Montag, 4. Februar 2019

Rechtsfolgen aus einem unauffindbaren Testament ?


Der verwitwete Erblasser war kinderlos. Rechte an dem Erbe wurden von der Tochter seiner verstorbenen Ehefrau (Beteiligte zu 4) und seinen Halbgeschwistern (Beteiligte zu 1 bis 3) geltend gemacht; die Eltern des Erblassers waren vorverstorben. Die Beteiligten zu 1 – 3 hatten unter Berufung auf die gesetzliche Erbfolge einen Erbschein beantragt, dem die Beteiligte zu 4 zunächst nicht entgegen getreten war. Am 15.06.2016 erließ das Nachlassgericht den Erbschein. Am 08.08 und am 16.08.2016 beantragte die Beteiligte zu 4 die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin und die Einziehung des Erbscheins vom 15.06.2016. Dabei berief sie sich darauf, dass der Erblasser am 13.02.2016 ein privatschriftliches Testament errichtet habe, mit welchem sie als Alleinerbin eingesetzt worden sei. Dieses habe er in einer Küchenschublade abgelegt. Dort habe sie, die Beteiligte zu 4, zwar im Mai 2016, nach dem Ableben des Erblassers, den entsprechenden, allerdings leeren Umschlag gefunden. Zum Beweis der Umstände der Testamentserrichtung berief sie sich auf das Zeugnis von zwei Freundinnen sowie ihres Lebensgefährten, die bei der Errichtung des Testaments anwesend gewesen sein sollen. Von den Beteiligten zu 1 bis 3 wurde Verwunderung geäußert, dass die Beteiligte zu 4 zunächst nichts gegen ihren Erbscheinantrag eingewandt hätten und im Übrigen Beweis dafür angeboten, dass der Erblasser ein distanziertes Verhältnis zur Beteiligten zu 4 gehabt habe.


Das Amtsgericht hörte die von den Beteiligten benannten Zeugen an und zog mit Beschluss vom 14.02.2018 den Erbschein vom 15.06.2016 ein; ferner stellte es mit Beschluss vom gleichen Tag fest, dass die Voraussetzungen zur Erteilung eines Erbscheins für die Beteiligte zu 4 vorlägen. Gegen diese Beschlüsse richtete sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3. Das Nachlassgericht half der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem OLG Köln zur Entscheidung vor. Die Beschwerden wurden vom OLG zurückgewiesen.

Zutreffend sei das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Erblasser wirksam ein privatschriftliches Testament aufgesetzt habe und darin die Beteiligte zu 4 als Alleinerbin eingesetzt habe. Ein solches Testament sei nicht alleine wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig. Vielmehr könnten Form du Inhalt mit allen zulässigen Beweismitteln festgestellt werden (Palandt, 77. Aufl. 2018, § 2255 Rn. 9). Die Unauffindbarkeit des Testaments begründe auch keine Vermutung dafür, dass es vom Erblasser vernichtet worden sei und deshalb gem. § 2255 BGB als widerrufen anzusehen sei (OLG Köln, Beschluss vom 26.02.2018 – 2 Wx 115/18 -; OLG Schleswig, Beschluss vom 12.08.2013 – 3 Wx 27/13). Soweit sich die Beteiligten zu 1 – 3 darauf beriefen, dass die Beteiligte zu 4 nichts bereits in deren Erbscheinantragsverfahren Einwendungen erhoben habe, sei das Amtsgericht zutreffend den Ausführungen der Beteiligten zu 4 gefolgt, sie habe als juristischer Laie nicht davon ausgegangen, dass auch ein nicht auffindbares Testament rechtlich von Bedeutung sein könne; ihr sei dies erst anlässlich einer juristischen Beratung bekannt geworden.

Ein Widerruf des Testaments sei vom Amtsgericht zutreffend negiert worden. Die fehlende Auffindbarkeit lasse dazu (und zu einer möglichen Vernichtung) keinen Rückschluss zu. Indizien, die für eine Willensänderung des Erblassers sprechen könnten, seien von den Beteiligten zu 1 bis 3 nicht vorgetragen worden. Insbesondere würde auch die Aussage der Eheleute H., denen gegenüber der Erblasser noch eine Woche vor seinem Tod von dem Testament berichtet habe, dagegen sprechen. Auch wäre nicht nachvollziehbar, dass der Erblasser das Testament zwar vernichte, den Umschlag aber in der Schublade belasse.

Anmerkung: Wenn Dritte ein privatschriftliches Testament kennen, ist die Gefahr, dass es bei willentlicher Vernichtung durch den Erblasser weiterhin gilt, groß. In diesem Fall wäre es notwendig, einen schriftlichen Widerruf zu fertigen, der auch jedenfalls gefunden  wird / werden kann und nicht „verlustig“ geht. 



OLG Köln, Beschluss vom 19.07.2018 - 2 Wx 261/18 -


Aus den Gründen:


Tenor

Die Beschwerden der Beteiligten zu 1), 2) und 3) vom 20.03.2018 gegen den am 14.02.2018 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgerichts - Köln vom 06.02.2018, 33 VI 293/16, werden zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1) hat die Kosten der Beschwerdeverfahren 2 Wx 261/18 und 2 Wx 268/18 zu tragen.
Die Beteiligte zu 2) hat die Kosten der Beschwerdeverfahrens 2 Wx 266/18 und 2 Wx 269/18 zu tragen.
Der Beteiligte zu 3) hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens 2 Wx 267/18 und 2 Wx 270/18 zu tragen.

Gründe

I.

Der zwischen dem 13.05. und dem 14.05.2016 verstorbene V L (im Folgenden: Erblasser) war verwitwet. Er hatte keine Abkömmlinge. Die Beteiligte zu 4) ist die Tochter seiner verstorbenen Ehefrau. Die Beteiligten zu 1), 2) und 3) sind seine Halbgeschwister. Die Eltern des Erblassers sind vorverstorben.

Am 02.06.2016 hat der Beteiligte zu 1) beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins nach der gesetzlichen Erbfolge beantragt, der ihn sowie die Beteiligten zu 2) und 3) jeweils als Erben zu 1/3 - Anteil ausweist (Bl. 1 ff. d. A.). Die Beteiligte zu 4) ist dem Antrag zunächst nicht entgegengetreten.

Durch am 15.06.2016 erlassenen Beschluss hat das Nachlassgericht die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 1) bis 3) erforderlich sind, für festgestellt erachtet und auch am gleichen Tag den beantragten Erbschein erlassen (Bl. 14, 15 d. A.).

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 08.08.2016 (Bl. 25 ff. d. A.) und sodann am 16.08.2016 beim Amtsgericht - Nachlassgericht - hat die Beteiligte zu 4) beantragt, ihr einen Erbschein auszustellen, der sie als Alleinerbin ausweist sowie den Erbschein vom 15.06.2016 einzuziehen. Sie beruft sich darauf, dass der Erblasser am 13.02.2016 ein privatschriftliches Testament errichtet habe, mit dem er sie als Alleinerbin eingesetzt habe. Dieses Testament habe er in einer Küchenschublade abgelegt. Dort habe sie im Mai 2016, nach dem Tod des Erblassers auch den entsprechenden Umschlag vorgefunden, der allerdings leer gewesen sei. Wegen der Umstände der Testamentserrichtung hat sie sich auf das Zeugnis von zwei Freundinnen sowie ihres Lebensgefährten berufen, die bei Errichtung anwesend gewesen seien (Bl. 31 f. d. A.).

Demgegenüber berufen sich die Beteiligten zu 1) bis 3) darauf, dass nicht nachzuvollziehen sei, aus welchem Grund die Beteiligte zu 4) zunächst gegen den von den Beschwerdeführern beantragten Erbschein keine Einwendungen erhoben habe. Dies spreche gegen die behauptete Testamentserrichtung. Im Übrigen habe der Erblasser dem als Zeugen benannten Lebensgefährten der Beteiligten zu 4) Hausverbot erteilt. Hierfür sowie für das aus ihrer Sicht distanzierte Verhältnis des Erblassers zu seiner Stieftochter haben die Beschwerdeführer ebenfalls Zeugen benannt. Das Amtsgericht hat am 03.03.2017 und am 01.12.2017 die von den Beteiligten benannten Zeugen gehört. Mit Beschluss vom 14.02.2018 hat das Nachlassgericht die Tatsachen, die zur Begründung des Erbscheinantrags der Beteiligten zu 4) erforderlich sind, für festgestellt erachtet und den Erbschein vom 15.06.2016 eingezogen (Bl. 353 ff. d. A.).

Gegen diesen den Beteiligten zu 1) bis 3) am 20.02.2018 zugestellten Beschluss richten sich ihre am 20.03.2018 beim Amtsgericht Köln eingegangenen Beschwerden vom selben Tag. Mit Schriftsatz vom 19.04.2018 haben sie diese Beschwerden begründet. Bezüglich der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten zu 1) bis 3) wird auf den vorgenannten Schriftsatz Bezug genommen (Bl. 420 ff. d. A.).

Das Nachlassgericht hat den Beschwerden der Beteiligten zu 1) bis 3) durch am 11.07.2018 erlassenen Beschluss nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 461 ff. d. A.).
II.

Die Beteiligten zu 1) bis 3) wenden sich gegen die Entscheidung des Amtsgerichts, den ihnen erteilten Erbschein einzuziehen, ebenso wie gegen die Feststellung, dass die Voraussetzungen für den von der Beteiligten zu 4) beantragten Erbschein vorliegen. Da es sich bei der Einziehung des Erbscheins um ein eigenständiges Verfahren handelt, liegen insgesamt sechs Beschwerdeverfahren der drei Beschwerdeführer vor, nämlich drei Verfahren wegen der Einziehung des Erbscheins (2 Wx 261/18, 2 Wx 266/18, 2 Wx 267/18) und drei Verfahren wegen der Feststellung (2 Wx 268/18, 2 Wx 269/18, 2 Wx 270/18). Die Beschwerden sind statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache haben sie indes aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen am 14.02.2018 erlassenen Beschlusses und des am 11.07.2018 erlassenen Nichtabhilfebeschluss, denen sich der Senat vollumfänglich anschließt, keinen Erfolg.

Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Erblasser am 13.02.2016 ein wirksames privatschriftliches Testament aufgesetzt hat, mit dem er die Beteiligte zu 4) als Alleinerbin eingesetzt hat. Ein nicht mehr vorhandenes Testament ist nicht allein wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig. Vielmehr können Form und Inhalt mit allen zulässigen Beweismitteln festgestellt werden (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 77. Aufl. 2018, § 2255 Rn. 9). Es besteht im Fall der Unauffindbarkeit eines Testaments insbesondere auch keine Vermutung dafür, dass es vom Erblasser vernichtet worden und deshalb gemäß § 2255 BGB als widerrufen anzusehen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 26.02.2018, 2 Wx 115/18; OLG Schleswig, Beschluss vom 12.08.2013 - 3 Wx 27/13, NJW-RR 2014, 73-76; Staudinger/Baumann, BGB, Neubearb. 2018, § 2255 Rn. 34). Soweit die Beschwerdeführer sich erneut darauf berufen, dass die Beteiligte zu 4) nicht bereits anlässlich der Anhörung zum Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge die Errichtung des Testaments erwähnt habe, ist auf die zutreffenden Ausführungen des Nachlassgerichts in dem Nichtabhilfebeschluss zu verweisen. Die Antragstellerin hat nachvollziehbar dargelegt, als juristischer Laie nicht davon ausgegangen zu sein, dass auch ein nicht auffindbares Testament rechtlich von Bedeutung sein könne. Dies sei ihr vielmehr erst im Rahmen der anwaltlichen Beratung bekannt geworden.

Weiter hat das Amtsgericht einen Widerruf mit zutreffenden Überlegungen verneint. Die Tatsache, dass das Testament nicht aufzufinden war, lässt keinen Rückschluss auf seine Vernichtung zu. Indizien, die auf eine Willensänderung des Erblassers schließen lassen könnten, haben die Beschwerdeführer auch in ihrer Beschwerdebegründung nicht vorgetragen. Dagegen spricht insbesondere die Aussage der Eheleute H., die übereinstimmend angegeben haben, dass der Erblasser noch eine Woche vor seinem Tod von dem Testament berichtet habe. Im Übrigen erscheint es auch nicht nachvollziehbar, dass der Erblasser das Testament vernichtet, den Umschlag aber in der Küchenschublade liegen gelassen hätte.

Die weiteren Ausführungen der Beschwerdeführer zu den Angaben der Zeugen hat das Amtsgericht - Nachlassgericht - bereits mit zutreffenden Erwägungen in dem angegriffenen Beschluss bzw. dem Nichtabhilfebeschluss zurückgewiesen. Weitere Erwägungen werden auch mit der Beschwerdebegründung nicht vorgetragen.
III.

Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 84 FamFG.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 70 Abs. 2 FamFG).

Geschäftswert der Beschwerdeverfahren: betreffend die Einziehung des Erbscheins insgesamt 481.346 EUR (Nachlasswert entsprechend dem Beschluss des Amtsgerichts vom 04.06.2018)

Geschäftswert der Beschwerdeverfahren betreffend die Feststellung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Erbscheins an die Beteiligte zu 4) insgesamt 481.346,- EUR

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