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Mittwoch, 22. Januar 2020

Zuschlagsbeschluss und Suizidgefahr bei der Schuldnerin


Immer wieder müssen sich die Gerichte mit der Frage der Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen Suizidgefahr bei den jeweiligen Schuldnern  im Zusammenhang mit Räumungs- und Zwangsversteigerungsmaßnahmen auseinandersetzen. Vorliegend betrieben die Gläubiger die Zwangsversteigerung einer Immobilie der Schuldnerin und erhielt am 24.08.2017 der Ersteher den Zuschlag. Die Schuldnerin legte gegen den Zuschlagsbeschluss unter Verweis auf eine Suizidgefahr bei ihr Beschwerde ein. Nach Gutachteneinholung vertrat das Landgericht (LG) als Beschwerdegericht die Auffassung, der Suizideinwand habe nicht das für eine Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses und Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens  notwendige Gewicht; die Schuldnerin habe während des Beschwerdeverfahrens therapeutische Hilfe erhalten, weshalb sie Interventions- und Hilfemöglichkeiten selbst formulieren könne und ein Suizid eher unwahrscheinlich sei. Es bestünde für den Fall der Bestätigung des Zuschlagsbeschlusses (Anm: Auf Grund desselben kann der Ersteher die zwangsweise Räumung betreiben) keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Suizid.

Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hob der BGH den Beschluss auf und verwies das Verfahren an das Beschwerdegericht zurück.

Richtig habe zwar das LG erkannt, dass einer Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss nach § 100 Abs. 3 iVm. 83 Nr. 6 ZVG stattzugeben sei, wenn wegen eines Vollstreckungsschutzantrages des Schuldners nach § 765a ZPO der Zuschlag wegen einer bereits mit dem Eigentumsverlust verbundenen konkreten Gefahr für das Leben des Schuldners (oder eines nahen Angehörigen) nicht erteilt werden dürfe oder wenn die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Schuldners während des Beschwerdeverfahrens zu Tage trete. Zwar sei  deshalb die Zwangsversteigerung nicht ohne Weiteres einzustellen bzw. aufzuheben. Im Hinblick auf die Wahrung der ebenfalls grundrechtlich geschützten Interessen des Gläubigers als auch des Erstehers sei zu prüfen, ob der Gefährdung von Leben und Gesundheit des Schuldners auch anders als durch Einstellung oder Aufhebung der Zwangsersteigerung wirksam begegnet werden könne.

Dies setze aber voraus, dass das Gericht die Geeignetheit der in Betracht gezogenen Maßnahmen sorgfältig prüfe und deren Vornahme sicherstelle. Daran fehle es vorliegend jedenfalls in Bezug auf die Sicherstellung der geeigneten Maßnahmen.

Auch wenn das LG nur von einer „geringen Suizidgefahr“ ausgehen würde, nehme es aber weder ein Vorspiegeln derselben durch die Schuldnerin an noch sähe diese als so vage an, dass von einer Verwirklichung ernsthaft nicht ausgegangen werden könne. Es weise vielmehr darauf hin, dass einer erneuten Aktualisierung der Suizidgefahr durch ein bestehendes „Setting“ aus Anbindung an den Therapeuten und medikamentöser Behandlung begegnet werden könne. Damit sei eine ernsthafte Gefahr der Selbsttötung nicht ausgeschlossen, weshalb das LG ungeachtet der schutzwürdigen Interessen der Gläubiger an einer Fortsetzung des Verfahrens dafür hätte Sorge tragen müssen, dass sich die mit der Fortsetzung des Verfahrens verbundene Lebens- und Gesundheitsgefahr nicht realisiere. Durch das bestehende „Setting“ sei das LG davon nicht entbunden, da offen sei, b dies im Ernstfall funktioniert hätte. So sei auch ein Verweis auf die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Gerichte verfassungsrechtlich nur tragfähig, wenn das Vollstreckungsgericht dafür Sorge trage, dass diese Stellen rechtzeitig tätig werden.  Daher dürfe das Vollstreckungsgericht die Einstellung des Verfahrens nur ablehnen, wenn im Hinblick auf ambulante Maßnahmen zur Bewältigung der Suizidgefahr auch diese Maßnahmen sichergestellt würden.

Dieser Anforderung habe das LG nicht genügt. Weder habe es sichergestellt noch dafür Sorge getragen, dass die therapeutische und medikamentöse Behandlung der Schuldnerin im Zeitpunkt der endgültigen Entscheidung über den Zuschlag gesichert sei. Es habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass das „Setting“ bei einer akuten Krisensituation besteht und wirksam wird. Dies hätte hier einer freiwilligen Mitwirkung der Schuldnerin bedurft, ohne dass berücksichtigt worden sei, dass bei einer Zuspitzung, wie sie vom LG nicht ausgeschlossen worden sei, ein Suizidgefährdeter nicht mehr in der Lage sei, sich selbst Hilfe zu organisieren. Von daher hätte das LG für diesen Fall die vom LG für geeignet gehaltenen ambulanten Maßnahmen zur Begegnung der konkreten Suizidgefahr auch für den Fall, dass die Schuldnerin die Konfliktsituation nicht mehr selbst beherrschen kann, sicherstellen müssen.

Vor diesem Hintergrund wurde der Beschluss des LG aufgehoben. Das LG habe nun neue Feststellungen zur aktuellen Situation der Schuldnerin zu treffen und dürfe unveränderter Sachlage die Einstellung des Verfahrens nur ablehnen, wenn es sicherstelle, dass das „Setting“ aus ambulanter und medikamentöser Behandlung besteht und funktioniert.

BGH, Beschluss vom 19.09.2019 - V ZB 16/19 -

Donnerstag, 7. Mai 2015

Räumungsdurchsetzung des Erstehers bei Suizidgefahr des bisherigen Eigentümers

Bild: Cornelia Menichelli  / pixelio.de
Der Erwerb einer Immobilie im Verfahren der Zwangsversteigerung führt zwar zu einem Räumungstitel gegen den bisherigen Eigentümer, kann aber in der Durchsetzung bei Suizidgefahr desselben in der Durchsetzung erschwert werden. Mit dieser Problematik haben sich das LG Kleve (Urteil vom 24.11.2014) und das LG Frankfurt a.M.  (Urteil vom 03.11.2014) auseinandergesetzt. Das LG Kleve sieht das Gericht vor einer Entscheidung über einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO als verpflichtet an, die zuständige Behörde zu informieren, damit diese geeignete Maßnahmen zum Schutz trifft; wird der Vollstreckungsschuldner dann geschlossen untergebracht, entfalle regelmäßig ein Grund zur Versagung des Zuschlages bzw. für eine Vollstreckungseinstellung. Das LG Frankfurt .M.  will dem Gläubiger eine Ankündigungsfrist auferlegen, um so dem Schuldner die Möglichkeit zu geben, sich in einem psychiatrischen Krankenhaus vorzustellen; kommt er dem nicht nach, wären die öffentlichen Stellen zu benachrichtigen um erforderliche Maßnahmen zu ergreifen.

Beide Entscheidungen wollen mithin im Ergebnis die Durchsetzung des Räumungsanspruchs erzwingen, wobei zuvor die Sicherung des Schuldners hergestellt werden soll.

LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 03.11.2014 – 2-09 T 528/14 -
LG Kleve, Beschluss vom 24.11.2014 – 4 T 500/14 -