Sonntag, 11. Oktober 2015

Mietpreisbremse: Bei Verstoß Anpassung – Verfassungsbeschwerde erst nach Durchführung des Zivilverfahrens

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte sich hatte sich in seinem Beschluss mit der Verfassungsbeschwerde zur sogen. Mietpreisbremse im Land Berlin auseinanderzusetzen. Ein Vermieter wollte die Ungültigkeit der Verordnung, mit der diese im Land Berlin eingeführt wurde, festgestellt wissen.  Die Verfassungsbeschwerde wurde mit formalen Argumenten zurückgewiesen: Zunächst muss der Vermieter im Zivilrechtsweg seinen die Kappungsgrenze der „Mietpreisbremse“ überschreitenden Mietzins versuchen durchzusetzen und dort bereits seine verfassungsrechtlichen Bedenken anführen, ehe er, sollte er unterliegen, Verfassungsbeschwerde erheben kann. Es gilt, so das BVerfG, der Subsidiaritätsgrundsatz.  Die Unwirksamkeit des vertraglichen Mietzinses würde auch nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages führen, sondern nur zur Anpassung des Mietzinses auf das zulässige Maß. Insoweit wäre dann eventuell ein bereicherungsrechtlicher Ausgleich zwischen den Mietparteien vorzunehmen.

Das bedeutet für den Vermieter, dass er den von ihn angedachten Mietzins im Mietvertrag vereinbaren muss und es nun auf einen Prozess mit seinem Mieter ankommen lassen muss. Verliert er diesen Prozess, da das Amts- und Landgericht die „Mietpreisbremse“ als legitim ansehen, könnte er Verfassungsbeschwerde erheben. Die Mietvertragsparteien haben mithin ein langwieriges Verfahren zu bestreiten.

BVerfG, Beschluss vom 24.06.2015 - 1 BvR 1360/15 -

Aus den Gründen:

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die "Mietpreisbremse", die durch das am 1. Juni 2015 in Kraft getretene Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung (Mietrechtsnovellierungsgesetz - MietNovG) vom 21. April 2015 (BGBl I S. 610) in § 556d des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) eingeführt worden ist, und zudem gegen die Verordnung des Berliner Senats zur zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn gemäß § 556d Abs. 2 BGB (Mietenbegrenzungsverordnung - MietBegrV) vom 28. April 2015 (GVBl <BE> S. 101). Die Verfassungsbeschwerde ist mit einem Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung des Gesetzes nach § 32 Abs. 1 BVerfGG verbunden.
1. Die "Mietpreisbremse" ist durch Art. 1 Nr. 3 MietNovG in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt worden. Die maßgebliche Bestimmung lautet:
§ 556d
Zulässige Miethöhe bei Mietbeginn; Verordnungsermächtigung
(1) Wird ein Mietvertrag über Wohnraum abgeschlossen, der in einem durch Rechtsverordnung nach Absatz 2 bestimmten Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt, so darf die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 558 Absatz 2) höchstens um 10 Prozent übersteigen.
(2) 1Die Landesregierungen werden ermächtigt, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch Rechtsverordnung für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu bestimmen. 2Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten liegen vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. 3Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn
1. die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt,
2. die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt,
3. die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, oder
4. geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.
4Eine Rechtsverordnung nach Satz 1 muss spätestens am 31. Dezember 2020 in Kraft treten. 5Sie muss begründet werden. 6Aus der Begründung muss sich ergeben, auf Grund welcher Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegt. 7Ferner muss sich aus der Begründung ergeben, welche Maßnahmen die Landesregierung in dem nach Satz 1 durch die Rechtsverordnung jeweils bestimmten Gebiet und Zeitraum ergreifen wird, um Abhilfe zu schaffen.
Nach Art. 4 Satz 1 MietNovG ist die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Rechtsverordnungen gemäß § 556d Abs. 2 BGB vorab am 28. April 2015 in Kraft getreten. Die übrigen Vorschriften sind seit dem 1. Juni 2015 in Kraft (Art. 4 Satz 2 MietNovG).
Aufgrund der Ermächtigung in § 556d Abs. 2 BGB hat der Berliner Senat am 28. April 2015 die Mietenbegrenzungsverordnung mit folgenden Bestimmungen erlassen:
§ 1
Gebietsbestimmung
Berlin ist eine Gemeinde im Sinne des § 556d Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit einem angespannten Wohnungsmarkt, in der die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist.
§ 2
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 1. Juni 2015 in Kraft. Mit Ablauf des 31. Mai 2020 tritt diese Verordnung außer Kraft.
2. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer einer Wohnung in einem Berliner Stadtteil, deren Neuvermietung er zum 1. August 2015 beabsichtigt. Er sieht sich durch das Inkrafttreten von § 556d BGB und den Erlass der Mietenbegrenzungsverordnung daran gehindert, die Wohnung zu angemessenen Konditionen weiterzuvermieten.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.
Er ist der Ansicht, dass die Mietenbegrenzungsverordnung offensichtlich nicht den Anforderungen der gesetzlichen Verordnungsermächtigung entspreche. Insbesondere sei die Rechtsverordnung entgegen § 556d Abs. 2 Satz 5 BGB nicht ausreichend begründet worden und enthalte keinen Hinweis darauf, welche flankierenden Maßnahmen der Berliner Senat ergreifen wolle, um der Wohnungsnot in der Stadt Herr zu werden. Daher könne nicht nachvollzogen werden, ob wirklich in allen zwölf Stadtbezirken ein angespannter Wohnungsmarkt im Sinne von § 556d Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BGB vorliege. Gegen eine flächendeckende, sich über das gesamte Stadtgebiet erstreckende Notsituation sprächen statistische Daten wie der Rückgang der Zahl der Haushalte und Mietwohnungen im Jahr 2013 und die Tatsache, dass die Mieten weniger stark gestiegen seien als ein durchschnittliches Arbeitseinkommen.
Auch die Ermächtigungsgrundlage des § 556d Abs. 2 BGB sei wegen Verstoßes gegen Art. 20 Abs. 3 und Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungswidrig. Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung seien nicht hinreichend bestimmt; der Rahmen dessen, was durch Verwaltungshandeln ausgefüllt werden müsse, sei nur mit unbestimmten Rechtsbegriffen wie "angespannter" Wohnungsmarkt, "ausreichende" Versorgung der Bevölkerung oder "angemessenen" Bedingungen beschrieben. Diese Voraussetzungen mit objektivem Inhalt zu füllen, sei geradezu unmöglich.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil die Verfassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; 108, 129 <136>; stRspr). Ungeachtet der Tatsache, dass der Beschwerdeführer schon mit B
lick auf den nur eingeschränkten Anwendungsbereich der "Mietpreisbremse" seine gegenwärtige Betroffenheit im Sinne von § 90 Abs. 1 BVerfGG nicht ausreichend deutlich gemacht hat (vgl. BVerfGE 1, 97 <102>; 60, 360 <371>; 97, 157 <164>; 102, 197 <207>; 114, 258 <277>; stRspr), steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde jedenfalls der Grundsatz der Subsidiarität entgegen.
1. Bei einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde - wie sie hier vorliegt - ist der Subsidiaritätsgrundsatz zur Wahrung des Vorrangs der sachnäheren Fachgerichtsbarkeit in besonderer Weise zu beachten, weil das Gebot der Rechtswegerschöpfung gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht gilt. Es ist daher besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergriffen hat, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 84, 90 <116>; 90, 128 <136 f.>; 97, 157 <165 f.>; 102, 197 <207>; stRspr). Damit soll vor allem gewährleistet werden, dass dem Bundesverfassungsgericht infolge der fachgerichtlichen Vorprüfung der Beschwerdepunkte ein bereits eingehend geprüftes Tatsachenmaterial vorliegt und ihm auch die Fallanschauung und die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch die sachnäheren Fachgerichte vermittelt werden (BVerfGE 79, 1 <20>; 86, 382 <386 f.>; 114, 258 <279>).
2. Demnach ist der Beschwerdeführer auf die Beschreitung des Zivilrechtswegs zu verweisen. Sollte er bei der Neuvermietung der Wohnung gegen die "Mietpreisbremse" verstoßen, ändert dies nichts an der Wirksamkeit des Mietvertrags. Unwirksam ist lediglich die Abrede über die Höhe der Miete und auch dies nur insoweit, als die zulässige Höchstgrenze überschritten wird (vgl. § 556g Abs. 1 Satz 2 BGB). Hält der Beschwerdeführer die Begrenzung der zulässigen Miethöhe für nichtig, so ist er mithin nicht gehindert, die gesamte vertraglich vorgesehene Miete vor den Zivilgerichten einzuklagen. Diese haben dann zu prüfen, ob die Entgeltabrede teilweise unwirksam ist. Zu diesem Prüfungsprogramm könnte auch die Frage gehören, ob die Rechtsverordnung nach § 556d Abs. 2 Satz 1 BGB den Anforderungen der gesetzlichen Ermächtigung genügt und auch im Übrigen mit höherrangigem Recht in Einklang steht (vgl. LG Berlin, Urteil vom 3. Juli 2014 - 67 S 121/14 -, WuM 2014, S. 554 <555 ff.> - für die Berliner Kappungsgrenzenverordnung nach § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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