Freitag, 12. Mai 2017

Eigenbedarfskündigung und Härtefall – zur gebotenen Abwägung und möglichen Regelungen des Gerichts

Mit der streitbefangenen Eigenbedarfskündigung wurde die Notwendigkeit der Nutzung der von den Beklagten im Erdgeschoss belegenen Wohnung geltend gemacht, da die Wohnverhältnisse im Obergeschoss beengt wären und die Eheleute wegen einer Erkrankung des Ehemanns zwei getrennte Schlafzimmer benötigen würden. Die Beklagten widersprachen der Kündigung und machten einen Härtefall geltend. Der 1930 geborene Beklagte zu 1. leide an mehreren gesundheitlichen Beeinträchtigun- gen und beginnender Demenz, wobei sich die Demenz bei einem Umzug noch verschlimmern werde.

Amtsgericht und Landgericht gaben der Räumungsklage statt. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

Grundsätzlich gelte, dass Eigenbedarf anzunehmen sei, wenn eine Wohnung für den eigenen Wohnbedarf oder den Wohnbedarf für Angehörige benötigt würde. Es sei auch grundsätzlich zu respektieren, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich oder seine Angehörigen als angemessen ansähe. Grenzen ergäben sich aus § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB daraus, dass in diesem Rahmen zu prüfen sei, ob der Wunsch ernsthaft verfolgt würde, ob er von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen würde, die Wohnung den Wohnungswunsch erfüllen kann oder dem Vermieter resp. dem Angehörigen eine Alternative zur Verfügung stünde.

Wird dies alles zugunsten des Kündigenden bejaht, ist zu prüfen, ob ein tauglicher Härtegrund auf Mieterseite vorliegt. Vorliegend habe zwar das Landgericht  die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Beklagten zu 1. zur Kenntnis genommen und auch als wahr unterstellt. Es habe dann aber die Wahrunterstellung nicht für die Frage der Erheblichkeit durch Erfassung der Bedeutung der benannten Gebrechen übernommen. Werden über die altersbedingte Gebrechlichkeit hinaus eine durch Wohnungsverlust demenzielle Orientierungslosigkeit des Beklagten zu 1. Geltend gemacht, so ist dies erheblich, dass gegebenenfalls das Gericht bei fehlender eigener Sachkunde sachverständige Hilfe zu Rate zu ziehen hat, insbesondere um den Schwergrad und die Konsequenzen für den Mieter feststellen zu können.

Auch habe das Landgericht dem „Erlangungsinteresse“ der Vermieterseite eine zu große Bedeutung beigemessen. Zu berücksichtigen sei hier im Rahmen des § 574 Abs. 1 BGB auch die Frage der Dringlichkeit des Wohnbedarfs. Nach Ansicht des BGH dränge sich vorliegend die Überlegung auf, der jungen Familie würde es mehr um den Wohnkomfort als den Wohnbedarf gehen und es sei vom Landgericht auch verkannt worden, dass weitere Räume für eine Lösung eines Wohnbedarfs auch hätten Berücksichtigung finden können belegen im Dachgeschoss). Im Hinblick auf das hohe Alter des Beklagten zu 1. würde es sich auch nicht mehr um einen unüberschaubaren Zeitraum handeln, für den die Wohnung im Erdgeschoss nicht nutzbar sei.

Abschließend wies der BGH noch darauf hin, dass § 574a BGB (nach Absatz 2 auch ohne Antrag) dem Gericht einen weiten Gestaltungsspielraum betreffend der Fortsetzung des Mietverhältnisses belasse, um so beide Interessen zu berücksichtigen. So käme eine moderate Mietzinserhöhung ebenso in Betracht wie eine Kostenbeteiligung des Mieters an Umbaumaßnahmen des Provisoriums auf der Vermieterseite.


BGH, Urteil vom 15.03.2017 – VIII ZR 270/15 -

Donnerstag, 11. Mai 2017

Vollberittvertrag und Haftung des Unterstellers und Ausbilders bei Verletzung des Pferdes

Die Klägerin schloss mit dem Beklagten einen Vertrag, demzufolge der Beklagte die Unterstellung, Fütterung, Pflege als auch den beritt des damals vierjährigen Wallachs der Klägerin übernahm. Am 02.12.2010 ließ die Praktikantin des Beklagten das Pferd in der Reithalle frei laufen; das Pferd stieß dabei gegen eine Stahlstütze des Hallendaches und musste daraufhin tierärztlich versorgt werden. Die Klägerin verlangte Schadensersatz von über € 40.000,00 mit der Begründung, infolge des Vorfalls sei das Pferd nicht mehr zum Reiten nutzbar.

Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab; das Oberlandesgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Vernehmung einer Zeugin. Die von der Klägerin eingelegte Revision führte zur Aufhebung des klageabweisenden Urteils und Zurückverweisung an das Oberlandesgericht.

Auszugehen sei von einem typengemischten Vertrag mit Schwerpunkt auf den Dienstvertrag nach § 611 BGB. Bei einem gemischten Vertrag könne nicht  nach den verschiedenen Rechtstrukturen unterschieden werden, sondern wäre der Schwerpunkt festzustellen, nach dem sich dann das gesamte Vertragsverhältnis orientiere. Vorliegend habe die Ausbildung des damals noch sehr jungen Pferdes für den Einsatz bei Turnieren und die Vorführung bei Prüfungen den Schwerpunkt gebildet. Damit läge der Schwerpunkt im Dienstvertragsrecht und scheide Verwahrungs- und Mietvertragsrecht aus.

Ein Rückgriff auf Verwahrungsrecht käme auch nicht deshalb in Betracht, um den Pferdeeigentümer vor Beweisschwierigkeiten zu bewahren.  Zwar trage der Anspruchssteller die Beweislast für eine Vertragspflichtverletzung. Stamme aber die Schadensursache aus dem Gefahren- und Verantwortungsbereich des Anspruchsgegners  und rechtfertige die Sachlage den Schluss, dass dieser die ihm obliegende Sorgfalt verletzte (was hier der Fall sei), müsse er sich von dem Vorwurf der Vertragsverletzung entlasten. Dazu habe er darzulegen und nachzuweisen, dass ihn kein Pflichtenverstoß trifft.

Nicht zu beanstanden sei die auf der Grundlage des eigeholten Sachverständigengutachtens getätigte Annahme des Oberlandesgerichts, dass die Anlage als solche baulich geeignet sei , wenn das Tier angemessen vorberitet sei (also kein „Kaltstart“).  Auch konnte nach Ansicht des BGH das Oberlandesgericht in Ansehung der gutachterlichen Ausführungen davon ausgehen, dass es sich bei dem Pferd um ein ausgeglichenes Tier gehandelt habe, weshalb ein ausreichendes und kompetentes Führen des Pferdes in der Halle vor dem Freilauf genügt hätte.

Die angehörte Zeugin habe allerdings nur allgemein eine Aussage zur Üblichkeit des Führens im Reitstall des Beklagten tätigen können, nichts dazu, wie es vor dem streitgegenständlichen Vorfall war. Ferner habe es das Oberlandesgericht unterlassen, zwei von der Klägerin zu der relevanten Frage des Führens des Pferdes vor dem Vorfall (benannt dazu, dass es nicht geführt worden sei) nicht vernommen, obwohl diese Zeuginnen zum Termin auch geladen waren.

Bleibe es also offen, ob die Praktikantin das Pferd vor dem Freilauf ordnungsgemäß vorbereitet habe, gehe dies zu Lastend es Beklagten, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB.

Ob die Klägerin mit ihrem zweitinstanzlichen Beweisangebot wegen Präklusion ausgeschlossen ist (§ 531 Abs. 2 ZPO), sei mangels von Darlegungen im Berufungsurteil im Revisionsurteil nicht zu entscheiden und müsse (noch) vom Oberlandesgericht nach der Zurückverweisung entschieden werden, wenn es nach erneuter Vernehmung der einen Zeugin wiederum zu der Auffassung gelangt, die Praktikantin habe das Pferd ordnungsgemäß vorbereitet.


BGH, Urteil vom 12.01.2017 -  III ZR 4/16 -

Dienstag, 9. Mai 2017

Keine Genehmigungsbedürftigkeit der Wahrung des Eigentumsübergangs eines geschenkten und verpachteten Grundstücks auf Minderjährigen ?

Im Streitfall wurde dem Minderjährigen  von seinem Onkel ein bebautes und verpachtetes Grundstück “mit allen Richten und Pflichten, Bestandteilen und dem gesetzlichen Zubehör“ zu Alleineigentum übertragen. Die Überlassung erfolgte ausdrücklich nach dem notariellen Vertrag „unentgeltlich im Wege der Schenkung“. Die Eltern des Minderjährigen als dessen gesetzliche Vertreter, die im Rahmen der Protokollierung durch einen vollmachtlosen Vertreter vertreten wurden, genehmigten den Vertrag.

Das Grundbuchamt hat nach Antrag auf Vollzug der Eigentumsumschreibung eine Zwischenverfügung dahingehend erlassen, dass dem Antrag ohne Genehmigung des Überlassungsvertrages durch das Familiengericht nebst Rechtskraftbescheinigung und Zugangsnachweis nicht entsprochen werden könne. Zur Begründung verwies es darauf, die Schenkung sei in Ansehung des bestehenden Pachtverhältnisses nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, weshalb eine Genehmigungsbedürftigkeit nach §§ 1643 Abs. 1, 1821 Abs. 1 Nr. 5, 1829 BGB bestünde.

Die Beteiligten hatten gegen diese Zwischenverfügung Beschwerde eingelegt, der das OLG abhalf. Das Eintragungshindernis bestünde nicht.

§ 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB sei bereits vom Grundsatz her nicht einschlägig. Die dort normierte Genehmigungsbedürftigkeit würde lediglich für ein entgeltliches Rechtsgeschäft gelten, nicht aber – wie hier – für eine Schenkung. Der Umstand, dass das Grundstück verpachtet sei, mache aus dem Rechtsgeschäft auch keine entgeltliches, da der Pachtvertrag nicht als Gegenleistung vorgesehen ist und auch so nicht benannt wurde, vielmehr seine Auflistung im Schenkungsvertrag nur zur Verdeutlichung der gesetzlichen Folge des Übergangs erfolgte.

Im übrigen würde § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB auch lediglich das Kausalgeschäft betreffen, nicht aber das dingliche Geschäft. Von daher sei § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB im Grundbuchverfahren ohne Bedeutung. Nur wenn die Nichtigkeit des Grundgeschäfts auch das dingliche Rechtsgeschäft erfassen würde, dürfe das Grundbuchamt das Kausalgeschäft prüfen und die Eintragung der Rechtsänderung hiervon abhängig machen. Selbst bei Annahme der Nichtigkeit des Kausalgeschäfts wäre dies nicht beachtlich, da die Frage der fehlenden Genehmigung nur zu einer schwebenden Unwirksamkeit führen würde und mithin geheilt werden könnte.

Anmerkung; Anders für den Fall der Eigentumsübertragung (Schenkung) durch die Eltern des Minderjährigen der BGH mit Beschluss vom 28.04.2022 - V ZB 4/21 -, da das Rechtsgeschäft für den Minderjährigen nicht lediglich vorteilhaft sei (§ 107 BGB) und die §§ 1629, 1795 BGB zu beachten seien. 

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.03.2017 – 3 Wx 65/16 -

Montag, 8. Mai 2017

Zur (fehlenden) Verbrauchereigenschaft einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)

Das Gesetz unterscheidet zwischen  Verbrauchern (§ 13 BGB) und Unternehmern (§ 14 BGB). Diese Unterscheidung hat häufig erhebliche Folgen: So gilt nicht nur bei Unternehmen ein höherer gesetzlicher Verzugszins als bei Verbrauchern (vgl. § 288 Abs. 1 und 2 BGB), sondern auch im Hinblick auf Widerrufsrechte (vgl. z.B. § 355 BGB) und die Regeln zum Verbrauchsgüterkauf (§§ 474ff BGB). Aber auch im Zusammenhang mit AGB-Klauseln in Verträgen kommt der Frage, ob es sich bei einem Vertragspartner um einen Verbraucher oder Unternehmer  handelt, Bedeutung zu, wie beispielsweise der vom BGH entschiedene Fall zur Frage der Verbrauchereigenschaft einer GbR zeigt.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine GbR, bestehend aus einer natürlichen Person und einer juristischen Person. Diese erteilte den Beklagten den Auftrag zu den Leistungsphasen 1 - 5 für ein Einfamilienhaus, in dem die eine Gesellschafterin der GbR mit ihren Ehemann wohnen wollte und von wo aus sie ihrer freiberuflichen Tätigkeit nachgehen wollte.

In dem Vertrag zwischen den Parteien befand sich eine Klausel, nach der eine Haftung des beklagten Vertragspartners dem Grunde und der Höhe nach auf die Haftpflichtversicherung (die zu Personen- und Sachschäden bestimmte Höhen versichert haben müsste) beschränkt würde. Es könne nach Auffassung des Berufungsgerichts auf sich beruhen, ob es sich um eine vorformulierte Klausel für eine Vielzahl von Verträgen (AGB) handelt, da es sich jedenfalls um eine Klausel handeln würde, die von der Beklagtenseite gestellt worden sei und nicht zur Diskussion gestanden habe, was dem nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB gleich käme mit der Folge der Unwirksamkeit nach § 306 BGB. Im übrigen handele es sich aber auch um einen Verbrauchervertrag, da die Klägerin als GbR vorliegend nicht zu gewerblichen oder selbstständigen Zwecken, sondern ausschließlich zu privaten Zwecken gehandelt habe. Dabei käme es nicht darauf an, dass in der GbR eine juristische Person (die J. GmbH) auch Gesellschafter sei. Entscheidend sei, dass der GbR zumindest eine nicht gewerblich handelnde natürliche Person als Verbraucher angehöre nicht. Vorliegend sei die Gesellschaft nur zur Errichtung des Hauses für die Mitgesellschafterin und ihrem Ehemann zur Eigennutzung geplant gewesen.

Diesen rechtlichen Ansätzen folgt der BGH nicht.

Eine als Außengesellschaft auftretende GbR, die nur aus natürlichen Personen bestünde, könne Verbraucher sein (vgl. BGH, Urteil vom 23.10.2001 – XI ZR 63/01 -). Bei Beteiligung einer juristischen Person an der GbR sei es von vornherein ausgeschlossen, dass es sich um einen Verbraucher handelt, unabhängig davon, ob die Gesellschaft nur zu privaten Zwecken oder zu gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken tätig werden soll. Von daher käme es nicht auf die vom Berufungsgericht hervorgehobene Ansicht an, ob die GbR lediglich zu privaten Zwecken tätig wird. Schon § 13 BGB spreche gegen die Annahme des Berufungsgerichts, da danach nur natürliche Personen Verbraucher sein könnten, eine GbR aber keine natürliche Person sei.

§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB sei auch nicht auf als Außengesellschaften tätigen Gesellschaften bürgerlichen Rechts anwendbar. Die Rechtsprechung des 8. Zivilsenats zur Wohnungseigentümergemeinschaft, nach der diese bereits dann als Verbraucher nach § 13 BGB angesehen werde, wenn eine natürliche Person (ohne gewerblichen/freiberuflichen Hintergrund) Mitglied sei (BGH, Urteil vom 25.03.2015 – VIII ZR 243/13 -) sei nicht heranzuziehen, da vorliegend ein Zusammenschluss qua Gesellschaftsvertrag vorliege, demgegenüber bei dem Wohnungseigentum der Eigentümer qua Gesetz Mitglied würde.


BGH, Urteil vom 30.03.2017 – VII ZR 269/15 -

Samstag, 6. Mai 2017

Weiterbeschäftigungsanspruch: Die Durchsetzung in der Zwangsvollstreckung richtet sich nach der konkreten Beschreibung in dem gerichtlichen Titel

Die Arbeitnehmerin hatte ihre Arbeitgeberin im Rahmen einer einstweiligen Verfügung auf Weiterbeschäftigung in Anspruch genommen. U.a. wurde die Arbeitgeberin im Verfügungsverfahren  verurteilt,  die Arbeitnehmerin als Leiterin der nicht invasiven und ambulanten Kardiologie in der Abteilung Innere Medizin wieder einzusetzen. Da nach Auffassung der Arbeitnehmerin die Arbeitgeberin dem nicht voll umfänglich nachgekommen sei, beantragte sie die Festsetzung eines Zwangsgeldes, hilfsweise Zwangshaft, zu vollstrecken  an dem Vorstandsmitglied der Arbeitgeberin.

Das Arbeitsgericht wies den Antrag zurück. Die dagegen von der Arbeitnehmerin eingelegte Beschwerde wurde vom Landesarbeitsgericht (LAG) zurückgewiesen.

Das LAG hält in seiner Begründung fest, dass die formalen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gegeben wären, insbesondere der titulierte Anspruch hinreichend bestimmt sei. Allerdings habe die Arbeitgeberin diesen Anspruch auch erfüllt.

Von der Arbeitnehmerin wurde gerügt, sie sei nicht „offiziell“ in ihre Position wiedereingesetzt worden.  Nach Ansicht des LAG lässt sich aus dem Titel allerdings nicht ableiten, dass ein Anspruch auf eine „offiziellere“ Wiedereinsetzung als die Wiedereinsetzung selbst nicht bestünde. Auch soweit die Arbeitnehmerin ausführte, sie sei nur formal wiedereingesetzt worden, folgte dem das LAG nicht. Zwar würde die rein formale Wiedereinsetzung keine Erfüllung des Titels darstellen; formal sei die Wiedereinsetzung allerdings nur dann, wenn der Arbeitnehmer nicht an Arbeitsmittel käme oder der Zugang zu sonstigen Einrichtungen und Informationen versagt würde. Dies sei von der Arbeitnehmerin nicht behauptet worden.

Der Streit der Parteien ginge vielmehr um die Reichweite des Direktionsrechts der Arbeitgeberin. U.a. würde darum gestritten, ob sich der bis zum Erlass der Entscheidung eingesetzte Leiter der Ambulanz Dr. E. weiter in ihrer Nähe aufhalten dürfe, der ärztliche Direktor sie kritisieren dürfe, dieser Einfluss auf die Reihenfolge der durchzuführenden Untersuchungen nehmen dürfe, die Arbeitnehmerin an Budget-Gesprächen zu beteiligen sei, sie Patienten behandeln dürfe, ohne diese dem Ambulanzarzt vorzustellen, sie an allen Oberarztkonferenzen teilnehmen dürfe, sie sich nach Kritik an einem Assistenzarzt eine Zurechtweisung durch Dr. E. gefallen lassen müsse.

Das LAG wies darauf hin, dass diese im Vollstreckungsverfahren vorgebrachten Streitpunkte in diesem Verfahren nicht geklärt werden könnten. Zwar gebiete das Rechtsstaatsprinzip die effektive Durchsetzung materiell-rechtlicher Ansprüche auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung, was auch bedeuten würde, dass eine gegebenenfalls schwierig zu klärende Frage geklärt werden müsse, ob gegen einen titulierten Anspruch verstoßen wurde. Vorliegend gäbe aber der titulierte „Beschäftigungsanspruch“ nichts dafür hier, ob die im Einzelnen von der Arbeitnehmerin gerügten und von ihr behaupteten Eingriffe vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst wären oder nicht. Ob dieser oder ein von ihm Beauftragter von seinem Weisungsrecht korrekt Gebrauch gemacht hat, müsse im Erkenntnisverfahren, nicht im Vollstreckungsverfahren geklärt werden.


LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.04.2017 – 1 Ta 2/17 -

Freitag, 5. Mai 2017

WEG: Kann ein nachträglicher Einbau eines Aufzuges wegen gesundheitlicher Behinderungen verlangt werden (Barrierefreiheit) ?

U.a. vom Kläger wurde beantragt, dass in der Mitte des Treppenhausschachtes ein geräuscharmer und energieeffizienter Personenaufzug auf Kosten der Antragsteller eingebaut wird. Der Antrag wurde abgelehnt. Der  - mit verschiedenen Anträgen – dagegen erhobenen Klage, mit der der Kläger u.a. geltend machte, an Wochenenden sei häufiger seine schwerstbehinderte Tochter bei ihm und auf den Aufzug angewiesen, wurde vom Landgericht stattgegeben; die dagegen von den Beklagten eingelegte, vom Landgericht zugelassene Revision  war erfolgreich. Das landgerichtliche Urteil wurde aufgehoben und die Klage abgewiesen.

§ 22 Abs. 2 WEG scheide als Anspruchsnorm aus, da diese Bestimmung lediglich eine Beschlusskompetenz (für bauliche Veränderungen pp.) regele, sich aber nicht als Anspruchsgrundlage darstelle. Aus § 21 Abs. 8 WEG ergäbe sich aber die Möglichkeit einer Beschlussersetzungsklage. Diese sei zulässig erhoben, wie auch das Berufungsgericht erkannt habe.

Entscheidend sei, ob den Wohnungseigentümern, die dem Antrag nicht zugestimmt hätten, ein  durch den Einbau des Aufzuges entstehen würde, §§ 22 Abs. 1 iVm. 14 Nr. 1 WEG.  Dabei könnten sich beide Parteien auf das Grundrecht am Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) als auch der Kläger auf ein Benachteiligungsverbot bei Behinderung gem. Art 3 Abs. 3 S. 3 GG berufen. Im Hinblick auf die Behinderung reiche die der Enkelin, die vom Kläger betreut würde, grundsätzlich aus.

Der BGH zitiert eine in der Rechtsprechung verbreitete Ansicht, derzufolge die Interessensabwägung ergeben könne, dass ein Wohnungseigentümer einen Treppenlift, eine Rollstuhlrampe oder einen Handlauf ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer anbringen dürfe, sofern er seine Wohnung ohne entsprechende Hilfsmittel nicht erreichen könne. Diese Rechtsansicht habe sich auch der Gesetzgeber bei der Reform des WEG zu eigen gemacht, wenn es in der Gesetzesbegründung heiße, dass Rollstuhlrampen und Treppenlifte als unvermeidbar anzusehen sind, wenn es der notwendigen Barrierefreiheit dient und ohne Eingriff in die Substanz technisch machbar sei (BT-Drucks. 16/887, S. 31). Allerdings gehe er, der zur Entscheidung berufene Senat des BGH, davon aus, dass die entsprechenden Maßnahmen ohne Zustimmung der Wohnungseigentümer nicht erfolgen dürfe. Ein Nachteil müsse allerdings von den Wohnungseigentümern bei einer erheblichen Gehbehinderung und in Abwägung mit dieser hingenommen werden. Der Einbau eines Fahrstuhls gehe aber weit über den Einbau eines Treppenlifts hinaus. Technisch machbar wäre dieser auch nur durch einen erheblichen Eingriff in die Substanz des Gemeinschaftseigentums, was auch dann einen Nachteil begründe würde, wenn es der Barrierefreiheit dient (BT-Drucks. 16/887, S. 31). Zu berücksichtigen sei auch, dass selbst bei einer Kostenübernahme bei Nutzung des Aufzugs durch Dritte möglicherweise auf die WEG Betreiberpflichten zukommen könnten, was zur Verantwortlich jedenfalls der Prüfung des Aufzuges führen würde; hinzu kämen eventuell notwendige Rückbaukosten, wobei dieser Rückbau wieder mit einem erheblichen Substanzeingriff verbunden wäre.

Da die Wohnungseigentümer insgesamt von den nachteiligen Folgen des Einbaus betroffen wären, müssten alle der Baumaßnahme zustimmen. Eine Beschlussersetzung würde hier ferner deshalb ausscheiden, da mit dem Aufzug kein gemeinschaftliches Eigentum iSv. § 15 Abs. 2 WEG geschaffen werden soll, sondern ein Sondernutzungsrecht; dieses wäre nur durch eine Vereinbarung zu regeln, auf die der Kläger nach § 10 Abs. 2 WEG keinen Anspruch habe.

Im Ergebnis bedeutet dies: Der Kläger konnte bereits deshalb mit seiner Klage keinen Erfolg haben, da er ein Sondernutzungsrecht geltend machte, was lediglich durch eine freiwillige Vereinbarung der Wohnungseigentümer untereinander erzielbar wäre. Aber auch wenn er den Antrag auf Erstellung von Gemeinschaftseigentum umgestellt hätte, könnte er hier eine derartige Anlage selbst unter Berücksichtigung des Gedankens der Barrierefreiheit nicht durchsetzen, da es sich um einen zu starken Eingriff in das Gemeinschaftseigentum, verbunden (selbst bei Freistellung) mit möglichen Folgeaufwendungen durch die Gemeinschaft, handeln würde.


BGH, Urteil vom 13.01.2017 – V ZR 96/16 -

Donnerstag, 4. Mai 2017

Keine Kostenerstattung für Privatgutachten für „Sachkundigen“ in einem Prozess

Zur Unterstützung des eigenen Sachvortrages (z.B. in Bezug auf eine fachspezifische Marterie) oder zur Stellungnahme auf ein (für die Partei negatives), vom Gericht eingeholtes Sachverständigengutachten werden häufig von den Parteien Gutachten zur Stützung der eigenen Ansicht eingeholt. Holt eine Partei ein Privatgutachten ein, so kommt es auch vor, dass die andere Partei ebenfalls ein Gutachten einholt. Muss aber die im Rechtsstreit unterlegende Partei nach § 91 ZPO stets die so bei der anderen Partei entstandenen Gutachterkosten tragen ? Die Rechtsprechung dazu ist beinahe unübersichtlich. Nunmehr  hat der BGH zu einem Fall Stellung bezogen, in dem ein Bauunternehmer in Ansehung eines von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten auch ein solches einholte. Diese dem klagenden. Bauunternehmen entstandenen Kosten wurden als nicht erstattungsfähig behandelt.

Die Beklagten hatten im Laufe des Verfahrens zwei von ihnen vorgerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten zu Mängeln und fehlenden Ausführungsarbeiten vorgelegt. Das klagende Bauunternehmen beauftragte daraufhin selbst einen Sachverständigen, um dieses den Privatgutachten der Beklagten entgegenzuhalten. Der Rechtspfleger hatte die dem Bauunternehmen entstandenen Kosten bei der Kostenfestsetzung berücksichtigt. Die Beschwerde der Beklagten dagegen war erfolgreich. Das zugelassene Rechtsbeschwerdeverfahren des klagenden Bauunternehmens blieb erfolglos.

Der BGH folgt dem Beschwerdegericht in dessen Ansicht, dass grundsätzlich die Kosten von Privatgutachten nicht erstattungsfähig sind. Lediglich dann, wenn sie sachbezogen wären und die eigene Sachkunde der Partei nicht ausreiche, ihrer Darlegungslast zu genügen, einen gebotenen Beweisantrag zu stellen oder Angriffe des Gegners abzuwehren, könne eine Erstattungsfähigkeit im Einzelfall angenommen werden.

Vorliegend käme es nicht darauf an, ob das vom Bauunternehmen vorgelegte Gutachten als gewichtig anzusehen wären. Dies selbst dann nicht, wenn das Gutachten die Rechtsposition des klagenden Bauunternehmens im Rechtstreit positiv beeinflusst haben sollte, da die Frage der Erstattungsfähigkeit nicht damit verbunden sei, ob es den Rechtsstreit beeinflusst habe. Entscheidend sei, ob die Partei die Einholung eines Gutachtens zum Zeitpunkt der Einholung und der Kosten dafür als sachdienlich ansehen durfte und ob die Partei selbst in der Lage gewesen wäre, auch ohne Gutachten substantiiert Stellung zu nehmen. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, dass ein Gutachten bei Gericht als gewichtiger angesehen würde als Parteivortrag, sei zu verneinen; das Gericht sei verpflichtet, Sachvortrag (egal ob Parteivortrag oder durch Gutachten unterstützten Parteivortrag) zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen.

Das klagende Bauunternehmen könne sich hier nicht auf eine „Waffengleichheit“ berufen, da das klagende Bauunternehmen aus eigener Sachkunde und ohne Hilfe eines Sachverständigen in der Lage sei, zu den streitigen Punkten Stellung zu nehmen und so die Privatgutachten der Beklagten hätte widerlegen können.


Anmerkung: Die Entscheidung des BGH wurde kritisiert, da Gerichte (was sicherlich zutreffend ist) regelmäßig mehr Gewicht auf ein vorgelegtes Sachverständigengutachten als auf Parteivortrag legt. Da aber nach Art. 103 GG auch die Gegenargumente zu hören und zu beachten sind, hat es eventuell selbst ein Gutachten einzuholen. Ob gegen eine darauf beruhende Bewertung, die negativ für die sachkundige Partei ausgeht, diese mit einem eigenen Gutachten ihre Berufung stützen kann, stand nicht zur Entscheidung. Dogmatisch richtig ist, dass grundsätzlich der Sachkundige, anders als der Laie, die Grundlagen kennt und selbst beurteilen kann.

BGH, Beschluss vom 01.02.2017 – VII ZB 18/14 -