Mit der vom Amtsgericht zurückgewiesenen
Klage des Versicherungsnehmers (VN) negierte das Amtsgericht den Versicherungsschutz
aus einer privaten Haftpflichtversicherung bei der Beklagten aus Anlass eines
von der VN verursachten Schadens, der dadurch von der VN verursacht wurde, dass
sie auf einer Hebebühne des von ihr angemieteten Transporters stehend beim
Entladen einer Leiter ein in den Luftraum ragendes Reklameschild beschädigte. Ihre
Berufung wurde vom Landgericht zurückgewiesen.
Das Amtsgericht hatte sich auf
Ziffer 6.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AHB) bezogen. Nach dieser
Klausel sei die Haftpflicht des Besitzers eines Kraftfahrzeuges (auch wenn er
dieses wie vorliegend nur angemietet habe) wegen Schäden, die durch den
Gebrauch des Fahrzeuges verursacht werden, nicht versichert. Es habe sich hier
das Gebrauchsrisiko verwirklicht.
Das Landgericht sah keine Veranlassung,
von der rechtlichen Würdigung des Amtsgerichts abzuweichen. Es handele sich bei
der Klausel um die sogen. Benzinklausel, derzufolge die Haftpflicht u.a. des Führers
eines Kraftfahrzeuges für Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeuges
verursacht würden, nicht über die private Haftpflichtversicherung gedeckt sei. Der
Umstand, dass das Fahrzeug zum Schadenszeitpunkt stand, ändere daran nichts.
Weiterhin sei der Klägerin (VN) Führer des Fahrzeuges, welches sich in der
Entladung befunden habe, gewesen.
Der Ausschluss des
Versicherungsschutzes durch die „Benzinklausel“ sei aus sich heraus und eng
auszulegen. Er würde nur dann greifen, wenn sich eine Gefahr verwirklicht habe,
die gerade dem Fahrzeuggebrauch eigen ist und diesem selbst und unmittelbar
zuzurechnen sei. Deshalb müsse der Schaden dem Kraftfahrzeugrisiko näher stehen
als dem Privat-/Betriebs-/Tierhalterrisiko, mithin dem Kraftfahrzeugrisiko bei
natürlicher Betrachtung zuzuordnen sein. Das sei bei Be- und Entladevorgängen
dann der Fall, wenn und solange das Kraftfahrzeug in innerem Zusammenhang mit
seiner Funktion als Verkehrs- und Transportmittel be- bzw. entladen würde.
Dieser Zusammenhang bestünde jedenfalls dann, wenn das Be- oder Entladen mit
Hilfe einer speziellen Vorrichtung des Fahrzeuges selbst erfolge (OLG Köln,
Urteil vom 06.12.2018 - 3 U 49/18 - zum Betrieb iSv. § 7 StVG). Der BGH würde in
dem Entladevorgang einen Gebrauch des Fahrzeuges sehen, solange das
Kraftfahrzeug selbst oder eine an oder auf ihm befindliche Vorrichtung daran
beteiligt sei. Daher sei ein Schaden beim Hantieren mit dem Ladegut dann “durch
den Gebrauch“ des Kraftfahrzeuges entstanden und diesem zuzurechnen, d.h. der
Gebrauch für die schadensstiftende Verrichtung aktuell, unmittelbar, zeitlich
und örtlich nahe eingesetzt würde (BGH, Urteil vom 26.06.1979 - VI ZR 122/78
-).
Hier käme hinzu, dass der Schaden
beim Einsatz der Hebebühne als Vorrichtung des Fahrzeuges entstanden sei. Es
habe sich nicht das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin (VN) verwirklicht,
sondern dem Fahrzeuggebrauch eigene Gefahr, da die Klägerin die
Reklameeinrichtung nur deshalb habe beschädigen können, da sie auf der
Hebebühne stand. Die Entscheidung des OLG Hamm vom 09.08.2017 - 20 U 30/17 -
würde dem nicht entgegenstehen, da zum Einen die benannten Grundsätze durch
auch benannt worden seien, zum Anderen der Schaden dort deshalb entstand, da
durch Ungeschicklichkeit Flaschen heruntergefallen und explodiert seien und sich
daher nicht das typische Risiko des Fahrzeuges verwirklicht habe.
LG Wuppertal, Urteil vom 14.11.2019 - 9 S 125/19 -
Aus den Gründen:
Tenor
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Solingen, 13 C 441/18, vom 19.06.2019 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
- Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
- I.
- Die Klägerin, die bei der Beklagten eine private Haftpflichtversicherung unterhielt, mietete einen Transporter an. Als sie auf dessen Hebebühne stehend eine Leiter entladen wollte, beschädigte sie mit dieser ein in den Luftraum ragendes Reklameschild und verursachte einen Nettoschaden von 1.310,- EUR. Sie wurde in der Folge zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.335,- EUR verurteilt.
- Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, sie von den mit dem betreffenden Urteil sowie dem zugehörigen Kostenfestsetzungsbeschluss titulierten Forderungen (422,58 EUR) freizustellen und an sie 334,75 EUR außergerichtliche Kosten nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Nach Ziff. 6.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sei die Haftpflicht des Besitzers eines Kraftfahrzeuges wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeuges verursacht werden, nicht versichert. Es habe sich hier nicht das allgemeine Lebensrisiko, sondern das Gebrauchsrisiko verwirklicht.
- Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt. Dass ausschließlich der Versicherer des Kraftfahrzeuges haften solle, nur weil der Schaden anlässlich eines Umzuges entstanden sei, erschließe sich keinem vernünftig denkenden Versicherungsnehmer. Mit der "Benzinklausel" werde aus dessen Sicht lediglich dasjenige aus dem Anwendungsbereich der privaten Haftpflichtversicherung ausgenommen, was typischerweise dem Versicherungsschutz der Kfz-Haftpflicht unterfalle, d.h., wo sich das Gebrauchsrisiko gerade des Kfz verwirklicht habe.
- Im Übrigen wird von der Darstellung eines Tatbestandes gemäß §§ 540 II, 313a ZPO, 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO abgesehen.
- II.
- Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung; § 513 ZPO. Ein Anspruch der Klägerin aus dem Versicherungsvertrag mit der Beklagten (§ 100 VVG, Ziff. 1.1 AHB) besteht im Hinblick auf das streitgegenständliche Schadensereignis nicht.
- Da die Parteien übereinstimmend von der wirksamen Einbeziehung der "Privat-Haftpflichtversicherung"-Bedingungen der Beklagten ausgehen, hatte die Kammer die Anwendbarkeit der Klausel Ziff. 6.1 (Bl. 20 GA) ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Nach dieser sog. Benzinklausel ist die Haftpflicht u.a. des Führers eines Kraftfahrzeuges wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeuges verursacht werden, nicht versichert. Die Voraussetzungen dieser allgemeinen Vertragsbedingung sind erfüllt.Zwar stand das Fahrzeug im Moment der Schadenszufügung. Das ändert aber nichts daran, dass die Klägerin nach wie vor Führerin des in der Entladung befindlichen Transporters war, während bloßer Fremdbesitz nach Auffassung von Prölss/Martin/Lücke (30. Aufl. 2018, BB PHV § 3 Rn. 9, m.w.N.) entgegen des Wortlautes von Ziff. 6.1 nicht ausgereicht hätte.
- Der - aus sich heraus und eng auszulegende - Ausschluss greift im Einzelfall nur dann, wenn sich eine Gefahr verwirklicht hat, die gerade dem Fahrzeuggebrauch eigen und diesem selbst und unmittelbar zuzurechnen ist. Der Schaden muss deshalb dem Kraftfahrzeugrisiko näher stehen als dem Privat-/Betriebs-/Tierhalter-Risiko, also bei natürlicher Betrachtung diesem zuzuordnen sein (Prölss/Martin/Lücke, 30. Aufl. 2018, BB PHV § 3 Rn. 10, m.w.N.). Das ist bei Be- und Entladevorgängen zumindest dann der Fall, wenn und solange das Kraftfahrzeug in innerem Zusammenhang mit seiner Funktion als Verkehrs- und Transportmittel be- und entladen wird. Ein solcher innerer Zusammenhang besteht jedenfalls, wenn das Entladen mit Hilfe einer speziellen Entladevorrichtung des Kraftfahrzeuges selbst erfolgt (vgl. OLG Köln, 3 U 49/18, juris, zur Frage, ob Be- und Entladevorgänge zum Betrieb im Sinne von § 7 StVG gehören). Nach der Rechtsprechung des BGH gehört ein Entladevorgang zum Gebrauch des Kfz, solange das Kraftfahrzeug oder seine an und auf ihm befindlichen Vorrichtungen dabei beteiligt sind. Der Schaden, der beim Hantieren mit Ladegut eintritt, ist dann "durch den Gebrauch" des Kraftfahrzeugs entstanden, dh diesem Gebrauch noch zuzurechnen, wenn es für die schadensstiftende Verrichtung aktuell, unmittelbar, zeitlich und örtlich nahe eingesetzt gewesen ist (BGH, VI ZR 122/78, juris).
- Vorliegend ist der Schaden nicht nur im Sinne der BGH-Rechtsprechung beim Einsatz von Vorrichtungen des Transporters, nämlich der Hebebühne, entstanden. Es hat sich zudem eine dem Fahrzeuggebrauch eigene Gefahr und nicht bloß ein Alltagsrisiko verwirklicht, da die Klägerin die Reklameeinrichtung schädigen konnte, weil sie auf der Hebebühne des Transporters stand.
- Diesem Ergebnis steht die Entscheidung des OLG Hamm vom 09.08.2017 (20 U 30/17, juris) nicht entgegen. Denn auch das OLG Hamm stellt darauf ab, ob sich das Gebrauchsrisiko gerade des Fahrzeugs verwirklicht hat. Ausdrücklich hat das OLG nämlich ausgeführt, dass zum Gebrauch eines Fahrzeugs u.a. auch das Be- und Entladen gehören. Der entscheidende Unterschied zum vorliegenden Fall liegt darin, dass dort eine Bauschaumflasche aus Ungeschicklichkeit heruntergefallen und explodiert war, weshalb sich eine typische Gefahr dieser Flasche und, anders als hier (s.o.), nicht ein typisches Risiko des Fahrzeuges verwirklicht hatte.
- III.
- Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.
- Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 3.000,- EUR (§§ 43 I, 48 I GKG, 6 S. 1 ZPO)
- Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 I Nr. 1, II ZPO), bestand nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
- Eine grundsätzliche Bedeutung ist nämlich nur dann zu bejahen, wenn die Entscheidung der Sache von einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt, die über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre oder den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist (BGH, IV ZR 543/15, bei juris). Anlass zur Fortbildung des Rechts durch Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze im Sinne von § 543 II 1 Nr. 2, 1. Alt. ZPO besteht nur dann, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (BGH, V ZR 291/02, bei juris).
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