Dienstag, 14. November 2017

Annahmeverzug des Arbeitgebers setzt grundsätzlich tatsächliches Angebot des Arbeitnehmers sowie Leistungsfähigkeit voraus

Streitgegenständlich in dem Verfahren vor dem BAG war, ob der Arbeitgeber  (Beklagter) in Annahmeverzug mit der von der Arbeitnehmerin (Klägerin) angebotenen Arbeitsleistung war. Die Klägerin machte mit ihrer Klage Vergütungsansprüche geltend. Das BAG musste sich mit der Frage auseinandersetzen, wenn ein Verzug des Arbeitgebers vorliegt, der (trotz Nichterbringung der Arbeitsleistung auch bei einem Angebots zur Erbringung) vorliegt. Hintergrund war, dass die Klägerin erkrankt war und für längere Zeit arbeitsunfähig war. Am 06.02.2013 teilte die Klägerin dem Beklagten schriftlich mit, sie könne ihre Tätigkeit in der Grundpflege nicht mehr ausüben, andere leichtere Tätigkeiten, wie Behandlungspflege oder Bürotätigkeiten seien ihr aber möglich. In einem Protokoll über ein Gespräch vom 03.06.2913 heißt es zur Vorstellung der Klägerin für weitere Tätigkeiten: „reine Behandlungspflege, nichts heben“. Am 31.01.2014 erschien die Klägerin weisungsgemäß im Altenpflegeheim des Beklagten und bot ihre Arbeitsleistung an; nach Klärung ihrer Einsatzmöglichkeiten wurde sie wieder nach Hause geschickt. Nach Kündigung durch den beklagten wurde in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren am 11.96.2014 ein Vergleich geschlossen, demzufolge die Klägerin zu geänderten Bedingungen ab dem 01.06.2014 als Verwaltungskraft weiter tätig wurde. Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin Vergütung wegen Annahmeverzugs des Beklagten für den Zeitraum Februar bis Mai 2014.

Zunächst stellt das BAG fest, der Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs würde nicht an dem Erfordernis eines Angebotes der geschuldeten Arbeitsleistung durch die Klägerin scheitern. Tatsächlich habe die Klägerin bei ihrem Erscheinen am 31.01.2014 ihre Arbeitsleistung für ihre bisherige Arbeit in der stationären Pflege angeboten. Zwar ließe sich nicht feststellen, dass sie ihre Leistung als Pflegekraft in einem Team W., wie es an sich notwendig gewesen wäre,  angeboten habe. Allerdings sei sie der Weisung nachgekommen, sich bei der Leiterin des Altenpflegeheims zu melden. Deshalb sei sie so zu stellen, als habe sie die geschuldete Leistung ordnungsgemäß angeboten.

Gleichwohl sei der Beklagte dadurch nicht in Annahmeverzug geraten, da die Klägerin im Streitzeitraum außerstande war, die geschuldete Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Die Leistungsfähigkeit sei eine vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit (entbehrlich, wenn von vornherein dieses abgelehnt worden wäre) unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums bestehen müsse. Die Klägerin war nach eigner Angabe nicht in der Lage, eine Arbeit in der stationären Pflege zu erbringen, wie auch nicht in der Lage, alle in der ambulanten Pflege des Team W. anfallenden Arbeiten zu verrichten. Ginge es nicht um die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes, sondern darum, die Arbeitsplätze der im Team W. Beschäftigten so zuzuschneiden, dass dadurch für sie dort eine Arbeitsplatz mit nach  ihrer Ansicht „nicht-schwerer Tätigkeit entstünde, wäre der beklagte nach § 241 Abs. 2 BGB nicht verpflichtet.

Anderes würde nur dann gelten, wenn im Team W. beschäftigte Arbeitnehmer keine inhaltlich klar definierten Arbeitsplätze zugewiesen worden wären, wäre es an dem Arbeitgeber, im Rahmen der Möglichen und Zumutbaren auf gesundheitliche Beeinträchtigungen der Beschäftigten Rücksicht zu nehmen. Entscheidend wäre, ob dies im konkreten Fall möglich gewesen wäre (was von den Vorinstanzen nicht geprüft wurde).  Auch habe sich (ohne dass dem bisher nachgegangen wurde) die Klägerin darauf berufen, dass am 01.02.2014 freie Arbeitsplätze  außerhalb der Pflege bzw. ohne Pflegetätigkeiten vorhanden gewesen seien, auf denen sie hätte eingesetzt werden können. Da diesen Aspekten das Landesarbeitsgericht noch nachgehen müsse, erfolgte eine Zurückverweisung an dieses.


BAG, Urteil vom 28.06.2017 - 5 AZR 263/16 -

Mittwoch, 8. November 2017

Keine Aufhebung des rechtskräftigen Zwangsgeldbeschlusses nach Erfüllung

Im Scheidungsverbundverfahren war ein Verfahren über den Versorgungsausgleich anhängig. Die Antragsgegnerin kam der gerichtlichen Aufforderung, ein Formular auszufüllen und unterschrieben einzureichen, nicht nach. Nach Erinnerung und Hinweis auf die Möglichkeit der Verhängung eines Zwangsgeldes, setzte das Amtsgericht (AG)  gegen die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 29.01.2015 ein Zwangsgeld in Höhe von € 500,00 fest. Nachdem das Formular weiterhin nicht eingereicht wurde, erteilte das AG am 12.05.2015 Vollstreckungsauftrag. Daraufhin zahlte die Antragsgegnerin am 22.06.2015 das Zwangsgeld sowie die Gerichts- und Vollstreckungskosten und reichte am 19.08.2015 das ausgefüllte Formular nebst Anlagen (dies am 10.10.2015) beim Amtsgericht ein.

Nach Scheidung und Durchführung des Versorgungsausgleichs mit Beschluss vom 28.04.2016 (rechtskräftig seit dem 21.06.2016) beantragte die Antragsgegnerin am 12.05.2016 die Aufhebung der Zwangsgeldfestsetzung und dessen Erstattung. Der Antrag wurde zurückgewiesen; die Beschwerde blieb erfolglos. Auch die zugelassene Rechtsbeschwerde wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der die Aufhebung versagende Beschluss stelle ebenso wie der ursprüngliche Zwangsmittelfestsetzungsbeschluss nach § 35 FamFG eine Entscheidung nach § 38 Abs. 1 S. 1, 58 FamFG dar, was dazu führe (da es sich nicht um Endentscheidungen handele), dass keine Beschwerdemöglichkeit gegeben sei; mit dem begehren auf Aufhebung des Zwangsmittelbeschlusses verfolge die Antragsgegnerin dasselbe Ziel wie sie es mit einer Anfechtung des Zwangsmittelbeschlusses ursprünglich hätte verfolgen können. Für letzteres habe der Gesetzgeber das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde vorgesehen, § 35 Abs. 5 FamFG, weshalb folgerichtig dies auch das Rechtmittel im vorliegenden Verfahrens sei, wobei der BGH darauf hinweist, dass für ein Vorgehen entsprechend §§ 776, 775 Nr. 1 ZPO sich gleiches aus § 793 ZPO ergäbe.

In der Sache könne die sofortige Beschwerde aber keinen Erfolg haben. Die Erfüllung der gerichtlichen Auflage, derentwegen das Zwangsgeld festgesetzt wurde, nach Beitreibung des Zwangsgeldes ließe keinen Erstattungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. BGB begründen. Zwar habe das Zwangsgeld anders als das Ordnungsgeld keinen Sanktionscharakter. Daraus würde aber nur folgern, dass die weitere Beitreibung desselben zu unterbleiben habe, sobald es der Beugewirkung nicht mehr bedürfe. Sei zu diesem Zeitpunkt der Zwangsgeldbeschluss noch nicht rechtskräftig, können gegen ihn erfolgreich sofortige Beschwerde eingelegt werden und darauf aufzuheben. Offen ließ der BGH, ob eine Aufhebung entsprechend § 48 Ans. 1 FamFG erfolgen müsse, wenn der Zwangsgeldbeschluss schon rechtskräftig aber noch nicht vollzogen sei.  Denn vorliegend wurde auf den rechtskräftigen Zwangsgeldbeschluss erfolgreich vollstreckt und danach  der Abforderung genügt, um derentwillen der Beschluss erging.

Es könne nicht argumentiert werden, mit Durchführung der Handlung sei der Anlass zur Willensbeugung und damit Erzwingung derselben weggefallen. Habe es dieser Zwangsmaßnahme bedurft, entfalle die Rechtfertigung nicht nachträglich. Zu beachten sei, dass der Schuldner nicht in Ansehung der drohenden Maßnahme seiner Verpflichtung nachkam, sondern erst nach deren Vollzug. Im übrigen sei mit einem Zwangsgeld, von dessen Rückerstattung der Schuldner nach Erfüllung ausgehen könne, kein entsprechender Druck auszuüben.


BGH, Beschluss vom 06.09.2017 - XII ZB 42/17 -

Montag, 6. November 2017

Anwaltshaftung: Zwangsvollstreckung und Aufklärung über Insolvenzanfechtung

Es ist vom Ausgangspunkt einer der alltäglichen Fälle in der zivilrechtlichen Praxis: Die beklagten Anwälte erwirkten zugunsten des Klägers ein Urteil gegen die S. AG. Das OLG Stuttgart verurteilte am 30.08.2015 die S. AG antragsgemäß auf Zahlung von € 23.576,90 zuzügl. Zinsen. Am 23./27.12.2015 schlossen die Beklagten sowohl namens des Klägers als auch anderer Vertretener gegenüber der S. AG mit der S. AG eine Verpfändungsvereinbarung, derzufolge Aktien der S. AG an einer anderen Gesellschaft am 30.10.2006 verkauft wurden und der auf Notaranderkonto eingehende Erlös vom Notar aufgrund Treuhandvertrages vom gleichen Tag an den Kläger und weitere von den Beklagten vertretene Gläubiger ausgezahlt wurde. Damit war an sich der Kläger mit € 31.578,36 befriedigt. Allerdings beantragte am 07.04.2007 ein Gläubiger der S. AG die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der S. AG; die Eröffnung erfolgte am 14.06.2007. Der Insolvenzverwalter focht die Zahlung an den Kläger an und der zwischenzeitlich anwaltlich anderweitig vertretene Kläger zahlte an diesen € 18.921,87 zu Masse zurück. Im folgenden Verfahren begehrte der Kläger Schadensersatz von den beklagten Anwälten. Das Landgericht gab der Klage mit € 23.736,61 statt; das OLG wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück.

Für das Revisionsverfahren ging der BGH mangels Eingehens des OLG auf eine Pflichtverletzung der Beklagten vom Vortrag des Klägers aus, die Beklagten mit der Durchsetzung seiner Forderung gegen die S. AG beauftragt zu haben und trotz absehbarer Insolvenz und einem daraus drohenden Anfechtungsrisiko die titulierte Forderung nicht im Rahmen der Zwangsvollstreckung durchgesetzt zu haben. Dies sei ein schlüssiger Vortrag zu einer anwaltlichen Pflichtverletzung.

Der Anwalt habe einen Auftrag so zu erledigen, dass Nachteile für den Mandanten möglichst vermieden würden. Das beinhalte, dass der Anwalt aus dem Titel möglichst zügig die Zwangsvollstreckung betreibe. Bestünden Anhaltspunkte für eine bevorstehende Insolvenz, müsse der Anwalt den Mandanten auf die fehlende Insolvenzfestigkeit auf die im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder danach durch Zwangsvollstreckung erlangten Sicherheit nach § 88 InsO ebenso hinweisen wie auf die Anfechtbarkeit erhaltener Sicherheiten und Zahlungen gem. §§ 130, 131 InsO. Er müsse jede Kosten verursachende Maßnahme unterlassen und den Mandanten auf Anmeldung seiner Forderung zur Tabelle im Insolvenzverfahren hinweisen. Der Anwalt trage zwar nicht das Risiko der Uneinbringlichkeit und für nicht vorhersehbare Risiken würde er auch nicht haften. Die Beratung müsse sich an die Kenntnis der absehbaren Chancen und Risiken orientieren, damit der Mandant eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen könne.

Nach dem Vortrag des Klägers, der revisionsrechtlich zugrunde gelegt wurde, hielten die Beklagten die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für möglich. Vor diesem Hintergrund hätten sie den Kläger darauf hinweisen müssen, dass eine erfolgreiche Zwangsvollstreckung außerhalb des kritischen Zeitraums von drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag bestand haben würde. Zur vollständigen Unterrichtung des Mandanten gehöre auch der Hinweis auf die besonderen Risiken, die mit einem Vergleichsschluss und einer freiwilligen Zahlung des Schuldners verbunden seien. Daran hätte es vorliegend nach dem Vortrag des Klägers ermangelt.

Die unterlassene Zwangsvollstreckung sei nur dann pflichtwidrig, wenn pfändbares Vermögen vorhanden war. Welches bekannt war oder mit den Mitteln der Zwangsvollstreckung hätte in Erfahrung gebracht werden können. Da kein Fall der Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist vorläge greife nicht die Erleichterung des § 287 ZPO. Allerdings habe der Kläger hinreichend zu Forderungen der S. AG (so zum Käfer der Aktien der anderen Gesellschafter) hingewiesen.  Nach seinem Vortrag wären die Pfändung der Forderung wie auch Kontenpfändungen erfolgreich gewesen. Dies reiche zur Schlüssigkeit aus.

Die Beklagten hatten geltend gemacht, sie hätten 200 Anleger vertreten und eine Zwangsvollstreckung für alle hätte unweigerlich einen Insolvenzantrag nach sich gezogen. Sie wären allen Mandanten gegenüber in gleicher Weise verpflichtet, weshalb sie nicht eine Maßnahme für den Kläger hätten durchführen können, die diesem zwar nütze, den anderen aber schade. Insoweit wies der BGH darauf hin, dass der Anwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter des Mandanten sei und nur den Interessen des eigenen Mandanten gegenüber verpflichtet sei. Ein Mandant dürfe bei Abschluss des Anwaltsvertrages von diesem Leitbild ausgehen. Mit Annahme des Mandats würde der Anwalt erklären, die Interessen dieses Mandanten unabhängig von Interessen Dritter wahrzunehmen. Will der Anwalt nur eingeschränkt für den Mandanten tätig werden, habe er dies vorab dem Mandanten mitzuteilen. Gleiches gelte für nachträgliche Interessenskonflikte, die nur ein eingeschränktes Tätigwerden erlauben würden. Zu dieser Problematik müsste den Parteien noch ergänzend die Möglichkeit zur Stellungnahme gewährt werden.


BGH, Urteil vom 07.09.2017 - IX ZR 71/16 -

Samstag, 4. November 2017

Kein Schadensersatzanspruch eines Wohnungseigentümers gegen einen zahlungssäumigen anderen Wohnungseigentümer

Die Parteien waren Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Der Beklagte entrichtete nicht das von ihm geschuldete Wohngeld. Nach Behauptung des Klägers hatte daher die Gemeinschaft nicht genügend Geld um an die Versorgungsunternehmen für Allgemeinstrom und Wasser Zahlungen zu leisten, die die Lieferung wegen der Zahlungsrückstände schließlich einstellte. Mit der Behauptung, er habe seine Eigentumswohnung vermietet und wegen der Sperrung seien ihm Mieteinnahmen von € 1.300,00 entgangen, begehrte der Kläger vom Beklagten Schadensersatz. Das Amtsgericht wies die Klage ab; auf die Berufung gab das Landgericht ihr statt. Der BGH hat auf die vom Landgericht zugelassene Berufung das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage sei hier nach Auffassung des BGH ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2 iVm. 286 BGB. Dies würde aber voraussetzen, dass der Beklagte durch die Nichtzahlung des Wohngeldes eine ihm gegenüber dem Kläger obliegende Pflicht verletzt haben müsste. Dies sei, entgegen der Annahme des Landgerichts, nicht der Fall.

Der Kläger selbst habe keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung der Rückstände gehabt. Die Ansprüche auf Zahlung würden mit den Beschlussfassungen zu dem Wirtschaftsplan und der Jahresabrechnung begründet. Dieses stünde aber nicht den einzelnen Wohnungseigentümern zu, sondern dem teilrechtsfähigen Verband (§ 10 Abs. 7 S. 1 und 3 WEG). Auch könne der einzelne Wohnungseigentümer nicht nach den Grundsätzen der actio pro socio die Wohngeldansprüche im eigenen Namen geltend machen (BGHZ 111, 148m 152).

Die Nichtzahlung des Wohngeldes durch den Beklagten verletzte auch keine Pflicht des Beklagten aus dem zwischen den Wohnungseigentümern bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis.  Zu den Treuepflichten, die zwischen allen Wohnungseigentümern bestünden, gehöre auch die Pflicht, dem Verband die finanzielle Grundlage zur Begleichung der laufenden Verbindlichkeiten zu verschaffe. Dies beträfe insbesondere die Beschlussfassung über einen Wirtschaftsplan, seine eventuelle Ergänzung (Sonderumlage) und die Jahresabrechnung (BGHZ 163, 154, 175). Um eine Verletzung einer entsprechenden Mitwirkungspflicht im Rahmen der internen Willensbildung des Verbandes würde es hier aber nicht gehen.  Die Beschlüsse wurden gefasst. Der Verband, vertreten durch den Verwalter, habe für deren Einziehung zu sorgen. Demgemäß bestehe auch nur eine Zahlungspflicht gegenüber dem Verband.

Danach aber sei es mit der vom Gesetz vorgesehenen Kompetenzverteilung zwischen Verband und Wohnungseigentümern unvereinbar, wenn die Pflicht zur Zahlung des Wohngeldes als Bestandteil der gegenseitigen Treuepflicht qualifiziert würde und mithin die Nichtzahlung nicht nur eventuelle Schadensersatzansprüche des Verbandes, sondern auch einzelner Wohnungseigentümer zur Folge haben könnte. Alleine das Interesse der anderen Wohnungseigentümer an der (rechtzeitigen) Erfüllung der Wohngeldforderungen würde (die gerade in größeren Wohnungseigentümergemeinschaften unkalkulierbare) Haftungserweiterung nicht  rechtfertigen.

Auch würden vorliegend nicht die Grundsätze der Drittschadensliquidation greifen. Die Drittschadensliquidation solle verhindern, dass der Schädiger einen Vorteil daraus ziehen könnte, dass ein Schaden, der an sich bei dem Vertragspartner eintreten würde, zufällig aufgrund eines mit einem Dritten bestehenden Rechtsverhältnisses bei dem Dritten eintritt.  Dieser Fall läge deshalb nicht vor, da hier bei Nichterfüllung der Zahlungsverpflichtung von vornherein nur Schadensersatzansprüche des Verbandes, nicht aber einzelner Wohnungseigentümer in Betracht kämen. Erleide ein Wohnungseigentümer wegen der Versorgungssperre einen Schaden und beruhe dieser auf einer unterlassenen oder verspäteten Einforderung des Wohngeldes durch den verband, käme ein Schadensersatzanspruch des geschädigten Wohnungseigentümers gegen den Verband in Betracht (BGH, Urteil vom 13.07.2012 – V ZR 94/11 -; BGHZ 202, 375 Rn. 25).  Im übrigen wäre der Verwalter im Falle einer drohenden Deckungslücke gehalten, eine Sonderumlage beschließen zu lassen, § 28 Abs. 2 WEG. Sei kein Verwalter (wie hier) vorhanden, könne jeder Eigentümer gem.  § 21 Abs. 4 WEG eine entsprechende Beschlussfassung erzwingen.


BGH, Urteil vom 10.02.2017 - V ZR 166/16 -

Freitag, 3. November 2017

WEG: Kein Stimmrechtsverbot wegen Majorisierung nach Veräußerung einer Einheit an beherrschtes Unternehmen

Die Gemeinschaftsordnung der mit vier Wohneinheiten versehenen WEG enthielt keine Regelungen zum Stimmrecht. Ein Eigentümer hatte zwei Wohnungen und übertrag das Eigentum an einer der Wohnungen auf eine vom ihm beherrschte UG & Co. KG. In einer Eigentümerversammlung beschlossen die zwei weiteren Eigentümer, dass die Gesellschaft vom Stimmrecht ausgeschlossen sei. Danach beschlossen sie u.a. die Jahresabrechnung und die Verwalterbestellung. Die Beschlussanfechtungsklage des Klägers wurde vom Amtsgericht abgewiesen, seine Berufung vom Landgericht zurückgewiesen. Auf die vom Landgericht zugelassene Revision erfolgte eine Abänderung und die Beschlüsse wurden für ungültig erklärt.

Kernpunkt der Auseinandersetzung war, ob die unterlassene Wertung der Stimme der Gesellschaft einen formellen Mangel der Beschlussfassung darstellt. Das Unterlassen kann von dem Kläger, der gegen die Beschlüsse gestimmt hatte und deren Unwirksamkeit geltend machte, gerügt werden. Amts- und Landgericht waren allerdings der Ansicht, der Gesellschaft stünde (qua vorangegangener Beschlussfassung gegen die Stimmen des Klägers und der Gesellschaft) kein Stimmrecht zu. Dies beurteilte der BGH anders.

In Ermangelung anderweitiger Regelungen in der Gemeinschaftsordnung stand jedem Miteigentümer eine Stimme zu (Kopfstimmrecht). Damit kann, worauf der BGH Hinweis, eine nachträgliche Vermehrung des Stimmrechts eintreten, wenn ein Eigentümer, der mehrere Einheiten hält, einzelne veräußert. Auch wenn einzelne Einheiten an nahe Angehörige veräußert würden, hätte der neue Eigentümer ein (neu hinzukommendes) Stimmrecht.

Danach würde ein neues Stimmrecht auch dann entstehen, wenn ein Eigentümer eine von mehreren Einheiten auf eine von ihm beherrschte juristische Person übertrage; nicht zu klären sei hier die in der Rechtsprechung noch offene Frage, ob dies auch dann gilt, wenn der übertragende Eigentümer (anders als hier) noch anteilig Miteigentümer an der übertragenen Einheit verbleibe. Selbst wenn der Kläger hier die Übertragung vorgenommen haben sollte, um so ein weiteres Stimmrecht für sich zu generieren, läge kein Scheingeschäft iSv. § 117 Abs. 1 BGB vor. Die Entstehung des Stimmrechts setze nur eine wirksame Veräußerung voraus. Die Vermehrung des Stimmrechts nach Kopfanteilen sei nur Folge und hinzunehmen, auch dann, wenn der Veräußernde beherrschenden Einfluss auf den Erwerber ausübe.

Die Gesellschaft sei auch nicht allgemein vom Stimmrecht (unabhängig vom Beschlussgegenstand) ausgeschlossen. Das Stimmrecht gehöre zum Kernbereich des Mitgliedschaftsrechts in der WEG. Es dürfe nur ausnahmsweise in eng begrenzten Fällen begrenzt werden. § 25 Abs. 5 WEG als Sondervorschrift des § 181 BGB sähe daher keinen allgemeinen Stimmrechtsausschluss vor, sondern beschränke diesen auf Fälle der schwerwiegenden Interessenskollision. Auch ein rechtsmissbräuchliches Verhalten könne allenfalls dazu führen, dass die Stimmabgabe unbeachtlich sei (BGHZ 152, 46, 61ff).  Damit käme ein allgemeiner Stimmrechtsausschluss selbst bei einer konkreten Gefahr der Majorisierung nicht in Betracht.

Der Einwand der Beklagten, durch das zusätzliche Stimmrecht erlange der Kläger, der seit Jahren keine Hausgeldzahlungen leiste und die Gesellschaft würde auch keine leisten, eine Blockadeposition, würde den Stimmrechtsausschluss auch nicht rechtfertigen; soweit dies nicht in § 25 Abs. 5 WEG geregelt sei, müssten die übrigen Wohnungseigentümer die ihnen eingeräumten Rechtsschutzmöglichkeiten ergreifen.  Ein Wohnungseigentümer, der seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkäme, wäre nach § 25 Abs. 5 2. Alt. WEG von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen, soweit es um die Einleitung darauf gerichteter gerichtlicher Maßnahmen ginge.

Der Minderheitenschutz sei durch das Prinzip der ordnungsgemäßen Verwaltung gewährleistet (§ 21 Abs. 5 WEG), welches im Wege der Beschlussmängelklage geltend gemacht werden könne. Majorisierende Beschlüsse könnten im Hinblick auf Willkür und Rechtsmissbrauch u.ä, einer ordnungsgemäßen Verwaltung widersprechen.  Auch könne eine Beschlussersetzungsklage erhoben werden, die dann möglich sei, wenn ein zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlicher Beschluss verhindert würde.

Die Stimmabgabe der Gesellschaft sei hier im Hinblick auf die Beschlüsse zur Jahresabrechnung und Verwalterbestellung auch nicht rechtsmissbräuchlich gewesen. Dies sei nur anzunehmen, wenn sich die darin zum Ausdruck kommende Majorisierung als Verstoß gegen die Rücksichtsnahme auf Interessen der Gemeinschaft und damit gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung darstelle. Dies erfordere, dass die Stimmrechtsausübung die übrigen Eigentümer treuwidrig so benachteilige, dass der Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens nicht abgewartet werden könne, was in der Regel nur bei positiven Stimmabgaben vorläge (z.B. stimmen für einen wegen Vermögensdelikts vorbestraften Verwalter).


BGH, Urteil vom 14.07.2017 - V ZR 290/16 - 

Mittwoch, 1. November 2017

Haftpflichtversicherung: Ausschluss von Ansprüchen wegen „übermäßiger Benutzung“ der Wohnräume trotz behaupteter normaler Nutzung

Der Kläger unterhielt eine private Haftpflichtversicherung bei der Beklagten. In den Besondere Bedingungen wurden Haftpflichtansprüche wehen „Abnutzung, Verschleißes oder übermäßiger Beanspruchung“ ausgeschlossen. Der Vermieter machte ihm gegenüber Ansprüche wegen „übermäßiger Benutzung“ geltend. Der Kläger, der sich im Deckungsprozess gegen die Beklagte auf eine Abnutzung und einen verschleiß im Rahmen eines üblichen Gebrauchs der Mietsache berief, wurde vom Landgericht mit seiner Klage abgewiesen. Auf den Hinweisbeschluss des OLG nahm er die Berufung zurück.

Aus dem Hinweisbeschluss ergibt sich nicht, welcher Art die vom Vermieter geltend gemachte  Schädigung durch „übermäßige Benutzung“ sein soll. Es prüfte, ob hier in der Art der Geltendmachung der Ausschlussgrund nach den Besonderen Bedingungen (Nr. V Nr. 1a BBR PHV) vorliegt. Es schloss sich insoweit ausdrücklich der Rechtsauffassung es Landgerichts an, der Versicherungsschutz entfalle, da es sich nach der Ausschlussklausel um vom Vermieter geltend gemachte Ansprüche aus Abnutzung, Verschleiß und übermäßiger Beanspruchung handele. Dieser Ausschlussregel unterfalle auch ein grundsätzlich vertragsgemäßer, in der Intensität aber gesteigerter Gebrauch der Mietsache. Um solche Ansprüche würde es sich hier handeln, die ausweislich des Schreibens des Vermieters von diesem geltend gemacht würden.

Auch der Einwand des Klägers im Berufungsverfahren, sachlich läge keine übermäßige Benutzung der Wohnung vor, sondern ein üblicher vertragsgemäßer Gebrauch, würde die Ausschlussregelung nicht tangieren können. Denn diese Klausel im Bedingungswerk umfasse auch die Situation, dass der Vermieter die übermäßige Beanspruchung lediglich behaupte.

Der Mieter würde für die Abnutzung und den Verschleiß der Mietsache durch einen vertragsgemäßen Gebrauch ohnehin nicht haften, § 538 BGB. Damit würden die Ausschlusstatbestände der Abnutzung und des Verschleißes gerade nur einen Ausschluss für eine ohnehin ungerechtfertigte Forderung des Vermieters darstellen. Damit aber wäre der Versicherungsschutz gerade in der vom Kläger behaupteten Art der Nutzung ohnehin nicht einen Versicherungsschutz begründen können.


OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 22.05.2017 - 6 U 51/17 -

Gesamtschuldnerausgleich bei der Schenkungssteuer gem. § 426 BGB ?

Der Beklagte überließ in 2009 der Klägerin einen Betrag von € 120.000,00, auf Grund dessen das Finanzamt am 13.11.2015 gegen die Klägerin einen Schenkungssteuerbescheid über € 30.000m00. Diesen nahm die Klägerin zum Anlass den Beklagten als Gesamtschuldner der Schenkungssteuer auf Zahlung von € 15.000,00 in Anspruch zu nehmen, § 426 BGB.

Das Landgericht wies die Klage zurück. Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen.

Zwar seien nach § 20 Abs. 2 ErbStG sämtliche am Schenkungsvorgang als vertragsteile beteiligten Personen Steuerschuldner und würden dem Finanzamt gegenüber als Gesamtschuldner haften. Allerdings sehe § 426 Abs. 1 S. 1 BGB eine Ausgleichspflicht unter den Gesamtschuldnern zu gleichen Verhältnissen nur insoweit vor, als nichts anderes bestimmt sei. Dabei käme es für die Anwendbarkeit des § 426 BGB nicht darauf an, ob die Verpflichtung im Außenverhältnis auf öffentlich-rechtlicher (steuerrechtlicher) Grundlage beruhe. Der Ausschluss der (Ausgleichungspflicht zu gleichen Teilen könne sich aus einer (auch stillschweigend getroffenen) Vereinbarung wie auch aus der Natur der Sache ergeben.

Bei einer Schenkung als unentgeltlicher Zuwendung, durch die der Schenker das Vermögen des Beschenkten bereichere, spräche vieles dafür, dass sich die Beteiligten der Schenkung im Hinblick auf die Schenkungssteuer jedenfalls stilölschweigend darüber einig wären, dass diese alleine vom Beschenkten getragen werden müsse. Zudem ergäbe sich auch aus dem Sinn und Zweck der Schenkungssteuer nach § 20 ErbStG und dem ihr zugrunde liegenden Normengefüge, dass die Schenkungssteuer im Innenverhältnis der Parteien alleine von der Klägerin als Beschenkter zu tragen sei. Mit ihr solle nämlich der durch die Schenkung hervorgerufene Vermögenszuwachs erfasst und die dadurch gesteigerte Leistungsfähigkeit des Beschenkten besteuert werden. Daraus folge auch, dass in erster Linie der beschenkte von den Finanzbehörden in Anspruch genommen werden müsse (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18.12.2012 - 1 BvR 1509/10 -; BFH BStBl III 1962, 33). Der Schenker würde nicht gleichsam mitbesteuert, sondern hafte faktisch nur für die Steuerschuld. Von daher sei nach Sinn und Zweck der gesetzgeberischen Ausgestaltung der Schenkungssteuer kein Raum für den gesamtschuldnerausgleich.

Für die „anderweitige Bestimmung“ im Rahmen des § 426 BGB spräche auch der Umstand, dass der Schenker dem Beschenkten unentgeltlich etwas zukommen lasse und dem Vermögensverlust auf Seiten des Schenkers der Vermögenszuwachs auf Seiten des Beschenkten korrespondiere. Dem Beschenkten wäre (daher) ohne weiteres zumutbar im Innenverhältnis alleine die Schenkungssteuer zu tragen, zumal ihm regelmäßig auch Freibeträge zugute kämen, weshalb er aus dem übernommenen Vermögen ohne weiteres in der Lage sei, die Steuer zu entrichten. Demgegenüber würde den Schenker eine weitere Vermögenseinbuße entstehen, wenn er im Verhältnis der Parteien ausgleichspflichtig wäre.


OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.04.2017 - 1 U 102/16 -