Der Angeklagte hatte in einem Beschwerdeverfahren
vor dem OLG München eine Anhörungsrüge erhoben, mit der er sich gegen die Nichteinleitung
eines Ermittlungsverfahrens wegen einer von ihm erstatten Strafanzeige und
seiner Verwerfung seines Klageerzwingungsantrags durch das OLG wandte. Hier
führte er u.a. aus:
"Ihr Gefühl von Machtvollkommenheit
kennt offenbar keine Grenzen, keine Scham. Anders ist es nicht zu erklären,
dass Sie … den reinen Unsinn fabrizieren. ..
Der Unterschied zwischen Ihnen und Roland Freisler liegt in Folgendem: Während Roland Freisler im Gerichtssaal schrie und tobte und
überhaupt keinen Wert darauf legte, das von ihm begangene Unrecht in
irgendeiner Weise zu verschleiern, gehen Sie den umgekehrten Weg: Sie haben
sich ein Mäntelchen umgehängt, auf dem die Worte "Rechtsstaat" und
"Legitimität" aufgenäht sind. Sie hüllen sich in einen Anschein von
Pseudolegitimität, die sie aber in Wahrheit in keiner Weise für sich
beanspruchen können. Denn in Wahrheit begehen Sie - zumindest in diesem
vorliegenden Justizskandal - genauso schlicht Unrecht, wie es auch Roland Freisler getan hat. So betrachtet ist das Unrecht, das Sie begehen noch viel perfider,
noch viel abgründiger, noch viel hinterhältiger als das Unrecht, das ein Roland Freisler begangen hat: Bei Roland Freisler kommt das Unrecht sehr offen, sehr direkt, sehr
unverblümt daher. Bei Ihnen hingegen kommt das Unrecht als unrechtmäßige
Beanspruchung der Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie daher: Sie
berufen sich auf die Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, handeln dem
aber - zumindest in dem vorliegenden Justizskandal - zuwider.".
Das Amtsgericht verurteilte den
Angeklagten wegen Beleidigung. Die Berufung wurde vom Landgericht verworfen. Im
Rahmen der von ihm erhobenen Revision zum OLG, mit der er u.a. geltend machte, dass seine Anhörungsrüge, die
beanstandet wurde, eine Änderung der Sachentscheidung bezwecken sollte und das
Landgericht die Reichweite der Meinungsfreiheit von Rechtsanwälten im Lichte
der Rechtsprechung des EGMR verkannt habe. Auf die Revision wurde das Urteil
aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das
Landgericht (zu einer anderen Strafkammer) zurückverwiesen.
Vom OLG wurde darauf hingewiesen,
dass § 193 StGB eine Ausprägung des Grundrechts auf freie Meinungsfreiheit sei,
Art. 5 Abs. 1 GG. Dieses Grundrecht wäre allerdings nur im Rahmen der
allgemeinen Gesetze, so dem Strafrecht, gewährleistet. Diese allgemeinen
Gesetze müssten allerdings im Lichte des Grundrechts im freiheitlich-demokratischen
Rechtsstaat ausgelegt werden.
Eine ehrverletzende Äußerung läge
dann vor, wenn die Grenze zur Schmähkritik überschritten sei. Selbst eine
überzogene und eine ausfällige Kritik mache allerdings diese noch nicht zu
Schmähkritik. Diese läge nur vor, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung
mit der Sache , sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund stünde. Hier
habe sich der Angeklagte konkret im Zusammenhang mit dem Verfahren unter
Bezugnahme auf vorherige Schreiben geäußert und ausgeführt, dass er das Vorgehen des Landgerichts im Zivilverfahren und der Staatsanwaltschaft für rechtswidrig
hält und sein Unverständnis darüber zum Ausdruck über den Senat des OLG zum
Ausdruck gebracht, der in keine Sachprüfung einstieg. Von daher könne nicht
davon ausgegangen werden, dass eine Diffamierung von Mitgliedern des Senats im
Vordergrund stand. Zwar habe der Angeklagte harsche Worte gebraucht; allerdings
sei deswegen die Grenze zur Schmähkritik nicht überschritten, da die mittelbare
Kritik an der Person nicht die sachliche Kritik in den Hintergrund treten ließ.
Auch könne dem Landgericht bei seiner Begründung der Zurückweisung der Berufung
nicht gefolgt werden, dass das beanstandete Schreiben keine verfahrensrelevante
Bedeutung mehr gehabt habe: Das Landgericht habe damit das Wesen der
Anhörungsrüge verkannt, die bei Vorliegen einer hier behaupteten Verletzung
rechtlichen Gehörs zur Nachprüfung der Entscheidung zwinge.
OLG München, Beschluss vom 11.07.2016 – 5 OLG 13 Ss 244/16 -
Aus den Gründen:
Tenor
- I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 16. Februar 2016 mitsamt den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
- II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts München I zurückverwiesen.
Gründe
- Die zulässige Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), weil die Verurteilung des Angeklagten wegen Beleidigung auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht rechtsfehlerfrei erfolgt ist.
- I.
- Das Amtsgericht München hat den Angeklagten nach einem vorangegangenen Strafbefehlsverfahren am 2. Oktober 2015 wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 100 € verurteilt. Die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht München I am 16. Februar 2016 verworfen.
- Den Verurteilungen lag zugrunde, dass der Angeklagte in einer in einem Beschwerdeverfahren beim Oberlandesgericht München erhobenen Anhörungsrüge vom 16. Februar 2015, in der er sich mit der Nichteinleitung eines Ermittlungsverfahrens hinsichtlich einer von ihm erhobenen Strafanzeige und der Verwerfung seines diesbezüglichen Klageerzwingungsantrages durch das Oberlandesgericht beschäftigt, u. a. ausführte:
- "Ihr Gefühl von Machtvollkommenheit kennt offenbar keine Grenzen, keine Scham. Anders ist es nicht zu erklären, dass Sie … den reinen Unsinn fabrizieren. (…)
- Der Unterschied zwischen Ihnen und Rxx Fxx liegt in Folgendem: Während Rxx Fxx im Gerichtssaal schrie und tobte und überhaupt keinen Wert darauf legte, das von ihm begangene Unrecht in irgendeiner Weise zu verschleiern, gehen Sie den umgekehrten Weg: Sie haben sich ein Mäntelchen umgehängt, auf dem die Worte "Rechtsstaat" und "Legitimität" aufgenäht sind. Sie hüllen sich in einen Anschein von Pseudolegitimität, die sie aber in Wahrheit in keiner Weise für sich beanspruchen können. Denn in Wahrheit begehen Sie - zumindest in diesem vorliegenden Justizskandal - genauso schlicht Unrecht, wie es auch Rxx Fxx getan hat. So betrachtet ist das Unrecht, das Sie begehen noch viel perfider, noch viel abgründiger, noch viel hinterhältiger als das Unrecht, das ein Rxx Fxx begangen hat: Bei Rxx Fxx kommt das Unrecht sehr offen, sehr direkt, sehr unverblümt daher. Bei Ihnen hingegen kommt das Unrecht als unrechtmäßige Beanspruchung der Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie daher: Sie berufen sich auf die Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, handeln dem aber - zumindest in dem vorliegenden Justizskandal - zuwider.".
- Das Landgericht hat ausgeführt, dass durch die Äußerung des Angeklagten der Tatbestand des § 185 StGB erfüllt sei. Es lägen objektiv beleidigende Äußerungen vor, die nicht nach § 193 StGB gerechtfertigt seien. Zwar handele es sich nicht um reine Schmähkritik, die gebotene Abwägung ergebe aber, dass hier die persönliche Ehre der Betroffenen die Meinungsfreiheit des Angeklagten überwiege. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass das Schreiben keine verfahrensrechtliche Relevanz mehr gehabt habe, weil eine anders geartete Entscheidung in der Sache nicht mehr möglich gewesen sei.
- Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten, die die Verletzung materiellen Rechts rügt und in diesem Rahmen insbesondere beanstandet, dass der Angeklagte mit seiner Anhörungsrüge sehr wohl noch eine Änderung der Sachentscheidung bezwecken wollte und dass das Landgericht die Reichweite der Meinungsfreiheit von Rechtsanwälten im Lichte der Rechtsprechung des EGMR verkannt habe.
- Die Generalstaatsanwaltschaft hält die Revision für offensichtlich unbegründet. Sie meint, es handele sich bereits um Schmähkritik.
- II.
- Die erhobene Sachrüge ist begründet. Die Revision rügt im Ergebnis zu Recht, dass das Berufungsgericht die Abwägung im Rahmen des § 193 StGB rechtsfehlerhaft vorgenommen hat.
- 1. § 193 StGB ist eine Ausprägung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Allerdings gewährleistet Art. 5 Abs. 2 GG das Grundrecht der freien Meinungsäußerung nur in den Schranken der allgemeinen Gesetze, zu denen auch die Strafgesetze gehören. Hierin liegt jedoch keine einseitige Beschränkung der Geltungskraft des Grundrechts. Vielmehr müssen auch die allgemeinen Gesetze im Licht der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden (BayObLGSt 1994, 121,123; BayObLGSt 2004, 133, 137f.).
- Eine ehrverletzende Äußerung ist allerdings dann nicht mehr hinzunehmen, wenn mit ihr die Grenze zur Schmähkritik überschritten wird. Selbst eine überzogene und ausfällige Kritik macht für sich genommen eine Äußerung noch nicht zur Schmähkritik. Eine herabsetzende Äußerung nimmt erst dann den Charakter einer Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. im Einzelnen BayObLGSt 2001, 92ff.). Der Begriff ist eng auszulegen (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 193 Rdn. 18).
- 2. Der Angeklagte hat sich hier im Zusammenhang mit einem konkreten, noch anhängigen Gerichtsverfahren im Rahmen eines Rechtsbehelfs nach § 33a StPO geäußert. Er hat unter Bezugnahme auf vorherige Schreiben umfassend ausgeführt, dass er das Vorgehen des Landgerichtes im Zivilverfahren und der Staatsanwaltschaft für rechtswidrig hält und sein Unverständnis über die Entscheidung des Senats, der in keine Sachprüfung eingetreten ist, geäußert. Wegen dieser Anlassbezogenheit der Äußerungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Diffamierung der einzelnen Mitglieder des Strafsenates im Vordergrund stand. Zwar hat der Angeklagte im Rahmen seiner Kritik harsche Worte gebraucht. Die Grenze zur Schmähkritik ist jedoch entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft nicht überschritten, weil nicht erkennbar ist, dass die mittelbar durch die Kritik an der Vorgehensweise des Senates bewirkte Kritik an der Person das sachliche Anliegen vollständig in den Hintergrund treten ließe. Um Formalbeleidigungen handelt es sich bei den hier streitgegenständlichen Äußerungen nicht.
- 3. Wie auch das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zunächst zutreffend ausführt, steht im Rahmen der dann bei der Prüfung von § 193 StGB erforderlichen Güter- und Pflichtenabwägung (vgl. Fischer aaO § 193 Rdn. 9 m. w. N.) dem vom Bundesverfassungsgericht (vgl. BayObLGSt 2004, 133, 138) betonten Recht des Bürgers, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt auch mit drastischen Worten zu kritisieren, die Ehrverletzung der Mitglieder des Strafsenates gegenüber.
- Der Abwägungsvorgang des Landgerichtes ist allerdings schon deshalb zu beanstanden, weil es davon ausgeht, dass das Schreiben des Angeklagten keine verfahrensrechtliche Relevanz mehr hatte und die Ausführungen in der Sache selbst nicht mehr dienlich war (UA S. 11). Damit wird das Wesen der Anhörungsrüge verkannt, die bei Vorliegen einer hier behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs auch zur Nachprüfung der bereits getroffenen Sachentscheidung zwingt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 33a Rdn. 9). Wie jedoch bereits ausgeführt, ist der Umfang der Sach- und Verfahrensbezogenheit der Äußerung bereits bei der Bestimmung der Grenze zur Schmähkritik, aber auch bei der Abwägung im engeren Sinne von entscheidender Bedeutung, so dass hierin ein erheblicher Rechtsfehler der Kammer zu sehen ist.
- Zwar ist die Abwägung grundsätzlich eine reine Rechtsfrage, so dass sie auch der Senat vornehmen könnte (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 07.02.2014, 1 Ss 599/13, zitiert nach juris, Rdn. 21). Hierfür fehlt allerdings vorliegend die Tatsachengrundlage, weil in der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts weder das vollständige Rügeschreiben des Angeklagten noch der vorangegangene und der über die Anhörungsrüge entscheidende Beschluss des Oberlandesgerichts wiedergegeben sind.
- III.
- Da somit eine eigene Sachentscheidung des Senates ausscheidet, ist das angefochtene Urteil wegen der aufgezeigten Mängel aufzuheben (§ 353 StPO) und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts München I zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).
- Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass unter Berücksichtigung der festzustellenden genauen "Vorgeschichte" der Äußerung und ihres Kontextes zunächst genauer festzulegen sein wird, wie diese zu deuten ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16.10.1998, 1 BvR 590/96 (dort Rdn. 17ff.), und vom 10.03.2009, 1 BvR 2650/05 (dort Rdn. 27ff.), jeweils zitiert nach juris). Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird vor dem Hintergrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung außerdem zu beachten haben, dass Ehrbeeinträchtigungen gegenüber der Meinungsäußerungsfreiheit in der Regel dann zurücktreten müssen, wenn der Vorwurf Teil einer umfassenderen Meinungsäußerung ist, die der Durchsetzung legitimer eigener Rechte im gerichtlichen Verfahren dient und jedenfalls aus Sicht des Äußernden nicht völlig aus der Luft gegriffen ist (vgl. BayObLGSt 2001, 92, 100). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Richter schon von Berufs wegen in der Lage und auch gehalten ist, überpointierte Kritik an seiner Arbeit beim "Kampf um das Recht" auszuhalten (BayObLGSt 2001, 92, 100; OLG Naumburg, StraFo 2012, 283f.; vgl. auch OLG München (4. Strafsenat) vom 30.07.2013, 4 StRR 148/13).
Die Vorgeschichte ist ein bisschen stiefmütterlich abgehandelt: Der wegen Beleidigung angeklagte Rechtsanwalt hatte in dem Gerichtsverfahren geltend gemacht, dass die Staatsanwaltschaft München I verpflichtet gewesen war, der gegen einen Münchner Zivilrichter erstatteten Strafanzeige wegen Rechtsbeugung ernsthaft nachzugehen. Die Münchner Staatsanwaltschaft indes eröffnete noch nicht einmal ein Ermittlungsverfahren. Auch sonst unternahm die Staatsanwaltschaft München I - obwohl der angeklagte Rechtsanwalt den Vorwurf der Rechtsbeugung ausführlich und detailliert begründet hatte - keinerlei Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts. Deshalb sind die strafrechtlichen Vorwürfe gegen den Münchner Zivilrichter mittlerweile verjährt.
AntwortenLöschenDer Vorwurf der Rechtsbeugung gründete sich seinerzeit auf eine vollständige Nichtlektüre der Akten des Zivilprozesses. Der Münchner Zivilrichter hatte aus den umfangreichen Akten des Zivilprozesses lediglich eine exakt elf Seiten lange Stichprobe gezogen.
Im Strafverfahren gegen den angeklagten Rechtsanwalt wegen Beleidigung war der Sachverhalt, der die Rechtsbeugung des Münchner Zivilrichters begründet hatte, sowohl vom Amtsgericht in erster Instanz als auch vom Landgericht in zweiter Instanz als wahr unterstellt worden.
Und es macht Sinn, wenn Sie im zweiten Absatz Ihres Artikels den Namen "Roland Freisler" ausschreiben. Ein Geheimhaltungsbedürfnis besteht nicht und es ist für das Textverständnis förderlich.
AntwortenLöschenDer Anregung von RA Würdinger wurde gefolgt. Der Vergleich mit Roland Freisler verdeutlicht die Tragweite der beanstandeten Ausführungen.
AntwortenLöschenDiese Entscheidung ist vor allem veröffentlicht in NJW 2016, 2759 mit Anmerkung Putzke. In Anwaltsblatt 2016, 767 findet sich eine kurze Besprechung. Ferner ist die Entscheidung Gegenstand der beiden Wikipedia-Artikel "Wahrnehmung berechtigter Interessen" und "Sachlichkeitsgebot".
AntwortenLöschenMittlerweile hat Wikipedia diese Gerichtsentscheidung aus sämtlichen einschlägigen Wikipedia-Artikeln ersatzlos entfernt. Eine nachvollziehbare Begründung hierfür ist nicht ersichtlich.
AntwortenLöschenDie 24. Strafkammer des Landgerichts München I wird am Montag, den 14.11.2016 weiter über den Fall verhandeln.
AntwortenLöschenWegen der Fülle der von der 24. Strafkammer des Landgerichts München I zu lesenden "Vorgeschichte" wird die Hauptverhandlung am Mittwoch, den 30.11.2016 fortgesetzt.
AntwortenLöschenDas Landgericht München I hat mit Urteil vom 30.11.2016 die Verurteilung des Amtsgerichts München zu 60 Tagessätzen bestätigt, Revision ist eingelegt.
AntwortenLöschenDie eigentliche Grundlage der Verurteilung ist hier im Grunde genommen ein autoritäres Staatsverständnis: Der autoritäre Staat zeichnet sich dadurch aus, dass er jederzeit die Möglichkeit hat, nach seinem Belieben Kritik an sich und seinen Vertretern zu unterdrücken. Aus der Sicht des autoritären Staates ist jede Art von Freiheit eine Gnade, die er gewährt oder nicht gewährt, ganz nach seinem Belieben. Nach diesem Staatsverständnis gibt es keine echten Grundrechte des Bürgers, schon gar nicht ein Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Indem also der Staat eine Verurteilung ausspricht, mit der er das Grundrecht des Bürgers auf Meinungsfreiheit negiert, gibt er sich als autoritärer Staat zu erkennen.
AntwortenLöschenDas Urteil des LG München I vom 30.11.2016 steht in offenem Widerspruch zu der einhelligen Rechtsprechung zum Problemkreis "Schmähung versus Justizkritik". Als jüngstes Beispiel dieser Rechtsprechung sei genannt der Beschluss des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen vom 8.1.2016, 2 AGH 18/15, abgedruckt in Anwaltsblatt 2016, 293.
AntwortenLöschenInzwischen hatte ich Gelegenheit, das zu verifizieren: Die betreffende Entscheidung ist tatsächlich in den BRAK-Mitteilungen erschienen.
AntwortenLöschen... Und eine elektronische Fassung hätte ich auch noch für Sie:
AntwortenLöschenhttps://www.justiz.nrw.de/nrwe/anwgh/j2016/2_AGH_18_15_AGH_NRW_Beschluss_20160108.html
Das Urteil des Landgerichts München I vom 30.11.2016 im Volltext:
AntwortenLöschenhttp://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2016-N-110444?hl=true
Es geht hier sehr grundsätzlich um die Meinungsfreiheit: Sie werden sehen, es geht hier sehr viel einschneidender um die Meinungsfreiheit als etwa im vielzitierten Fall Böhmermann versus Erdogan. Der allererste Aufsatz in der NJW nach dem Krieg (aus der Feder von Herrn Kollegen Dr. Lewald) trug deshalb seinerzeit auch den Titel "Freiheit der Advokatur - die wir meinen." Um nichts Geringeres geht es auch hier: Um die Freiheit der Advokatur!
AntwortenLöschenDas Urteil des Landgerichts München I vom 30.11.2016 ist im wesentlichen wie folgt aufgebaut:
1. Die Rechtsausführungen des 5. Strafsenats des OLG München in seinem Beschluss vom 11.7.2016 (s.o.). Das OLG referiert darin im wesentlichen die einhellige Rechtsprechung zum Problemkreis "Schmähung versus Justizkritik". Danach hätte auch im vorliegenden Fall unabweislich ein Freispruch erfolgen müssen, S. 8 - 10
2. Das Urteil des Vorsitzenden Richters der 34. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 16.8.2010 (Az. 34 O 20011/08) als Einzelrichter. Jeder Idiot kann sehen, dass der Vorsitzende Richter die Akten nicht gelesen hat. Es handelt sich um eine strafbare Rechtsbeugung durch Nichtlektüre der Gerichtsakten. Das ist der Ausgangspunkt aller nachfolgenden Verfahren, S. 13 - 19
3. Die Strafanzeige wegen Rechtsbeugung vom 16.9.2014, S. 19 - 33
4. Die Verfügung der StA vom nächsten Tag, vom 17.9.2014: Keine Einleitung des Ermittlungsverfahrens, keinerlei Maßnahmen zur Unterbrechung der Verjährung, S. 36 - 37
5. Die Beschwerdebegründung zur GenStA vom 1.10.2014, S. 41 - 50
6. Der Schriftsatz zum OLG zur Erzwingung der Ermittlungen wegen Rechtsbeugung vom 27.10.2014, S. 51 - 85
7. Die Ablehnung der Richter des 2. Strafsenats des OLG München wegen Besorgnis der Befangenheit vom 3.11.2014, S. 86 - 89
8. Der weitere ergänzende Schriftsatz zum OLG vom 29.12.2014, S. 93 - 111
9. Der Beschluss des OLG vom 5.2.2015, S. 113 - 117
10. Die Anhörungsrüge vom 16.2.2015, S. 117 - 122
11. Die "rechtliche Würdigung" des Urteils vom 30.11.2016, S. 130 - 137: Das Urteil setzt sich damit in offenen Widerspruch zum Beschluss des OLG vom 11.7.2016 und zu der einhelligen Rechtsprechung zu Art. 5 GG.
Das Urteil des Landgerichts München I vom 30.11.2016 ist auch abrufbar (hoffentlich in besserer Qualität!) unter BeckRS 2016, 110444
Im folgenden versuche ich zu erklären, wie die drei Begriffe
AntwortenLöschen"Meinungsfreiheit"
"Persönliches Risiko" und
"Machthaber"
zusammenhängen. Ich nehme dazu drei Personen mit ihren drei Berufen:
I. Asli Erdogan, Beruf: Schriftstellerin
Lesen Sie dazu in der FAS auf Seite 44 das Interview mit Asli Erdogan. Ich fasse kurz zusammen: Asli Erdogan war 132 Tage in einem türkischen Gefängnis gesessen. Ihr "Verbrechen" bestand darin, für die kurdische Zeitung "Özgür Gündem" eine Kolumne verfasst zu haben. "Kolumnen verfassen" gehört dabei durchaus zum Berufsbild einer Schriftstellerin. Asli Erdogan steht eine Anklage nach Art. 302 des türkischen StGB ins Haus.
Jetzt untersuchen wir doch mal diesen Sachverhalt anhand der Parameter
"Meinungsfreiheit"
"Persönliches Risiko" und
"Machthaber"
Als Schrifttstellerin, die eine Zeitungs-Kolumne verfasst, geniest Asli Erdogan das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Sie geht dabei, wie ihre 132-tägige Inhaftierung und die drohende Strafanklage nach Art. 302 zeigen, ein sehr hohes persönliches Risiko ein. Und, vor allem, sie bietet dem türkischen Machthaber R.T. Erdogan die Stirn, dem Machthaber ihres eigenen Landes, dem sie - so wie die Dinge z.Z. in der Türkei liegen - hilflos ausgeliefert ist.
II. Jan Böhmermann, Beruf: Witzchen-Macher
In einer Schaukeltheorie-Klausur an der Uni machen Jura-Studenten jetzt bei Art. 5 GG ein Pluszeichen. Aber wie steht es um den Parameter "Persönliches Risiko"? Bö ist beim ZDF angestellt. Das ZDF hat, so darf ich annehmen, eine funktionierende Presserechts-Abteilung. Bö ist also ein, sagen wir mal, überschaubares persönliches Risiko eingegangen. Die Rechnung mit der beschränkten Haftung ging auch tadellos auf, das Ermittlungsverfahren wg. § 185 StGB wurde schneller eingestellt, als man schauen konnte. Und der "Machthaber" im Stück? Der sitzt weit weg in einem anderen Land, ist sowieso der Buhmann und sowieso zum Abschuss in Deutschland freigegeben.
III. Alexander Würdinger, Beruf: Rechtsanwalt
Meinungsfreiheit? Eigentlich habe ich nur meinen Job gemacht. Eigentlich habe ich nur einen Schriftsatz verfasst, in dem ich nochmal meine Argumente zusammengefasst habe und mir schließlich - gegen Ende des Schriftsatzes - in Richtung Richterbank eine spitze Bemerkung erlaubt. Nebenbei bemerkt haben diese Bemerkung seinerzeit auch nur die unmittelbar Verfahrensbeteiligten gelesen, ich bin damit nicht hausieren gegangen. Allein schon das reicht nach der Rspr. des EGMR ohne weiteres zum Freispruch.
Persönliches Risko? Ich habe am 30. November vergangenen Jahres die inzwischen vierte Gerichtsverhandlung als "Angeklagter" auf der Anklagebank zugebracht. Sich stundenlang als "Angeklagter" dafür rechtfertigen zu sollen, warum man einen Anwalts-Schriftsatz so und nicht anders formuliert hat, das muss man mögen. Im Moment bin ich zu 60 Tagessätzen wegen "Beleidigung" verurteilt. Das Schöffengericht, das mich zuletzt wegen einer "Straftat" verurteilte, bestand aus zwei Hausfrauen und einem gelernten Juristen. Es muss also zumindest eine der beiden Hausfrauen für eine Verurteilung wegen "Beleidigung" gestimmt haben. Oder die beiden Hausfrauen haben den gelernten Juristen überstimmt. Wie auch immer.
"Machthaber"? Soll ich Ihnen jetzt von meinen beruflichen Erfahrungen mit der bayerischen Justiz aus den letzten fünfundzwanzig Jahren Anwaltstätigkeit berichten? Soll ich Ihnen etwas über die politischen Machtverhältnisse in Bayern und über den politischen Trimm der bayerischen Justiz erzählen? Es sind ja in meinem Fall zwei Faktoren, die zusammenkommen: Zum einen der Faktor, dass die Justiz über ihr eigenes Fehlverhalten urteilen soll. Zum anderen der Faktor, dass der Fall im Bundesland Bayern und in keinem anderen Bundesland spielt. Der Justiz welchen Bundeslandes würden Sie denn die meiste Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Objektivität etc. etc. zutrauen?
Ganz sicher nicht Bayern!
LöschenMein Verteidiger, Herr Kollege Hartmut Wächtler, hat gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 30.11.2016 mittlerweile eine sehr ausführliche Revisionsbegründung bei Gericht eingereicht. Im übrigen plane ich als nächsten Schritt die Strafanzeige gegen die Richter der Amtshaftungskammer des Landgerichts München I wegen gemeinschaftlicher Rechtsbeugung gem. §§ 339, 25 II StGB. Diese Strafanzeige werde ich mit einer erneuten Zahlungsaufforderung an die Adresse des Freistaat Bayern verbinden. Es geht um einen Schadensersatz in der Größenordnung von derzeit ca. 400.000,00 Euro. Die Ausarbeitung der Strafanzeige und der Zahlungsaufforderung wird allerdings noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Vor allem kann sich hier der Freistaat Bayern mangels jedweden Rechtsschutzbedürfnisses nicht auf die Rechtskraft der klageabweisenden Urteile der Amtshaftungskammer des Landgerichts München I berufen. Auch diesen Gesichtspunkt werde ich im Rahmen meiner Zahlungsaufforderung noch im einzelnen erläutern.
AntwortenLöschenAm 7.2.2017 ging bei mir ein Schreiben des Präsidenten des Landgerichts München I ein. Darin erklärt sich der Präsident des Landgerichts München I zur Zahlung eines Teilbetrags von € 658,99 bereit. Damit anerkennt der Präsident des Landgerichts München I konkludent die Berechtigung meines Schadensersanspruchs dem Grunde nach. Einer Zahlung des Gesamtschadensbetrags sollte deshalb nichts mehr im Wege stehen.
AntwortenLöschenAuf der Grundlage des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses habe ich am 14. Februar die Forderungsaufstellung zusammen mit allen erforderlichen Belegen beim Landgericht München I eingereicht. Es geht um einen Gesamtschadensbetrag von € 383.821,30. Ich habe Zahlungsfrist bis zum 31.3.2017 gesetzt.
AntwortenLöschenWas die bayerische Justiz in meinem Fall zum Umdenken veranlasst hat, kann ich nicht sagen. Im Fall Mollath jedenfalls war das Umdenken der bayerischen Justiz seinerzeit nach meiner Einschätzung im wesentlichen auf den Faktor öffentlicher Druck zurückzuführen. Von öffentlichem Druck kann allerdings in meinem Fall auch nicht ansatzweise die Rede sein. Was war dann die Ursache für das Umdenken der bayerischen Justiz? Vielleicht doch so etwas wie schlechtes Gewissen? Jedenfalls scheint jetzt die rein zivilrechtliche Seite der Angelegenheit geklärt zu sein, ich werde meinen wirtschaftlichen Schaden ersetzt bekommen. Aber wie steht es um die politische Komponente der Angelegenheit? Die Angelegenheit, die Sache mit dem Weißbierkarussell, hat nämlich durchaus auch eine politische Komponente. Die politische Komponente wird allerdings meiner Einschätzung nach erst dann zum Tragen kommen, wenn die Angelegenheit auch diejenige öffentliche Aufmerksamkeit gewinnt, die sie schon längst verdient.
AntwortenLöschenDas Urteil des Landgerichts München I vom 30.11.2016 ist nunmehr auch in Anwaltsblatt 2017, 328 in Kürze wiedergegeben und vor allem mit einer eingehenden Anmerkung der Redaktion des Anwaltsblatts versehen. Diese Anmerkung legt einen Freispruch durch den 5. Strafsenat des OLG München vom Vorwurf der Beleidigung nahe. Die Anmerkung wiederholt die wesentlichen Gesichtspunkte, die den Freispruch nahelegen:
AntwortenLöschen1.) Der Freispruch ist bereits deshalb unabweislich, weil es sich seinerzeit um ein reines Internum ohne jeden Öffentlichkeitsbezug handelte. Nur die unmittelbar Verfahrensbeteiligten, niemand sonst, hatte seinerzeit von dem inkriminierten Schriftsatz Kenntnis genommen. Dies war bereits in der Entscheidung des EGMR vom 12.1.2016 in der Sache Rodriguez Ravelo gegen Spanien, Beschwerde-Nr. 48074/10, der entscheidende Gesichtspunkt gewesen.
2.) Das LG listet zwar auf 140 Seiten das gesamte, der Abwägung zugrunde zu legende, Material auf, lässt dann aber dieses gesamte Material bei der Abwägung im Ergebnis gänzlich außer Acht. Hätte das LG das auf 140 Seiten aufgelistete Material auch nur ansatzweise bei der Abwägung berücksichtigt, hätte das LG zwingend zu dem Schluss kommen müssen, dass die Abwägung vernünftigerweise zugunsten des "Angeklagten" ausfallen muss.
3.) Das LG hat völlig außer Acht gelassen, dass bei dem inkriminierten Schriftsatz die Argumentation in der Sache ganz im Vordergrund stand, wie auch schon in den Schriftsätzen zuvor, die das LG 140 Seiten lang aufgelistet hat. Nach der einhelligen Rechtsprechung des EGMR und des BVerfG muss auch dieser Gesichtspunkt zwingend zu einem Freispruch vom Vorwurf der Beleidigung führen.
4.) Insgesamt kritisiert die Anmerkung mittels allerlei Umschreibungen vor allem, dass das LG die "Segelanweisung" des 5. Strafsenats des OLG München derart vollständig außer Acht gelassen hat. Angesichts dessen, so lautet wörtlich der Schlusssatz der Anmerkung, könne der 5. Strafsenat des OLG München "vermutlich in der Sache selbst entscheiden".
Die Entscheidung des 5. Strafsenats des OLG München vom 11.7.2016 zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gem. § 193 StGB bei einer Anhörungsrüge ist nunmehr auch abgedruckt in der Zeitschrift Strafverteidiger 2017, 183.
AntwortenLöschenDie Entscheidung des 5. Strafsenats des OLG München vom 11.7.2016 zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gem. § 193 StGB bei einer Anhörungsrüge, NJW 2016, 2759, wird zu den wichtigsten aktuellen Entscheidungen aus dem Bereich des Äußerungsrechts gerechnet, vgl. Sajuntz, Die aktuellen Entwicklungen des Presse- und Äußerungsrechts, NJW 2017, 698 (699).
AntwortenLöschenHerr Kollege Dr. Sascha Sajuntz fasst den Inhalt dieser Entscheidung wie folgt zusammen:
AntwortenLöschen"Auch die in einem Gerichtsverfahren vorgetragene Kritik an der Verfahrensführung, mit der das Vorgehen des Gerichts auf eine Ebene mit dem Rechtsverständnis des Volksgerichtshofs der NS-Zeit gestellt wird, kann nicht ohne Weiteres als strafwürdige Diffamierung eingestuft werden. Ehrbeeinträchtigungen müssen in der Regel zurücktreten, wenn sie Teil einer umfassenderen Meinungsäußerung sind, die der Durchsetzung eigener Rechte im gerichtlichen Verfahren dienen. Richtern sei von Berufs wegen zuzumuten, beim "Kampf ums Recht" auch überpointierte Kritik auszuhalten."
Natürlich überlege ich mir, wie die anstehende Entscheidung des OLG München aussehen könnte. Ich bin hierbei auf die Kommentierung bei Meyer-Goßner/Schmitt, Rn. 10 zu § 358 StPO gestoßen. Es heißt dort (unterlegt mit zahlreichen Nachweisen):
AntwortenLöschen"Bei erneuter Revision prüft das Revisionsgericht, wenn die Sachrüge erhoben ist, ob der Tatrichter in sachlich-rechtlicher Hinsicht die Bindungswirkung beachtet hat. ... Auch jedes neue Revisionsgericht ist an die Aufhebungsansicht des 1. Revisionsurteils gebunden. ... Diese Selbstbindung besteht auch, wenn das Revisionsgericht inzwischen seine dem Urteil zugrunde liegende Rechtsansicht aufgegeben hat."
Während Thomas Fischer bei der Kommentierung dieser Materie in den Rnrn. 28 ff zu § 193 StGB auf dem Stand von 2013 ist, ist der Wikipedia-Artikel über die Wahrnehmung berechtigter Interessen gem. § 193 StGB up to date mit folgender Kommentierung derselben Materie:
AntwortenLöschen"Ein weiteres Gebiet, in dem § 193 StGB Anwendung findet, sind Äußerungen von Rechtsanwälten im Rahmen der Ausübung eines Mandats. Auch diese sind, soweit es die Wahrnehmung des Anwaltsberufs erfordert, als Wahrnehmung berechtigter Interessen auch dann weitgehend straffrei, wenn sie eine Ehrverletzung darstellen.
Die Wahrnehmung berechtigter Interessen stellt hierbei die einfachrechtliche Umsetzung der Grundrechte des Art. 5 GG, Meinungsfreiheit, und des Art. 12 GG, Berufsausübungsfreiheit dar.[1]
Im Kampf um das Recht müssen durchaus starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte hingenommen werden.[2] Dies gilt auch für den Fall, dass ein Rechtsanwalt in eigener Sache tätig wird. An ihn dürfen keine höheren Anforderungen gestellt werden als an andere Rechtsanwälte im Rahmen der Wahrnehmung von Mandanteninteressen.[3]
Selbst eine überzogene und ausfällige Kritik macht für sich genommen eine Äußerung noch nicht zur Schmähkritik. Eine herabsetzende Äußerung nimmt erst dann den Charakter einer Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Der Begriff ist eng auszulegen. Die Grenze zur Schmähkritik ist nicht überschritten, wenn aus der Äußerung nicht erkennbar ist, dass die Kritik an der Person das sachliche Anliegen vollständig in den Hintergrund treten lässt. Bei der Bestimmung der Grenze zur Schmähkritik ist die Sach- und Verfahrensbezogenheit der Äußerung zu berücksichtigen. Ehrbeeinträchtigungen müssen gegenüber der Meinungsäußerungsfreiheit in der Regel dann zurücktreten, wenn der Vorwurf Teil einer umfassenderen Meinungsäußerung ist, die der Durchsetzung legitimer eigener Rechte im gerichtlichen Verfahren dient und jedenfalls aus Sicht des Äußernden nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Zudem ist ein Richter schon von Berufs wegen in der Lage und auch gehalten, überpointierte Kritik an seiner Arbeit beim "Kampf um das Recht" auszuhalten. [4]
Ein weiterer bedeutsamer Gesichtspunkt liegt darin, ob die beleidigende Äußerung lediglich Akteninhalt blieb und nur den Verfahrensbeteiligten zugänglich war, oder ob die beleidigende Äußerung nach außen trat. Blieb die beleidigende Äußerung Akteninhalt ohne Außenwirkung, liegt im Zweifel eine rechtfertigende Wahrnehmung berechtigter Interessen vor.[5]"
Frau Kollegin Christine Bonke-Heseler schreibt unter der Rubrik "Jurion-Kurznachricht" zum Thema "Reichweite der Meinungsfreiheit":
AntwortenLöschen"Stärkung der Meinungsfreiheit - Heim zu aktuellen Entscheidungen des BVerfG
Kurznachricht zu "Reichweite der Meinungsfreiheit" von Maximilian Heim, original erschienen in: NJW Spezial 2016 Heft 18, 568 - 568. Der Autor nimmt jüngere Entscheidungen in den Blick, in denen sich da ...
Kurznachricht zu "Reichweite der Meinungsfreiheit" von Maximilian Heim, original erschienen in: NJW Spezial 2016 Heft 18, 568 - 568.
Der Autor nimmt jüngere Entscheidungen in den Blick, in denen sich das BVerfG mit der Reichweite der Meinungsfreiheit befasst hat. So vertrat das BVerfG im Rahmen der Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik eine andere Auffassung als das Gericht, das einen Strafverteidiger zu einer Geldstrafe wegen Beleidigung verurteilte, weil er gegenüber einem anfragenden Journalisten die Vertreterin der Staatsanwaltschaft als eine "dahergelaufene" und "durchgeknallte Staatsanwältin" betitelt habe. Das BVerfG sah den Strafverteidiger durch die Verurteilung in seiner Meinungsfreiheit verletzt, so der Verfasser. Laut BVerfG müssten hinsichtlich des Vorliegens von Schmähkritik und Formalbeleidigungen strenge Maßstäbe angewendet werden. Das BVerfG kritisierte, dass das Gericht ohne hinreichende Begründung von einer Schmähkritik ausgegangen sei (vgl. Beschluss des OLG München vom 11.07.2016 - 5 OLG 13 Ss 244/16). Die Äußerungen seien zwar ausfallend scharf, es sei aber nicht ausreichend dargelegt, dass der ehrbeeinträchtigende Gehalt von vornherein außerhalb der sachlichen Auseinandersetzung lag, erläutert Heim weiter.
In einem anderen Fall habe das BVerfG mit Beschluss vom 29.06.2016 - 1 BvR 2732/15 - ähnlich argumentiert und festgestellt, dass auch die falsche Einordnung einer Äußerung als Tatsache den grundrechtlichen Schutz der Meinungsfreiheit verkürzt. Anlass der Entscheidung war eine Verurteilung wegen übler Nachrede, nachdem der Betroffene einen Polizisten, von dem er mehrfach kontrolliert und den er mehrfach vor seinem Haus gesehen hatte, auf Facebook u.a. als "Spanner" bezeichnete. Heim gibt an, dass das BVerfG betont, es komme bei der Abgrenzung von Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung entscheidend auf den Gesamtzusammenhang der Äußerung an. Obwohl der Beschwerdeführer hier (auch) einen tatsächlichen Vorgang schilderte, sei die Aussage "Spanner" eine Bewertung und keine einem Beweis zugängliche Tatsache.
Dieser Beitrag wurde erstellt von Ass. jur. Christine Bonke-Heseler."
Die letzte juristische Großtat der "objektivsten Behörde der Welt" (hier also der Generalstaatsanwaltschaft München) bestand in dieser Sache in einer Stellungnahme vom 3.3.2017 zum 5. Strafsenat des OLG München. Die GenStA beantragt darin die Verwerfung der Revision durch Beschluss nach § 349 II StPO. Diese Stellungnahme der GenStA enthält allerdings buchstäblich keinerlei juristische Argumentation, die diesen Antrag stützen würde.
AntwortenLöschenDas BVerfG hat in einem weiteren Fall zugunsten der Meinungsfreiheit entschieden: Beschluss vom 08.02.2017, Az. 1 BvR 2973/14.
AntwortenLöschenDieser Beschluss des BVerfG ist jetzt auch in NJW-Spezial 2017, 280 besprochen.
AntwortenLöschenDas OLG München hat mit Beschluss vom 31.5.2017, Az. 5 OLG 13 Ss 81/17 die Verurteilung aufgehoben und mich vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen. Das OLG hat in seiner Entscheidung die erforderliche Abwägung im Ergebnis zu Recht zu meinen Gunsten vorgenommen. Dies ergibt sich aus folgendem zugrundeliegenden prozessualen Sachverhalt:
AntwortenLöschenIch hatte seinerzeit vor dem OLG München ein sog. Ermittlungserzwingungsverfahren geführt. Bei einem Ermittlungserzwingungsverfahren stellen Sie einen Antrag beim OLG (das gem. § 172 IV StPO zuständig ist) mit dem Ziel, das OLG möge die StA dazu verpflichten, Ermittlungen überhaupt erst einzuleiten bzw. bisher unzureichende Ermittlungen zu vervollständigen. Bei meinem Ermittlungserzwingungsverfahren lag seinerzeit die erste Alternative vor: Es waren von der StA München I noch überhaupt keine Ermittlungen eingeleitet worden.
Der Tatvorwurf, den die StA München I ausermitteln sollte, bestand in folgendem Sachverhalt: Ein Münchner Zivilrichter hatte - das ist seit jeher unstreitig - vor Abfassung seines Zivilurteils die Akten in keiner, in gar keiner Weise zur Kenntnis genommen. Damit lag ein grober, evidenter Verfahrensfehler vor. Auch nach der vom BGH vertretenen sog. Schweretheorie stellt das Vorliegen eines groben, evidenten Verfahrensfehlers eine strafbare Rechtsbeugung i.S.d. § 339 StGB dar. Die StA München I hatte aber entgegen Recht und Gesetz, bestätigt von der GenStA, noch nicht einmal ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Hinzu kommt, dass seit der sog. Tennessee Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26.6.2014 in diesem Fall des Vorwurfs eines strafbaren Verhaltens eines Amtsträgers ein subjektiv-öffentlicher Anspruch auf Durchführung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens besteht. Im Fall des Vorwurfs eines strafbaren Verhaltens eines Amtsträgers besteht also nicht nur ein sog. Reflexrecht (wie sonst allgemein bei Strafanzeigen), sondern in diesem Fall darf der Verletzte seinen Anspruch auf der strafrechtlichen Schiene aus eigenem Recht verfolgen.
All dies hatte ich seinerzeit vor dem OLG im Rahmen des Ermittlungserzwingungsverfahrens vorgetragen. Das OLG wies den Antrag auf Verpflichtung der StA München I zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zurück. Hiergegen erhob ich Anhörungsrüge. Im Rahmen der - in der Sache ausführlich begründeten - Anhörungsrüge tätigte ich die oben zitierte Äußerung. Ich wüsste auch nicht, was ich an meiner Äußerung relativieren sollte.
Der rechtskräftige Beschluss des OLG München vom 31.5.2017 fand inzwischen auch Eingang in die "offizielle" Rechtssammlung:
AntwortenLöschenhttp://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2017-N-112292?hl=true
Die Entscheidung ist jetzt auch mit redaktionellen Leitsätzen versehen, die wie folgt lauten:
AntwortenLöschen"1) Gegenüber dem Recht des Bürgers, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt auch mit drastischen Worten zu kritisieren, muss eine Beeinträchtigung der Ehre der Richter (sofern keine Schmähkritik vorliegt) gegenüber der Meinungsäußerungsfreiheit grundsätzlich dann zurücktreten, wenn der Vorwurf Teil einer umfassenderen Meinungsäußerung ist und der Durchsetzung legitimer prozessualer Rechte dient. (Rn. 11)
2) Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Richter schon von Berufs wegen in der Lage und auch gehalten ist, überpointierte Kritik an seiner Arbeit beim „Kampf um das Recht“ auszuhalten. Richter müssen im Spannungsfeld zwischen der Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes einerseits und ihrer privaten Berührtheit andererseits bedenken, dass ihre Entscheidungen für die Betroffenen häufig einschneidend sind und daher zu Reaktionen führen können, die sich trotz gegenteiliger Formulierung letzten Endes gar nicht gegen ihre Person oder Ehre, sondern vielmehr gegen die getroffene Entscheidung selbst und die Rechtslage als solche richten. (Rn. 11 und 14)
3) Auch starke und eindringliche Ausdrücke im Rahmen der Kritik an behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen stehen grundsätzlich unter dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG, ohne dass es darauf ankäme, ob der Angeklagte auch anders hätte formulieren können. (Rn. 14)
4) Rechtsfehlerhaft ist es, das Fehlen spontaner Erregung bei dem Angeklagten zu seinen Lasten in die Abwägung einzustellen. (Rn. 14)“
Eines der Probleme der Diskussion in den verschiedenen juristischen Foren besteht darin, dass etliche Mitdiskutanten den zugrundeliegenden Sachverhalt schlicht ignorieren. Der zugrundeliegende Sachverhalt besteht hier darin, dass ein Münchner Anwalt sich gegen das Paktieren der Münchner Justiz zur Wehr setzt. Der zugrundeliegende Sachverhalt ist also an sich ohne größeren intellektuellen Aufwand durchaus erfassbar. Nur aus diesem Kontext heraus macht meine Äußerung Sinn. Nur aus diesem Kontext heraus erschließt sich, dass der Freispruch in vorliegendem Fall alternativlos war. Wäre der Fall beim BVerfG gelandet, hätte es eine weitere Ohrfeige für die Münchner Justiz gesetzt. Und dies mit noch weit größerer Öffentlichkeitswirkung. Aus Sicht der Münchner Justiz stellt sich der Freispruch durch das OLG mithin schlicht als Akt der Schadensbegrenzung dar.
AntwortenLöschenZu dieser Entscheidung gibt es derzeit zwei erwähnenswerte Blog-Beiträge: Zum einen den Blog-Beitrag von Herrn Kollegen Burhoff und den Blog-Beitrag von Herrn RiAG Krumm.
AntwortenLöschen1) Der Blog-Beitrag von Herrn Kollegen Burhoff ist mittlerweile nach 21 Kommentaren am 26. Juni geschlossen worden. Herr Kollege Burhoff führte zur Begründung aus, die wesentlichen Argumente seien - nach einer kontroversen Diskussion - vorgetragen worden. Dies ist zutreffend.
2) Der Blog-Beitrag von Herrn RiAG Krumm ist noch zur Kommentierung offen. Allerdings hat Herr RiAG Krumm am 3. Juli die Kommentare nach dem Maßstab seiner politischen Präferenzen sehr bewusst und sehr gezielt gelöscht. Er hat damit seine Moderatorenstellung missbraucht. Ich werde deshalb in Zukunft nicht mehr mit Kommentaren an Blog-Beiträgen von Herrn RiAG Krumm teilnehmen. Zudem habe ich Herrn RiAG Krumm nahegelegt, seine diesbezügliche "Experten"-Tätigkeit einzustellen.
Frau Kollegin Jessika Kallenbach bespricht diese Entscheidung in Anwaltsblatt 2017, 783.
AntwortenLöschenIch hatte seinerzeit mit Schriftsatz vom 29.4.2017 gegen die Richter der Münchner Amtshaftungskammer Strafanzeige erstattet wegen gemeinschaftlicher Rechtsbeugung (§§ 339, 25 II StGB). Drei Monate lang reagierte die Staatsanwaltschaft München I in keiner Weise: Keine Mitteilung des Aktenzeichens, unter dem die Strafanzeige bearbeitet wird, geschweige denn die nach Recht und Gesetz unabweisbare förmliche Einleitung des Ermittlungsverfahrens. Was also soll man als Staatsbürger tun, wenn eine Behörde drei Monate lang die Erfüllung eines Rechtsanspruchs missachtet? Dann erinnert man sich als Staatsbürger an die Vorschrift des § 75 VwGO, die Vorschrift über die verwaltungsprozessuale Untätigkeitsklage: Bleibt eine Behörde drei Monate lang untätig, wendet man sich als Staatsbürger an die staatlichen Gerichte: Man bittet als Staatsbürger das staatliche Gericht höflich, das Gericht möge die Behörde dazu anweisen, sich gemäß Recht und Gesetz zu verhalten. Man wendet sich also an das Gericht mit dem Ziel, das Gericht möge die Behörde dazu anweisen, dem Rechtsanspruch des Staatsbürgers nachzukommen und das Ermittlungsverfahren förmlich einzuleiten. Das habe ich nach Ablauf der Drei-Monats-Frist mit Schriftsatz vom 1.8.2017 getan: Ich habe mich an das gem. § 172 IV StPO zuständige Oberlandesgericht München gewandt mit der Bitte, die Staatsanwaltschaft München I anzuweisen, das Ermittlungsverfahren förmlich einzuleiten.
AntwortenLöschenHierauf erging der Beschluss des OLG München vom 5.10.2017, Az. 2 Ws 1235/17 KL: Ich rüge hierbei folgende drei Verletzungen des Grundrechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 I GG:
AntwortenLöschen1) Fehlende Verkündung und fehlende Zustellung der angeblichen staatsanwaltschaftlichen Verfügung vom 14.6.2017
2) Fehlende richterliche Hinweise gem. § 86 III VwGO und
3) Fehlende mündliche Verhandlung gem. Art. 6 I EMRK i.V.m. § 101 I VwGO.
Dieses Verfahren nahm bis heute folgenden Verlauf:
1) Mit Schriftsätzen vom 16. Oktober 2017 und vom 19. Oktober 2017 erhob ich Anhörungsrüge gem. § 152a VwGO.
2) Sodann erhob ich mit Schriftsätzen vom 2. November 2017 parallel beim BVerfG und beim BayVerfGH Verfassungsbeschwerde, ergänzt mit Schriftsätzen vom 13. November 2017.
3) Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2017 forderte ich das OLG München – unter Fristsetzung bis zum 15. Dezember 2017 – zur Fortsetzung des Verfahrens auf.
4) Nach fruchtlosem Fristablauf stellte ich mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2017 parallel beim BVerfG und beim BayVerfGH Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 32 BVerfGG bzw. gem. Art. 26 BayVerfGHG. Diesen Antrag habe ich vor allem darauf gestützt, dass zum 9. Januar 2018 bzgl. einer der beiden angezeigten Straftaten unwiderruflich Strafverfolgungsverjährung eintritt, sofern die Verjährung nicht vorher rechtzeitig wirksam unterbrochen wird. Das Verfahren der einstweiligen Anordnung hat nämlich eigentlich den Sinn, dem Verfassungsgericht die Möglichkeit offenzuhalten, überhaupt noch über irgendwas entscheiden zu können. Tritt aber – in meinem Fall zum 9. Januar 2018 – die Verjährung ein, gibt es für das Verfassungsgericht nichts mehr zu entscheiden.
5) Der BayVerfGH hat mit Beschluss vom 8. Januar 2018, Vf. 74-VI-17, den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Hinweis auf die „offensichtliche Unbegründetheit“ der Verfassungsbeschwerde abgelehnt.
6) Vom BVerfG habe ich noch keine Nachricht. Dort ist die Verfassungsbeschwerde unter dem Az. 2 BvR 2793/17 anhängig.