Die Klägerin fuhr auf einem
gemeinsamen Geh- und Radweg, allerdings auf der linken Fahrbahnseite, obwohl in
dieser Fahrtrichtung der Weg zum Befahren mit Rädern nicht freigegeben war. Sie
wollte dann im Einmündungsbereich einer untergeordneten Straße diese
überqueren, um auf der anderen Seite weiterzufahren; auf der anderen Seite war
kein Radweg ausgewiesen. Beim überqueren
der Einmündung kam es zu einer Kollision mit einem aus der
untergeordneten Straße auf die Vorfahrtsstraße auffahrenden Verkehrsteilnehmer.
Die Klage gegen diesen wurde mit einer Quote von 75% vom OLG München
abgewiesen.
Der BGH hatte bereits mit
Beschluss vom 15.07.1986 – 4 StR 192/86 – entschieden, dass ein Radfahrer auf
einer Vorfahrtsstraße auch dann sein Vorfahrtsrecht gegenüber kreuzenden bzw.
einbiegenden Verkehrsteilnehmern behalte, wenn er den linken von zwei
vorhandenen Radwegen benutze, der nicht
nach § 2 Abs. 4 S. 2 StVO für die Gegenrichtung freigegeben ist. Dies
begründete der BGH mit der notwendigen Klarheit von Verkehrsregeln.
Das OLG führte aus, dass mangels
eines Radweges auf der Fahrbahn vorliegend die benannten Entscheidung des BGH
nicht einschlägig sei. Die Klägerin wäre wie ein Fußgänger gegenüber dem
Fahrzeugverkehr wartepflichtig gewesen, da weder § 9 Abs. 3 S. 2 noch § 26 StVO
einschlägig wären (also deren Voraussetzungen nicht vorlagen) und die
Vorfahrtsregeln nur gegenüber fahrzeugen und nicht gegenüber Fußgängern gelten
würden.
Da darüber hinaus die Klägerin
mit 18km/h sehr schnell gefahren wäre und für den Kraftfahrer – wenn überhaupt –
kaum noch eine Reaktionsmöglichkeit bestanden habe, sah das OLG eine Haftung
auf Beklagtenseite lediglich in Höhe von 25% als gegeben an.
Anmerkung: Soweit ersichtlich, hat das OLG die Revision
nicht zugelassen. Dies wäre aber m.E. erforderlich gewesen, da mit dieser
Entscheidung entgegen den Ausführungen im Urteil des OLG von der rechtlichen Würdigung des 4. Strafsenats
des BGH aus dem Jahr 1986 abgewichen wurde. In beiden Fällen wurde ein „Weg“
entgegen der Fahrtrichtung genutzt, im Fall des BGH ein ausgewiesener Radweg,
im Fall des OLG ein ausgewiesener gemeinsamer Geh- und Radweg. Auch im Falle
des BGH ergibt sich nicht, dass der Radweg auf der Straße fortgesetzt wurde. Alleine der Umstand, dass es sich hier im Fall
des OLG um einen gemeinsamen Fuß- und Radweg handelte lässt sich nicht schlussfolgern,
dass für diesen nicht auch die Regelungen zur Vorfahrt an Kreuzungen und
Einmündungen wie bei alleine zur Radbenutzung freigegebenen Bereichen gelten
sollte; dies unabhängig von der wechselseitigen Rücksichtnahme auf dem
gemeinsamen Geh- und Radweg. Denn die Gemeinsamkeit der Nutzung hat nichts mit
der Widmung auch zu Zwecken des Radverkehrs zu tun.
OLG München, Urteil vom 05.08.2016 – 10 U 4616/16 -