Der Betroffene soll an einer
maniformen Psychose leiden, weshalb das Amtsgericht eine Betreuung für die Aufgabenkreise
Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge, Regelung des Postverkehrs, Vertretung
gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie (hier mit
Einwilligungsvorbehalt) Vermögensangelegenheiten anordnete und die Beteiligte
zu 1 als Berufsbetreuerin bestimmte. Die Beschwerde des Betroffenen wies das
Landgericht zurück. Auf die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde hob der BGH den
Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache an das Landgericht
(Beschwerdegericht) zurückverwiesen.
Der BGH stützte seine Entscheidung
auf § 68 Abs. 3 S. 2 FamG. Zwar könne danach das Beschwerdegericht von einer
erneuten Anhörung des Betroffenen absehen, so wenn die erstinstanzliche Anhörung
des Betroffenen nur kurze Zeit zurückläge, sich nach dem Akteninhalt keine
neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte
ergäben, das Beschwerdegericht das Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung
nicht abweichend werten wolle und es auf
den persönlichen Eindruck des Betroffenen nicht ankäme. Zöge aber das
Beschwerdegericht eine neue Tatsachengrundlage heran, die nach der
erstinstanzlichen Entscheidung läge, wäre eine neue Anhörung des Betroffenen
erforderlich. Auch dürfe das Beschwerdegericht nicht von einer Wiederholung solcher
Verfahrenshandlungen absehen, bei denen das erstinstanzliche Gericht zwingende
Verfahrensvorschriften verletzt habe. Vorbehaltlich der Möglichkeit der
Zurückverweisung durch das Beschwerdegericht gem. § 69 Abs. 1 S. 2 und 3 FamFG
müsse das Beschwerdegericht in diesen Fällen den betreffenden Teil des Verfahrens
nachholen (BGH, Beschluss vom 15.08.2018 - XII ZB 10/18 -).
Danach habe vorliegend das
Beschwerdegericht nicht von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen nach §
68 Abs. 3 S. 2 FamFG absehen dürfen. Die Anhörung des Betroffenen durch das
Amtsgericht leide an einem wesentlichen Verfahrensmangel, da ihm das vom Amtsgericht
eingeholte Sachverständigengutachten nicht vor dem Anhörungstermin überlassen
worden sei. Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Grundlage einer
Entscheidung setze nach § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den
Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Das Gutachten sei mit seinem
vollen Wortlaut im Hinblick auf die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen (§ 275
FamFG) grundsätzlich auch diesem persönlich zur Verfügung zu stellen. Nur unter
den Voraussetzungen des § 288 Abs. 1 FamFG könne davon abgesehen werden (BGH
aaO.). Der Betroffene müsse vor seiner Anhörung nicht nur im Besitz des
Gutachtens sein, sondern auch ausreichend Zeit bekommen, von dessen Inhalt
Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern. Würde das Gutachten nicht
rechtzeitig vor dem Termin zur Anhörung überlassen, leide das Verfahren an
einem wesentlichen Verfahrensmangel.
Vorliegend sei das Gutachten im
vollen Wortlaut dem Betroffenen erst nach Erlass des angefochtenen Beschlusses
des Amtsgerichts überlassen worden. Dieser Mangel hätte vom Landgericht im
Rahmen einer erneuten Anhörung behoben werden müssen, zumal der Betroffene im
dem Beschwerdeverfahren zuzurechnenden Abhilfeverfahren schriftliche Einwendungen
gegen das Gutachten erhoben habe.
BGH, Beschluss vom 06.02.2019 - XII ZB 504/18 -
Aus den Gründen:
Tenor
- Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 26. September 2018 aufgehoben.
- Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
- Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
- Wert: 5.000 €
Gründe
- I.
- Der 39jährige Betroffene leidet nach den getroffenen Feststellungen an einer maniformen Psychose, wegen derer er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Das Amtsgericht hat eine Betreuung für den Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge, Regelung des Postverkehrs, Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie Vermögensangelegenheiten einschließlich Immobilienangelegenheiten eingerichtet und die Beteiligte zu 1 als Berufsbetreuerin bestimmt. Außerdem hat es einen Einwilligungsvorbehalt für den letztgenannten Bereich angeordnet.
- Die hiergegen vom Betroffenen eingelegte (vom Landgericht unzutreffend als sofortige Beschwerde bezeichnete) Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich seine Rechtsbeschwerde.
- II.
- Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zu Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
- 1. Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Betreuung sei für den genannten Aufgabenkreis erforderlich, da der Betroffene seine Angelegenheiten nicht selbst besorgen könne. Er könne auch seinen Willen nicht mehr frei äußern. Der Einwilligungsvorbehalt sei erforderlich, da aufgrund der Erkrankung die akute Gefahr für den Betroffenen bestehe, dass er auch in Zukunft weitere selbstschädigende Vermögenshandlungen vornehme.
- 2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- Die angefochtene Entscheidung kann schon aus verfahrensrechtlichen Gründen keinen Bestand haben. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht als verfahrensfehlerhaft, dass das Landgericht von einer erneuten Anhörung des Betroffenen gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen hat.
- a) Nach der Rechtsprechung des Senats räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht zwar die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen, etwa wenn die erstinstanzliche Anhörung des Betroffenen nur kurze Zeit zurückliegt, sich nach dem Akteninhalt keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtlichen Gesichtspunkte ergeben, das Beschwerdegericht das in den Akten dokumentierte Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung nicht abweichend werten will und es auf den persönlichen Eindruck des Gerichts von dem Betroffenen nicht ankommt. Zieht das Beschwerdegericht für seine Entscheidung dagegen eine neue Tatsachengrundlage heran, die nach der amtsgerichtlichen Entscheidung datiert, gebietet dies eine erneute persönliche Anhörung des Betroffenen. Zudem kann im Beschwerdeverfahren nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen abgesehen werden, bei denen das Gericht des ersten Rechtszugs zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat. In diesem Fall muss das Beschwerdegericht, vorbehaltlich der Möglichkeiten nach § 69 Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG, den betreffenden Teil des Verfahrens nachholen (vgl. Senatsbeschluss vom 15. August 2018 - XII ZB 10/18 - FamRZ 2018, 1770 Rn. 11 mwN).
- b) Gemessen hieran durfte das Landgericht im vorliegenden Fall nicht von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG absehen.
- aa) Bereits die Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht litt an einem wesentlichen Verfahrensmangel, weil ihm das eingeholte Sachverständigengutachten nicht vor dem Anhörungstermin überlassen worden war. Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Grundlage einer Entscheidung in der Hauptsache setzt gemäß § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten mit seinem vollen Wortlaut im Hinblick auf die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen (§ 275 FamFG) grundsätzlich auch ihm persönlich zur Verfügung zu stellen. Davon kann nur unter den Voraussetzungen des § 288 Abs. 1 FamFG abgesehen werden (vgl. Senatsbeschluss vom 15. August 2018 - XII ZB 10/18 - FamRZ 2018, 1770 Rn. 15 mwN).
- Die im Rahmen der persönlichen Anhörung zu gewährende Gelegenheit zur Stellungnahme setzt voraus, dass der Betroffene vor der Entscheidung nicht nur im Besitz des schriftlichen Sachverständigengutachtens ist, sondern auch ausreichend Zeit hatte, von dessen Inhalt Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern. Wenn dem Betroffenen das Sachverständigengutachten nicht rechtzeitig vor dem Anhörungstermin überlassen worden ist, leidet die Anhörung an einem wesentlichen Verfahrensmangel (Senatsbeschluss vom 21. November 2018 - XII ZB 57/18 - juris Rn. 6 mwN).
- bb) Wie der Gerichtsakte zu entnehmen ist, wurde dem Betroffenen das Gutachten erst nach dem Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung in vollem Umfang zur Kenntnis gegeben. Diesen Mangel hätte das Beschwerdegericht durch erneute Anhörung beheben müssen, zumal der Betroffene im - dem Beschwerdeverfahren zuzurechnenden - Abhilfeverfahren schriftliche Einwendungen gegen das Gutachten erhoben hat.
- 3. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da er die erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann.
- Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass auch ausreichende Voraussetzungen für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts in dem angefochtenen Beschluss nicht dargelegt sind (vgl. Senatsbeschluss vom 15. August 2018 - XII ZB 10/18 - FamRZ 2018, 1770 Rn. 24 ff.).
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