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Donnerstag, 25. Januar 2024

Smartphone-Verbot am Arbeitsplatz und Mitbestimmung (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG)

Die Arbeitgeberin wies durch einen Aushang darauf hin, dass „jede Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit nicht gestattet“ und bei Verstößen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung zu rechnen sei. Der Betriebsrat forderte die Arbeitgeberin vergeblich auf, diese Maßnahme zu unterlassen und verwies dabei auf ein ihm nach seiner Meinung zustehendes Mitbestimmungsrecht. Er beantragte beim Arbeitsgericht eine Untersagung, solange er dem Verbot nicht zugestimmt habe oder seine fehlende Zustimmung durch einen Spruch der Einigungsstalle ersetzt worden sei. Arbeits- und Landesarbeitsgericht wiesen die sodann gestellten Anträge ab, da sie hier kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG sahen. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrates gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts wurde vom BAG auch abgewiesen.

Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 BetrVG solle der Arbeitgeber nur einvernehmlich mit dem Betriebsrat durchführen dürfen. Da hier das von der Arbeitgeberin ausgesprochene Verbot nicht unter § 87 Abs. 1 BetrVG fake, sei der Beseitigungs- und Unterlassungsantrag des Betriebsrates abzuweisen. Ein Mitbestimmungsrecht sei ihm hier nicht eingeräumt. Das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG beziehe sich auf Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Ein Ordnungsverhalten sei betroffen, wenn die Maßnahme des Arbeitgebers auf die Gestaltung des kollektiven Miteinanders oder die Gewährleistung und Aufrechterhaltung der vorgegebenen Ordnung des Betriebs ziele. Das Mitbestimmungsrecht, so das BAG, soll gewährleisten, dass der Arbeitnehmer gleichberechtigt in die Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens einbezogen würde. Insoweit würde das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs.1  Nr. 1 BetrVG die auf die betriebliche Ordnung bezogene Regelungsmacht des Arbeitgebers einschränken. Allerdings seien Maßnahmen, die das sogen. Arbeitsverhalten regeln, nicht mitbestimmungspflichtig; es handele sich dabei um Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar abgefordert oder konkretisiert würde (BAG, Beschluss vom 17.03.2015 - 1 ABR 48/13 -). 

Bei Auswirkungen sowohl auf das Arbeits- und Ordnungsverhalten sei der überwiegende Regelungszweck für die Einordnung maßgeblich (BAG aaO.), der sich nach dem objektiven Inhalt der Maßnahme und der Art des zu beeinflussenden betrieblichen Geschehens richte und bei der eine qualitative Gewichtung unter Berücksichtigung des Einzelfalls vorzunehmen sei. 

Die hier benannte Maßnahme der Arbeitgeberin sollte nach Auffassung des BAG die zügige und konzentrierte Arbeit der Arbeitnehmer sicherstellen. Die Handys würden über eine Vielzahl von Funktionen verfügen, die die Aufmerksamkeit der Arbeitnehmer binden würden (Messengerdienste, Internet pp.). Die Verwendungsarten würden sich dadurch auszeichnen, dass sie jeweils (eine evtl. kurze) aktive Bedienung bedürften, was währen der Arbeit unterbleiben solle. Daraus ergäbe sich, dass das Verbot in erster Linie auf die Steuerung des Arbeitsverhaltens gerichtet sei. Anweisungen, die wie vorliegend die zu verrichtenden Tätigkeiten zwar nicht unmittelbar konkretisieren, aber gleichwohl ihre Erbringung sicherstellen sollen, würden das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten betreffen; ausdrücklich würde an einem ggf.  anderem Verständnis im Beschluss des Senats vom 14.01.1986 – 1 ABR 75/83 – (dort zu B 2 c und d der Gründe) nicht festgehalten. 

Unerheblich sei, dass sich das Verbot auch auf das Ordnungsverhalten auswirken könne. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Nutzung von Mobiltelefonen während der Arbeitszeit das betriebliche Zusammenwirken berühre (z.B. da laut Musik abgespielt wird). Alleine die Betroffenheit von Arbeitsverhalten und Ordnungsverhalten habe aber nicht zur Folge, dass damit die gesamte Maßnahme auf das betriebliche Zusammenleben und kollektive Zusammenwirken der Arbeitnehmer gerichtet wäre. Entscheidend sei der überwiegende Regelungszweck. Dieser läge hier in Form der Untersagung auf der Steuerung des mitbestimmungsfreien Arbeitsverhaltens. Die Nutzung der wesentlichen Verwendungsarten, insbes. telefonieren, lesen und versenden von Kurznachrichten, anschauen von Videos, eine Betätigung des Gerätes erfordere und die Aufmerksamkeit des Nutzers zumindest kurze Zeit beanspruche. Dadurch könne es zu unkonzentrierten Arbeiten oder zur mangelnden Erledigung anfallender Nebenarbeiten kommen. Typischerweise beträfe die Untersagung das Arbeitsverhalten. 

BAG, Beschluss vom 17.10.2023 - 1 ABR 24/22 -

Donnerstag, 11. Mai 2017

Vollberittvertrag und Haftung des Unterstellers und Ausbilders bei Verletzung des Pferdes

Die Klägerin schloss mit dem Beklagten einen Vertrag, demzufolge der Beklagte die Unterstellung, Fütterung, Pflege als auch den beritt des damals vierjährigen Wallachs der Klägerin übernahm. Am 02.12.2010 ließ die Praktikantin des Beklagten das Pferd in der Reithalle frei laufen; das Pferd stieß dabei gegen eine Stahlstütze des Hallendaches und musste daraufhin tierärztlich versorgt werden. Die Klägerin verlangte Schadensersatz von über € 40.000,00 mit der Begründung, infolge des Vorfalls sei das Pferd nicht mehr zum Reiten nutzbar.

Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab; das Oberlandesgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Vernehmung einer Zeugin. Die von der Klägerin eingelegte Revision führte zur Aufhebung des klageabweisenden Urteils und Zurückverweisung an das Oberlandesgericht.

Auszugehen sei von einem typengemischten Vertrag mit Schwerpunkt auf den Dienstvertrag nach § 611 BGB. Bei einem gemischten Vertrag könne nicht  nach den verschiedenen Rechtstrukturen unterschieden werden, sondern wäre der Schwerpunkt festzustellen, nach dem sich dann das gesamte Vertragsverhältnis orientiere. Vorliegend habe die Ausbildung des damals noch sehr jungen Pferdes für den Einsatz bei Turnieren und die Vorführung bei Prüfungen den Schwerpunkt gebildet. Damit läge der Schwerpunkt im Dienstvertragsrecht und scheide Verwahrungs- und Mietvertragsrecht aus.

Ein Rückgriff auf Verwahrungsrecht käme auch nicht deshalb in Betracht, um den Pferdeeigentümer vor Beweisschwierigkeiten zu bewahren.  Zwar trage der Anspruchssteller die Beweislast für eine Vertragspflichtverletzung. Stamme aber die Schadensursache aus dem Gefahren- und Verantwortungsbereich des Anspruchsgegners  und rechtfertige die Sachlage den Schluss, dass dieser die ihm obliegende Sorgfalt verletzte (was hier der Fall sei), müsse er sich von dem Vorwurf der Vertragsverletzung entlasten. Dazu habe er darzulegen und nachzuweisen, dass ihn kein Pflichtenverstoß trifft.

Nicht zu beanstanden sei die auf der Grundlage des eigeholten Sachverständigengutachtens getätigte Annahme des Oberlandesgerichts, dass die Anlage als solche baulich geeignet sei , wenn das Tier angemessen vorberitet sei (also kein „Kaltstart“).  Auch konnte nach Ansicht des BGH das Oberlandesgericht in Ansehung der gutachterlichen Ausführungen davon ausgehen, dass es sich bei dem Pferd um ein ausgeglichenes Tier gehandelt habe, weshalb ein ausreichendes und kompetentes Führen des Pferdes in der Halle vor dem Freilauf genügt hätte.

Die angehörte Zeugin habe allerdings nur allgemein eine Aussage zur Üblichkeit des Führens im Reitstall des Beklagten tätigen können, nichts dazu, wie es vor dem streitgegenständlichen Vorfall war. Ferner habe es das Oberlandesgericht unterlassen, zwei von der Klägerin zu der relevanten Frage des Führens des Pferdes vor dem Vorfall (benannt dazu, dass es nicht geführt worden sei) nicht vernommen, obwohl diese Zeuginnen zum Termin auch geladen waren.

Bleibe es also offen, ob die Praktikantin das Pferd vor dem Freilauf ordnungsgemäß vorbereitet habe, gehe dies zu Lastend es Beklagten, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB.

Ob die Klägerin mit ihrem zweitinstanzlichen Beweisangebot wegen Präklusion ausgeschlossen ist (§ 531 Abs. 2 ZPO), sei mangels von Darlegungen im Berufungsurteil im Revisionsurteil nicht zu entscheiden und müsse (noch) vom Oberlandesgericht nach der Zurückverweisung entschieden werden, wenn es nach erneuter Vernehmung der einen Zeugin wiederum zu der Auffassung gelangt, die Praktikantin habe das Pferd ordnungsgemäß vorbereitet.


BGH, Urteil vom 12.01.2017 -  III ZR 4/16 -