Der Kläger machte Schadensersatzansprüche
und Schmerzensgeld auf Grund eines seiner Meinung nach falschen aussagepsychologischen
Gutachtens, eingeholt in einem Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs
seiner damaligen Pflegetochter, gegen den Beklagten geltend, der im Auftrag des
Strafgerichts das Gutachten erstellt hatte. Das Landgericht sprach dem Kläger
ein Schmerzensgeld von € 50.000,00 zu und gab den Feststellungsanträgen zu
künftigen und weiteren Schäden statt. Auf die Berufung beider Parteien erhöhte
das OLG das Schmerzensgeld auf € 60.000,00 und wies im Übrigen beide Berufungen
zurück. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten zum BGH wurde von diesem
zurückgewiesen.
Der BGH sah keine Rechtsfehler in
der Feststellung der Vorgerichte darin, dass das Gutachten des Beklagten unrichtig
gewesen sei. Die dagegen erhobenen Rügen würden nicht durchgreifen. Zum
Schadensersatzanspruch setzte sich der BGH damit auseinander, dass zur
Begründung eines solchen (bei unrichtigem Gutachten) das Gutachten ursächlich
oder mitursächlich für die Entscheidung geworden sein müsse (Gesetzeswortlaut: „beruhen
auf), also eine haftungsbegründende Kausalität gegeben sein müsse, und ferner
der Schaden durch die von dem unrichtigen Gutachten beeinflusste
Gerichtsentscheidung herbeigeführt worden sein müsse, also eine haftungsausfüllende Kausalität feststeht.
Beides sei hier der Fall.
Für die haftungsbegründende
Kausalität verwies der BGH darauf, dass sich die Jugendkammer bei der
Verurteilung des Klägers ausdrücklich auf das Gutachten gestützt habe.
Die haftungsausfüllende
Kausalität sah der BGH ebenfalls nach den Ausführungen des OLG als gegeben an. Ausschlaggebend
sei nach Ansicht des OLG, wie im Ausgangsprozess bei Vorlage eines richtigen
Gutachtens entschieden worden wäre. Dieser vom OLG gewählte Ansatz sei
zutreffend. So habe der Senat bereits in seinem Urteil vom 11.03.2010 - III ZR
1254/09 - zugrunde gelegt, dass, wenn es auf die Frage der Ursächlichkeit einer
Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB) für den eingetretenen Schaden darauf ankäme, wie
die Entscheidung ausgefallen wäre, darauf abzustellen sei, wie mach Ansicht des
über den Schadensersatz erkennenden Gerichts richtigerweise hätte entschieden
werden müssen. § 839a BGB, der die Haftung des gerichtlich bestellten
Sachverständigen betrifft, sei an § 839 BGB angelehnt, weshalb hier nichts
anderes gelten könne.
BGH, Beschluss vom 30.08.2018 - III ZR 363/17 -
Aus den Gründen:
Tenor
- Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 4. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 23. November 2017 - 4 U 26/15 - wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen mit Ausnahme der Kosten ihrer Streithelfer, die diese selbst zu tragen haben.
- Streitwert: 116.455,61 €
Gründe
- I.
- Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadenersatz und Schmerzensgeld unter dem Vorwurf, sie habe ein unrichtiges aussagepsychologisches Gutachten in einem gegen ihn geführten Strafverfahren wegen angeblichen sexuellen Missbrauchs seiner damaligen Pflegetochter erstellt. Das Landgericht hat die materiellen Schadensersatzansprüche des Klägers (Zahlungsanspruch gemäß Klageantrag zu 1) gemäß § 839a BGB dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Beklagte - unter Abweisung des diesbezüglich weitergehenden Klageantrags - zur Zahlung eines Schmerzensgelds von 50.000 € verurteilt. Des Weiteren hat es den Feststellungsanträgen des Klägers (bezogen auf künftige und weitere Schäden) stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten zurückgewiesen und sie auf die Anschlussberufung des Klägers - unter gleichzeitiger Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels - zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgelds von 10.000 € (also: insgesamt 60.000 €) verurteilt. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.
- II.
- 1. Die Beschwerde der Beklagten ist unbegründet, weil die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht erfüllt sind.
- a) Die Rüge der Beschwerde, das Berufungsgericht habe für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen dem fehlerhaften Gutachten der Beklagten und dem Strafurteil gegen den Kläger einen fehlerhaften Maßstab angelegt, greift nicht durch.
- b) Für den Anspruch nach § 839a BGB ist danach zu unterscheiden, ob das unrichtige Gutachten für den Inhalt der gerichtlichen Entscheidung (mit-) ursächlich geworden ist ("beruhen auf"; haftungsbegründende Kausalität) und ob der entstandene Schaden durch die von dem unrichtigen Gutachten beeinflusste Gerichtsentscheidung herbeigeführt worden ist (haftungsausfüllende Kausalität).
- aa) Die (Mit-)Ursächlichkeit des Gutachtens der Beklagten für die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers kommt hinreichend deutlich darin zum Ausdruck, dass sich die Jugendkammer ausdrücklich auf dieses Gutachten gestützt hat.
- bb) Die darüber hinausgehenden Ausführungen des Berufungsgerichts betreffen die Frage, ob der geltend gemachte Schaden auf das vom unrichtigen Gutachten der Beklagten beeinflusste Strafurteil zurückzuführen ist, und somit die haftungsausfüllende Kausalität. Hierfür ist maßgebend, wie der Ausgangsprozess bei Vorlage eines richtigen Gutachtens des Sachverständigen richtigerweise hätte entschieden werden müssen. Dies entspricht wohl allgemeiner Auffassung (s. etwa BeckOGK/Dörr, BGB, § 839a Rn. 58 [Stand 1. April 2018]; Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., 35. Kapitel Nr. 7 Rn. 11; MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl., § 839a Rn. 31 und 41). In seinem Urteil vom 11. März 2010 (III ZR 124/09, VersR 2010, 811) hat der erkennende Senat zugrunde gelegt, dass, wenn es für die Frage der Ursächlichkeit einer Amtspflichtverletzung für den eingetretenen Schaden darauf ankomme, wie die Entscheidung eines Gerichts ausgefallen wäre, darauf abzustellen sei, wie nach Ansicht des über den Schadensersatzanspruch erkennenden Gerichts richtigerweise hätte entschieden werden müssen (aaO S. 813 Rn. 11). Für die an § 839 BGB angelehnte Haftung nach § 839a BGB kann insoweit nichts anderes gelten. Die abweichende Einschätzung von Mäsch (AnwBl 2009, 855, 858) ist, soweit ersichtlich, vereinzelt geblieben.
- 2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
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