI unwirksam
.
Die
Klägerin beantragt zuletzt klarstellend:
Es wird festgestellt, dass das
zwischen den Parteien mit dem „Vertrag
über die Auflösung des Arbeitsvertrages und
die Begründung des
Vorruhestandes " vom
05.12.2012
vereinbarte sogenannte „Vorruhestandsverhältnis
" nicht mit Ablauf des 30.09.2014
endete, sondern darüber hinaus bis zum 28.02.2017
(Erreichen der Regelaltersrente) fortbesteht
und
hilfsweise, sofern ihre begehrte Feststellung zur Entfristung nicht
möglich sei,
die Beklagte zu verurteilen ,
ihr für den Monat Oktober 2014 eine Bruttovergütung in Höhe
von 2.620,32
Euro zuzüglich 123,30
Euro betriebliche Altersvorsorge zur Zusatzversorgung bei der Versorgungsanstalt
des Bundes und der Länder (VBL) sowie einer weiteren Zulage in Höhe von
462,39 Euro, jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2014, zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie
vertritt die Rechtsauffassung, das Vorruhestandsverhältnis der Parteien habe zum Ablauf des 30.09.2014 sein Ende gefunden , da die Klägerin - insoweit unstreitig - mit Wirkung zum 01.10.2014 die
Voraussetzungen für den vorzeitigen ,
abschlagsfreien Bezug der „Rente mit 63" erfülle. § 2 Abs . 2 Satz 2 des Vorruhestandsvertrages vom 05.12.2012 sehe ausdrücklich vor, dass der Vorruhestand zu dem Zeitpunkt ende, in dem die
Berechtigte die frühestmögliche
ungekürzte Altersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen
Rentenversicherung beanspruchen könne. Der Begriff
„ungekürzte" Altersrente
sei in diesem Zusammenhang als
„abschlagsfreier " Rentenbezug zu
verstehen , da jeder
vorzeitige Rentenbezug vor Eintritt des Regelrenteneintrittsalters zu geringeren Einzahlungen in die Rentenkasse, dadurch
zu einer Verminderung
von Rentenpunkten und
faktisch letztlich immer zu einer anteiligen Kürzung der Rente führe. Würde dieser Vertragspassus
im Sinne der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung verstanden,
liefe er letztlich leer, da der vorzeitige Bezug
einer „ungekürzten" Rente - im Vergleich
zum
Regelrenteneintrittsalter - rechtlich nie
möglich sei. Diese
vertragliche Regelung sei nicht gegenüber der Klägerin gemäß § 41
SGB VI unwirksam, da vorliegend nicht, wie von dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift gefordert , die
vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor
Eintritt der
Regelaltersgrenze im Streit
stehe,
sondern die vorzeitige Beendigung des Vorruhestandsverhältnisses
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst
Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 21.11.2014 (Blatt
47 f . d. A.) und 06.05.2015 (8. 164
f. d.
A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die
Klage ist zulässig.
1.
Der
Feststellungsantrag ist hinreichend bestimmt
i. S. v. § 46 Abs. 2 ArbGG
i. V. m.
§§ 495,
253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin begehrt mit ihm die befristete Fortsetzung ihres
Vorruhestandsverhältnisses bis zum Eintritt
in die Regelaltersrente.
Auf Grund des Streits und der
damit verbundenen rechtlichen
Unsicherheit der Parteien über den Zeitpunkt der Beendigung ihres Vorruhestandsverhältnisses ist für die Feststellungsklage auch das gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.
V. m. §§ 495 ,
256 Abs . 1
ZPO erforderliche Feststellungsinteresse
gegeben . Nachdem die Parteien mit dem „Vertrag
über die Auflösung des Arbeitsvertrages und die Begründung des Vorruhestandes "
vom 05.12.2012 ihr Arbeitsverhältnis einvernehmlich mit Ablauf des 31.12.2012 aufgehoben und nahtlos mit Wirkung zum 01.01.2013 ein Vorruhestandsverhältnis begründet
haben, handelt es sich bei der Feststellungsklage erkennbar nicht um eine Befristungskontrollklage gemäß § 17 TzBfG . Diese Vorschrift
gilt nur dann, wenn der Arbeitnehmer geltend
machen will , dass die Befristung eines Arbeitsvertrages
rechtsunwirksam ist. Diese
Voraussetzungen liegen erkennbar nicht vor. Denn
das Arbeitsverhältnis der Parteien ist gemäß § 2 Abs. 1 des Vertrages vom 05.12.2012
einvernehmlich mit Ablauf des 31.12 .2012 beendet worden. Damit ist die Grundlage für die rechtliche Überprüfung der Befristung eines Arbeitsvertrages nicht
gegeben. Tatsächlich haben die Parteien - nahtlos - mit Wirkung zum 01.01.2013
nach einvernehmlicher Auflösung
ihres Arbe itsverhältnisses ein neues Rechtsverhältnis i. S. d. §§ 311 Abs. 1, 241 BGB (Vorruhestandsverhältnis) begründet, für das sich die rechtliche
Unsicherheit seines
Fortbestandes ausschließlich nach § 46 Abs . 2 ArbGG i. V. m. §§ 495 , 256 Abs .
1 ZPO bestimmt.
2.
Auch der Hilfsantrag ist am Maßstab
des § 46 Abs . 2 ArbGG i. V. m. §§ 495 , 253 Abs . 2 Nr. 2 ZPO zulässig. Allerdings ergibt sich nach
dem sog. zweigliedrigen
Streitgegenstandsbegr iff (Klageantrag unter
besonderer Berücksichtigung seiner
Begründung) , dass es
sich bei dem im Klageantrag bezifferten
Teil der Bruttovergütung i. H.
v. 2.620,32 Euro
erkennbar um einen Zahlendreher
handelt und die Klägerin insoweit lediglich 2.620,23 Euro brutto zur Zahlung an sich begehrt.
II.
Die
Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
§ 2
Abs. 2 Satz 2 des Vertrages vom 05.12.2012
ist rechtswirksam und hat das Vorruhestandsverhältnis der Parteien mit
Ablauf des 30.09.2014
vorzeitig beendet. Die Formulierung
des Hilfsantrages (,,sofern
die begehrte Feststellung zur Entfristung nicht möglich ist")
lässt nicht hinreichend deutlich erkennen ,
dass die
Klägerin den Hilfsantrag unter der Rechtsbedingung der Unzulässigkeit der
Feststellungsklage erhoben wissen will. Dadurch ist der Kammer auch der Hilfsantrag
zur Entscheidung angefallen , der jedoch ebenfalls
der Abweisung zu unterliegen hatte.
1.
Die
Feststellungsklage ist unbegründet.
a)
Eine Unwirksamkeit von § 2 Abs .
2 Satz 2 des Vorruhestandsvertrages der Parteien vom 05.12.2012
ergibt sich noch nicht am Maßstab einer durchzuführenden AGB-Kontrolle gemäß
§§ 305 ff. BGB.
aa)
Da die Beklagte den Text des
besagten Vertrages der Parteien vom 05.12.2012
in einer Vielzahl von vergleichbaren Fällen verwendet hat,
handelt es sich bei diesem Vertrag um eine
Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB.
bb)
§ 2 Abs . 2 Satz 2 des Vertrages ist hinsichtlich der dort
vorgesehenen vorzeitigen Beendigung
des Vorruhestandsverhältnisses - nämlich zu dem Zeitpunkt , zu dem die Klägerin die
frühestmögliche ungekürzte Altersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann - nicht überraschend i. S. v. § 305 c Abs . 1 BGB und deshalb
Vertragsbestandteil geworden. Derartige Verweisungen auf eine vorzeitige Beendigung eines
Rechtsverhältnisses vor Eintritt
in die reguläre
Altersrente sind im Arbeitsleben, auch
und gerade im Bereich
des öffentlichen Dienstes
im Zusammenhang mit Vorruhestands-
und Altersteilzeitverträgen als Gestaltungsinstrument so verbreitet , dass ihre
Aufnahme in Formulararbeitsverträge nicht als
überraschend anzusehen ist (vgl. BAG, Urteil vom 15.02.2011 - 9 AZR 750/09
- NZA 2011,
740 ff . m. w. N.; BAG, Urteil vom 12.11.2013 - 9 AZR 484/12 - ZTR 2014, 279 ff. m. w. N.).
cc)
§ 2 Abs . 2 Satz 2 des Vertrages ist auch nicht mehrdeutig oder unklar i. S. v. § 305 c Abs . 2 BGB. Er bestimmt unmissverständlich , dass das
Vorruhestandsverhältnis - ausnahmsweise
- abweichend vor
dem Regelaltersrenteneintritt endet
, sofern die
Klägerin als Berechtigte zu einem früheren Zeitpunkt ungekürzte
Altersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann. Sofern die Klägerin die Rechtsauffassung vertritt
, trotz Erfüllens
der Voraussetzungen des Bezugs der „Rente mit 63" könne sie ab dem
01.10.2014
gerade keine ungekürzte Altersrente in Anspruch
nehmen, wie die Information der Deutschen Rentenversicherung zeige, führt
dies noch nicht
zu einer Mehrdeutigkeit oder Unklarheit
der Regelung und damit zu ihrer Unwirksamkeit nach § 305
c Abs . 2 BGB. ,,Mehrdeutig" oder
„unklar" wäre diese von der Beklagten
gewählte Formulierung nur dann, wenn
sich im Rahmen ihrer Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB nicht erschlösse, welche Bedeutung dieser Formulierung vom Empfängerhorizont der Klägerin und unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zuzukommen hätte. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Ein Renteneintritt vor Erreichen der Regelaltersgrenze ist üblicherweise mit monatlichen Abschlägen
in der Rentenhöhe
verbunden . Der Begriff der
„ungekürzten" Altersrente i. S. v. § 2
Abs . 2 Satz 2 des Vertrages ist daher - vom Empfängerhorizont der Klägerin - dahin auszulegen, dass
ein derartiger Abschlag gerade nicht anfallen darf. So liegt der Fall bei der „Rente
mit 63", für deren Bezug die Klägerin
ab dem 01.10.2014 die
Voraussetzungen erfüllt. Der von
der Beklagten verwendete
Begriff „ungekürzt" ist
damit im Rahmen
der Auslegung gleichzusetzen mit
dem Begriff „abschlagsfrei". Ansonsten liefe diese
vertragliche Regelung leer. Das aber widerspräche den Grundsätzen,
nach denen eine Vertragsauslegung zu erfolgen hat. Stellt sich die Frage einer
Auslegung,
so ist einer vertraglichen Regelung
stets der Sinn zuzubilligen , der dazu führt , dass sie inhaltlich nicht leer läuft. In diesem
Zusammenhang schadet auch eine falsche Bezeichnung
nicht. Entscheidend ist, dass der Empfänger erkennt, was der
Erklärende will. Dann gilt das Gewollte, da der Empfänger bei dieser
Sachlage nicht schutzbedürftig ist (vgl. zu dieser Problematik: Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 35. Auflage 2011, § 6 Rn. 133 m. w. N.). So
liegt der Fall hier. ,,Ungekürzt" i. S.
d. Vertrages meint „abschlagsfrei ",
denn eine vorzeitige Inanspruchnahme der Rente
vor Erreichen der
Regelaltersgrenze führt immer
dazu, dass auf Grund des
vorzeitigen Rentenbezuges weitere
Zahlungen in die Rentenkasse unterbleiben, insoweit also Rentenpunkte verloren
gehen und die Höhe des monatlichen Rentenbezugs dadurch
niedriger ausfällt.
dd)
§ 2
Abs. 2 Satz 2 des Vertrages benachteiligt die Klägerin schließlich nicht
unangemessen i.S. v. § 307
Abs. 1 Satz 2 BGB. Denn die Vertragsklausel ist klar und verständlich und führt
deshalb nicht zur lntransparenz der Regelung. Insoweit gilt vorliegend sinngemäß das bereits
soeben Ausgeführte .
b)
§ 2 Abs. 2 Satz 2 des Vorruhestandsvertrages der Parteien vom 05.12.2012 ist auch nicht
gemäß § 4
Abs . 3 oder Abs. 4 Satz 1 TVG unwirksam . Nach diesen
Vorschriften sind abweichende Abmachungen nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des
Arbeitnehmers enthalten (§ 4 Abs . 3 TVG). Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in
einem von den Tarifvertragsparteien
gebilligten Vergleich zulässig (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG) . Die Voraussetzungen dieser Normen liegen nicht vor. Dabei kann
für die Entscheidung des
Rechtsstreits dahinstehen, ob § 2 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages überhaupt eine - insoweit zu Ungunsten
der Klägerin wirkende - Abweichung von dem gemäß § 3
dieses Vertrages
einzelvertraglich in Bezug genommenen „Tarifvertrag zur
Regelung arbeitsrechtlicher Auswirkungen bei der Vereinigung von Trägern der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (Fusionstarifvertrag)"
beinhaltet. Denn jedenfalls gilt dieser Tarifvertrag zwischen den Parteien des
hiesigen Rechtsstreites nicht
gemäß § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend, da die
Klägerin nicht Mitglied einer der den
Tarifvertrag abschließenden Gewerkschaften ist. Normwirkung vermag diesem Tarifvertrag daher nicht zuzukommen.
c)
Die Klage hat
auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer
Diskriminierung der Klägerin
Erfolg.
§ 2
Abs. 2 Satz 2 der Vorruhestandsvereinbarung
vom 05.12.2012 ist nicht gemäß §§ 7 Abs .2 und Abs. 1, 3 Abs. 2 AGG unwirksam. Denn die vereinbarte Beendigung des Vorruhestandsverhältnisses
mit frühestmöglichem Renteneintritt
zum Zeitpunkt des 1. ungekürzten Altersrentenbezuges benachteiligt die Klägerin nicht.
aa)
Nach § 7
Abs. 2 AGG sind Bestimmungen in Vereinbarungen , die gegen das
Benachteiligungsverbot des Abs . 1 verstoßen , unwirksam. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines
in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die
Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 AGG genannten
Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt. § 1
AGG vom 14.08.2006 hat das Ziel, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder der
ethnischen Herkunft, des Geschlechts
, der Religion oder Weltanschauung , einer
Behinderung, des Alters oder der
sexuellen
Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
bb)
Das AGG
findet auf die hier im Streit stehende Vorruhestandsvereinbarung Anwendung . Zwar gilt nach § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG für die
betriebliche Altersvorsorge das Betriebsrentengesetz
. Die Gewährung von Vorruhestandsgeld ist jedoch keine
Leistung der betrieblichen
Altersversorgung i. S. d. § 1 Abs. 1 BetrAVG. Übergangs- oder Vorruhestandsgelder
, durch deren Zahlung die Zeit zwischen dem Ende des Arbeitsverhältnisses
einerseits und dem Zeitpunkt der Rentenberechtigung anderseits überbrückt werden sollen, knüpfen nicht an den Eintritt
in den Ruhestand an (vgl.
zu dieser Problematik: SAG, Urteil von 15.02.2011 - 9 AZR 750/09 - a. a. 0., m. w. N.; BAG,
Urteil vom 10.02.2009 - 3 AZR 783/07 - AP Nr. 58 zu § 1 BetrAVG). Derartige Leistungen zur
Überbrückung einer erwarteten
Arbeitslosigkeit gehören nicht zur betrieblichen
Altersversorgung (vgl. auch BAG, Urteil vom 15.02.2011 - 9 AZR 750/09
- a. a. 0.).
cc)
Eine unmittelbare oder
mittelbare Benachteiligung der Klägerin
am Maßstab eines im § 1
AGG genannten verpönten Merkmals, insbesondere ihres Geschlechts , vermag die Kammer nicht
zu erkennen. Es ist nicht ersichtlich, dass derselbe Vertrag
, wäre er mit einem Mann abgeschlossen worden , der in seiner Person dieselben Voraussetzungen erfüllt wie die Klägerin
(hinsichtlich der langjährigen Sozialversicherungspflicht von 45 Jahren bei identischem
Geburtsdatum) anders formuliert worden wäre und die Klägerin dadurch anders behandelt wird. In der vorliegenden Fallkonstellation ist es allein
die „Rente mit 63", die in der Person
der Klägerin dazu führt, dass bereits
vor Erreichen der Altersgrenze für den
Bezug der Regelaltersrente das Vorruhestandsverhältn is der Parteien
vorzeitig endet, da die Klägerin mit Wirkung
zum 01.10.2014 abschlagsfrei und damit „ungekürzt" i. S. d. Vertragsregelung gemäß §§ 133, 157 BGB (s. o.) Rente beanspruchen kann. Anknüpfungspunkt ist
dadurch ausschließlich - neben ihrem
Lebensalter -
das Merkmal der langjährig
Sozialversicherten in der Person der Klägerin. Dieses aber
ist neutral und unabhängig von einem der verpönten Merkmale
des § 1 AGG, namentlich
des Geschlechts .
d)
Auch
sonstige Unwirksamkeitsgründe vermag
die Kammer nicht zu
erkennen.
Insbesondere
ist § 2 Abs. 2 Satz
2 der Vorruhestandsvereinbarung der Parteien
nicht gemäß § 41 Satz 2 SGB VI dahin auszulegen, er entfalte gegenüber
der Klägerin keine Rechtsfolgen (vgl. zur
Rechtsfolgenregelung dieser Vorschrift : Rolfs in:
Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015 , § 41 SGB VI Rn. 13 m. w. N.).
aa)
Gemäß § 41 Satz 2 SGB VI gilt
dem Arbeitnehmer gegenüber eine Vereinbarung ,
die die Beendigung
seines Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der Arbeitnehmer vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen Alters beantragen kann, als auf das Erreichen
der Regelaltersgrenze abgeschlossen, es sei denn, dass die Vereinbarung innerhalb
der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt
abgeschlossen oder von dem Arbeitnehmer innerhalb der letzten
drei Jahre vor diesem Zeitpunkt
bestätigt worden ist.
bb)
Die Voraussetzungen dieser
Norm liegen nicht vor. Die Klägerin wendet sich nicht gegen eine
- tatsächlich nicht erfolgte - Befristung ihres Arbeits-, sondern des nach Abschluss des Aufhebungsvertrages nahtlos begründeten Vorruhestandsverhältnisses.
Dieses fällt nicht unter den Anwendungsbereich dieser Norm (vgl. hierzu: Rolfs in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht , a. a. 0., § 41 SGB VI Rn. 16 f. m. w. N.).
cc)
Für eine
- ggf. in Betracht zu ziehende - analoge Anwendung vermag die Kammer
eine planwidrige Regelungslücke nicht
zu erkennen.
2.
Da die Klägerin den Hilfsantrag auf Zahlung
des Vorruhestandsentgelts für
den Monat Oktober 2014 nicht unter die Rechtsbedingung gestellt
hat, dass ihre Feststellungsklage vom Gericht als
unzulässig angesehen wird, fiel er
der Kammer aufgrund
der Abweisung der Feststellungsklage zur Entscheidung an (s. o.). Auch er
ist unbegründet, da eine Anspruchsgrundlage
für die Zahlung nicht erkennbar ist. Anspruchsgrundlage wäre allein der Vorruhestandsvertrag
der Parteien vom 05.12.2012 . Das
Vertragsverhältnis aber ist, wie bereits ausgeführt, mit Ablauf des 30.09 .2014
beendet worden und scheidet dadurch als Anspruchsgrundlage
für die Zahlung von Entgelt nach diesem
Zeitpunkt aus.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs . 1 ZPO.
Den
gemäß § 61 Abs . 1 ArbGG im Urteil
festzusetzenden Wert des Streitgegenstandes
hat die Kammer mit insgesamt 4
Bruttomonatsvorruhestandsentgelten a 3.205,92 Euro bemessen und dabei für den
Feststellungsantrag drei Entgelte in
Ansatz gebracht. Aufgrund
der Entscheidung über den Hilfsantrag war eine Addition
mit dem durch den Zahlendreher auf 3.205 ,92 Euro zu korrigierenden Nennwert der Zahlungsklage (s. o.).vorzunehmen (§§ 3 ff . ZPO i. V. m. §§ 42 Abs . 2 Satz 1, 45 Abs. 1 Satz 2 GKG).
Gemäß § 64 Abs . 3 ArbGG war eine Entscheidung darüber, ob die Berufung
für die nicht gesondert gemäß § 64 Abs . 2 lit. b) ArbGG berufungsfähigen Streitgegenstände zugelassen oder nicht
zugelassen wird, in den Urteilstenor aufzunehmen. Diese Entscheidung ist für jeden Streitgegenstand gesondert zu treffen, wenn für ihn nicht schon
kraft Gesetzes eine Berufungsfähigkeit besteht
(BAG, Urteil vom 27.01.2004 - 1 AZR 105/03 - AP Nr. 35 zu § 64 ArbGG 1979; ermelmann in: Germelmann/Mattes/Prütting , ArbGG, 8. Auflage 2013
, § 64 Rn. 13 m. w. N.). Die Berufung war , bezogen auf die einzelnen Teile des abgewiesenen Hilfsantrages, nicht gesondert zuzulassen, da die Berufungszulassungsgründe des
§ 64 Abs. 3 ArbGG für die einzelnen , 600,00 Euro
nicht übersteigenden Bestandteile eines Vorruhestandsmonatsbruttoentgeltes
nicht vorliegen.
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