Dienstag, 20. September 2016

Versicherungsmakler: Unerlaubte Rechtsberatung bei Schadensregulierung im Auftrag des Versicherers

Der beklagte Versicherungsmakler wurde von der Rechtsanwaltskammer Köln (Klägerin) auf Unterlassung in Anspruch genommen, schadensregulierend, wie in einem bestimmten Schreiben des Beklagten, tätig zu werden. In diesem Schreiben hatte der Beklagte mitgeteilt, der zuständige Versicherer habe ihn mit der Schadensregulierung beauftragt. Weiterhin heißt es, dass die versicherte Firma bis zum Zeitwert des beschädigten Objekts unter Berücksichtigung dessen Alter und Gebrauchs Ersatz zu leisten habe. Da die Anschaffungsrechnung vom geschädigten Anspruchsteller nicht vorgelegt werden konnte, obwohl er zum Nachweis der Schadenshöhe verpflichtet sei, würde von dem Betrag ein Abzug neu für alt vorgenommen; Reinigungskosten wären dabei bereits berücksichtigt (es erfolgt ein Verweis auf Entscheidungen von zwei eines Amtsgerichten).


Die Klage wurde vom Land- und Oberlandesgericht abgewiesen. Die Revision der Anwaltskammer war erfolgreich.

Auszugehen sei von der Definition des Versicherungsmaklers in § 59 Abs. 3 VVG. Dieser sei für den Auftraggeber geschäftsmäßig mit der Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen beauftragt, ohne von einem Versicherer oder Versicherungsvertreter damit beauftragt worden zu sein. Eine Doppeltätigkeit als sowohl für den Versicherungsnehmer als auch den Versicherer sei mit dem Leitbild nicht vereinbar. Dementsprechend würde auch § 34d Abs. 1 GewO zwischen Versicherungsmakler und Versicherungsvertreter unterscheiden. Nur beim Versicherungsvertreter gehöre es zu dessen Aufgaben, den Versicherungsvertrag nach Abschluss desselben weiter zu betreuen, evtl. den Versicherungsnehmer rechtzeitig auf Anpassungsbedarf usw. hinzuweisen und den Versicherungsnehmer im Schadensfall sachkundig zu beraten. Der Versicherungsmakler sei Sachwalter des Versicherungsnehmers und stehe „in dessen Lager“ und nicht, wie der Versicherungsvertreter, im Lager des Versicherers. Im Schadensfall könne der Versicherungsmakler im Rahmen des § 5 RDG für den Versicherungsnehmer, nicht für den Versicherer, schadensregulierend tätig werden.

Dies gelte auch im Falle des (vorliegenden) Haftpflichtrechts, da die Interessen des Versicherers und des Versicherungsnehmers nicht korrespondieren müssen. Während der Versicherer regelmäßig ein Interesse daran habe, den zu regulierenden Schadensaufwand möglichst gering zu halten, kann, muss dies aber nicht notwendig bei dem Versicherungsnehmer der Fall sein. Der BGH verweist darauf, dass der Versicherungsnehmer häufig ein Interesse daran hat, dass ein Schaden möglichst rasch und unproblematisch im Interesse seines geschädigten Kunden abgewickelt wird, er also nicht in weitere Kritik seines Kunden gerät.

Auch wäre zweifelhaft, ob es sich hier um eine Nebentätigkeit des Versicherungsmaklers handele. Dies deshalb, da die Regulierung durch den Versicherungsmakler nicht auf einem Vertragsverhältnis mit seinem Auftraggeber, sondern auf einem gesonderten Vertrag mit dem Versicherer beruht.

Neben § 5 RDG würde der Tätigkeit des Versicherungsmaklers auch § 4 RDG entgegenstehen. Der Rechtsdienstleistung steht hier der mögliche Interessenskonflikt des Versicherungsmaklers entgegen, der eine ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung gefährde. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass es zu den Aufgaben des Versicherungsmakler gehöre, bei einer für den Versicherungsnehmer unbefriedigenden Regulierung durch den Versicherer zu einem Wechsel des Versicherers zu raten, was dem Interesse des Versicherers entgegensteht.


BGH, Urteil vom 14.01.206 – I ZR 107/14 -

Freitag, 16. September 2016

Zwangsversteigerung: Zuschlagsverkündungstermin und Antrag auf Vertagung

Vorliegend hatte der Schuldner den Antrag auf Aufschiebung des Verkündungstermins für den Zuschlagsbeschluss mit der Begründung gestellt, er habe bzw. wolle beim Prozessgericht einen Antrag nach § 769 Abs. 1 ZPO (einstweilige Anordnung auf vorläufige Einstellung der Zwansgvollstreckung) stellen. Dies genügt nach Auffassung des BGH nicht.


Der BGH weist darauf hin, dass in der Regel der Beschluss über den Zuschlag  im Versteigerungstermin erfolgen soll, da alle beteiligten einen Anspruch auf rasche Klärung der Rechtslage haben. Dies gilt insbesondere auch für die Bietenden, die bis zur Verkündung an ihre Gebote gebunden bleiben.  So sei es auch ermessensfehlerhaft, wenn von einer sofortigen Verkündung abgesehen werde, da der betreibende Gläubiger dies beantragt, um mit dem Meistbietenden noch einen möglichen Zuschlag auf die gebotene Summe zu vereinbaren (mit der Möglichkeit, vor dem Zuschlag das aktuelle Verfahren durch Rücknahme zu beenden und so einen Zuschlag zu verhindern). Angemessen wäre eine Vertagung, wenn damit einer möglichen Verschleuderung des durch Ermöglichung einer Vollstreckungsschutzklage gem. § 765a ZPO entgegengewirkt wird.

Wenn aber der Schuldner einen Antrag nach § 769 Abs. 1 ZPO erst kurz vor oder im Termin ankündigt, rechtfertigt dies nicht die Vertagung der Verkündung des Zuschlagsbeschlusses. Es liegt in diesem Fall kein notwendiger zwingender Grund vor, weshalb das Ermessen des Rechtspflegers bei seiner Entscheidung gebunden ist und er abzulehnen hat.


BGH, Beschluss vom 12.05.2016 – V ZB 141/15 -

Donnerstag, 15. September 2016

AGB: Schriftformerfordernis zur Kündigung bei Online-Vertrag unwirksam

Die Beklagte ist ein Telemediendienst, die unter anderem eine Partnerschaftsvermittlung über eine Internetseite betreibt. In ihren Geschäftsbedingungen findet sich u.a. zur Kündigung eines  Vertrages die Klausel:
"Die Kündigung der VIP- und/oder Premium-Mitgliedschaft bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (eigenhändige Unterschrift) und ist z.B. per Fax oder per Post an E.          GmbH (Adresse siehe Impressum) zu richten; die elektronische Form ist ausgeschlossen."

Die Klägerin, eine Verbraucherzentrale, erhob Klage auf Unterlassung der Nutzung der Klausel, da sie in der Klausel einen Verstoß gegen § 309 Nr. 13 BGB. . Das Landgericht gab der Klage statt, das OLG Hamburg hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Auf die Revision wurde die landgerichtliche Entscheidung wiederhergestellt.

Nach Auffassung des BGH steht der Klägerin ein Unterlassungsanspruch gem. § 1 UKlaG zu, da die Klausel unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 BGB sei. Unangemessenheit liege vor, wenn der Verwender bei der Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versuche, ohne ausreichend auf dessen Interessen Rücksicht zu nehmen. Dies sei hier der Fall, da die Klausel gerade im Hinblick auf die besondere des Zustandekommens des Vertrages (via Internet) und der Abwicklung desselben (via Internet) die Vertragspartner unangemessen benachteilige. Es sei kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, weshalb bei einer Beendigung des Vertragsverhältnisses durch den Kunden weitergehende Vorkehrungen erforderlich wären als bei dessen Begründung, bei der elektronisch nur wenige persönliche Datenübermittelt würden. Zwar müsse die Kündigung eindeutig zuzuordnen sein; hier würde die Möglichkeit der Bestätigung gegeben sein. Bei Zweifeln an der Authentizität der Kündigungserklärung bliebe im übrigen die Möglichkeit, gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 BGB nachträglich eine den Erfordernissen des § 126 BGB entsprechende Beurkundung zu verlangen (also dann doch ein Schriftstück mit persönlicher Unterschrift).


BGH, Urteil vom 14.07.2016  - III ZR 387/15 -

Dienstag, 13. September 2016

Keine Vorfahrt des einen gemeinsamen Geh- und Radweg entgegen der Fahrtrichtung ("links) nutzenden Radfahrers

Die Klägerin fuhr auf einem gemeinsamen Geh- und Radweg, allerdings auf der linken Fahrbahnseite, obwohl in dieser Fahrtrichtung der Weg zum Befahren mit Rädern nicht freigegeben war. Sie wollte dann im Einmündungsbereich einer untergeordneten Straße diese überqueren, um auf der anderen Seite weiterzufahren; auf der anderen Seite war kein Radweg ausgewiesen. Beim überqueren  der Einmündung kam es zu einer Kollision mit einem aus der untergeordneten Straße auf die Vorfahrtsstraße auffahrenden Verkehrsteilnehmer. Die Klage gegen diesen wurde mit einer Quote von 75% vom OLG München abgewiesen.

Der BGH hatte bereits mit Beschluss vom 15.07.1986 – 4 StR 192/86 – entschieden, dass ein Radfahrer auf einer Vorfahrtsstraße auch dann sein Vorfahrtsrecht gegenüber kreuzenden bzw. einbiegenden Verkehrsteilnehmern  behalte, wenn er den linken von zwei vorhandenen  Radwegen benutze, der nicht nach § 2 Abs. 4 S. 2 StVO für die Gegenrichtung freigegeben ist. Dies begründete der BGH mit der notwendigen Klarheit von Verkehrsregeln.

Das OLG führte aus, dass mangels eines Radweges auf der Fahrbahn vorliegend die benannten Entscheidung des BGH nicht einschlägig sei. Die Klägerin wäre wie ein Fußgänger gegenüber dem Fahrzeugverkehr wartepflichtig gewesen, da weder § 9 Abs. 3 S. 2 noch § 26 StVO einschlägig wären (also deren Voraussetzungen nicht vorlagen) und die Vorfahrtsregeln nur gegenüber fahrzeugen und nicht gegenüber Fußgängern gelten würden.

Da darüber hinaus die Klägerin mit 18km/h sehr schnell gefahren wäre und für den Kraftfahrer – wenn überhaupt – kaum noch eine Reaktionsmöglichkeit bestanden habe, sah das OLG eine Haftung auf Beklagtenseite lediglich in Höhe von 25% als gegeben an.

Anmerkung: Soweit ersichtlich, hat das OLG die Revision nicht zugelassen. Dies wäre aber m.E. erforderlich gewesen, da mit dieser Entscheidung entgegen den Ausführungen im Urteil des OLG  von der rechtlichen Würdigung des 4. Strafsenats des BGH aus dem Jahr 1986 abgewichen wurde. In beiden Fällen wurde ein „Weg“ entgegen der Fahrtrichtung genutzt, im Fall des BGH ein ausgewiesener Radweg, im Fall des OLG ein ausgewiesener gemeinsamer Geh- und Radweg. Auch im Falle des BGH ergibt sich nicht, dass der Radweg auf der Straße fortgesetzt wurde.  Alleine der Umstand, dass es sich hier im Fall des OLG um einen gemeinsamen Fuß- und Radweg handelte lässt sich nicht schlussfolgern, dass für diesen nicht auch die Regelungen zur Vorfahrt an Kreuzungen und Einmündungen wie bei alleine zur Radbenutzung freigegebenen Bereichen gelten sollte; dies unabhängig von der wechselseitigen Rücksichtnahme auf dem gemeinsamen Geh- und Radweg. Denn die Gemeinsamkeit der Nutzung hat nichts mit der Widmung auch zu Zwecken des Radverkehrs zu tun.


OLG München, Urteil vom 05.08.2016 – 10 U 4616/16 -

Montag, 12. September 2016

Abtretung von Schadensersatzansprüchen zur Sicherung von Sachverständigenhonorar

Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls beauftragte den Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens. Bei Auftragserteilung  unterschrieb er eine Sicherungs-Abtretungserklärung, mit der er seine „Ansprüche gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten gegnerischen Fahrzeugs in Höhe des Honoraranspruchs zzgl. Fremdkosten einschließlich der Mehrwertsteuer des SV für die Erstellung des Beweissicherungsgutachtens erfüllungshalber“ an den Sachverständigen abtritt, und zwar „in der Reihenfolge: Sachverständigenkosten, Wertminderung, Nutzungsausfallsentschädigung, Nebenkosten, Reparaturkosten. Dabei wird eine nachfolgende Position nur abgetreten, wenn die zuvor genannte Position nicht ausreicht, um den gesamten Honoraranspruch des Sachverständigen zu decken. Sollte die Abtretung der Ansprüche den tatsächlichen Honoraranspruch übersteigen, erfolgt die Abtretung dergestalt, dass hinsichtlich der zuletzt abgetretenen Anspruchsposition ein erstrangiger Teilbetrag in Höhe des restlichen Sachverständigenhonorars abgetreten wird.“


Die Klägerin, eine über eine Inkassoerlaubnis nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG verfügende Einzugsstelle, machte die Honoraransprüche des Sachverständigen gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung geltend. Amtsgericht und Landgericht haben die Klage abgewiesen. Die zugelassene Revision führte zur Abweisung derselben. Der BGH verwies darauf, dass die Zession unwirksam sei. Es handele sich hier um eine überraschende Klausel gem. § 305c Abs. 1 BGB.

Die hier vorgenommene Art der Abtretung von Ersatzansprüchen stelle eine so weitgehende Sicherung des Sachverständigenhonorars dar, dass die Klausel deutlich von den Erwartungen eines Vertragspartners (abzustellen ist hier auf den typischen Personenkreis, der mit dieser Klausel konfrontiert wird) abweiche. Zwar sei nicht überraschend, dass der Geschädigte seinen möglichen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegen den Unfallgegner und seinen Versicherer abtrete. Überraschend sei aber die Abtretung der weiteren Ansprüche. Wenn, wie es in der Praxis häufiger vorkommt, die Höhe des Sachverständigenhonorars streitig ist, könne der Sachverständige bei einer Klausel wie vorliegend, statt dies gerichtlich klären zu lassen, schlicht auf die weiteren abgetretenen Ansprüche rekrutieren, um seinen Anspruch vollumfänglich durchzusetzen. Davon würde aber der Zedent nicht ausgehen, der vielmehr der Ansicht ist, dass die Höhe des Honrars in Ordnung sei und der gegnerische Haftpflichtversicherer dies akzeptiere und von daher die Einforderung durch den Sachverständigen für ihn  keine Verschlechterung bezüglich der weiteren Schadenspositionen bedeute.


BGH, Urteil vom 21.06.2016 – VI ZR 475/15 -

Sonntag, 11. September 2016

Mieters Vorkaufsrecht bei Realteilung, § 577 BGB

§ 577 BGB regelt das Vorkaufsrecht des Mieters im Falle des Verkaufs einer Eigentumswohnung für den Fall, dass nach Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet wird und es sich um den ersten Verkauf dieser Wohnung handelt.

Die Klägerin war Mieterin eines Hauses in einer Siedlung ehemaliger Zolldienstwohnungen. Die Eigentümerin (Beklagte) veräußerte mit einem Kaufvertrag vom 14.12.2012 das Gesamtgrundstück, auf dem mehrere Häuser, u.a. das von der Klägerin gemietete Haus standen, an fünf Ehepaare dergestalt, dass das Gesamtgrundstück und die Grundstücksteilflächen als Kaufgegenstand bezeichnet wurden und in einem gesonderten Paragraphen geregelt wurde, dass in einem dem Vertrag beigefügten Lageplan noch nicht vermessene farblich markierte Teilflächen bestimmten Käufern zuzuordnen sind, im übrigen eine Gemeinschaftsfläche bilden. Zum Zwecke der Berechnung der Grunderwerbsteuer stellten die Käufer in einem weiteren gesonderten Paragraphen klar, dass der Gesamtpreis einschließlich Kosten in einem bestimmten Anteil von ihnen bezahlt wurde. Weiterhin wurde in dem Vertrag die Auflassung erklärt, und zwar dergestalt, dass das Eigentum in einem bestimmten Anteil an die jeweiligen Käufer (Eheleute) übergehen sollte. In einer weiteren Urkunde vereinbarten die Käufer die Miteigentumsrechte an den Gemeinshaftsflächen und führten in dessen Vorbemerkung aus, sie hätten das Grundstück zu „Eigentum in Teilflächen“ erworben.

Die Klägerin berief sich auf § 577 BGB und machte einen Anspruch auf Auflassung an sich geltend. Das Amtsgericht gab der Klage statt, das Landgericht wies die Klage ab. Auf die zugelassene Revision hin stellte der BGH die amtsgerichtliche Entscheidung wieder her.

Der BGH hatte bereits in früheren Entscheidungen entschieden, das § 577 BGB nicht nur auf in Wohnungseigentum umzuwandelnde Objekte anwendbar wäre, sondern wegen der vergleichbaren Interessensklage auch auf die Realteilung unterschiedlich Grundstücke anwendbar sei (Urteile vom 28.05.2016 – VIII ZR 126/07 – und 23.06.2010 – VIII ZR 325/09 -). Vorliegend wird vom BGH klargestellt, dass die Grundsätze zur Umwandlung in künftiges Wohnungseigentum auch dann beachtlich sind, wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages die Teilung noch nicht vollzogen ist. Allerdings muss sich aus dem Vertrag eine Verpflichtung des Verkäufers (wie hier) ergeben und die jeweiligen Flächen müssen sich aus dem Vertrag auch ermitteln lassen, wobei es nicht darauf ankommen könne, dass eine vollständige Übereinstimmung gegeben ist.

Da danach entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht das Gesamtgrundstück an die Käufer verkauft werden sollte, sondern nach dem objektiven Vertragswortlaut elf Einzelgrundstücke gebildet werden sollten und nur zwei Grundstücke im Interesse eines gemeinschaftlichen Zusammenlebens gemeinsam genutzt werden sollten, läge bereits mit dem Kaufvertrag die Verpflichtung des Beklagten zur Teilung des Grundstücks vor, aus dem er dann einzelne Grundstücke und Miteigentumsanteile an den gemeinschaftlichen Flächen veräußert. Der streitgegenständlich wesentliche Vekaufsgegenstand, das von der Klägerin angemietet Haus, wäre mit dem entsprechenden Grundstücksteil identisch; dass eine weitere Mietteilfläche nicht vom Kaufgegenstand umfasst ist (es handelt sich hier um die für die Gemeinschaft vorgesehene Fläche), sei unschädlich. Dies ergäbe sich aus §§ 577 Abs. 1 S. 3,  467 S. 1 BGB.

Auch wenn danach die benannte Teilfläche nicht dem Vorkaufsrecht nach § 467 BGB unterfallen würde, habe der Kläger gleichwohl einen Anspruch. Hier würden zugunsten des Klägers §§ 577 Abs. 1 S. 3, 467 S. 2 BGB analog greifen (zur Analogie BGH vom 10.10.1969 – V ZR 155/66 -). Denn die Beklagte habe von der ihr als Vorkaufsverpflichteter von dem ihm eingeräumten Recht Gebrauch gemacht, den Vorkauf auf alle Teilflächen zu erstrecken, die nicht ohne Nachteile für sie getrennt werden können. Dieses sei von der Klägerin aufgegriffen worden.


BGH, Urteil vom 27.04.2016 – VIII ZR 61/15 -

Schmähkritik/Beleidigung versus Wahrnehmung berechtigter Interessen bei Justizkritik

Der Angeklagte hatte in einem Beschwerdeverfahren vor dem OLG München eine Anhörungsrüge erhoben, mit der er sich gegen die Nichteinleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer von ihm erstatten Strafanzeige und seiner Verwerfung seines Klageerzwingungsantrags durch das OLG wandte. Hier führte er u.a. aus:

"Ihr Gefühl von Machtvollkommenheit kennt offenbar keine Grenzen, keine Scham. Anders ist es nicht zu erklären, dass Sie … den reinen Unsinn fabrizieren. ..
Der Unterschied zwischen Ihnen und Roland Freisler liegt in Folgendem: Während Roland Freisler im Gerichtssaal schrie und tobte und überhaupt keinen Wert darauf legte, das von ihm begangene Unrecht in irgendeiner Weise zu verschleiern, gehen Sie den umgekehrten Weg: Sie haben sich ein Mäntelchen umgehängt, auf dem die Worte "Rechtsstaat" und "Legitimität" aufgenäht sind. Sie hüllen sich in einen Anschein von Pseudolegitimität, die sie aber in Wahrheit in keiner Weise für sich beanspruchen können. Denn in Wahrheit begehen Sie - zumindest in diesem vorliegenden Justizskandal - genauso schlicht Unrecht, wie es auch Roland Freisler getan hat. So betrachtet ist das Unrecht, das Sie begehen noch viel perfider, noch viel abgründiger, noch viel hinterhältiger als das Unrecht, das ein Roland Freisler begangen hat: Bei Roland Freisler kommt das Unrecht sehr offen, sehr direkt, sehr unverblümt daher. Bei Ihnen hingegen kommt das Unrecht als unrechtmäßige Beanspruchung der Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie daher: Sie berufen sich auf die Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, handeln dem aber - zumindest in dem vorliegenden Justizskandal - zuwider.".

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen Beleidigung. Die Berufung wurde vom Landgericht verworfen. Im Rahmen der von ihm erhobenen Revision zum OLG, mit der er u.a.  geltend machte, dass seine Anhörungsrüge, die beanstandet wurde, eine Änderung der Sachentscheidung bezwecken sollte und das Landgericht die Reichweite der Meinungsfreiheit von Rechtsanwälten im Lichte der Rechtsprechung des EGMR verkannt habe. Auf die Revision wurde das Urteil aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Landgericht (zu einer anderen Strafkammer) zurückverwiesen.

Vom OLG wurde darauf hingewiesen, dass § 193 StGB eine Ausprägung des Grundrechts auf freie Meinungsfreiheit sei, Art. 5 Abs. 1 GG. Dieses Grundrecht wäre allerdings nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze, so dem Strafrecht, gewährleistet. Diese allgemeinen Gesetze müssten allerdings im Lichte des Grundrechts im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat ausgelegt werden.

Eine ehrverletzende Äußerung läge dann vor, wenn die Grenze zur Schmähkritik überschritten sei. Selbst eine überzogene und eine ausfällige Kritik mache allerdings diese noch nicht zu Schmähkritik. Diese läge nur vor, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung mit der Sache , sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund stünde. Hier habe sich der Angeklagte konkret im Zusammenhang mit dem Verfahren unter Bezugnahme auf vorherige Schreiben geäußert und ausgeführt, dass er das Vorgehen des Landgerichts im Zivilverfahren und der Staatsanwaltschaft für rechtswidrig hält und sein Unverständnis darüber zum Ausdruck über den Senat des OLG zum Ausdruck gebracht, der in keine Sachprüfung einstieg. Von daher könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine Diffamierung von Mitgliedern des Senats im Vordergrund stand. Zwar habe der Angeklagte harsche Worte gebraucht; allerdings sei deswegen die Grenze zur Schmähkritik nicht überschritten, da die mittelbare Kritik an der Person nicht die sachliche Kritik in den Hintergrund treten ließ. Auch könne dem Landgericht bei seiner Begründung der Zurückweisung der Berufung nicht gefolgt werden, dass das beanstandete Schreiben keine verfahrensrelevante Bedeutung mehr gehabt habe: Das Landgericht habe damit das Wesen der Anhörungsrüge verkannt, die bei Vorliegen einer hier behaupteten Verletzung rechtlichen Gehörs zur Nachprüfung der Entscheidung zwinge.


OLG München, Beschluss vom 11.07.2016 – 5 OLG 13 Ss 244/16 -