Die Parteien sind Eigentümer
aneinandergrenzender, in versetzter Bauweise errichteter Reihenhäuser in Hessen.
Der Kläger ließ an seinem Reihenhaus eine Fassadendämmung anbringen. Ein Teil
der Wand des klägerischen Reihenhauses einschließlich eines schmalen Streifens
im Dachbereich blieb allerdings infolge der versetzten Bauweise ungedämmt. Die
Außendämmung nebst Putz würde hier
die
Grenze des Grundstücks des Beklagten um 11cm überschreiten. Zur Anbringung
müssten ein Holzunterstand nebst Verkleidung, die Entlüftung des Außentanks und
der Küchenabluft und ein Stromkabel verlegt und der Dachbereich des Hauses des
Beklagten geöffnet werden. Der Klage auf Durchführung der erforderlichen Arbeiten
durch den Kläger (auf seine Kosten) wurde vom Amtsgericht stattgegeben; die
hiergegen vom Beklagten erhobene Berufung zum Landgericht (LG) war erfolgreich
und führte zur Abweisung der Klage. Die vom LG zugelassene Revision wurde vom
BGH zurückgewiesen.
Der Anspruch des Klägers sei, so
der BGH, zutreffend auf der Grundlage des § 10a Abs. 1 NachbG HE verneint
worden. Die Norm lautet:
„Der Eigentümer und die
Nutzungsberechtigten eines Grundstücks haben Bauteile, die auf ihr Grundstück
übergreifen, zu dulden, wenn
1. es sich bei den übergreifenden
Bauteilen um eine Wärmedämmung handelt, die über die Bauteilanforderungen der
Energieeinsparverordnung vom 24. Juli 2007 (BGBl. I S. 1519), geändert durch
Verordnung vom 29. April 2009 (BGBl. I S. 954), in der jeweils geltenden
Fassung für bestehende Gebäude nicht hinausgeht,
2. eine vergleichbare Wärmedämmung auf
andere Weise mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann und
3. die übergreifenden Bauteile
a) an einer vorhandenen einseitigen
Grenzwand auf dem Nachbargrundstück angebracht werden,
b) die Benutzung des betroffenen
Grundstücks nicht oder nur geringfügig beeinträchtigen und
c) öffentlich-rechtlichen Vorschriften
nicht widersprechen.
Die Duldungspflicht nach Satz 1
erstreckt sich auch auf die mit der Wärmedämmung zusammenhängenden notwendigen
Änderungen von Bauteilen.“
Danach erstreckt sich die
Duldungspflicht auch auf die mit der Wärmedämmung zusammenhängenden notwendigen
Änderungen von Bauteilen.
Unzutreffend sei das LG ohne
Überprüfung davon ausgegangen, es habe sich hier um eine Grenzwand (vgl. § 8
Abs. 1 NachbG HE) gehandelt. Das sei
aber unschädlich. Läge nur eine Nachbarwand vor, an die die Reihenhäuser in
beiden Richtungen angebaut worden seien, fehle es an dem Vorliegen einer
Grenzwand, weshalb sich die Duldungspflicht nicht aus § 10 Abs. 1 S. 1 NachbG
HE ergeben könne. Aber auch bei Annahme einer Grenzwand käme eine
Duldungspflicht nicht in Betracht, da er durch die Norm nicht zur Hinnahme von
baulichen Veränderungen an dem auf seinem Grundstück stehenden Gebäude
verpflichtet sei. Dabei könne dahinstehen, ob eine „einseitige“ Grenzwand auch
dann besteht, wenn wie hier die Häuser in versetzter Bauweise errichtet worden
seien. Selbst wenn die versetzte Bauweise von § 10 Abs. 1 Nr. 3a NachbG HE
erfasst worden sein sollte, hätte der Beklagte nur den Überbau durch Bauteile
zu dulden, die durch das Anbringen der Wärmedämmung an der Grenzwand auf sein
Grundstück hinüberragen; er müsse also notwendige Veränderungen an seinem
Gebäude infolge der Wärmedämmung nicht dulden. Dies folge aus S. 1 der Norm.
Auch S. 2 erstrecke sich nur auf die Duldungspflicht auf die mir der Wärmedämmung
zusammenhängenden erforderlichen Änderung von Bauteilen der (einseitigen)
Grenzwand, an der die Wärmedämmung angebracht werden soll. Darunter würden z.B.
die Erweiterung des Dachs einer Giebelwand, die Verlängerung der Fensterbänke
oder die Verlegung von Fallrohren um die Dämmstoffstärke zählen (Hess. Landtag,
Drucks. 18/855 S. 6). S. 2 würde also nur die Duldungspflicht von S. 1 insoweit
erweitern, die durch Veränderungen an Bauteilen der Grenzwand erforderlich
würden.
Die Begründung des Gesetzentwurfs
zu § 10a Abs. 1 NachbG HE hebe hervor, dass ein Eingriff in das Eigentumsrecht
des Nachbarn auf ein Mindestmaß beschränkt und die Nutzung seines Grundstücks
nicht oder allenfalls geringfügig beeinträchtigt werden soll. Auch ginge der
Gesetzgeber davon aus, dass keine geringfüge Beeinträchtigung bei einer
grenzübergreifenden Wärmedämmung dann vorliege, wenn der Nachbar zulässig bis
zur gemeinsamen Grundstücksgrenze bauen darf. Auch in diesem Fall sei ein mit
der Aufbringung der Wärmedämmung verbundener Überbau nicht oder allenfalls bis
zur Realisierung einer zulässigen Grenzbebauung zu dulden. Folgerichtig sei es
daher, bereits vorhandene Gebäudeteile vor Eingriffen in deren Substanz zu
schützen.
Selbst sollte es sich bei der
streitgegenständlichen Wand um eine gemeinsame Grenzeinrichtung handeln, wäre
der Anspruch des Klägers nicht begründet. Bei dieser würde sich nach § 921 BGB -
mangels abweichender Regelungen in §§ 921, 922 S. 1 bis 3 BGB – die Rechtslage
gem. § 924 S. 4 BGB nach den Vorschriften über die Gemeinschaft bestimmen. Nach
§ 745 Abs. 2 BGB würde sich mangels einer Verwaltung und Nutzung durch
Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss nach dem Interesse aller Teilhaber an
einer billigem Ermessen entsprechenden Verwaltung und Benutzung orientieren.
Die Anbringung der Wärmedämmung auf einer gemeinsamen Grenzeinrichtung stelle
eine Verwaltungsmaßnahme in diesem Sinne dar. Der Teilhaber einer gemeinsamen
Giebelwand (Nachbarwand) könne nach § 745 Abs. 2 BGB aber nicht die Duldung des
anderen Teilhabers zur Duldung baulicher
Eingriffe in nicht der gemeinsamen Verwaltung unterliegende Gebäudeteile verlangen,
wie es hier z.B. in Bezug auf die Abzüge für die Öltankanlage und die Küche der
Fall sei.
BGH, Urteil vom 14.06.2019 -
V ZR 144/18 -