Sonntag, 11. Oktober 2015

Einkommensteuer: (Wieder) grundsätzlich keine Anerkennung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung

Bild: AHert auf Wikimedis Commons
Der Bundesfinanzhof (BFH) ist mit seinem Urteil vom 18.06.2015 wieder zu seiner alten Rechtsprechung zurückgekehrt und hat ausdrücklich seine geänderte Rechtsprechung im Urteil vom 12.05.2011 aufgegeben. Damals hatte der Senat den Abzug aller Zivilprozesskosten als außergwöhnliche Belastung zugelassen, soweit es sich nicht um mutwillig herbeigeführte Kosten gehandelt hat. Es sprächen allerdings, so die Entscheidung jetzt, „schwerwiegende sachliche Gründe, …. vor allem der Gesichtspunkt einer notwendigen Vereinheitlichung der Rechtsanwendung und der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung“ für die jetzige Änderung.

Nach der Entscheidung sollen nunmehr nur noch solche Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden die aus einem rechtstreit entstehen, bei dem es für den Steuerpflichtigen um existentiell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens geht und die Verfolgung der rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existentiell erforderlich ist und sich damit die Frage stellt, ob sich die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als iSv. § 33 EStG zwangsläufig darstellt. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige, sollte er sich nicht auf den Prozess einlassen, Gefahr läuft, seine Existenzgrundlage zu verlieren. Alleine aus dem staatlichen Gewaltmonopol könne (anders als in der Entscheidung vom 12.05.2011 angenommen) noch nicht die Zwangsläufigkeit der Kosten iSv. § 33 EStG angenommen werden.


Anmerkung: Davon ausgehend, dass im Obsiegensfall der Steuerpflichtige seine Kosten vom Gegner erstattet erhält, bliebe damit mi dieser Begründung letztlich kein Raum mehr für die Geltendmachung dieser Kosten. Verliert nämlich der Steuerpflichtige seine Existenz, wird er wohl auch kaum noch Steuern zahlen müssen. Mithin bliebe nur der Fall, dass er gewinnt, aber die Kosten nicht beim Gegner vollstrecken kann. Ob im übrigen  - wie vor der Entscheidung von 2011 -  jedenfalls die Kosten von Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden können, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen. Da aber das Gewaltenmonopol über die Rechtsprechung als solches nicht ausreichen soll, könnte anzunehmen sein, dass dies nun auch negiert wird. 
Obwohl vorliegend der Kläger nach der Entscheidung aus 2011 hätte obsiegen müssen, darf er nun die Kosten beider Instanzen tragen. 

BFH, Urteil vom 18.06.2015 - VI R 17/14 -

Mietpreisbremse: Bei Verstoß Anpassung – Verfassungsbeschwerde erst nach Durchführung des Zivilverfahrens

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte sich hatte sich in seinem Beschluss mit der Verfassungsbeschwerde zur sogen. Mietpreisbremse im Land Berlin auseinanderzusetzen. Ein Vermieter wollte die Ungültigkeit der Verordnung, mit der diese im Land Berlin eingeführt wurde, festgestellt wissen.  Die Verfassungsbeschwerde wurde mit formalen Argumenten zurückgewiesen: Zunächst muss der Vermieter im Zivilrechtsweg seinen die Kappungsgrenze der „Mietpreisbremse“ überschreitenden Mietzins versuchen durchzusetzen und dort bereits seine verfassungsrechtlichen Bedenken anführen, ehe er, sollte er unterliegen, Verfassungsbeschwerde erheben kann. Es gilt, so das BVerfG, der Subsidiaritätsgrundsatz.  Die Unwirksamkeit des vertraglichen Mietzinses würde auch nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages führen, sondern nur zur Anpassung des Mietzinses auf das zulässige Maß. Insoweit wäre dann eventuell ein bereicherungsrechtlicher Ausgleich zwischen den Mietparteien vorzunehmen.

Das bedeutet für den Vermieter, dass er den von ihn angedachten Mietzins im Mietvertrag vereinbaren muss und es nun auf einen Prozess mit seinem Mieter ankommen lassen muss. Verliert er diesen Prozess, da das Amts- und Landgericht die „Mietpreisbremse“ als legitim ansehen, könnte er Verfassungsbeschwerde erheben. Die Mietvertragsparteien haben mithin ein langwieriges Verfahren zu bestreiten.

BVerfG, Beschluss vom 24.06.2015 - 1 BvR 1360/15 -

Schwarzarbeit: Barzahlung auf Rechnung ohne Mehrwertsteuerausweis führt zum Verlust der Mängelrechte und begründet auch keinen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch

Der BGH setzt konsequent seine Rechtsprechung zur Schwarzarbeit fort. Die Schwarzarbeitsabrede stellt sich als nichtiger Vertrag dar, da dieser gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, §§ 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG, 134 BGB. 

Wird der Vertrag durchgeführt und erbringt der Auftragnehmer eine mangelhafte Leistung, so hat der Auftraggeber keine Gewährleistungsansprüche. Den gesetzlichen Gewährleistungsansprüchen steht die Nichtigkeit des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts entgegen.

In dem nun vom BGH entschiedenen Fall, hatte der beklagte Unternehmer einen Kostenvoranschlag für den Einbau von V-Fenstern und den Ausbau des Dachgeschosses über € 12.651,90 zuzüglich Umsatzsteuer unterbreitet. Mündlich wurde daraufhin ein Vertrag über pauschal € 10.000,00 abgeschlossen, die der Kläger dem Beklagten in bar zahlte. Der Beklagte erteilte dem Kläger eine Rechnung „zum Festpreis von 10.000,- €“, auf der die Rubriken zur Rechnungsnummer, Steuernummer, Rechnungsbetrag netto und Mehrwertsteuer nicht ausgefüllt wurden.

In der Folge machte der Kläger erhebliche Mängelansprüche geltend, die er mit € 11.901,53 bezifferte. Der beklagte berief sich auf die Nichtigkeit der vertraglichen Vereinbarung und forderte im Wege der Widerklage einen von ihm bereits an den Kläger gezahlten Schadensersatzbetrag von € 1.392,76 zurück. Während das Landgericht Klage und Widerklage abgewiesen hatte, gab das OLG der Widerklage vollumfänglich, der Klage teilweise statt.

Die Revision wurde in Bezug auf die Klage zugelassen und führte zur Abweisung derselben.

Dass Grundlage des Rechtsgeschäfts ein auf Schwarzarbeit ausgerichteter Vertrag sei, ergäbe sich bereits aus der Rechnung. Denn die Rechnung habe entgegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarArbG nicht die nach § 14 UStG erforderlichen Angaben (Ausweis der Umsatzsteuer, Rechnungsnummer) enthalten.
Der BGH wies darauf hin, dass durch die Nichtigkeit des Werkvertrages vertragliche Ansprüche und damit auch Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln nicht bestehen. Damit schloss es sich der Ansicht des OLG an, welches allerdings in Hinblick auf einen vom Kläger hilfsweise geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Anspruch nach § 817 BGB der Klage teilweise statt gab. Dem folgte der BGH nicht. Er wies darauf hin, dass  § 817 BGB dann keine Anwendung finde, wenn der Besteller in Ausführung des nichtigen Werkvertrages seine Leistungen erbringe, indem er ohne Rechnung mit Steuerausweis Zahlung leiste, wie sich aus § 817 Satz 2 Halbs. 1 BGB ergäbe. Eine einschränkende Auslegung scheide aus. Wer bewusst das im Schwarzarbeitsgesetz enthaltene Verbot missachte soll nach der Intention des Gesetzgebers schutzlos bleiben.


BGH, Urteil vom 11.06.2015 – VII ZR 216/14 -

Donnerstag, 8. Oktober 2015

Mahnung, Datenschutz und „Drohung“ mit SCHUFA

Es  klagte vorliegend die Verbraucherzentrale Hamburg e.V. Beklagte war ein Telekommunikationsunternehmen. Hintergrund des Rechtsstreits waren Mahnschreiben des beklagten Telekommunikationsunternehmens an jedenfalls zwei Kunden, in den die Beklagte die Kunden darauf hinwies, dass sie als Partner der SCHUFA verpflichtet wäre, „die unbestrittene Forderung der SCHUFA mitzuteilen, sofern nicht eine noch durchzuführende Interessenabwägung in Ihrem Fall etwas anderes ergibt.“ Dies wurde verbunden mit dem allgemeinen Hinweis, dass „ein solcher Eintrag bei Ihren finanziellen Angelegenheiten, z.B. der Aufnahme eines Kredits, erheblich behindern (kann). Auch Dienstleistungen anderer Unternehmen können Sie dann unter Umständen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt in Anspruch nehmen.“ 


Von der Klägerin wurde die Unterlassung dieser Ausführungen begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin war erfolgreich. Vom BGH wurde die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision zurückgewiesen.

In seiner Entscheidung setzt sich der BGH mit § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 lit. c) BDSG auseinander. Nach dieser Bestimmung muss der potentielle Schuldner rechtzeitig vor der Übermittlung von Daten an eine Auskunftei (wie der SCHUFA) darauf hingewiesen werden. Der BGH verdeutlicht, dass die Hinweispflicht nicht als Druckmittel dient und genutzt werden darf. Vielmehr soll dem Betroffenen nach der gesetzgeberischen Intention (BT-Drucks. 16/10529, S. 14)  die Möglichkeit eröffnet werden, durch die rechtzeitige Information entweder die Forderung zu begleichen oder aber ihr zu widersprechen. Die Regelung dient damit lediglich der Transparenz der Datenübermittlung. Der Anforderung wird eine Mitteilung nur dann gerecht, wenn dem Betroffenen nicht verschleiert wird, dass ein Bestreiten der Forderung ausreicht, um die Übermittlung der Daten an die SCHUFA zu verhindern.  


BGH, Urteil vom 19.03.2015 – I ZR 157/13 -

Dienstag, 6. Oktober 2015

Versicherungsmakler: Haftung bei Verschweigen von Vorversicherungen

Bild: pixabay
Der Antragsteller hatte über den Antragsgegner (Makler) eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen. Im Zusammenhang mit einem Rechtsschutzfall wollte der Antragsteller eine Deckungszusage dieses Rechtschutzversicherers. Dieser lehnte ab und hat den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten, da bei Abschluss des Vertrages nicht über das Bestehen von Vorversicherungen, zu denen gefragt war, unterrichtet wurde. Bei wahrheitsgemäßer Angabe hätte sie Nachforschungen gehalten und erfahren, dass beim Vorversicherer Rechtsschutzfälle in erheblicher Anzahl geltend gemacht worden wären, weshalb sie den Antrag abgelehnt hätte.


Das OLG führte aus, dass der Makler, selbst wenn ihm gegenüber der Antragsteller keine Angaben gemacht haben sollte, nach Vorversicherungen hätte fragen müssen. Wäre er dieser Pflicht nachgekommen, hätte der Antragsteller ihn informiert. Dann hätten die Nachforschungen des Versicherers ergeben, dass eine hohe Anzahl von Rechtsschutzfällen dort geltend gemacht wurden und den Vertragsschluss mit dem Antragsteller abgelehnt.

Der Makler hat den Antragsteller die Nachteile auszugleichen, die diesem bis zur Anfechtung des Versicherungsvertrages, auf dessen Bestand er vertraute, entstanden sind. Dies wären zum einen die Versicherungsbeiträge. Darüber hinaus auch die Kosten im Zusammenhang mit einem von ihm  angestrengten Prozess, wobei das OLG davon ausgeht, dass eine Reihe von Indizien dafür sprechen würden, dass er diesen Prozess nicht ohne Bestand der Rechtsschutzversicherung aufgenommen hätte. Entscheidend sei nicht, ob die Aufwendungen auf der Pflichtverletzung des Maklers  beruhen würden, sondern ob sie bei zutreffender Information des Maklers nicht entstanden wären. Auch käme es für die Haftung des Maklers in Bezug auf die Prozesskosten nicht darauf an, ob die Versicherung hätte Deckung gewähren müssen; es sei nicht das Erfüllungsinteresse zu ersetzen, sondern das negative Interesse, welches alleine durch einen Vergleich der Vermögenssituation geprägt wird, wenn der Antragsteller nicht auf den Bestand der Versicherung hätte vertrauen dürfen ob das Vertrauen auf eine Deckung „vernünftig“ war, wäre allenfalls im Rahmen eines Mitverschuldens nach § 254 BGB zu prüfen).


OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.05.2014 – 9 W 14/14 -

Jagd: Haftung des Jägers für Wildschäden an Erstaufforstung ?

Grundlage ist § 32 Abs. 2 S. 1 BJagdG. Danach ist der Jäger nicht zum Ersatz des Wildschadens verpflichtet, der an Forstkulturen entsteht, die deshalb einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sind, da sie von der im Jagdbezirk vorkommenden Hauptholzart abweichen, wenn die Herstellung von üblichen Schutzvorrichtungen unterblieb. Der BGH musste sich damit auseinandersetzen, was bei einer Erstaufforstung gilt. Das Berufungsgericht hatte auf diesen Fall § 32 Abs. 2 S. 1 BJagdG analog angewandt.



Anders der BGH.  Eine Analogie kommt nur in Betracht, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält. Diese wird vom BGH negiert. Dabei verweist er darauf, dass der Wildschadensersatz an Forstkulturen zu den zentralen Themen im Gesetzgebungsverfahren gehörte. Im Gesetzgebungsverfahren habe der Deutsche Jagdschutz-Verband umfassend einen Ausschluss gefordert für den Fall, dass bei Forstkulturen eine Schutzvorrichtung unterblieb. Dem wurde dann aber nicht gefolgt. Da sich der Gesetzgeber ersichtlich mit der Problematik auseinandergesetzt habe, kann eine planwidrige Regelungslücke nicht angenommen werden und kommt eine Analogie der Norm nicht in Betracht. 

BGH, Urteil vom 04.12.2014 - III ZR 61/14 -

Sonntag, 4. Oktober 2015

Darlehensvertrag: Auch nach Rückführung des Darlehens kann noch der Widerruf durch den Darlehensnehmer erfolgen

Dem OLG Frankfurt lag ein  Rechtsstreit zur Entscheidung vor, in dem der klagende Darlehensnehmer ein Darlehen aufgenommen hatte, diesen aber  - nachdem bereits die Rückzahlung erfolgte widerrief und seine Zahlungen von der Beklagten zurückverlangte.Sein Begehren war erfolgreich.

Die Beklagte hatte eingewandt, sie habe ordnungsgemäß eine Widerrufsbelehrung vorgenommen. Dem folgten Land- und Oberlandesgericht nicht. In der Widerrufsbelehrung wurde aufgenommen, der Widerruf wäre „frühestens“ möglich mit Erhalt der Belehrung. Dadurch aber wird dier Fristbeginn nicht eindeutig mitgeteilt (so bereits BGH im Urteil vom 15.08.2012 – VIII ZR 378/11 -). Auch könne sich die Beklagte vorliegend nicht auf § 14 Abs. 2 und 2 BGB InfoV berufen, da das Verwandte Formular nicht dem Muster in der damals gültigen Fassung entsprach.

Ebenso könne sich die Beklagte nicht auf eine Verwirkung berufen. Verwirkung, dessen Grundlage die unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB ist, setzt einen längeren Zeitablauf (Zeitmoment) und zudem besondere Umstände, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen, voraus.  Ein derartiger Fall läge hier nicht vor.

Zwar wäre 9,5 Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrages und vier Jahre nach dessen Rückzahlung das Zeitmoment erfüllt. Es fehle aber an dem Umstandsmoment. Außer der Rückführung des Darlehens habe sich für die Beklagte kein Umstand ergeben, aus dem heraus sie annehmen durfte, der Kläger würde nicht (noch) von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen.

OLG Frankfurt, Urteil vom 26.08.2015 – 17 U 202/14 -