Der Kläger machte gegen die Stadt Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend, da er nach seiner Behauptung am Unfalltag gegen Mittag mit seinem Fahrrad in der Mitte des Wirtschaftsweges in ein ca. 6 – 8cm tiefes und in seiner Fahrtrichtung 50 – 60cm langes Schlagloch geraten sei und dadurch bedingt zu Fall gekommen sei. Das Schlagloch sei für ihn wegen eines Schattenwurfs nicht zu erkennen gewesen. Das Landgericht wies die Klage ab. In seinem Hinweisbeschluss wies das OLG den Kläger darauf hin, dass es beabsichtige seine Berufung nach § 522 Abs. Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Grundsätzliche umfasse die Straßenverkehrssicherungspflicht die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung bzw. Aufrechterhaltung eines für den Benutzer sicheren Zustandes. Allerdings besage dies nicht, dass die Straßen und Wege völlig gefahrlos und frei von jeglichen Mängeln sein müssten, da auf die Zumutbarkeit abzustellen sei und eine vollständige Gefahrlosigkeit mit zumutbaren Mitteln nicht zu erreichen sei. Entscheidend seien für den Umfang der Sicherungspflicht der Charakter des Weges, Art und Ausmaß seiner Inanspruchnahme und die vernünftige Erwartungshaltung des Benutzers unter Berücksichtigung von dessen Verkehrsbedeutung. Vom Grundsatz her habe der Benutzer einer Straße diese so hinzunehmen, wie sie sich ihm darbiete und sich darauf einzustellen. Gefahren müssten nur ausgeräumt werden (bzw. vor ihnen gewarnt werden), vor denen sich der sorgsame Verkehrsteilnehmer nicht selbst schützen könne (z.B. da sie völlig überraschend eintrete oder nicht rechtzeitig erkennbar sei).
Anders als die herrschende Meinung, die eine Verkehrssicherungspflicht bei Schlaglöchern von mindestens 15cm Tiefe auf verkehrswichtigen Straße annehme, würde der Senat bei Radfahrern eine Tiefe von bis zu 4cm, als noch beherrschbar annehmen wollen. Allerdings verbiete sich die Fixierung auf einen bestimmten Wert und käme es auf die o.g. Kriterien an und damit die Umstände des Einzelfalls an.
Vorliegend handele es sich nach der Verkehrsbedeutung um einem in einem landwirtschaftlichem gebiet belegenen Wirtschaftsweg. An die Sicherung eine solchen seien geringe Anforderungen zu stellen. Hier trete die Eigenvorsorge des Nutzers in den Vordergrund.
Zu Art und Lage hielt das OLG fest, dass der Weg 5m breit sei. Die Lage und die Größe des Schlaglochs, wie vom Kläger behauptet, als richtig unterstellt, würde ein gewisses Gefahrenpotential für den Radfahrer bedeuten, der hier hineingerät. Das OLG wies darauf hin, dass der Radfahrer hätte rechts fahren müssen, § 2 Abs. 1 StVO, weshalb der Radfahrer nicht erwarten dürfe, dass der Weg nicht nur rechts, sondern auch in der Mitte gefahrlos befahren werden könne. Ferner ergäbe sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung, dass bei einer Benutzung von Wirtschaftswegen grundsätzlich mit Fahrbahnunebenheiten zu rechnen sei, da diese Wege regelmäßig mit schweren landwirtschaftlichen Gerät befahren würden und dadurch Straßenschäden entstünden. Der Kläger sei also gem. § 3 Abs. 1 S. 2 und 4 StVO zu schnell gefahren; die Geschwindigkeit hätte er so herabsetzen müssen, dass er rechtzeitig das Schlagloch sieht, weshalb es Warnhinweise nicht bedurft habe.
OLG Hamm, Hinweisbeschluss
vom 11.11.2020 - 11 U 126/20 -