Montag, 5. April 2021

Kommanditistenhaftung bei Insolvenz der Gesellschaft und Darlegungs- und Beweislast des Insolvenzverwalters

Der Kläger als Insolvenzverwalter forderte von dem Beklagten, der mit einer Kommanditeinlage von € 55.000,00 an der Schuldnerin beteiligt war, einen Betrag von € 24.750,00 für nicht durch gedeckte Gewinne erfolgte Ausschüttungen mit der Begründung, es handele sich bei den Auszahlungen um teilweise Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlage.

Der Kommanditist haftet mit seiner Einlage für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Allerdings würde, so der BGH, dem Kommanditisten bei einer Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter nach §§ 171 Abs. 1 und 2, 172 Abs. 4 HGB der Einwand der fehlenden Erforderlichkeit der ihm gegenüber geltend gemachten Forderung. Hierfür sei er zwar darlegungs- und beweisbelastet, doch obliege dem Insolvenzverwalter die sekundäre Darlegungslast zu den für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse.

Entscheidend dabei sei nicht nur, ob die Gesellschaftsschulden aus der aktuelle zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse befriedigt werden könne, vielmehr könne der Kommanditist auch entsprechend §§ 422 Abs. 1 S. 1 HGB, 362 Abs. 1 BGB einwenden, der erforderliche Betrag sei durch Zahlung anderer Kommanditisten ganz oder teilweise aufgebracht. Abzustellen sei deshalb darauf, ob und inwieweit die Forderung durch Zahlung anderer Kommanditisten die Insolvenzmasse gedeckt sei (BGH, Urteil vom 21. Juli 2020 - II ZR 175/19 -). Entscheidend sei der Betrag der nicht gedeckten Forderung zum Tag der letzten mündlichen Verhandlung, der typischerweise nur von dem Insolvenzverwalter dargelegt werden könne, dem dies auch nach der sekundären Darlegungslast obliege.

Bei den gegen die Schuldnerin gerichteten Forderungen seien nicht lediglich zur Tabelle festgestellte Forderungen zu berücksichtigen. Auch die vom Insolvenzverwalter bestrittenen Forderungen seien zu berücksichtigen, wenn eine erfolgreiche Inanspruchnahme der Masse diesbezüglich ernsthaft drohe. Deren Sicherung könne erforderlich sein, weil ein gegen sie erhobener Widerspruch des Insolvenzverwalters durch eine Feststellungsklage (§ 170 InsO) beseitigt werden könne. In diesem Verhalten des Insolvenzverwalters läge kein widersprüchliches Verhalten. Allerdings obläge es dem Insolvenzverwalter substantiiert darzulegen und zu beweisen, dass eine von ihm bestrittene Forderung, für die der Kommanditist hafte, mindestens in Höhe der Klageforderung bestünde. Eine Inanspruchnahme der Masse würde z.B. dann nicht mehr drohen, wenn der Bestand bestrittenen und angemeldeten Forderung rechtlich zweifelhaft sei, seit dem Prüfungstermin und dem Widerspruch des Insolvenzverwalters ein erheblicher Zeitraum verstrichen sei und der Gläubiger keine Feststellungsklage erhoben habe. Ebenfalls könne eine Inanspruchnahme der Masse nicht mehr angenommen werden, wenn es sich um eine Vielzahl von Forderungen, beruhend auf vergleichbaren Sachverhalten, handele und hier ein Musterprozess (nicht notwendig im Insolvenzverfahren) geführt worden sei, bei der die Forderung nicht zuerkannt wurde (BGH, Beschluss vom 06.02.2020 - IX ZR 5/19 -).

BGH, Urteil vom 09.02.2021 - II ZR 28/20 -

Mittwoch, 31. März 2021

Der „übliche Mietzins“ bei der Bewertung eines Wohnhausgrundstücks im Falle der Erbschaft/Schenkung

Der Kläger und seine verstorbene Mutter waren zu 1/3 bzw. 2/3 Miteigentümer eines mit 14 Wohnungen und einer Gewerbeeinheit bebauten Grundstücks. Im Rahmen der Erklärung zur Bedarfswertfeststellung nach § 185 BewG nach dem Tot seiner Mutter setzte der Kläger einen jährlichen Rohertrag iSv. § 186 BewG von € 110.160,00 an. Bei vier Wohnungen ging er dabei von den vertraglich vereinbarten Nettokaltmieten aus, bei elf Wohnungen legte er die im Mitspiegel ausgewiesenen Mittelwerte zugrunde. Die tatsächliche Miete überschritt diesen Mittelwert um mehr als 20%.  Das Finanzamt (FA) ging von dem obersten Wert des Mietspiegels als „übliche Miete“ iSv. § 186 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG aus. Es kam dabei nur bei zwei Wohnungen zu einer Überschreitung der üblichen Miete um mehr als 20%. Für diese zwei Wohnungen ging es vom Mittelwert aus. Der vom Kläger eingelegte Einspruch wurde vom FA zurückgewiesen. Seine dagegen erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) zurückgewiesen. Die gegen das Urteil eingelegte Revision wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) zurückgewiesen.

Streitentscheidend war, ob für die Prüfung der 20%-Grenze des § 186 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG  bei Zugrundelegung eines Mietspiegels der unterste Wert, der Mittelwert oder der oberste Wert zugrunde zu legen ist. § 186 BewG lautet:

„(1) Rohertrag ist das Entgelt, das für die Benutzung des bebauten Grundstücks nach den am Bewertungsstichtag geltenden vertraglichen Vereinbarungen für den Zeitraum von zwölf Monaten zu zahlen ist. Umlagen, die zur Deckung der Betriebskosten gezahlt werden, sind nicht anzusetzen.

(2) Für Grundstücke oder Grundstücksteile,

1.   die eigengenutzt, ungenutzt, zu vorübergehendem Gebrauch oder unentgeltlich überlassen sind,

2.    die der Eigentümer dem Mieter zu einer um mehr als 20 Prozent von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen hat, ist die übliche Miete anzusetzen. Die übliche Miete ist in Anlehnung an die Miete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. 3Betriebskosten sind nicht einzubeziehen.“

Für die Erbschaft- und Schenkungsteuer sind seit dem 01.01.2009 die Grundbesitzwerte gesondert festzustellen und für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundbesitzes gesondert festzusetzen. Bei der Bewertung bebauter Grundstücke (§ 180 BewG) ist dies von der Grundstücksart abhängig (§ 181 BewG). Bei Mietwohngrundstücken ist der Wert des Gebäudes (Ertragswert) getrennt vom Bodenwert nach dem Reinertrag gem. §§ 184ff BewG zu ermitteln, der sich aus dem Rohertrag abzüglich der Bewirtschaftungskosten ergibt (§ 185 Abs. 1 S. 2 BewG). Bei dem Rohertrag handelt es sich um das Entgelt, welches für die Benutzung des bebauten Grundstücks nach den am Bewertungsstichtag (hier Todestag der Mutter) ergibt, welches für die Benutzung nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden vertraglichen Bestimmungen für den Zeitraum von zwölf Monaten zu zahlen ist (§ 196 Abs. 1 S. 1 BewG). Soweit der Eigentümer dem Mieter die Wohnung(en) zu einer um mehr als 20% von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen hat, ist die übliche Miete anzusetzen (§ 186 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG).

Dies vom BFH ausdrücklich zugrunde legend wurde vom BFH führte der BFH aus, dass – wird ein Mietspiegel herangezogen – die Daten differenziert verwandt würden. Teilweise würden in Mitspiegeln der um Ausreißer bereinigte Durchschnitt aller Mieten in Form von Mittelwerten veröffentlicht. Zusätzlich würden Spannen angegeben, um den Besonderheiten des Einzelfalls besser Rechnung tragen zu können. Daher sei grundsätzlich der im Mietspiegel ausgewiesene gewichtete Mittelwert anzusetzen; bei ausreichenden Anhaltspunkten für einen konkreten niedrigeren oder höheren Wert sei dieser anzusetzen. Für die Überprüfung der Ortsüblichkeit der tatsächlich erzielten Miete sei entweder auf den unteren oder den oberen Wert der Spanne abzustellen.  Eine Miete, die mehr als 20% niedriger als der untere Wer der Spanne bzw. die mehr als 20% höher als der obere Wert der Spanne läge sei nicht mehr ortsüblich.

Das in § 186 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG benannte Tatbestandsmerkmal der üblichen Miete sei ein unbestimmter, der Auslegung unterliegender Rechtsbegriff. Hier folge der BFH der vom FA und auch im Schrifttum vertretenen Auffassung zur Auslegung. Alle Mietwerte innerhalb der Spannbreite seien als üblich anzusehen und erst die Unter- bzw. Überschreitung der Grenzwerte führe zur Unüblichkeit. Dies würde auch dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechen, wonach das im „Rahmen des Üblichen“ läge, was innerhalb einer bestimmten Spanne liegt.  

BFH, Urteil vom 05.12.2019 - II R 41/16 -

Samstag, 27. März 2021

Sorgfaltswidriger Fahrspurwechsel (Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO) verdrängt Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs

Nach den Feststellungen (durch Unfallrekonstruktionsgutachten) verließ der Beklagte mit seinem Fahrzeug den linken Fahrstreifen um auf den rechts daneben befindlichen Fahrstreifen, auf dem der Kläger fuhr, aufzufahren. Dies würde nach Ansicht des Kammergerichts (KG) die alleinige Haftung des Beklagten begründen.

Der Beklagte habe einen Fahrstreifenwechsel vorgenommen bzw. mit seinem solchen begonnen. Damit sei für die Anforderungen an einen solchen auf § 7 Abs. 5 StVO abzustellen. Die Norm lautet:

„In allen Fällen darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. 2Jeder Fahrstreifenwechsel ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen.“

§ 7 Abs. 5 StVO verlange mithin bei einem Fahrstreifenwechsel die Einhaltung der  äußersten Sorgfalt, damit eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Mithin würde eine ausreichende Rückschau verlangt und die Ankündigung des Fahrstreifenwechsels durch rechtzeitiges Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers. Ereigne sich wie hier ein Unfall im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel spräche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass derjenige, der den Spurwechsel vornimmt, den Unfall durch Verstoß gegen diese Pflichten schuldhaft verursachte (KG, Urteil vom 02.10.2003 - 12 U 53/02 -; OLG München, Urteil vom 05.12.2014 - 10 U 323/14 -). Dabei käme es nicht darauf an, ob der Fahrstreifenwechsel bereits vollständig vollzogen sei, da der die Sorgfaltsanforderung mit dem Verlassen des (ggf. auch markierten) Fahrstreifens beginne (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.06.2016 - I-1 U 158/15 -). Vorliegend habe der Beklagte seinen Fahrstreifen zumindest mit dem rechten Vorderrad und dem vorderen Teil seines Fahrzeugs verlassen. Der sich aus dem begonnene Fahrstreifenwechsel ergebende Anscheinsbeweis sei auch vom Beklagten nicht widerlegt worden.

Derjenige, der unter Verstoß an das Sorgfaltsgebot einen Fahrstreifenwechsel vornehme, hafte in Ansehung der in § 7 Abs. 5 StVO normierten zu beachtenden höchstmöglichen Sorgfalt in der Regel alleine. Eine Mithaftung des anderen Unfallbeteiligten alleine aus der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs (§ 7 StVG) trete zurück. Derjenige, der den Fahrstreifenwechsel vornehme, müsse Anhaltspunkte für eine Mithaftung des anderen Beteiligten aufgrund gefahrerhöhender Umstände, insbesondere eines Verkehrsverstoßes, darlegen und beweisen. Dies sei vorliegend nicht erfolgt. Der Gutachter habe überzeugend dargelegt, dass der Kläger angesichts der kurzen ihm zur Verfügung stehenden Reaktionszeit den Unfall nicht habe vermeiden können.

Kammergericht, Urteil vom 10.02.2021 - 25 U 160/19 -

Mittwoch, 24. März 2021

Stimmrecht des „werdenden Wohnungseigentümers“ nach alten und neuen Recht

Der Entscheidung des Landgerichts (LG) lagen Beschlüsse einer Eigentümerversammlung von 28.11.2018 zugrunde, die von der Klägerin angefochten wurden. Zu dieser Eigentümerversammlung wurden statt der Klägerin (der Bauträgerin, die das Wohnungseigentum gem. § 8 WEG a.F. geteilt hatte) deren Käufer einer bestimmten Wohnungseinheit eingeladen, denen die Bauträgerin die Wohnung auch bereits übergeben hatte und für die eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen war. Eine im Kaufvertrag enthaltene Stimmrechtsvollmacht zugunsten der Käufer war von der Bauträgerin widerrufen worden. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Dem half das LG im Rahmen der von der Bauträgerin eingelegten Berufung nicht ab.

Das Landgericht verwies darauf, dass die Käufer sogen. „werdende Eigentümer“ gewesen seien. Damit käme es nicht darauf an, weshalb hier ggfls. die Bauträgerin nicht geladen worden sei und wer für einen eventuellen Ladungsmangel die Darlegungs- und Beweislast trage, da den Käufern und nicht der Bauträgerin das Stimmrecht zugestanden habe. Bereits mit Urteil vom 11.05.2012 - V ZR 196/11 - habe der BGH entschieden, dass alleine dem werdenden Wohnungseigentümer das Stimm- und Anfechtungsrecht zustünde. Der BGH stellte darauf ab, dass sich die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft als Vorstufe der Wohnungseigentümergemeinschaft konstuituiere, wenn der erste Käufer sowohl mit einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch gewahrt sei und ihm die Wohnung vom Teiler (in der Regel Bauträger) übergeben worden sei und auf werdende Wohnungseigentümergemeinschaft und die werdenden Wohnungseigentümer die Bestimmungen über die Wohnungseigentümergemeinschaft des WEG anzuwenden sei. Mit dem Zeitpunkt, zu dem bei dem ersten Käufer das Eigentum auf diesen umgeschrieben würde, würde die Wohnungseigentümergemeinschaft endgültig entstehen und auch die (noch) werdenden Eigentümer würden darin aufgehen. Damit bleibt der Bauträger nur insoweit stimmberechtigt, als für Käufer noch keine Auflassungsvormerkung im Grundbuch gewahrt wurde und (kumulativ) die Wohnung übergeben wurde.

Der Widerruf der im Kaufvertrag erteilten Vollmacht würde sich hier nicht auswirken können, da der Bauträger (Teiler nach WEG) dem werdenden Eigentümer nicht dem vorgezogenen Schutz des Wohnungseigentumsgesetzes entziehen könne.

Das LG verwies zusätzlich auf das seit dem 01.12.2020 geltende Wohnungseigentumsgesetz. Der Gesetzgeber habe die Rechtsprechung in § 8 Abs. 3 BGB n.F. umgesetzt. Danach sei nach §§ 8 Abs. 3, 10 WEG n.F. der werdende Wohnungseigentümer (also jener, der vom Teiler erwirbt, mit einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch gesichert ist und dem die Wohnung übergeben wurde) zwingend zur Eigentümerversammlung zu laden und er habe auch dort das Stimmrecht, nicht der Teilende (Bauträger) in Bezug auf dieses Sonder-/Teileigentum.

Allerdings unterscheidet sich das neue WEG-Recht vom bisherigen dadurch, dass nach § 9a WEG n.F. die Wohnungseigentümergemeinschaft bereits mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher entsteht, § 9a Abs. 1 S. 2 WEG n.F., nicht erst zu dem Zeitpunkt, zu dem der erste Käufer nach Eigentumsumschreibung auf ihn im Wohnungsgrundbuch als Eigentümer gewahrt wurde. Damit wird der Teiler (anders als nach bisherigen Recht) zum ersten Wohnungseigentümer. Eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft gibt es damit nicht mehr. Allerdings noch die werdenden Wohnungseigentümer, wie § 8 Abs. 3 WEG n.F. verdeutlicht.

 LG Frankfurt am Main, Urteil vom 14.01.2021 - 2-13 S 18/20 -

Sonntag, 21. März 2021

Kein Löschungsanspruch für (Zwangssicherungs-) Hypothek nach Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren

Die Beklagte ließ im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens 2003 wegen Gewerbesteuerschulden von über € 50.000,00 auf ein Grundstück des Klägers eintragen. In 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. In 2016 wurde ihm Restschuldbefreiung erteilt. Er vertrat die Ansicht, nach der Restschuldbefreiung müsse ihm die Beklagte eine Löschungsbewilligung zwecks Löschung der Zwangssicherungshypothek erteilen. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Die Rechtsgrundlage des Begehrens des Klägers ist § 1169 BGB. Danach kann der Grundstückseigentümer von einem, Hypothekengläubiger einen Verzicht auf die Hypothek oder (nach § 875 Abs. 1 BGB) deren Löschung verlangen, wenn der eine Geltendmachung aus derselben auf Dauer ausgeschlossen ist. Diese Voraussetzung sah auch der BGH als nicht gegeben an.

Der BGH verwies auf die Akzessorietät der Hypothek, also deren unbedingte Abhängigkeit von der durch sie gesicherten Forderung. Es können daher die Einreden geltend gemacht werden, die auch gegen die gesicherte Forderung erhoben werden können. Allerdings gäbe es auch Einreden und Einwendungen gegen die gesicherte Forderung, die der Inanspruchnahme der Hypothek nicht entgegenstehen würden. Soi könne sich beispielsweise der Eigentümer nach dem Tod des Forderungsschuldners nicht wie der Erbe auf eine beschränkte Erbenhaftung berufen (§ 1137 Abs. 1 S. 2 BGB) und die Einrede der Verjährung stehe ihm auch nicht zu (§ 216 Abs. 1 BGB). Im Insolvenzverfahren berechtige die Hypothek zur abgesonderten Befriedigung (§ 49InsO), obwohl die gesicherte Forderung nur nach den Vorschriften der Insolvenzordnung verfolgt werden könne (§ 87 InsO) und eine Einzelzwangsvollstreckung ausgeschlossen sei (§ 89 InsO). In den benannten Fällen habe der Eigentümer die Zwangsvollstreckung aus der Hypothek in das Grundstück zu dulden, ohne sich auf eine mangelnde Durchsetzbarkeit der gesicherten Forderung berufen zu können.

Daran ändere auch die Restschuldbefreiung nichts, die dazu diene, den Schuldner von seinen im Insolvenzverfahren über sein Vermögen nicht befriedigten Verbindlichkeiten zu befreien (§§ 1 S. 1, 286 InsO). Dies wirke nur gegen die Insolvenzgläubiger und führe nicht, wie sich aus § 302 Abs. 3 InsO ergebe, nicht zum Erlöschen der von ihr betroffenen Forderungen. Diese Forderung bleibe erfüllbar, aber nicht erzwingbar. Damit würde eine eine Insolvenzforderung sichernde Hypothek durch die Restschuldbefreiung nicht nach § 1163 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Eigentümer übergehen und nach § 301 Abs. 2 S. 1 InsO würden die Rechte aus einem Recht, welches im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, durch die Restschuldbefreiung nicht berührt.

Für eine Zwangssicherungshypothek würde nichts anderes gelten. Sie falle auch unter § 49 InsO.  

BGH, Urteil vom 10.12.2020 - IX ZR 24/20 -

Samstag, 20. März 2021

Verkehrssicherungspflicht: Sturz eines Radfahrers infolge eines Schlaglochs auf Wirtschaftsweg

Der Kläger machte gegen die Stadt Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend, da er nach seiner Behauptung am Unfalltag gegen Mittag mit seinem Fahrrad in der Mitte des Wirtschaftsweges in ein ca. 6 – 8cm tiefes und in seiner Fahrtrichtung 50 – 60cm langes Schlagloch geraten sei und dadurch bedingt zu Fall gekommen sei. Das Schlagloch sei für ihn wegen eines Schattenwurfs nicht zu erkennen gewesen. Das Landgericht wies die Klage ab. In seinem Hinweisbeschluss wies das OLG den Kläger darauf hin, dass es beabsichtige seine Berufung nach § 522 Abs. Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

Grundsätzliche umfasse die Straßenverkehrssicherungspflicht die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung bzw. Aufrechterhaltung eines für den Benutzer sicheren Zustandes. Allerdings besage dies nicht, dass die Straßen und Wege völlig gefahrlos und frei von jeglichen Mängeln sein müssten, da auf die Zumutbarkeit abzustellen sei und eine vollständige Gefahrlosigkeit mit zumutbaren Mitteln nicht zu erreichen sei. Entscheidend seien für den Umfang der Sicherungspflicht der Charakter des Weges, Art und Ausmaß seiner Inanspruchnahme und die vernünftige Erwartungshaltung des Benutzers unter Berücksichtigung von dessen Verkehrsbedeutung. Vom Grundsatz her habe der Benutzer einer Straße diese so hinzunehmen, wie sie sich ihm darbiete und sich darauf einzustellen. Gefahren müssten nur ausgeräumt werden (bzw. vor ihnen gewarnt werden), vor denen sich der sorgsame Verkehrsteilnehmer nicht selbst schützen könne (z.B. da sie völlig überraschend eintrete oder nicht rechtzeitig erkennbar sei).

Anders als die herrschende Meinung, die eine Verkehrssicherungspflicht bei Schlaglöchern von mindestens 15cm Tiefe auf verkehrswichtigen Straße annehme, würde der Senat bei Radfahrern eine Tiefe von bis zu 4cm, als noch beherrschbar annehmen wollen. Allerdings verbiete sich die Fixierung auf einen bestimmten Wert und käme es auf die o.g. Kriterien an und damit die Umstände des Einzelfalls an.  

Vorliegend handele es sich nach der Verkehrsbedeutung um einem in einem landwirtschaftlichem gebiet belegenen Wirtschaftsweg. An die Sicherung eine solchen seien geringe Anforderungen zu stellen. Hier trete die Eigenvorsorge des Nutzers in den Vordergrund.

Zu Art und Lage hielt das OLG fest, dass der Weg 5m breit sei. Die Lage und die Größe des Schlaglochs, wie vom Kläger behauptet,  als richtig unterstellt, würde ein gewisses Gefahrenpotential für den Radfahrer bedeuten, der hier hineingerät. Das OLG wies darauf hin, dass der Radfahrer hätte rechts fahren müssen, § 2 Abs. 1 StVO, weshalb der Radfahrer nicht erwarten dürfe, dass der Weg nicht nur rechts, sondern auch in der Mitte gefahrlos befahren werden könne. Ferner ergäbe sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung, dass bei einer Benutzung von Wirtschaftswegen grundsätzlich mit Fahrbahnunebenheiten zu rechnen sei, da diese Wege regelmäßig mit schweren landwirtschaftlichen Gerät befahren würden und dadurch Straßenschäden entstünden. Der Kläger sei also gem. § 3 Abs. 1 S. 2 und 4 StVO zu schnell gefahren; die Geschwindigkeit hätte er so herabsetzen müssen, dass er rechtzeitig das Schlagloch sieht, weshalb es Warnhinweise nicht bedurft habe.

OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 11.11.2020 - 11 U 126/20 -

Freitag, 19. März 2021

Waschstraße: Unfall durch Abbremsen auf dem Transportband und Mitverschulden

Der Kläger nutzte eine Waschstraße. Das Fahrzeug des Beklagten zu 2. vor ihm fuhr nach Abschluss des Waschvorgangs an der Ausfahrt, obwohl die Lichtzeichenanlage bereits auf grün gesprungen war, nicht an. Erst bei einem zweiten Startversuch gelang es dem Beklagten zu 2. wegzufahren. Da der PKW des Klägers zwischenzeitlich vom Schleppband weiter in Richtung Beklagtenfahrzeug gezogen wurde und er aus Sorge um eine Kollision abbremste, rutschte sein Fahrzeug vom Transportband und kollidierte mit Teilen der Waschstraße.

Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers war teilweise erfolgreich.

Das Fahrzeug des Beklagten sei zum Unfallzeitpunkt iSv. § 7 StVG „im Betrieb“ gewesen. Zwar würde eine Beförderung des Fahrzeugs auf einem Förderband der Waschstraße bei ausgeschalteten Motor von der Rechtsprechung einem Betrieb entgegenstehen können, doch sei hier zu berücksichtigen, dass der Waschvorgang bereits vollständig abgeschlossen gewesen wäre und das Fahrzeug zur Weiterfahrt zu starten gewesen wäre. Damit ging die Gefahr nicht mehr von der Waschstraße aus, sondern vom Fahrzeug und seinem Fahrer.

Der Schaden am klägerischen Fahrzeug sei auch durch den Betrieb des Fahrzeugs des Beklagten mitverursacht worden. Das verzögerte Anfahren des Beklagten zu 2. sei für die Reaktion des Klägers die Ursache gewesen. Es bestand ein örtlicher und zeitlicher Zusammenhang. Der Ursachenbeitrag bestand nicht nur in der bloßen Anwesenheit des Beklagtenfahrzeuges, sondern in der sich für den Kläger (verständlich) als kritisch darstellenden Situation. Der Umstand, dass es zwischen den Fahrzeugen nicht zur Kollision kam, ließe einen Zurechnungszusammenhang nicht entfallen. Auch hier ist maßgeblich die verzögerte Abfahrt des Beklagten zu 2. Ein eigener Ursachenzusammenhang sei durch den Kläger selbst dann nicht gebildet werden, wenn seine Reaktion als voreilig oder übertrieben bewertet würde.

Der Beklagte zu 2. hafte als Fahrer nach § 18 Abs. 1 StVG verschuldensunabhängig. Er sei gehalten gewesen, nach Abschluss des Waschvorgangs und bei Umschalten der Ampel auf „grün“ unmittelbar wegzufahren; dies ergäbe sich bereits aus den Regeln des Betreibers der Waschstraße als auch der Gefährlichkeit des Stehenbleibens. Dass die Verzögerung auf ein vom Beklagten zu 2. Nicht zu vertretendes Versagen der Betriebseinrichtung zurückzuführen wäre, sie nicht geltend gemacht worden.

Allerdings habe der Kläger den Unfall im erheblichen Umfang mitzuverantworten. Zwar scheide für ihn eine Mitverantwortlichkeit nach §§ 17, 18 StVG aus, da sich sein Fahrzeug noch im Waschvorgang und damit nicht „im Betrieb“ nach § 7 StVG befunden habe. Es greife aber ein Mitverschulden gem. §§ 9 StVG, 254 BGB. Er habe diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eines Schadens anzuwenden pflege. Es hätte ihm klar sein müssen, dass er in der Situation nicht hätte bremsen dürfen. Des sei allgemein bekannt, dass ein regelwidriges Abbremsen des in der Waschstraße automatisch transportierten Fahrzeuges dazu führen kann, dass die Vorwärtsbewegung verzögert (evtl. auch gestoppt) wird, wodurch es zu Beschädigungen des Fahrzeugs durch die sich weiterbewegende Reinigungsanlage oder auch Kollision mit nachfolgenden Fahrzeugen kommen könne und hier auch zur Schädigung des PKW geführt habe; zudem würden auch die Warnhinweise des Waschstraßenbetreibers ein Abbremsen untersagen.

Der Mietverursachungsanteil des Klägers an dem Schaden betrage daher 70%.

OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.01.2021 - 1 U 63/19 -