Auf Antrag des Betreuers der Betroffenen genehmigte das Amtsgericht die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Anstalt, wogegen die Betreute Beschwerde einlegte, die vom Landgericht zurückgewiesen wurde. Dabei verwies das Landgericht darauf, dass die Betreute seit Jahrzehnten an einer bipolaren Störung mit leichter Demenz leide, was sich durch Realitätsverkennung mit eigen- und fremdgefährdenden Verhalten auszeichne.
Die Rechtsbeschwerde gegen die landgerichtliche Entscheidung war erfolgreich und führte zur Aufhebung des Beschlusses und Zurückverweisung an das Landgericht.
Gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB sei eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mir Freiheitsentziehung verbunden sei, nur zulässig, solange dies zum Wohl des Betreuten erforderlich sei um der Gefahr entgegenzuwirken, dass dieser aufgrund psychischer Krankheit oder Behinderung sich selbst töte oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufüge. Diese Gefahr müsse ernstlich und konkret sein. Erforderlich seien objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte. Eine notwendige Prognose des Tatrichters basiere auf der Anhörung des Betroffenen und der weiteren beteiligten sowie des nach § 321 FamFG einzuholenden Sachverständigengutachtens. Formelhafte Wendungen zur Begründung eine solchen Beschlusses seien unzulässig; vielmehr müssten in jedem Einzelfall die die Umstände begründenden Tatsachen konkret nachvollziehbar dargelegt werden.
Sowohl in der Entscheidung des Landgerichts als auch in dem von dem zugrunde gelegten Sachverständigengutachten würde es daran ermangeln; vielmehr beschränke sich die Begründung auf formelhafte Wendungen. Krankheitsbedingte Einschränkungen der Betreuten seien nicht auf eine konkrete Gefahrenlage der Betreuten übertragen worden. Es fehle zudem an der erforderlichen Relation zum möglichen Schaden für die Betroffene ohne Anordnung der geschlossenen Unterbringung. Soweit im Sachverständigengutachten als auch Beschluss selbst von einer möglichen Fremdgefährdung die Rede sei, sei dies für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB ohne Belang.
BGH, Beschluss vom
20.07.2022 - XII ZB 81/22 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die
Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 25. Zivilkammer des
Landgerichts Düsseldorf vom 17. Januar 2022 aufgehoben.
Die Sache wird
zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die 1933
geborene Betroffene wendet sich gegen die Genehmigung ihrer Unterbringung.
Für die
Betroffene besteht eine Betreuung, deren Aufgabenkreis unter anderem die
Aufenthaltsbestimmung, die Gesundheitssorge sowie Heimplatzangelegenheiten
umfasst. Mit Beschluss vom 15. Dezember 2021 hat das Amtsgericht auf Antrag des
Betreuers die Unterbringung der Betroffenen bis längstens zum 15. Dezember 2023
genehmigt. Das Landgericht hat die Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich diese mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
Die
Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das
Landgericht hat ausgeführt: Die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach
§§ 312 Nr. 1, 323 FamFG, § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB lägen
vor. Nach dem Gutachten des Sachverständigen leide die Betroffene seit
Jahrzehnten unter einer bipolaren Störung mit gemischten Symptomen bei
erschwerend hinzutretender leicht- bis mittelgradig ausgeprägter Demenz mit
daraus resultierender deutlichen Störung der Emotionen und des Verhaltens. Nach
den Ausführungen des Sachverständigen zeichne sich das Krankheitsbild während
der langanhaltenden akuten Exazerbation insbesondere durch eine wahnhaft
induzierte Realitätsverkennung mit daraus resultierender massiver Neigung zu
eigen- als auch fremdgefährdendem Verhalten mit raptusartig auftretenden,
tätlich aggressiven Impulsdurchbrüchen, schweren formalen und inhaltlichen
Denkstörungen sowie kognitiven als auch mnestischen Defiziten aus.
Die Betroffene
sei in der Vergangenheit nur begrenzt dazu in der Lage gewesen, ihr Leben
eigenständig zu führen. Sie zeige sich seit langem nicht krankheitseinsichtig
und sei nur begrenzt willens, sich einer notwendigen Behandlung zu unterziehen.
Vor der Aufnahme in die aktuelle geschlossene Einrichtung im Oktober 2020 sei
die Betroffene mehr als zwei Jahre auf einer geschlossenen Abteilung für Gerontopsychiatrie
untergebracht gewesen. Während der gesamten Unterbringung sei bereits mehrfach
der erfolglose Versuch unternommen worden, die Betroffene in einem geeigneten
Pflegeheim dauerhaft unterzubringen, was jedoch letztlich an ihrem Verhalten
gescheitert sei.
2. Das
hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat den
Gefahrenbegriff des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB verkannt.
a) Gemäß
§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist eine Unterbringung des Betreuten
durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur zulässig,
solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil auf Grund einer
psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten
die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen
Schaden zufügt.
Nach ständiger
Rechtsprechung des Senats ist es hierfür notwendig, dass eine ernstliche und
konkrete Gefahr für Leib und Leben des Betreuten besteht. Der Grad der Gefahr
ist in Relation zum möglichen Schaden ohne Vornahme der freiheitsentziehenden
Maßnahme zu bemessen. Die Gefahr für Leib oder Leben erfordert kein
zielgerichtetes Verhalten, aber objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für
den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens. Die Prognose einer nicht
anders abwendbaren Gefahr erheblicher gesundheitlicher Schäden ist Sache des
Tatrichters. Sie baut im Wesentlichen auf der Anhörung des Betroffenen und der
weiteren Beteiligten sowie auf dem nach § 321 FamFG einzuholenden
Sachverständigengutachten auf. Die Begründung darf sich auch bei wiederholt
untergebrachten Betroffenen nicht auf formelhafte Wendungen beschränken,
sondern muss die Tatbestandsvoraussetzungen im jeweiligen Einzelfall durch die
Angabe von Tatsachen konkret nachvollziehbar machen (Senatsbeschlüsse vom 12. Mai
2021 - XII ZB 109/21 - MDR 2021, 1153 Rn. 10 mwN und vom 24. Mai 2017 - XII ZB
577/16 - FamRZ 2017, 1342 Rn. 10 mwN).
b)
Konkrete Anhaltspunkte für die Gefahr des Eintritts eines erheblichen
Gesundheitsschadens hat das Landgericht nicht festgestellt. Die Begründung
beschränkt sich auf formelhafte Wendungen. Auch in dem in Bezug genommenen
Sachverständigengutachten fehlt es an konkreten Anhaltspunkten für eine
Gefahrenlage. Der Tatrichter hat es verabsäumt, die krankheitsbedingten
Einschränkungen auf eine konkrete Gefahrenlage für die Betroffene zu
übertragen. Ferner fehlt es auch an der erforderlichen Relation zum möglichen
Schaden für die Betroffene. Soweit im Sachverständigengutachten – wie auch im
angefochtenen Beschluss – wiederholt von Fremdgefährdungen die Rede ist, ist
das für den Tatbestand des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht von
Belang.
3. Weil
die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie unter Aufhebung des
angefochtenen Beschlusses zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das
Landgericht zurückzuverweisen, § 74 Abs. 5 und 6 Satz 2 FamFG.
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