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Mittwoch, 2. August 2023

Beschränkte Erbschaftsannahme auf die Nacherbschaft, Erbfallkostenpauschale und deren Nachweis

Testamentarischer Vorerbe der verstorbenen Tante der Klägerin war deren Ehemann, als Nacherbe war die Klägerin berufen, die auch als Erbin des Ehemanns berufen war. Nach dem Ableben des Ehemanns schlug die Klägerin dessen Erbe aus. Der Klägerin waren aufgrund der Nacherbschaft Kosten von € 40,00 beim Nachlassgericht entstanden. Der Vorerbe hatte keine Kosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG (Nachlassverbindlichkeiten) geltend gemacht, wobei bei ihm infolge des Freibetrages für Ehegatten keine Erbschaftssteuer festgesetzt wurde. Für die Klägerin wurde die Erbschaftsteuer in Bezug auf die Nacherbschaft auf € 3.960,00 festgesetzt; Nachlassverbindlichkeiten wurden nicht berücksichtigt. Der Einspruch der Klägerin gegen den Erbschaftsteuerbescheid wurde zurückgewiesen. Im Rahmen der Klage machte die Klägerin nunmehr für Nachlassverbindlichkeiten die Pauschale von € 10.300,00 gem. § 10 Abs. 4 Nr. 3 S. 2 ErbStG geltend. Der Klage gab das Finanzgericht statt. Die dagegen vom Finanzamt eingelegte Revision wurde vom BFH zurückgewiesen.

1. Der Anfall der Nacherbschaft gelte grundsätzlich als Erwerb vom Vorerben. Anders als nach §§ 2100, 2139 BGB würden Vorerbe und Nacherbe nicht vom ursprünglichen Erblasser erben, sondern nach § 6 ErbStG erbe der Nacherbe (fiktiv) vom Vorerben. [Die Ausschlagung der Erbschaft nach dem Ehemann der Tante hindert damit zivilrechtlich nicht die Annahme der Nacherbschaft, was auch im Erbschaftsteuerrecht gelte, aber hinsichtlich der steuerlichen Auswirkungen (so evtl. Steuerklasse) zu einem anderen Ergebnis führt. Dies sollte bei einer entsprechenden Regelung berücksichtigt werden.]. Würde der Nacherbe zugleich Erbe des Vorerben, lägen zwar zivilrechtlich zwei Erbfälle vor, steuerrechtlich aber nur ein einheitlicher Erwerb vom Vorerben (BFH Urteil vom 31.08.2021 - II R 2/20 -). Als erbschaftsbedingte Bereicherung für jeden Erwerb gelte der betrag, der sich aus dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegenden Vermögensanfalls, von dem die nach § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten abgezogen würden, § 10 Abs. 1 S. 2 ErbStG.

Damit stellet der BFH fest, dass sowohl der Vorerbe als auch der Nacherbe den Besteuerungstatbestand gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG für einen Erwerb von Todes wegen verwirklichen würden.

2. Ohne Erforderlichkeit des Nachweises von Nachlassverbindlichkeiten würde nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 2 ErbStG für die in § 10 Abs. 5 S. 1 ErbStG genannten Kosten ein Betrag von € 10.300,00 abgezogen. Dieser betrag würde für jede Erbschaft nur einmal gewährt (auch bei mehreren Miterbe, BFH Beschluss vom 24.02.2010 - II R 31/08 -). Vor- und Nacherbfolge würden nur einen Erbfall darstellen und auch keinen Erbfalls mit mehreren Erben. Beide Vorgänge seien jeweils einen gesonderten Erbfall darstellen. Dieser Systematik würde es entsprechen, zweimal (also im Vor- als auch Nacherbgang) die Pauschale zu berücksichtigen.

Auch wenn bei Vor- und Nacherbschaft [Anm.: Nur auf dieses Teilvermögen des Vorerben beschränkte sich die Erbschaftsteuer vor dem Hintergrund der zivilrechtlichen Ausschlagung des Erbes nach dem Vorerben) nur ein Todesfall vorläge, sei eine teleologische Reduktion nicht geboten. Zwar sei richtig, dass bei zweimaliger Berücksichtigung der Pauschale diese im Hinblick auf den ersten Todesfall zweimal anfalle (bei der Vor- als auch der Nacherbschaft), was auch zur doppelten Berücksichtigung von damit pauschal aufgefangener Beerdigungskosten dazu führe, dass diese zweimal berücksichtigt würden. Allerdings seine die Pauschale auch dazu, Nachlassregelungskosten im weiteren Sinne abzugelten, die auch zweimal in unbegrenzter Höhe anfallen könnten und typischerweise auch in einem Nacherbfall anfallen würden.  Der Ansatz der Pauschale diene der Vereinfachung der Steuerfestsetzung, unabhängig davon, ob der Nacherbe auch Erbe des Vorerben würde. 

Ein Nachweis, dass zumindest dem Grunde nach Kosten angefallen seien, die der Pauschbetrag erfasse, sei nicht notwendig. Das Gesetz würde von typischerweise entstehenden Kosten ausgehen und nach dem Gesetz könne die Pauschale ohne Nachweis geltend gemacht werden. Ein Nachweis darüber, dass solche dem Grunde nach entstanden sind, würde dem Vereinfachungszweck, der mit der Regelung beabsichtigt sei, widersprechen. Soweit in früheren Entscheidungen eine andere Ansicht vertreten wurde, halte der (zuständige) Senat des BFH daran nicht mehr fest.

BFH, Urteil vom 01.02.2023 - II R 4/20 -

Mittwoch, 14. Juni 2023

Darlegung des Zulassungsgrundes Divergenz bei Nichtzulassungsbeschwerde zum BFH

Die Finanzgerichtsordnung (FGO) gibt den Parteien (Steuerpflichtigen bzw. Finanzverwaltung) die Möglichkeit, gegen Urteile der Finanzgerichte ein Rechtsmittel einzulegen, auch wenn die Revision nicht zugelassen wurde. Dies kann durch eine Nichtzulassungsbeschwerde geschehen, § 116 Abs. 1 FGO. Entscheidend ist hier (auch) die Art bzw. der Inhalt der Darlegung der Zulassungsgründe. Dies verdeutlicht ein Beschluss des BFH vom 14.03.2023, mit dem er eine Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verwarf.

Der Beschwerdeführer hatte seine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass das angefochtene Entscheidung von der Rechtsprechung des BFH abweiche (Divergenz, § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO). Nach dem Wortlaut des § 115 Abs. 2 FGO ist auf die Nichtzulassungsbeschwerde die Revision (nur) zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (Nr. 2) oder ein vorliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Allerdings ergibt sich aus dieser Auflistung der Zulassungsgründe nicht, wie im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde der Anspruch geltend gemacht werden muss, d.h. was dazu zwingend vorzutragen ist.  § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO (Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) fordert, dass das angefochtene finanzgerichtliche Urteil von einer Entscheidung eines anderen Finanzgerichts, des BFH oder eines sonstigen obersten Bundesgerichts abweiche, so der BFH. Die von der angefochtenen Entscheidung divergierende Entscheidung sei durch Datum und Aktenzeichen bzw. Fundstelle zu bezeichnen. Damit nicht genug: Es müsse ein tragender abstrakter Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil als auch aus der behaupteten Divergenzentscheidung gebildet werden und diese Rechtssätze müssten zur Darstellung der Abweichung gegenübergestellt werden, wobei zusätzlich dargelegt werden müsse, dass es sich in beiden Fällen um den gleichen oder einen vergleichbaren Sachverhalt handelt, so dass sich in der angefochtenen wie auch in der Divergenzentscheidung dieselbe Rechtsfrage stellen würde. Diese Umstände werden vom BFH als Schlüssigkeitserfordernis angesehen.

Den Anforderungen habe der Beschwerdeführer nicht genügt, der zwar drei Urteile des BFH als Divergenzentscheidungen benannt habe, aber die tragenden abstrakten Rechtssätze werde aus diesen Entscheidungen noch aus der angefochtenen Entscheidung gebildet habe und diese gegenübergestellt habe, noch zu vergleichbaren Sachverhalten ausgeführt habe. Das Aufzeigen von angeblich im Widerspruch zur angefochtenen Entscheidung stehenden Entscheidungen würde nicht verdeutlichen, warum der Beschwerdeführer von einer Divergenz und nicht von einem Subsumtionsfehler ausgehe.

Es ist also nicht ausreichend, unter Verweis auf eine oder mehrere Entscheidungen eine Divergenz zu behaupten, sondern erforderlich, diese durch aus der angefochtenen und der benannten Divergenzentscheidung zu bildenden Rechtssätzen und deren Gegenüberstellung darzulegen, wobei auch der Sachverhalt und dessen Identität bzw. Ähnlichkeit. Auch wenn letztlich der BFH selbst entscheidet, ob er eine Divergenz annimmt bzw. die Abweichung billigt oder nicht, ist die Hürde für eine Zulassung aufgrund einer Divergenz sehr hoch gesteckt und erfordert eine akribische rechtliche Bearbeitung.

Ergänzend wies der BFH darauf hin, dass die weiteren Angriffe des Beschwerdeführers sich gegen die materielle Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung richten würden, dies aber kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO darstelle (numerus clausus der Zulassungsgründe).

BFH, Beschluss vom 14.03.2023 - IX B 60/22 -

Montag, 3. Februar 2020

Steuerrecht: Auslegung des Umfangs eines Einspruchs bei verbundenen Steuerbescheiden


Im Ausgangsfall legte der Kläger gegen den „Bescheid für 2015 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Soli vom 22.03.2018“ (ein sogenannter verbundener Bescheid, da er hier nach der Bescheidüberschrift die Bescheide zur Einkommensteuer, Kirchensteuer und zum Solidaritätszuschlag umfasste, darüber hinaus, in der in der Bescheidüberschrift nicht benannte Zinsen zur Einkommensteuer) mit Schreiben vom 09.04.2018 Einspruch ein. Nach einer von  ihm erbetenen Erörterung mit dem Finanzamt (FA) äußerte der Kläger Zweifel an einem zusätzlichen (vom FA berücksichtigten) veräußerungsgewinn in 2015 (statt 2016), bat erneut um einen Erörterungstermin und erhob im Rahmen desselben mit Schreiben vom 23.07.2018 erstmals Einwendungen gegen die im angefochtenen Bescheid festgesetzte Verzinsung. In der Einspruchsentscheidung setzte sich das FA mit der Zinsfestsetzung nicht auseinander und lehnte mit besonderen Bescheid vom gleichen Tag eine Änderung der Zinsfestsetzung wegen Bestandskraft des Bescheides ab, da sich der Einspruch nicht gegen die Zinsen gerichtet habe. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage. Mit Zwischenurteil stellte das Finanzgericht fest, dass der Kläger rechtzeitig gegen die Zinsfestsetzung im Bescheid vom 22.03.2018 Einspruch erhoben habe. Auf die Revision des FA hob der BFH das Urteil auf und verwies den Rechtstreit an das Finanzgericht zurück.

Der BFH wies darauf hin, dass auf der Grundlage des § 357 Abs. 3 S. 1 AO die genaue Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht erforderlich sei, allerdings die Zielrichtung des Begehrens angegeben werden müsse, aus der sich der angefochtene Verwaltungsakt ergeben müsse  oder Zweifel/Unklarheiten beseitigt werden müssten. Fehle es an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung, sei eine Auslegung erforderlich. Diese Auslegung eines Rechtsbehelfs richte sich außerprozessual als auch prozessual nach § 133 BGB. Es sei der wirkliche Wille zu erforschen, weshalb auch außerhalb der Erklärung liegende Umstände berücksichtigt werden dürften. Allerdings dürfe dies nicht dazu führen, dass die Auslegung zu einem Ergebnis führe, für welches es in der Erklärung selbst keine Anhaltspunkte gäbe. Damit ergäben sich im Wesentlichen folgende Fallgruppen:

  1. Würden miteinander verbundene Bescheide unter Wiedergabe der amtlichen Bescheidbezeichnung (wie hier: „Bescheid für 2015 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag“) angefochten, ohne dass (zunächst) konkrete Einwendungen erhoben würden und erfolgt späterhin (ggf. nach Ablauf der Einspruchsfrist) eine Begründung gegen einen bestimmten Bescheid, beziehe sich der Rechtsbehelf jedenfalls auch gegen diesen Bescheid. So hatte das FG Düsseldorf mit Urteil vom 26.05.2008 - 18 K 2172/07 AO - (zitiert vom BFH) den Einspruch gegen einen wie oben bezeichneten Bescheid auch als Einspruch gegen den im Bescheid festgesetzten Verspätungszuschlag angesehen, wobei allerdings das FG Düsseldorf die Auffassung vertrat, dass die korrekte Bezeichnung des Bescheides dies bereits umfasse und sich vorliegend zusätzlich (worauf der BFH einzig abstellt) aus der darauf bezogenen Begründung desselben ergäben.
  2. Enthalte das (unspezifisch) auf verbundene Bescheide bezogene Einspruchsschreiben eine Begründung, sei der Gegenstand des Einspruchs einengend auszulegen. Würden nach Ablauf der Einspruchsfrist auch Einwendungen gegen einen weiteren verbundenen Verwaltungsakt erhoben, die in der ursprünglichen Begründung nicht benannt worden seien, so würde dem die Bestandskraft des Bescheides entgegenstehen (BFHE 222, 196; BFHE 243, 304).
  3. Richte sich der Einspruch ausdrücklich zwar nur gegen einzelne miteinander verbundene Verwaltungsakte und würde innerhalb der Einspruchsfrist der Einspruch auf einen weiteren verbundenen Verwaltungsakt ausgedehnt, stünde der weiteren Anfechtung keine Bestandskraft entgegen. Dies ist verständlich, da der nur eingeschränkte zunächst erhobene Einspruch nicht als Verzicht auf ein Rechtsmittel im Übrigen gedeutet werden kann; erfolgt allerdings der weitere Einspruch nach Ablauf der Einspruchsfrist, stünde ihm auch die Bestandskraft entgegen.  

Die Auslegung des Einspruchs obliege, so der BFH, dem Finanzgericht. Der BFH als Revisionsgericht könne nur prüfen, ob das Finanzgericht die anerkannten Auslegungsregeln beachtet und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen habe, ferner, ob der Einspruch überhaupt auslegungsbedürftig sei. An der Auslegungsbedürftigkeit würde es bei einer nach Wortlaut und Zweck eindeutigen Erklärung fehlen.

Vorliegend sei zwar die Bescheidüberschrift gewählt worden, doch sei diese unvollständig gewesen, insoweit die mit festgesetzten Zinsen zur Einkommensteuer nicht erwähnt worden seien. Von daher habe es hier einer Auslegung bedurft.

Da das Finanzgericht diese Grundsätze nicht gewahrt habe, sei die Sache zurückzuverweisen und das Finanzgericht müsse sich mit dem Verhalten des Klägers nach Einlegung des Einspruchs und insbesondere auch seinen an das FA gerichteten Schreiben auseinandersetzen.

BFH, Urteil vom 29.10.2019 - IX R 4/19 -

Montag, 12. November 2018

Abfindungszahlung bei Aufhebungsvertrag und ermäßigter Steuersatz


Der Eheleute wenden sich gegen einen Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes (FA) für 2013. In diesem Jahr hatte der klagende Ehemann zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis eine Abfindung in Höhe von € 36.250,00 erhalten. Im Vertrag über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses war u.a. geregelt,  dass mit dem Ausscheiden am 31.03.2013 alle gegenseitigen Ansprüche erlöschen und der Kläger keine rechtlichen Schritte in Bezug auf Höhergruppierungs- und Gleichbehandlungsbegehren unternehmen werde. Im Rahmen der gemeinsamen Steuererklärung der klagenden Eheleute beantragte der Kläger den Abfindungsbetrag dem ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 1, Abs 2 EStG zu unterwerfen. Dem folgte das beklagte FA nicht. Der Einspruch der Kläger wurde zurückgewiesen. Das Finanzgericht (FG) unterwarf die Abfindung antragsgemäß dem ermäßigten Steuersatz nach §§ 34 Abs. 2 Nr. 2 iVm 24 Nr. 1a EStG. Die gegen das Urteil eingelegte Revision wurde betreffend dem Kläger zurückgewiesen und führte hinsichtlich der Klägerin (kostenmäßig) zu einer Abänderung zu deren Lasten.

Der BFH folgt der Annahme des FG, dass die Abfindung eine außerordentliche Einkunft des Klägers nach § 24 Abs. 1a EStG darstelle, die nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG ermäßigt zu besteuern sie. Entscheidend sei, dass es sich um eine Leistung handele, die als Ersatz für entgangenen oder entgehende Einnahmen gewährt würde und mithin unmittelbar durch den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt sei und dazu bestimmt sei, diesen Schaden auszugleichen. Ferner sei Voraussetzung, dass dieser Ausfall von dritter Seite veranlasst sei oder aber der Steuerpflichtige unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck steht und deshalb zustimmt; der Steuerpflichtige dürfe jedenfalls das Ereignis selbst nicht aus eigenen Antrieb herbeiführen. Diese Entschädigung gehöre dann zu den tarifbegünstigten Einkünften, wenn eine Zusammenballung von Einkünften bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses dazu führe, dass der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum mehr erhalte als bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

Die Voraussetzungen seien vorliegend gegeben. So sollte nach nicht zu beanstandender Würdigung durch das FG der Kläger einen Ausgleichsanspruch für den durch den Verdienstausfall entstehenden Schaden erhalten, und dafür mit dem Vertrag eine neue Rechtsgrundlage geschaffen werden. Im Übrigen habe der Kläger bei Abschluss des Vertrages auch unter Druck gestanden, wobei der BFH offen lässt, ob er an seiner bisherigen Rechtsprechung zur Drucksituation festhalten werde. Wenn, wie hier, der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer im Zuge einer (einvernehmlichen) Auflösung des Arbeitsverhältnisses  eine Abfindung zahle, sei regelmäßig davon auszugehen,  dass der Arbeitnehmer die Auflösung nicht alleine aus eigenem Antrieb herbeigeführt habe, da dann der Arbeitgeber keinen Anlass habe, eine Abfindung zu zahlen.

Die Revision des FA hatte betreffend der Klägerin Erfolg. Der Einspruch wurde nur von dem klagenden Ehemann eingelegt, der nicht deutlich gemacht habe, dass er auch für seine Ehefrau den Einspruch erhebe.

BFH, Urteil vom 13.03.2018 - IX R 16/17 -

Donnerstag, 3. November 2016

Stille Gesellschaft mit Minderjährigen und zur steuerlich beachtlichen Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages

Die „& Still“ wird zu verschiedenen Zwecken eingesetzt, sei es, um sich außerhalb der eigentlichen Gesellschaft Finanzierungsmittel zu besorgen, sei es, um Steuern zu sparen. Vorliegend war (wohl) Hintergrund der Gründung der stillen Gesellschaft das Bestreben, Einkünfte auf Dritte (die minderjährigen Gesellschafter) zu verlagern und damit Steuern zu sparen.


Der Kläger ist Einzelunternehmer. Mit gleichlautenden Verträgen begründete er mit seinen damals zwei minderjährigen Kindern stille Gesellschaften. Die Haftung der stillen Gesellschafter (der Kinder) gegenüber Dritten war ausgeschlossen und im Innenverhältnis auf die Höhe der Beteiligung beschränkt, wobei der Kläger die Einlage seiner Kinder durch Schenkung derselben an diese (im Rahmen des steuerlichen Freibetrages für Schenkungen an Kinder) erbrachte.  Beide Verträge enthielten ein strafbewehrtes Wettbewerbsverbot, demzufolge den stillen Gesellschaftern untersagt wurde, sich während der Dauer des Gesellschaftsverhältnisses an einem Unternehmen zu beteiligen oder ein Konkurrenzunternehmen zu gründen oder zu erwerben. Die Gewinnbeteiligung wurde mit jeweils 12,5% vereinbart.

In den Streitjahren 2003 bis 2005 erzielte der Kläger gewerbliche Einnahmen. Das Finanzamt erkannte in Folge einer Betriebsprüfung die als Betriebsausgaben gebuchten Gewinnanteile der stillen Gesellschafter nicht an und berücksichtigte sie als Privatentnahmen des Klägers. Der gegen die Entscheidung des Finanzamtes erhobenen Klage gab das Finanzgericht statt. Die Berufung des Finanzamtes führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung.

Der BFH wies darauf hin, dass es bei der steuerlich relevanten Vereinbarung von Familienangehörigen  auf die Ernsthaftigkeit und die Gewähr ihrer tatsächlichen Durchführung für die Dauer der Gültigkeit der Vereinbarung ankäme. Ein Beweiszeichen für die Ernsthaftigkeit wäre, dass keine Zweifel an der zivilrechtlichen Gültigkeit der Vereinbarung  aufkommen können. Die Nichtbeachtung bestimmter Formvorschriften würde hingegen ein Indiz für die fehlende Ernsthaftigkeit sein.

Vorliegend sei bedeutsam, dass eine Vereinbarung eines Elternteils mit seinen beschränkt geschäftsfähigen Kindern (§ 106 BGB) nach §§ 107, 108 Abs. 1 BGB der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bedürfen. Das gesetzliche Sorgerecht der Eltern nach § 1629 Abs. 1 S. 1 BGB schließt Geschäfte aus, für die auch ein Vormund keine Vertretungsmacht hat, insbesondere Insichgeschäfte, §§ 1795 Abs. 2, 181 BGB. In diesen Fällen ist die Einwilligung durch seinen vom Gericht zu bestellenden Ergänzungspfleger erforderlich, §   1909 Abs. 1 S. 1 BGB.

Allerdings gilt die benannte Regelung nur für den Fall, dass der Minderjährige aus dem Rechtsgeschäft nicht lediglich rechtliche Vorteile herleiten kann. Ob dies der Fall ist müsse unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 107 BGB festgestellt werden. Die Norm diene in erster Linie dem Schutz des Vermögens des Minderjährigen. Da wirtschaftliche Folgen aber schwer fassbar sein könnten, würde die Norm an das formale Kriterium des rechtlichen Nachteils anknüpfen, da dies in der Regel die Vermögensgefährdung indiziere.

Vorliegend wären insoweit jedenfalls die erheblichen rechtlichen Verpflichtungen der Minderjährigen zu berücksichtigen, die sich aus dem Verbot weiterer Beteiligungen und des Erwerbs von Konkurrenzgesellschaften bzw. deren Gründung ergäben. Mit diesen Wettbewerbsbeschränkungen würden die Minderjährigen erheblich in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt.

Da die Verträge damit an der formalen Voraussetzung der Einwilligung eines vom Gericht zu bestellenden Ergänzungspflegers leiden würden, wären sie schwebend unwirksam. Eine nachträgliche Genehmigung durch die zwischenzeitlich volljährigen Kinder für den Streitzeitraum nicht bewirken können, da die Genehmigung insoweit jedenfalls steuerlich nicht rückwirkend  zur Heilung des formalen Mangels führen könne.


BFH, Urteil vom 12.05.2016 – IV R 27/13 -