Dienstag, 5. Februar 2019

Haftung des gerichtlich bestellten Sachverständigen für ein fehlerhaftes Gutachten, § 839a BGB


Der Kläger machte Schadensersatzansprüche und Schmerzensgeld auf Grund eines seiner Meinung nach falschen aussagepsychologischen Gutachtens, eingeholt in einem Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs seiner damaligen Pflegetochter, gegen den Beklagten geltend, der im Auftrag des Strafgerichts das Gutachten erstellt hatte. Das Landgericht sprach dem Kläger ein Schmerzensgeld von € 50.000,00 zu und gab den Feststellungsanträgen zu künftigen und weiteren Schäden statt. Auf die Berufung beider Parteien erhöhte das OLG das Schmerzensgeld auf € 60.000,00 und wies im Übrigen beide Berufungen zurück. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten zum BGH wurde von diesem zurückgewiesen.

Der BGH sah keine Rechtsfehler in der Feststellung der Vorgerichte darin, dass das Gutachten des Beklagten unrichtig gewesen sei. Die dagegen erhobenen Rügen würden nicht durchgreifen. Zum Schadensersatzanspruch setzte sich der BGH damit auseinander, dass zur Begründung eines solchen (bei unrichtigem Gutachten) das Gutachten ursächlich oder mitursächlich für die Entscheidung geworden sein müsse (Gesetzeswortlaut: „beruhen auf), also eine haftungsbegründende Kausalität gegeben sein müsse, und ferner der Schaden durch die von dem unrichtigen Gutachten beeinflusste Gerichtsentscheidung herbeigeführt worden sein müsse, also  eine haftungsausfüllende Kausalität feststeht. Beides sei hier der Fall.

Für die haftungsbegründende Kausalität verwies der BGH darauf, dass sich die Jugendkammer bei der Verurteilung des Klägers ausdrücklich auf das Gutachten gestützt habe.

Die haftungsausfüllende Kausalität sah der BGH ebenfalls nach den Ausführungen des OLG als gegeben an. Ausschlaggebend sei nach Ansicht des OLG, wie im Ausgangsprozess bei Vorlage eines richtigen Gutachtens entschieden worden wäre. Dieser vom OLG gewählte Ansatz sei zutreffend. So habe der Senat bereits in seinem Urteil vom 11.03.2010 - III ZR 1254/09 - zugrunde gelegt, dass, wenn es auf die Frage der Ursächlichkeit einer Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB) für den eingetretenen Schaden darauf ankäme, wie die Entscheidung ausgefallen wäre, darauf abzustellen sei, wie mach Ansicht des über den Schadensersatz erkennenden Gerichts richtigerweise hätte entschieden werden müssen. § 839a BGB, der die Haftung des gerichtlich bestellten Sachverständigen betrifft, sei an § 839 BGB angelehnt, weshalb hier nichts anderes gelten könne.

BGH, Beschluss vom 30.08.2018 - III ZR 363/17 -

Montag, 4. Februar 2019

Rechtsfolgen aus einem unauffindbaren Testament ?


Der verwitwete Erblasser war kinderlos. Rechte an dem Erbe wurden von der Tochter seiner verstorbenen Ehefrau (Beteiligte zu 4) und seinen Halbgeschwistern (Beteiligte zu 1 bis 3) geltend gemacht; die Eltern des Erblassers waren vorverstorben. Die Beteiligten zu 1 – 3 hatten unter Berufung auf die gesetzliche Erbfolge einen Erbschein beantragt, dem die Beteiligte zu 4 zunächst nicht entgegen getreten war. Am 15.06.2016 erließ das Nachlassgericht den Erbschein. Am 08.08 und am 16.08.2016 beantragte die Beteiligte zu 4 die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin und die Einziehung des Erbscheins vom 15.06.2016. Dabei berief sie sich darauf, dass der Erblasser am 13.02.2016 ein privatschriftliches Testament errichtet habe, mit welchem sie als Alleinerbin eingesetzt worden sei. Dieses habe er in einer Küchenschublade abgelegt. Dort habe sie, die Beteiligte zu 4, zwar im Mai 2016, nach dem Ableben des Erblassers, den entsprechenden, allerdings leeren Umschlag gefunden. Zum Beweis der Umstände der Testamentserrichtung berief sie sich auf das Zeugnis von zwei Freundinnen sowie ihres Lebensgefährten, die bei der Errichtung des Testaments anwesend gewesen sein sollen. Von den Beteiligten zu 1 bis 3 wurde Verwunderung geäußert, dass die Beteiligte zu 4 zunächst nichts gegen ihren Erbscheinantrag eingewandt hätten und im Übrigen Beweis dafür angeboten, dass der Erblasser ein distanziertes Verhältnis zur Beteiligten zu 4 gehabt habe.


Das Amtsgericht hörte die von den Beteiligten benannten Zeugen an und zog mit Beschluss vom 14.02.2018 den Erbschein vom 15.06.2016 ein; ferner stellte es mit Beschluss vom gleichen Tag fest, dass die Voraussetzungen zur Erteilung eines Erbscheins für die Beteiligte zu 4 vorlägen. Gegen diese Beschlüsse richtete sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3. Das Nachlassgericht half der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem OLG Köln zur Entscheidung vor. Die Beschwerden wurden vom OLG zurückgewiesen.

Zutreffend sei das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Erblasser wirksam ein privatschriftliches Testament aufgesetzt habe und darin die Beteiligte zu 4 als Alleinerbin eingesetzt habe. Ein solches Testament sei nicht alleine wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig. Vielmehr könnten Form du Inhalt mit allen zulässigen Beweismitteln festgestellt werden (Palandt, 77. Aufl. 2018, § 2255 Rn. 9). Die Unauffindbarkeit des Testaments begründe auch keine Vermutung dafür, dass es vom Erblasser vernichtet worden sei und deshalb gem. § 2255 BGB als widerrufen anzusehen sei (OLG Köln, Beschluss vom 26.02.2018 – 2 Wx 115/18 -; OLG Schleswig, Beschluss vom 12.08.2013 – 3 Wx 27/13). Soweit sich die Beteiligten zu 1 – 3 darauf beriefen, dass die Beteiligte zu 4 nichts bereits in deren Erbscheinantragsverfahren Einwendungen erhoben habe, sei das Amtsgericht zutreffend den Ausführungen der Beteiligten zu 4 gefolgt, sie habe als juristischer Laie nicht davon ausgegangen, dass auch ein nicht auffindbares Testament rechtlich von Bedeutung sein könne; ihr sei dies erst anlässlich einer juristischen Beratung bekannt geworden.

Ein Widerruf des Testaments sei vom Amtsgericht zutreffend negiert worden. Die fehlende Auffindbarkeit lasse dazu (und zu einer möglichen Vernichtung) keinen Rückschluss zu. Indizien, die für eine Willensänderung des Erblassers sprechen könnten, seien von den Beteiligten zu 1 bis 3 nicht vorgetragen worden. Insbesondere würde auch die Aussage der Eheleute H., denen gegenüber der Erblasser noch eine Woche vor seinem Tod von dem Testament berichtet habe, dagegen sprechen. Auch wäre nicht nachvollziehbar, dass der Erblasser das Testament zwar vernichte, den Umschlag aber in der Schublade belasse.

Anmerkung: Wenn Dritte ein privatschriftliches Testament kennen, ist die Gefahr, dass es bei willentlicher Vernichtung durch den Erblasser weiterhin gilt, groß. In diesem Fall wäre es notwendig, einen schriftlichen Widerruf zu fertigen, der auch jedenfalls gefunden  wird / werden kann und nicht „verlustig“ geht. 



OLG Köln, Beschluss vom 19.07.2018 - 2 Wx 261/18 -

Freitag, 1. Februar 2019

Architektenhaftung: Berechnung des Schadensersatzanspruchs


Aus mangelhafter Bauüberwachung machte der Kläger gegen den Architekten (Beklagten) Schadensersatzansprüche mit € 123.800,92 geltend und begehrte darüber hinaus die Feststellung, dass der Beklagte ihm einen weitergehenden Schaden bei Durchführung der notwendigen Arbeiten zu ersetzen. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben; die Berufung wurde vom OLG zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ließ der BGH die Revision in Bezug auf die Verurteilung zur Zahlung von € 123.800,92 sowie im Kostenausspruch zu. Es hate sodann das Urteil des OLG insoweit aufgehoben und zur anderweitigen Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Das OLG hatte angenommen, der Kläger habe gegen den Architekten einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 280 Abs. 1, 633, 634 Nr. 4 BGB . Dem läge eine Bauüberwachungsfehler des Beklagten zugrunde, der sich nicht in Bezug auf den erforderlichen Klebeflächenanteil für die Dämmplatten von mindestens 40%  auf Stichproben hätte verlassen dürfen, sondern konkret die Anwendung die Anwendung der zu den Herstellervorgaben gehörenden Klebemethode hätte überprüfen müssen.  Der Schaden würde in Höhe der erforderlichen Mängelbeseitigungskosten (des bisher nicht beseitigten Mangels) bestehen.

 Vom Ausgangspunkt folgte der BGH der Rechtsauffassung des OLG, wonach dem Kläger wegen mangelhafter Bauüberwachung ein Schadensersatzanspruch zustünde. Der Anspruch bestünde auch in voller Höhe und wäre nicht wegen eines Mitverschuldens des Klägers zu kürzen. Allerdings könnte die Entscheidung zur Feststellung der Höhe keinen Bestand haben.

Entgegen der Annahme des OLG lasse sich der Schaden nicht nach der voraussichtlichen Höhe der (Netto-) Mängelbeseitigungskosten bemessen. Insoweit beruhe die Entscheidung auf einer älteren Rechtsauffassung des BGH, die dieser nach Erlass des Beschlusses zur Zurückweisung der Berufung geändert habe. Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung habe er entschieden, dass im Verhältnis zum Architekten hinsichtlich von ihm zu vertretender Planungs- und Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht hätten, ein Zahlungsanspruch in Höhe fiktiver Mängelbeseitigungskosten ausscheide (BGH, Urteil vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17 -). Die Zurückverweisung müsse erfolgen, um dem Kläger die Möglichkeit zu geben, seinen Schaden anderweitig darzulegen und zu beziffern.

Anmerkung: Der Kläger kann hier wegen Planungs- und Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 634 Nr. 4, 280 BGB  auf Vorfinanzierung in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrages gegen den Architekten geltend machen, wenn er beabsichtigt, den Mangel beseitigen zu lassen. Will er ihn nicht beseitigen lassen, kann er auch den Minderwert des Bauwerks im Vergleich zu dem hypothetischen Wert desselben bei mangelfreier Erstellung geltend machen. Hat der durch die mangelhafte Architektenleistung verursachte Schaden am Bauwerk zur Folge, dass eine Störung des Äquivalenzverhältnisses der Bauvertrages vorliegt, kann er seinen Schaden auch dergestalt geltend machen, dass er ausgehend von der mit dem Werkunternehmer vereinbarten Vergütung den mangelbedingten Minderwert des Werks des Werkunternehmers berechnet.

BGH, Urteil vom 08.11.2018 - VII ZR 100/16 -

Mittwoch, 30. Januar 2019

Beginn der Verjährungsfrist nach § 548 Abs. 1 BGB bei verweigerter/verzögerter Rücknahme der Meitsache durch Vermieter


Schadensersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren binnen sechs Monaten, wobei die Frist mit der Rückgabe der Mietsache an den Vermieter zu laufen beginnt, § 548 Abs. 1 BGB. Obwohl im Verfahren vor dem OLG Brandenburg zum Zeitpunkt der Klageerhebung durch die Vermieterin hier die Mietsache noch keine 6 Monate zurückgegeben war, wies das OLG ihre Schadensersatzklage ab.  

Das OLG stellte bei seiner Entscheidung auf ein der Klägerin am 09.11.2010 übermitteltes Schreiben des beklagten ehemaligen Mieters ab, mit dem dieser der Klägerin „die Rückgabe der Mieträume ab sofort“ anbot und einen kurzfristigen (vermieterseits zu benennenden) Vor-Ort-Termin vorschlug, der u.a. zur Übergabe auch der von ihm eingebauten Zentralschließanlage dienen sollte. Zwar müsse der Vermieter nicht die Mietsache jederzeit (quasi auf Zuruf) zurücknehmen (BGH, Urteil vom 12.10.2011 - VIII ZR 8/11 -). Anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall habe allerdings hier der Beklagte das Mietverhältnis bereits am 05.07.2012 zum 30.09.2012 (außerordentlich) gekündigt gehabt (und die Kündigung sei auch, wie das OLG mit Urteil vom 07.02.2017 festgestellt habe, wirksam gewesen). Im Übrigen habe der Beklagte die Übergabe nicht faktisch unmittelbar vor der Haustür angeboten, sondern der Klägerin für die Übergabe Gelegenheit zur Benennung eines ihr genehmen Termins  gegeben. Da die Klägerin darauf nicht reagiert habe, befände sie sich in Annahmeverzug, was bereits den Beginn der kurzen Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB auslöse. Zwar sei nach dem Wortlaut der Norm auf den Besitzwechsel abzustellen, wofür spräche, dass sich der Vermieter erst im Rahmen der unmittelbaren Sachherrschaft ein umfassendes Bild über mögliche Veränderungen/Verschlechterungen der Mietsache machen könne. Dem aber würde es gleichstehen, wenn sich der Vermieter selbst der Möglichkeit begebe, die unmittelbare Sachherrschaft auszuüben, indem er die Übernahme verweigere oder unnötig hinauszögere.

Vorliegend hätten die Voraussetzungen für den Annahmeverzug seit dem 10.11.2012 vorgelegen. Die Klage ging erst am 08.07.2013 bei Gericht ein. Nicht entscheidend sei, ob bei fristbeginn die Mietsache bereits komplett geräumt gewesen sei und es evtl. noch eine Rücksprache wegen von der Klägerin ggf. zu übernehmender Einbauten hätte geben sollen. Die vollständige Rückgabe bzw. Räumung der Mietsache sei nicht Voraussetzung für den Fristbeginn, wobei hier wegen eines Rückbaus auch allenfalls eine kurze Unterbrechung der Verjährung für den dafür erforderlichen Aufwand (vom 24.01. – 08.02.2013) in Betracht käme.

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 19.06.2018 - 3 U 72/17 -

Montag, 28. Januar 2019

Sozialbindung der Wohnung als (Rechts-) Mangel


In dem notariellen Kaufvertrag der Parteien hieß es: „Ansprüche und Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels des Wohnungseigentums sind ausgeschlossen. Dies gilt auch für alle Ansprüche auf Schadensersatz, es sei denn, der Verkäufer handelt vorsätzlich. Der Kläger (Käufer) verlangte von der Beklagten (Verkäuferin) die Rückabwicklung des Kaufvertrages und die Feststellung, dass die Beklagte ihm zum Ersatz weiterer Schäden verpflichtet sei. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Auf die (zugelassene) Revision hob der  BGH das Urteil auf du verwies den Rechtsstreit zur anderweitigen Entscheidung an das OLG zurück.

Der BGH stellte fest, dass die Wohnung einen Mangel iSv. § 435 S. 1 BGB aufweise. Die Sozialbindung einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung stelle einen Rechtsmangel dar , da der Eigentümer in seinen rechtlichen Befugnissen eingeschränkt würde (so Eigennutzung, §§ 6 WoBindG, 27 Abs. 4 WoFG, als auch Fremdnutzung, §§ 4ff WoBinfG, 25ff WoFG). Dieser Mangel ließe sich auch nicht mit der Begründung verneinen, vom Kläger sei ein kausaler Zusammenhang zwischen der unterlassenen Aufklärung über die Sozialbindung und seinem Kaufentschluss nicht dargelegt worden, und es könne offen bleiben, ob der im Vertrag benannte Haftungsausschluss auch die Haftung für Rechtsmängel umfasse.

Würde man die Haftung für Rechtsmängel mit der vertraglichen Formulierung nicht als ausgeschlossen ansehen wollen, käme es, so der BGH, von vornherein nicht auf die Frage der Kausalität für den Kaufentschluss an, da die Beklagte nach §§ 433 Abs. 1 S. 2, 435 S. 1 und 437 BGB ohne weiteres für Rechtsmängel einzustehen habe.

Aber auch dann, wenn der vertragliche Haftungsausschluss Rechtsmängel umfassen würde, käme es auf die Kausalität nicht an. Denn die Beklagte könne sich nach § 444 BGB auf den Haftungsausschluss nicht berufen, wenn sie den in der Sozialbindung liegenden Rechtsmangel arglistig verschwiegen habe. Dies habe das OLG offen gelassen, weshalb das Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zurückzuverweisen sei.  
Zunächst würde das Berufungsgericht den Umfang der Freizeichnungsklausel zu prüfen haben, wobei es zu berücksichtigen habe, dass eine Freizeichnungsklausel als Abweichung vom dispositiven Recht stets eng auszulegen sei. Negiere das OLG die Anwendbarkeit auf Rechtsmängel, wäre der Klage stattzugeben. Sollte der Schadensersatzanspruch nach den zu treffenden Feststellungen des OLG ausgeschlossen sein, käme es darauf an, ob die Beklagte Kenntnis hatte, da sie dann den Kläger hätte aufklären müssen. Dabei käme es nicht darauf an, ob der Kläger die Wohnung besichtigt habe. Zwar würde für bei Besichtigung frei zugänglichen und damit ohne weiteres erkennbaren Mängeln keine Offenbarungspflicht bestehen (BGH, Urteil vom 09.02.2018 - V ZR 274/16 -). Dies gelte aber nicht für die Sozialbindung, da der Rechtsmangel nicht einer Besichtigung zugänglich sei.

Sollte danach die Beklagte den Mangel arglistig verschwiegen haben, müsse das OLG die Verjährungsproblematik klären. Die Verjährung beginne nach 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Kläger als Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erstmals Kenntnis erlangt habe oder (ohne grobe Fahrlässigkeit) hätte erlangen müssen.

BGH, Urteil vom 14.09.2018 - V ZR 165/17 -

Sonntag, 27. Januar 2019

Online-Auktion (eBay) und die Wirkung von Scheingeboten


Der Zuschlag im Rahmen einer (auch Online-) Auktion führt zum Abschluss des Kaufvertrages, nach dem sich bestimmt, welcher Leistung (Höhe des Kaufpreises) der Bieter (Käufer) an den Anbieter (Verkäufer) zu erbringen hat. Was aber ist, wenn der Anbieter (mittels eines Dritten) versucht, die Gebote künstlich zu erhöhen ?

Vorliegend, so das OLG München, sei zwischen den Parteien im Rahmen einer mit einem automatischen Bietsystem abgewickelten eBay-Auktion über den angebotenen PKW des Beklagten ein Kaufvertrag zu einem Kaufpreis von € 2.010,00 zustande gekommen. Dies, obwohl der Kläger als Höchstbietender mit seinem Maximalgebot von € 6.970,00 den Zuschlag erhalten habe. Nachdem dem Kläger das Fahrzeug zum Preis von € 2.010,00 nicht überlassen wurde, machte er Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen dem in Höhe der Differenz zwischen dem von ihm angenommenen (vom OLG München bestätigten) Kaufpreis von € 2.010,00 und einem Wert des Fahrzeuges von € 7.020,00 geltend.  Dieser Betrag wurde ihm vom OLG zugesprochen.

Das OLG sah es als bewiesen an, dass die durch das automatische Bietsystem vorgenommene Erhöhung des klägerischen Gebots auf den Betrag von € 6.970,00 einzig auf das kurz vorher vom Zeugen K. abgegebene Gebot über € 6.920,00 erfolgt sei. Bei diesem Gebot des Zeugen K. handele es sich aber um ein Scheingebot, welches daher nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig sei. Der Zeuge K und der Beklagte hätten bei der Auktion zusammengewirkt, um die Gebote Dritter zu erhöhen.

Dies folgerte das OLG aus dem Vortrag der Parteien und der Aussage des Zeugen K. Während der Beklagte eine nähere Bekanntschaft mit dem Zeugen K. wie auch irgendwelche Absprachen mit diesem zu dieser oder früheren Auktionen rundweg bestritt, habe der Zeuge K. bei seinen zwei Vernehmungen während des Verfahrens eine durchaus enge Freundschaft mit dem Beklagten einräumen müssen und ferner, dass er und der Beklagte sich bei früheren Auktionen durchaus gegenseitig mit Geboten unterstützt hätten um so einen besseren Preis zu erzielen. Von daher sei der Senat des OLG überzeugt, dass der Beklagte und der Zeuge K. auch bei der streitgegenständlichen Auktion gemeinsam vorgegangen seien, um einen vom Beklagten gewünschten Kaufpreis zu erzielen.

Zwar habe der Zeuge K. bekundet, dass er in diesem Fall den PKW tatsächlich habe für sich erwerbe wollen. Diese Bekundung ließe sich aber nicht mit seinem Bietverhalten in Übereinstimmung bringen. So hatte er bei der Abgabe seines ersten Gebots einen Betrag von € 69.200,00 eingetippt, was er damit begründete, dass er sich um eine Null zu viel vertippt hätte; diese Eingabe habe nicht dazu gedient, die Maximalgebote der anderen Bieter aufzudecken (was systembedingt erfolgt). Selbst, so das OLG, solle man diese Angabe des Zeugen als wahr unterstellen, ließe sich bei einem echten Interesse des Zeugen nicht erklären, weshalb er im Anschluss lediglich ein Gebot in Höhe von € 6.920,00 abgegeben habe, obwohl er nun gewusst habe, dass das Maximalgebot des Beklagten bei € 6.970,00 lag und er mit einem Einsatz von nur € 55,00 mehr den PKW hätte erwerben können und er selbst den Wert des Fahrzeuges mit € 7.000,00 angab. Der Zeuge K. habe auch keinen nachvollziehbaren Grund benannt, weshalb der Betrag von € 6.920,00 für ihn eine „Schmerzgrenze“ dargestellt habe und die geringfügige Erhöhung nicht möglich gewesen sei.

Zudem sei auch die Erklärung des Zeugen, der Beklagte habe sich geweigert ihm den Wagen direkt zu verkaufen, damit die Freundschaft nicht wegen eventueller Fahrzeugmängel aufs Spiel gesetzt würde, nicht glaubhaft. Er selbst will nach seiner Bekundung den Beklagten informiert haben, dass er mitbieten würde, ohne dass er diesbezüglich angibt, dass der Beklagte die zu unterbinden versucht habe. Es sei nicht ersichtlich, weshalb bei einem Erwerb im Rahmen einer eBay-Aktion bei nachträglichem Auftreten von Mängeln die persönliche Freundschaftsbeziehung nicht beeinträchtigt würde.

Maximalgebote würden noch keine unbedingten, betragsmäßig bezifferten Annahmeerklärungen darstellen. Lediglich würde mit ihnen erklärt, dass im Vergleich zu dem angegebenen Mindestbetrag oder bereits bestehenden Geboten jeweils nächsthöhere Gebote abzugeben, um dadurch den Mindestbetrag zu erreichen oder bereits bestehende Gebote zu übertreffen (BGH, Urteil vom 24.08.2016 - VIII ZR 100/15 -).  Da nach § 117 BGB das Gebot des Zeugen K. von vornherein kein geeignetes Gebot eines Dritten war, welches vom Kläger hätte überboten werden müssen, habe die aufgrund dieses Gebotes vom Bietsystem vorgenommene Erhöhung des klägerischen Gebots nach dem Erklärungsinhalt der vom Kläger abgegebenen Abnahmeerklärung keine Rechtswirkung entfalten können. Damit sei das letzte echte Gebot eines Dritten, das der Kläger überboten habe, zur Kaufpreisbestimmung heranzuziehen, vorliegend ein Gebot eines unbekannten Bieters über € 2.000,00. Dies sei vom Kläger mit einem Betrag von € 10,00 überboten worden. Der damit bei Auktionsende maßgebliche vereinbarte Kaufpreis beliefe sich deshalb auf € 2.010,00.

Der Beklagte habe seine vertragliche Pflicht zur Übergabe und Eigentumsverschaffung des PKW nicht erfüllt und verletzt. Mit fristsetzender Mahnung habe der Kläger den Beklagten fruchtlos zur Übergabe des PKW unter Angebot der Zahlung von € 2.010,00 aufgefordert; der Beklagte habe die geschuldete Erfüllung endgültig verweigert, §§ 293ff BGB. Der vom Kläger geltend gemachte Schaden sei auf das positive Interesse gerichtet und bestünde in dem Differenzbetrag zwischen dem Marktwert des Fahrzeuges und dem Kaufpreis von € 2.010,00 (OLG Frankfurt, Urteil vom27.06.2014 - 12 U 51/13 -). Auch wenn eine sachverständige Prüfung (das das Fahrzeug nicht mehr vorhanden sei) des Fahrzeugwertes nicht mehr möglich sei, sei von einem vom Kläger zugrunde gelegten Wert von € 7.020,00 auszugehen, da der Kläger selbst € 6.970,00 geboten habe und der Zeuge K. den Wert mit € 7.000,00 angegeben habe.

OLG München, Urteil vom 26.09.2018 - 20 U 749/18 -

Freitag, 25. Januar 2019

Tierhalter: Zum Nachweis der Haltereigenschaft im Rahmen der Haftung nach § 833 BGB


Der Kläger machte gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche nach § 833 BGB (Tierhalterhaftung) wegen eines angeblich durch ein Pferd verursachten Schadens geltend. U.a. wurde von der Beklagten ihre bestritten, dass sie Tierhalter sei. Das Landgericht hat die Klage wegen fehlenden Nachweises der Tierhalterstellung der Beklagten (fehlende Passivlegitimation) abgewiesen.

Entscheidend für die Bestimmung der Tierhaltereigenschaft seien das Eigeninteresse am Tier und die Entscheidungsgewalt über das Tier. Dabei seien die Anhaltspunkte Obdach und Unterhalt, Tragen der Unterhaltskosten, Versicherungsprämien und das Verlustrisiko Indizien für das Eigeninteresse, da davon auszugehen sei, dass diese Lasten regelmäßig derjenige trage, der auch die Nutzungsvorteile daraus ziehe. Die Kriterien des unmittelbaren bzw. mittelbaren Besitzes sowie das Eigentum seien Anhaltspunkte für die Bestimmung der Herrschaft über die Existenz und Verwendung des Tieres.

Die Indizien „Obdach und Unterhalt“ und „Kostentragung für den Unterhalt“ sprächen hier gegen die Haltereigenschaft der Beklagten, da unstreitig sei, dass das Pferd im Zeitpunkt des Vorfalls auf Kosten eines Tierschutzvereins untergebracht worden sei. Die Indizien „Verlustrisiko“ und „Nutzung im Haushalts- oder Wirtschaftsbetrieb“ seien  vom Kläger nicht dargetan worden. Die konkreten Umstände (das Pferd habe sich nicht in den Räumlichkeiten der Beklagten befunden sondern in denen einer dritten Person) sprächen auch dagegen.

Der Umstand, dass die Beklagte das Pferd trainiert habe, ließe nicht auf das Eigeninteresse der Beklagten schließen. So würde auch ein Pferd, welches von einem Trainer trainiert würde, weiterhin zu Zwecken des Eigentümers und nicht etwa des Trainers dienen, was auch für die pflegerische Leistungen der Beklagten gelten würde.

Für ein Eigeninteresse könne daher lediglich sprechen, dass die Beklagte das Pferd bei der ehemals weiteren Beklagten (einer Versicherung), gegen die die Klage wegen fehlender Passivlegitimation nach § 115 Abs. 1 S. 1 VVG zurückgenommen wurde,  haftpflichtversichert habe. Zwar habe die Rechtsprechung verschiedentlich alleine aus dem Bestehen einer Haftpflichtversicherung auf die Haltereigenschaft geschlossen. Dem würde die Kammer aber nicht folgen. Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung habe als Indiz nur einen begrenzten Wert, da die betroffene Person glaube, die Halterhaftung fürchten zu müssen (vgl. Hager in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2018, § 833 Rn. 79). Auch der Umstand, dass die Haftpflichtversicherung Ansprüche eines Dritten reguliert habe, ließe keinen Rückschluss zu, da sich die Beklagte zum Einen das Verhalten des Versicherers nicht zurechnen lassen müsse, zum Anderen nicht dargetan sei, dass die Haftpflichtversicherung aufgrund der mit der Beklagten bestehenden Versicherung geleistet habe.

Auch das Indiz der „Entscheidungsgewalt“ sei vom Kläger nicht dargetan worden. Die Behauptung sei von der Beklagten substantiiert bestritten worden und der Kläger habe keinen Beweis für seine Behauptung angeboten. Für seine Behauptung des unmittelbaren bzw. mittelbaren Besitzes der Beklagten habe es keinen belastbaren Vortrag des Klägers gegeben. Soweit er behauptet habe, die Beklagte sei als Halterin aufgetreten, und dafür Beweis angeboten habe, handele es sich lediglich um die Behauptung eines Rechtsbegriffs, der dem Beweis nicht zugänglich sei. Vielmehr hätte es ihm oblkegen, die oben genannten Indizien darzulegen und unter Beweis zu stellen. Im Übrigen ließe sich ein solches Auftreten hier aus dem Umstand erklären, dass die Beklagte die stellvertretende Vorsitzende des Tierschutzvereins war, der für die Unterhaltskosten des Pferdes aufkam und für den die Beklagte als Organ nach außen auftrat.

Damit bliebe einzig als Indiz der Abschluss der Tierhaftpflichtversicherung. Dies alleine sei aber nicht ausreichend um eine Überzeugung des Gerichts gem. § 286 ZPO (voller Beweis) zu erbringen.

Für eine Haftung aus § 834 BGB (Tierhüterhaftung) sei nicht dargetan worden, dass ein Vertrag zwischen der Beklagten und dem Tierhalter bestünde. (Anmerkung:) Tierhüter nach § 834 BGB mit der daraus erwachsenden Haftungsfolge ist nur derjenige, der es vertraglich übernommen hat, die Aufsicht über das Pferd zu übernehmen.

LG Marburg, Urteil vom 29.10.2018 - 1 O 80/18 -