Der BGH musste sich hier erstmals
mit der Frage auseinandersetzen, ob die Coronapandemie den Nutzer das Recht zu
einer außerordentlichen Kündigung gibt, Corona also ein wichtiger Grund für
eine fristlose Kündigung sein kann, oder ob der Nutzer erst zum Ende der
vertraglich vereinbarten Vertragslaufzeit kündigen kann. Dieses Recht hat der
BGH sowohl in Ansehung der hoheitlichen Schließungsanordnungen, von hoheitlich angeordneten
Nutzungsbeschränkungen für Sauna und Duschen, als auch der Möglichkeit der
Ansteckung verneint.
Zum Sachverhalt: Der Nutzungsvertrag
wurde am 06.12.2019 mit einer Laufzeit von 100 Wochen, beginnend 11.12.2019, geschlossen.
Im ersten Lockdown vom 17.03.2020 bis Mitte Mai 2020 war das Studio
geschlossen, zog aber die beklagte Betreiberin das Nutzungsentgelt weiterhin
ein; sie einigte sich mit der klagenden Nutzerin darauf, dass dieser Zeitraum
nach dem Lockdown dann kostenfrei sei. In einer Vereinbarung vom 31.05.2020
wurde eine Ruhezeit von zehn Wochen, um die sich der Vertrag nach dessen
regulärer Laufzeit verlängern sollte (also bis zum 25.01.2022), festgehalten. Bei
Wiedereröffnung des Studios nach dem 1. Lockdown gab es hoheitlich angeordnete Nutzungseinschränkungen
(so für Duschen und Sauna). Vom 30.10.2020 bis 31.05.2021 musste das Studio
infolge des 2. Lockdowns wieder schließen.
Am 25.11.2020 kündigte die Klägerin zum 30.11.2020, dem die Beklagte
widersprach. Die Klägerin erhob Feststellungsklage mit dem Antrag, festzustellen,
dass durch ihre Kündigung das Nutzungsverhältnis zum 30.11.2020, hilfsweise zum
16.11.2021, hilfs-hilfsweise zum 25.01.2022 endete. Das Amtsgereicht gab der
Klage im Hinblick auf das Vertragsende 25.01.2022 statt. Die Berufung beider
Parteien wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Revision
beantragte die Klägerin erfolglos weiterhin die Feststellung des Vertragsendes
zum 30.11.2020.
Der BGH sh keinen Grund für eine
außerordentliche Kündigung vor dem Zeitpunkt der vertraglich vereinbarten und
auf den 25.01.2022 verlängerten Laufzeit zum 25.01.2022.
Es handele sich bei dem
Nutzungsverhältnis um ein Dauerschuldverhältnis (BGH, Urteil vom 04.05.2016 - XII
ZR 62/15 -). Unabhängig von der rechtlichen Einordnung als Miet-, Dienst- oder
typengemischter Vertrag würde die außerordentliche Kündigung eines
Dauerschuldverhältnis voraussetzen, dass es dem Kündigenden unter
Berücksichtigung aller Umstände und Abwägung der beiderseitigen Interessen
nicht zugemutet werden könne, bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist zuzuwarten
(§§ 626 Abs. 1, 543 Abs. 1, 314 Abs. 1 BGB). Dies könne allgemein nur
angenommen werden, wenn die die Kündigung rechtfertigenden Umstände in der
Sphäre des Kündigungsgegners lägen.
Für das Mietrecht habe der BGH
bereits entscheiden, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie
regelmäßig weder in die Sphäre des Mieters noch des Vermieters fallen würden.
Dies gelte auch für Fitnessstudioverträge. Keine der Vertragsparteien sei für
die umfassenden Maßnahmen und staatlichen Eingriffe in das wirtschaftliche und
gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der Pandemie verantwortlich. Damit kämen
Betriebsschließungen und -beschränkungen nur in Ausnahmefällen zur Begründung
der außerordentlichen Kündigung in Betracht (Bacher, Die Coronapandemie und
allgemeinen Regeln über Leistungsstörungen, in MDR 2020, 514, 519).
Konkret verwies der BGH darauf,
dass der Klägerin durch die Schließung keine wirtschaftlichen Belastungen entstünden,
da sie während dieser Zeit von einer Zahlungspflicht befreit sei und evtl. erfolgte
Zahlungen zurückfordern könne (bereits entschieden im Urteil des BGH vom
04.05.2022 - XII ZR 64/21 -). Sowohl der Betreiber des Studios als auch der
Nutzer würden während dieser zeit leistungsfrei. Damit würde ein Festhalten am Vertrag
zumutbar sein.
Auch dem Argument der Klägerin,
sie sei an einem für sie sinnlos gewordenen Vertrag gebunden und eine
Umorientierung zu anderen sportlichen Aktivitäten und Freizeitbeschäftigungen
würde blockiert, schloss sich der BGH nicht an. Zwar läge der Zweck eines
Fitnessstudiovertrages in der regelmäßigen sportlichen Betätigung, weshalb
gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von
entscheidender Bedeutung sei. Dieser sei mit einer pandemiebedingten Schließung
nicht mehr erreichbar und bei dem 2. Lockdown auch dessen Dauer nicht voraussehbar
gewesen. Allerdings hätte die Klägerin auf andere Fitnessstudios nicht
ausweichen können. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit der (für die
Schließungszeit entgeltlos gestellte Vertrag) andere sportliche Betätigungen
zur Erreichung eines Fitnessziels entgegenstehen würde.
Richtig sei zwar, dass das
Verlangen der Beklagten, die Schließungszeit an ein vorgesehenes Vertragsende
anzuhängen (und damit die Vertragslaufzeit um die Zeit der Schließung zu
verlängern), rechtlich nicht geschuldet würde und mit dem Verlangen die
beklagte eine Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB verletzt habe. Die
Verletzung vertraglicher Pflichten würde aber bei einem Dauerschuldverhältnis
nur eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn sie derart
schwerwiegend sei, dass dadurch das Vertrauensverhältnis in einem Maß
beeinträchtigt wird, dass dem Kündigendem ein Festhalten an dem Vertrag nicht
mehr zumutbar sei. Ein solcher Fall
könne hier nicht angenommen werden, da die instanzgerichtliche Rechtsprechung
in der Zeit des 2. Lockdown verbreitet die Annahme vertrat, dass gemäß § 313
Abs. 1 BGB der Vertrag dahingehend angepasst werden könne, dass sich die
vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit der Schließung verlängert. Das
Zueigenmachen dieser Rechtsansicht stelle keine schwerwiegende Vertragsverletzung
dar. Dass der BGH mit Urteil vom 04.05.2022 - XII ZR 64/21 - diese Rechtsprechung
zur Vertragsanpassung verwarf, würde nicht nachträglich in dem Verlangen eine
schwerwiegende Vertragsverletzung begründen.
Aus Rechtsgründen sei auch nicht zu
beanstanden, dass das Berufungsgericht mögliche Hygiene- und Abstandsregeln
nicht für eine außerordentliche Kündigung als ausreichend ansah. Durch die
Einhaltung derartiger regeln sei die Klägerin nicht so schwer belastet, dass
ihr ein Festhalten an dem Vertrag nicht zumutbar gewesen wäre. Auch wenn
Duschen pandemiebedingt nicht nutzbar gewesen sein sollten, würde dies keine
Kündigung rechtfertigen; in diesem Fall käme allenfalls ein angemessener
Interessensausgleich durch Anpassung des Vertrages gem. § 313 Abs. 1 BGB in Betracht
(z.B. Herabsetzung des Entgelts), was eine außerordentliche Kündigung
ausschließt.
Ebenso könne sich die Klägerin nicht
auf ein Ansteckungsrisiko berufen. Die Gefahr einer Infizierung mit dem Corona-Virus
habe im November 2020 zum allgemeinen Lebensrisiko gehört. Die Klägerin habe
auch davon ausgehen können, dass eine Wiedereröffnung des Fitnessstudios erst
erlaubt wird, wenn das Infektionsrisiko, ggf.- durch entsprechende
Hygienemaßnahmen, auf ein vertretbares Maß reduziert ist. Entschlösse sich die
Klägerin dann aus Angst vor einer Infektion gleichwohl, das Studio nicht zu
nutzen, würde die ihr Verwendungsrisiko betreffen.
BGH, Urteil vom 19.04.2023
- XII ZR 24/22 -