Donnerstag, 3. Oktober 2024

Beginn der Verjährung des Regressanspruchs des Rentenversicherungsträgers

Gegenstand des Verfahrens war der Antrag auf Feststellung eines (anteiligen) Regressanspruchs des klagenden Rentenversicherungsträgers aus § 110 Abs. 1 SGB VII. Der bei ihr versicherte Geschädigte erlitt einen Arbeitsunfall, verursacht durch eine Fehlbedienung eines Teleskoparms durch den Beklagten mit der Folge einer Querschnittlähmung. Der Unfallversicherungsträger erkannte mit Bescheid vom 124.05.2017 den Unfall vom 14.05.2015 als Arbeitsunfall an. Am 06.08.2021 beantragte der Geschädigte bei der Klägerin eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Rente wurde nicht gewährt, obwohl eine medizinische Begutachtung ergab, dass der Geschädigte seine ehemalige Beschäftigung nur noch im geringeren zeitlichen Umfang ausüben kann; er erhält weiterhin Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben.

Die Klage des Rentenversicherungsträgers wurde dem Beklagten am 30.12.2022 zugestellt. Der Beklagte erhob die Einrede der Verjährung. Das Landgericht wies die Klage – wegen Verjährung – ab. Das OLG wies die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung zurück.

Das OLG schloss sich der Auffassung des Landgerichts an, dass die Verjährung nach § 113 S. 1 SGB VII kenntnisunabhängig ab dem Tag der Feststellung des Versicherungsfalles durch den Unfallversicherungsträger läuft (BGH, Urteil vom 25.07.2017 – VI ZR 433/16 -). Frühere Rechtsprechung, die dies anders gesehen hatte, sei durch die Entscheidung des BGH überholt.

Die Bindungswirkung gelte nicht nur für den Unfallversicherungsträger, sondern auch für andere Sozialversicherungsträger. In seiner o.g. Entscheidung habe der BGH als obiter dictum festgehalten, dass für den Beginn der Verjährung gem. § 113 S. 1 SGB VII eine Feststellung der Leistungspflicht dem Grunde nach (und nicht der Höhe nach) genüge, dass „die für den Unfallversicherungsträger bindende Feststellung der Leistungspflicht nicht nur Voraussetzung für die Verjährung seiner eigenen Ansprüche ist, sondern auch für die Verjährung der Ansprüche anderer Sozialversicherungsträger“. Zwar habe der BGH offen gelassen, ob dies auch für Ansprüche des Rentenversicherungsträgers gelte, allerdings mit dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes argumentiert, wonach die Regelung für alle Sozialversicherungsträger gelte und es (dort im Hinblick auf die gesetzliche Krankenversicherung) für unerheblich gehalten, „wenn der Beginn der Verjährung für die Rückgriffsansprüche der Krankenkasse von einem Datum abhängig gemacht würde, dass ihr nicht bekannt sei und auf das sie keinen Einfluss habe“.

Dem Rentenversicherungsträgerdrohe zwar die Verjährung seiner Ansprüche, wenn er nicht innerhalb der ab diesem Zeitpunkt laufenden Frist von dem Schadensfall Kenntnis erlange. Der Wortlaut des § 110 Abs. 1 SGB VII unterscheide jedoch nicht zwischen den verschiedenen Sozialversicherungsträgern, demgegenüber § 113 S. 1 SGB VII alleine auf die Feststellung der Leistungsverpflichtung des Unfallversicherungsträgers abstelle. Die Regelung sie im Kern und ihrer Konsequenz für andere Sozialversicherungsträger – namentlich dem Rentenversicherungsträger – seit Jahrzehnten unverändert geblieben und der Gesetzgeber habe offenbar bewusst auch bei diversen Anpassungen dies nicht grundlegend geändert. Damit scheide eine planwidrige Reglungslücke aus, und auch ein redaktionelles Versehen sei nicht erkennbar. Vielmehr stelle sich die Regelung als gesetzgeberische Grundentscheidung dar, bis wann das Interesse des nach § 110 Abs. 1 SGB VII Haftenden an Rechtssicherheit noch dem Interesse der Versichertengemeinschaft an einer Durchsetzung dieser Regressansprüche vorgehen soll.

Damit sei – bei taggenauer Berechnung der Verjährungsfrist (BGH, Urteil vom 25.07.2017 - VI ZR 433/16 -) – die Verjährung mit dem Tag des Bescheides des zuständigen Unfallversicherungsträgers am 24.05.2017 in Lauf gesetzt worden (auf eine Leistungserbringungen durch diesen käme es nicht an) und habe am 24.05.2020 geendet. Die Verjährung sei bei Klageerhebung Ende 2022 bereits eingetreten gewesen. Vorher hab es auch keine verjährungshemmenden Umstände gegeben, was auch deshalb ausgeschlossen sei, dass die Klägerin erst im August 2021 von dem Schadensereignis Kenntnis erlangt haben will.

Allerdings verdeutlichen die Gründe des OLG, mit denen die Revision gegen seien Entscheidung zugelassen wurde, deutlich, dass das OLG die eigene Entscheidung nicht für akzeptabel hält. So verwies es darauf, dass der Gesetzgeber jedem Sozialversicherungsträger mit § 110 SGB VII hinsichtlich des Haftungsgrundes ausdrücklich eine völlig autarke Anspruchsgrundlage bei (wie hier) krassen Fehlverhalten des Anspruchsgegners eingeräumt habe und es nicht im Interesse des Gesetzgebers sein könne, den gesetzlichen Rentenversicherungsträger in der Praxis durch die strenge Verjährungsregel nach § 113 AGB VII faktisch vom Regress auszuschließen, da er vermutlich davon ausgegangen sei, dass Regressansprüche desselben überhaupt schon entstanden seien.  Es könnte im öffentlichen Interesse aller Rentenversicherungspflichtigen liegen, Ersatz für Aufwendungen zu erhalten, die ansonsten von der Solidargemeinschaft getragen werden müssten. Es sei auch nicht unbillig, dem Schädiger die Rechtsunsicherheit aufzuerlegen, erst viele Jahre nach dem Vorfall entsprechenden Regressansprüchen auszusetzen. Verwiesen wurde durch das OLG zudem auf ein Urteil des Brandenburgischen OLG vom 09.12.2014 – 3 U 48/13 - , in dem dieses auf den In § 113 SGB VII benannten § 199 BGB abstellte und die Auffassung vertrat, der Verweis auf § 199 Abs. 1 und 2 BGB sei überflüssig, wenn man nicht die dort verlangte Kenntnis mit als Voraussetzung für den Verjährungsbeginn annehmen würde.  

Anmerkung: Die Entscheidung des OLG ist zunächst in seiner Begründung zur Zurückweisung der Berufung des Rentenversicherungsträgers nachvollziehbar. Unverständlich wird sie allerdings vor dem Hintergrund der Zulassung der Revision. Mit den benannten Zulassungsgründen, „nicht im Interesse des Gesetzgebers“ pp., verliert sich das OLG in allgemeine (rechtspolitische) Überlegungen. Im Urteil selbst hatte doch das OLG ausgeführt, dass eine Regelungslücke nicht vorläge und der Gesetzgeber bei mehrfachen Änderungen dies auch hätte ändern können, was er bewusst nicht getan habe. Damit würde diese Begründung nicht die Zulassung der Revision rechtfertigen, sondern könnte allenfalls eine Handlungsaufforderung an den Gesetzgeber darstellen.

Ebenso wenig überzeugt die Entscheidung des Brandenburgischen OLG , auf welches sich das OLG hier zur Begründung der Zulassung der Revision berief: Zwar wird in § 113 SGB VII auf § 199 Abs. 1 und Abs. 2 BGB verwiesen. Wenn aber in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf Kenntnis abgestellt wird, kann dies nicht eine zusätzliche Voraussetzung für den Lauf der Verjährungsfrist sein, da dies dem Wortlaut des § 113 S. 1 SGB VII zuwiderliefe, der explizit auf darauf abstellt, dass die Norm „mit der Maßgabe, dass die Frist von dem Tag an gerechnet wird, an dem die Leistungspflicht für den Unfallversicherungsträger bindend festgestellt wird, an dem die Leistungspflicht für den Unfallversicherungsträger bindend festgestellt oder ein entsprechendes Urteil rechtskräftig geworden ist.“ Der Wortlaut „mit der Maßgabe“ beinhaltet bereits, dass die anderweitige Berechnung in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gerade nicht anzuwenden ist.

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16.07.2024 - 7 U 89/23 -

Montag, 30. September 2024

Verzögerung und Substantiierungsanforderung im selbständigen Beweisverfahren

Im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens erließ das zuständige Landgericht (LG) am 22.01.2024 einen Beschluss, mit dessen Ziffer 1 sie den Antrag der Antragstellerin (AS), in Ansehung ihrer Einwendungen gegen dessen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen einen Ortstermin anzuordnen, zurückwies; es hatte statt dessen die Anhörung des Sachverständigen gem. §§ 492 Abs. 1 iVm. 411 Abs. 3 ZPO angeordnet. Die dagegen von der AS eingelegte sofortige Beschwerde sah das das Beschwerdegericht (OLG) als unstatthaft und damit unzulässig an. Es habe sich um eine verfahrensleitende Entscheidung und damit Zwischenentscheidung des LG nach §§ 492 Abs. 1m 411 Abs. 3 ZPO gehandelt, welche grundsätzlich nicht isoliert anfechtbar sei. Nur wenn diese Zwischenentscheidung bleibend einen rechtlichen Nachteil der Partei zur Folge habe, der sich im weiteren Verfahren nicht oder nicht mehr vollständig beheben lassen würde, sei die Beschwerde zulässig. Dafür sei hier nichts ersichtlich. Zudem sei der Antrag auf Anberaumung eines Ortstermins anstelle der Anhörung des Sachverständigen auch in der Sache nicht begründet, da es im Ermessen des Tatrichters läge, in welcher geeigneten Weise er seiner Pflicht zur Sachaufklärung nachkommen würde § 411 Abs. 3 ZPO; BGH, Urteil vom 16.04.2013 - VI ZR 44/12 -). Das Landgericht habe überzeugend seine Ermessungserwägungen dargelegt, ohne dass Ermessensfehler erkennbar wären.

Statthaft sei die sofortige Beschwerde zu Ziffer 2 des Beschlusses, mit der das LG den Sachverständigen angewiesen hatte, Fenster (die Gegenstand des ursprünglichen Antrages waren) nunmehr doch nicht zu begutachten. Der Sache nach habe es sich hier um eine Entscheidung über die nicht vollständige Ausführung des ursprünglichen Beweisbeschlusses gehandelt, gegen den die sofortige Beschwerde nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 490 Abs. 1 ZPO statthaft sei. Hintergrund war, dass zunächst der Zugang zu der streitbefangenen Wohnung nicht zugänglich war, was in die Risikosphäre der AS falle. Auch könne ein Beweismittel nur benutzt werden, wann nach der freien Überzeugung des Gerichts das Verfahren nicht verzögere, wobei der Verzögerungsbegriff des § 296 ZPO gelte. Damit sei zu bedenken, ob durch zumutbare prozessleitende Maßnahmen eine Verzögerung noch aufgefangen werden könne. Alleine die abstrakte Überlegung des LG, die Beweisaufnahme sie bereits weit fortgeschritten, sei nicht ausreichend, von einer entsprechenden Beweisaufnahme abzusehen. Der Termin zur mündlichen Anhörung des Sachverständigen sei erst im April 2024, weshalb es geboten gewesen wäre darauf hinzuwirken, dass noch vor diesem Termin einen Ortstermin zum Fenster abhalten könne.

Ferner hatte es das LG unter Ziffer 3 des Beschlusses abgelehnt, eine sachverständige Begutachtung weiterer Wohnungen der AS durchzuführen. Dabei würde es sich um eine teilweise Zurückweisung des Antrages auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens handeln, weshalb eine sofortige Beschwerde dagegen statthaft sei. Gleichwohl habe das LG zu Recht den Antrag der AS als unzulässig behandelt. Ein selbständiges Beweisverfahren sei nach § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO u.a. im Hinblick auf den Zustand einer Sache möglich. Allerdings dürften nicht pauschal Mängel an einem Bauteil eines Gebäudes behauptet werden. Auch nach der sogen. Symptomtheorie genüge es nicht, ohne jegliche Qualifizierung von Mängeln der Sache zu sprechen. Ein Ausforschungsbeweis im Sinne einer erstmaligen Bestandsaufnahme sei im selbständigen Beweisverfahren nicht zu erheben. Den, wenn auch minimalen Anforderungen an die Substantiierung im selbständigen Beweisverfahren nach § 487 Nr. 2 ZPO würde dann nicht genügt, wenn der Antragsteller in lediglich formelhafter und pauschaler Weise Tatsachenbehauptungen aufstelle, ohne diese zu dem zu Grunde liegenden Sachverhalt in Beziehung zu setzen (BGH, Beschluss vom 10.11.2015 - VI ZB 11/15 -). Auch in der Beschwerdeschrift habe die AS lediglich die Individualisierung der Wohnungen vorgenommen, aber keine näheren Angaben zu den angeblichen Mängeln der Fenster in der Wohnung gemacht.

Hansetisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 15.02.2024 - 4 W 15/24 -

Freitag, 27. September 2024

Verletzung rechtlichen Gehörs: Urteilsgrundlage Kenntnisse des Gerichts aus einem Vorprozess

Die Beklagten hatten von der Klägerin Räume zum Betrieb eines Shisha-Cafés angemietet (Mietvertrag vom 06.09.2018). Die Beklagten erklärten am 10.09.2018 nach Abschluss des Mietvertrages mit anwaltlichen Schreiben die Anfechtung des Mietvertrags. Die Klägerin kündigte mit Schreiben vom 24.10.2018 das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs fristlos und forderte die Beklagten zur Räumung und Herausgabe der Schlüssel auf; zu einer Schlüsselrückgabe kam es nicht. Mit rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 20.04.2020 stellte dieses fest, dass die Anfechtung des Mietvertrages durch die Beklagten wegen arglistiger Täuschung wirksam gewesen sei.

Mit ihrer Klage in 2021 forderte die Klägerin die Zahlung eines Betrages, der der Miete für den Zeitraum Oktober 2018 bis Juni 2019 entsprach. Die Klage wurde vom Landgericht abgewiesen. Das Oberlandesgericht erhob im Rahmen der von der Klägerin eingelegten Berufung Beweis zu der beklagtenseits behaupteten versuchten Schlüsselübergabe und wies sodann die Berufung zurück. Dagegen legte die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde ein, mit der sie die Zulassung der Revision begehrte.

Der BGH beschloss nach § 544 Abs. 9 ZPO die Revision zuzulassen und hob gleichzeitig die Aufhebung des Urteils des OLG und Zurückverweisung des Rechtstreits an das OLG. Nach § 544 Abs. 9 ZPO kann der BGH verfahren, wenn das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers in rechtserheblicher Weise verletzt hat.

Diese Verletzung des rechtlichen Gehörs nahm der BGH an:

Das OLG habe zwar festgesellt, dass die Beklagten mir ihrer Rückgebeverpflichtung in Verzug gekommen seien, da sie die Schlüssel nicht zurückgegeben hätten. Auch könne ein verzugsbedingter kausaler Schaden der Klägerin dadurch entstanden sein, da sie als Zwischenmieterin weiter zur Zahlung der Miete an die Vermieterin verpflichtet gewesen sei. Aber die Klägerin habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme endgültig in einem Telefonat mit dem Zeugen F. die die angebotene Rückgabe der Schlüssel abgelehnt. Der Zeuge F. habe auch als vertretungsberechtigt für die Klägerin angesehen werden können (wenn er auch nicht Geschäftsführer gewesen sei), da er der maßgebliche Gesprächspartner auf Seiten der Klägerin gewesen sei, wie sich aus dem Vorprozess ergebe.

Art. 103 Abs. 1 GG gewähre den Parteien ein Recht darauf, dass sie Gelegenheit erhalten müssten, im Prozess zu Wort zu kommen und das nur die Tatsachen und Beweismittel verwertet werden. zu denen auch Stellung bezogen werden könne. Indem das OLG unter Bezugnahme auf den Vorprozess feststellte, der Zeuge F. sei maßgeblicher Ansprechpartner auf Seiten der Klägerin, ohne der Klägerin zuvor die Möglichkeit im anhängenden Verfahren zu geben, dazu Stellung zu nehmen, sei dieses Recht verletzt worden. So seien hier im Verfahren weder das im Vorprozess ergangene Urteil noch andere Schriftstücke aus diesem Verfahren vorgelegt worden, noch sei die Beiziehung der Akte des Vorprozesses angeregt oder beantragt worden. Selbst wenn es sich um eine gerichtskundige Tatsache gehandelt haben sollte, dürfe ein Gericht wegen Art. 103 Abs. 1 GG diese Tatsache nicht seiner Entscheidung zugrunde legen, ohne den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren (BVerfG, Beschluss vom 17.09.2020 - 2 BvR 1605/26 -).

Für die prozessuale Folge der Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung ist neben der Verletzung des rechtlichen Gehörs auch erforderlich, dass das Urteil darauf beruht. Dies bejahte der BGH, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass bei Vermeidung dieses Verstoßes ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Verzugs gem. §§ 280 Abs. 1 und 2m 286 BGB bejaht und der Klage damit stattgegeben worden wäre.

BGH, Beschluss vom 29.11.2023 - XII ZR 36/23 -

Mittwoch, 25. September 2024

eGbR : Muss der/ein Gesellschaftszweck bei der Registeranmeldung angegeben werden ?

Muss der oder ein Gesellschaftszweck bei der Anmeldung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) in das Gesellschaftsregisterangegeben werden ? Das Registergericht bejahte dies und erließ ein entsprechende Zwischenverfügung, da die Beteiligten lediglich den Namen der Gesellschaft, den Sitz, die inländische Geschäftsanschrift, die Gesellschafter mit Geburtsdaten und Wohnorten, die jeweilige Vertretungsbefugnis und die Versicherung, dass die Gesellschaft noch nicht im Handels- oder Partnerschaftsregister angemeldet sei, bei der Anmeldung angaben. Die dagegen eingelegte Beschwerde war erfolgreich.

Ein Erfordernis zur Angabe des Gesellschaftszwecks als Voraussetzung der Eintragung der GbR als eGbR in das Gesellschaftsregister bestünde nicht. Weder ergäbe sich die Notwendigkeit aus dem Wortlaut der normierten Voraussetzungen noch aus deren Entstehungsgeschichte, und auch der Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 FamFG rechtfertige es nicht, die Eintragung von dieser Mitteilung abhängig zu machen.

Die Voraussetzungen der Eintragung regele § 707 BGB. In § 707 Abs. 2 seien die Angaben, die die Anmeldung enthalten müsse, festgestellt, weitere Bestimmungen seien in § 3 GesRV enthalten. In § 3 Abs. 1 S. 1 GesRV sei normiert, dass in der Anmeldung zum Gesellschaftsregister auch der Gesellschaftszweck angegeben werden soll, soweit er sich nicht aus dem Namen der GbR ergäbe. Bei der GesRV handele es sich um eine Verordnung auf der Grundlage des § 387 Abs. 2 S. 1 FamFG.

Das OLG verweist darauf, dass es sich in § 3 Abs. 1 Nr. 1 GesRV um eine Sollbestimmung handelt. Dadurch würde zum Ausdruck gebracht, dass die Eintragung nicht von der Angabe des Gegenstandes der Gesellschaft abhängig gemacht werden könne (BR-Drs. 560/22, S. 15). Der Wortlaut spreche mithin gegen eine Pflichtangabe.

Ziel sei es gewesen, ein öffentliches Register zur Beseitigung bekannter Publizitätsdefizite der GbR – vor allem in Hinblick auf Identität der Gesellschaft, ihre Vertretungsverhältnisse und ihre Gesellschafter – einzurichten. Die Eintragung sie freiwillig (Anm.: allerdings für Änderungen im Grundbuch zwingend erforderlich) und nicht konstitutiv, was besage, dass jede Außengesellschaft unabhängig von ihrer Registrierung rechtsfähig sei. Die Registrierung biete den Vorteil der „Subjektpublizität“, mithin der sicheren Nachweisbarkeit von Existenz, Gesellschaftern und Vertretungsverhältnissen, was die Möglichkeit schaffe, durch Transparenz ein erhöhtes Vertrauen der Geschäftspartner zu erreichen. Weitere Anreize zur Registrierung seien dadurch geschaffen worden, dass der Erwerb und die Veräußerung registrierter Rechte, insbesondere von Grundstücken und Gesellschaftsanteilen an registrierten Gesellschaften, der eingetragenen GbR vorbehalten sei. Die Registeranmeldung gem. § 707 Abs. 2 BGB sei den bei der Handelsregisteranmeldung einer offenen Handelsgesellschaft geltenden Vorgaben des § 106 Abs. 2 HGB nachgebildet (Begründung Regierungsentwurf, BT-Drs. 19/27635, S. 129). Die einzutragenden Tatsachen seien wie bei den Personengesellschaften auf die Umstände beschränkt, die für die Existenz, Vertretungs- und Haftungsverhältnisse der Gesellschaft von bedeutender Rolle seien, weshalb insbesondere der Gesellschaftszweck nicht eingetragen werden müsse (BT-Drs. 19, 27635, S. 129). Die Aufzählungen in § 707 Abs. 2 BGB seien ebenso zwingend wie abschließend, es gelte der Grundsatz des Spiegelbilds zwischen Anmeldungs- und Eintragungsinhalt.

Auch aus der Entstehungsgeschichte des § 3 Abs. 1 GesRV ergäbe sich nichts anderes. Diese Norm sei § 24 Abs. 4 HRV nachgebildet worden, wonach das Registergericht im Rahmen des Anmelde- und Eintragungsverfahrens darauf hinwirken soll, dass die Angabe des Unternehmensgegenstandes erfolgt, ergäbe sich dieser nicht aus der Firma (also dem Namen der Gesellschaft) selbst. Nachem allerdings § 34 HRV a.F. durch das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) vom 05.07.2021 entfallen sei, würde das Erfordernis bei Personenhandelsgesellschaften für weitgehend obsolet angesehen; § 24 Abs. 4 HRV habe seinen Sinn weitgehend verloren. Damit könne die Angabe des Gesellschaftsgegenstandes auch nicht als Eintragungsvoraussetzungen angenommen werden.

Der Amtsermittlungsgrundsatz, § 26 FamFG,  rechtfertige ohne besondere Umstände nicht das Verlangen zur Angabe des Gesellschaftszwecks für die Eintragung in das Register. Zwar schränke § 3 GesVR die Pflicht zur Amtsermittlung nicht ein. EEs könne aus Sicht des Registergerichts geboten sein, weitere Ermittlungen anzustellen, um den Rechtsverkehr vor Missbräuchen oder gesetzeswidrigen Verwendungen der Gesellschaftsform der GbR zu schützen. Das Prüfungsrecht bestünde aber nicht voraussetzungslos. Das Registergericht habe die Pflicht, darüber zu wachen, dass Eintragungen im Handelsregister den gesetzlichen Erfordernissen und der tatsächlichen Rechtlage entsprechen. Bei deklaratorischen Eintragungen bestünde die Amtsermittlungspflicht nach §§ 26, 382 FamFG aber nur, wenn die formalen Mindestanforderungen für die Eintragung nicht erfüllt seien oder wenn begründete Zweifel an der Wirksamkeit der zur Eintragung angemeldeten Erklärungen oder an der Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen bestünden. Eine lediglich allgemeine Möglichkeit eines Missbrauchs reiche nicht aus, um jenseits der gesetzlich für die Anmeldung normierten Pflichtangaben ein Prüfungsrecht auszulösen. Im Falle der deklaratorischen Eintragung sei das Registergericht daher grundsätzlich der Prüfung enthoben, ob die angemeldete Tatsache richtig sei. Nur bei begründeten Zweifeln, dass die ordnungsgemäße Anmeldung richtig ist, sei das Registergericht zur Aufklärung des wahren Sachverhalts gem. § 26 FamFG berechtigt und verpflichtet.

Ein sich regelmäßig aus dem Gegenstand der Gesellschaft ergebendes konstituierendes Merkmal bestehe grundsätzlich bei zweckoffenen Gesellschaften bürgerlichen Rechts nicht. Dies unterscheide sie von den Personenhandelsgesellschaften, bei denen der Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet sein müsse, was wiederum konstitutives Merkmal dieser Gesellschaftsform sei und damit Voraussetzung die eine Eintragung in das Handelsregister (BGH, Beschluss vom 15.07.2014 - II ZB 2/23 -).

Die in der Zwischenverfügung benannten Gründe für die Prüfung des Gegenstandes der Gesellschaft (so auf etwaige Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit oder spezialgesetzliche Verbotstatbestände) seien lediglich allgemein gehalten. Konkrete Anhaltspunkte für deren Vorliegen seien weder aufgezeigt noch ersichtlich. Damit aber entsprach das Ersuchen nach den vom OLG dargelegten Grundsätzen nicht den gesetzlichen Anforderungen, weshalb die Zwischenverfügung keinen Bestand haben konnte.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 02.08.2024 - 14 W 52/24 - (Wx)

Sonntag, 22. September 2024

Reparaturanspruch bei Defekt des nicht mitvermieteten Geschirrspülers

Die Klägerin mietete von der Beklagten eine Wohnung an, in der sich u.a. auch in der vorhandenen Einbauküche ein Geschirrspüler befand. Im Mietvertrag war (als Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 BGB [AGB], also nicht individuell vereinbart) eine Klausel aufgenommen, dass die technischen Geräte der Einbauküche „als nicht mitvermietet [gelten]“ (§ 2 Z. 2 Abs. 5 AVB).  Der Klage auf Instandhaltung durch die Beklagte wurde stattgegeben, die dagegen eingelegte Berufung sah das Landgericht in einem Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO als offensichtlich unbegründet an.

Der Beklagte sei gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet, den defekten Geschirrspüler zu reparieren oder auszutauschen. Er sei zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses in der Wohnung vorhanden und funktionstüchtig gewesen, weshalb dies den vertraglich geschuldeten Zustand entspräche (BGH, Urteil vom 10.05.2006 - XII ZR 23/04 -). Dem würde auch die Klausel in § 2 Z. 2 Abs. 5 AVB nicht entgegenstehen.

Nach dem Wortlaut der Klausel würde diese keine Beschaffenheitsvereinbarung darstellen. Das verwandte Wort „gelten“ erweise sich als eine Einschränkung. Unklar bliebe, welche Rechtsfolgen sich aus der Klausel „als nicht als mietvermietet [gelten]“ ergeben sollen.

Auf Allgemeine Geschäftsbedingungen fände die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB Anwendung, wonach Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen würden.  Eine Unklarheit läge vor, wenn zwei oder mehr mögliche Bedeutungen in Betracht kämen, wobei bei der Auslegung nur theoretisch denkbare, praktisch aber fernliegende und bei dem fraglichen Geschäft typischerweise nicht ernstlich in Betracht kommende Auslegungen nicht zu berücksichtigen seien (BGH, Urteil vom 05.05.2022 – VII ZR 176/20 -).

Neben der Möglichkeit, dass sich die Beklagte von einer Instandsetzungspflicht freizeichnen wollte, wäre auch dankbar, dass für die benannten Gegenstände neben dem Grundmietzins kein gesonderter Mietzins geschuldet würde, dem Mieter aber die Gewährleistungsrechte nach §§ 535 ff BGB verbleiben sollten. Beide Auslegungsergebnisse seien vertretbar. Da es nicht darauf ankomme, ob die Auslegung  richtig sei, reiche dies zur Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB und zur Auslegung im Wege der sogenannten kundenfreundlichsten Auslegung aus (BGH, Urteil vom 12.05.2016 - VII ZR 171/15 -).

Die Berufung wurde nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen.

Anmerkung: In vielen Mietverträgen lässt sich die Klausel finden, dass für namentlich benannte technische Geräte kein gesonderter Mietzins zu entrichten sei und im Falle eines Defekts der Mieter keinen Anspruch gegen den Vermieter auf Reparatur oder Austausch habe.

LG Berlin II, Hinweisbeschluss vom 30.06.2024 - 67 S 144/24 -

Freitag, 20. September 2024

Google und der Rechtsstaat: Die Firma im Handelsregister

Gestern habe ich unter dem Titel „Internet-Domain als Firmenname“ einen Beschluss des Kammergericht Berlin vom 13.05.2024 - 22 W 16/14 - dargelegt und im Wortlaut wiedergeben. Das Kammergericht vertritt danach (zutreffend) die Auffassung, dass der Firmenname (§ 18 HGB) nicht nur aus der Internet-Domain bestehen kann, da die Top-Level-Domain keine Unterscheidungskraft habe. Letztlich käme es mithin auf dem Bestandteil der Internet Domain vor der Top-Level-Domain an; handelt es sich dabei auch nur um einen Allerweltsnamen oder -begriff ohne Unterscheidungsmerkmal, kann die Internet-Domain nicht Formenname sein.

 

Was daran – so Goggle – störende „sensible Inhalte“ sein sollen, die die Vorschaltung einer Warnung rechtfertigen,  wird sicherlich ewig das Geheimnis dieses Internetriesen bleiben – der von Recht und Rechtssaat nicht viel weiß und wohl auch nicht viel versteht. Von Meinungsfreiheit scheint Google nichts zu halten: Kamm doch der Warnhinweis im Hinblick auf eine angebliche „Meldung“ bereits Sekunden nach der Einstellung.

 

Der Artikel kann ohne Warnung auf https://www.rechtsprechung-niehus.de/rechtsprechung/gesellschaftsrecht/firmierung-unter-einer-internet-domain/ gelesen werden.


Zwischenzeitlich hat Google die Seite wieder freigegeben. Der Beitrag ist im unten stehenden Post zu lesen.

Mittwoch, 18. September 2024

Internet-Domain als Firmenname

Die bereits im Handelsregister eingetragene beteiligte Aktengesellschaft änderte ihren Firmennamen und meldete (u.a.) die zum Handelsregister an. Das Registergericht beanstandete mit Zwischenverfügung die neu gewählte Firma „XXX.de AG“, da es an einer nach §§ 18,30 HGB notwendigen Individualisierung fehle. Dagegen legte die Beteiligte Beschwerde ein, der das Amtsgericht nicht abhalf. Die in der Sache statthafte Beschwerde wies das Kammergericht (KG) als Beschwerdegericht als unbegründet zurück.

Die Regelung des § 18 Abs. 1 HGB gelte nach § 6 HGB iVm. § 3 Abs. 1 AktG auch für die Firmenbildung einer Aktiengesellschaft. § 18 Abs. 1 HGB fordere eine Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft, weshalb erforderlich sei, dass die gewählte Bezeichnung als Name verwandt werden könne und individualisierend wirken müsse; an der Unterscheidungskraft würde es fehlen, wenn ein „Allerweltsname“ genutzt würde als auch dann, wenn die Bezeichnung rein beschreibender Natur sei (wie z.B. bei Gattungsbezeichnungen). Beispielhaft führte das KG aus, dass damit der Bezeichnung Vertrieb.  de die Unterscheidungskraft fehle (was auch für die von der beteiligten verwandte Bezeichnung „XXX“ (die im veröffentlichen Beschluss nicht namentlich benannt wurde).

Vorliegend habe es sich um einen Internet-Domain gehandelt, die nach den Vergaberichtlinien der D. eG nur einmal vergeben würde. Daraus würde teilweise gefolgert, dass die Unterscheidungskraft aufgrund der durch die Top-Level-Domain (hier: de) hervorgerufenen Alleinstellung die Internet-Domain auch Namensfunktion für die Firma haben könne (so OLG Dresden, Beschluss vom 15.11.2010 - 13 W 890/10 -). Das aber greife zu kurz, da es nicht nur um die Verwendung einer Bezeichnung im Internet gehen würde (so auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.10.2010 - 20 W 196/10 -; LG Köln, Beschluss vom 08.02.2008 - 88 T 04/08 -). § 18 Abs. 1 HGB verlange keine Alleinstellung in irgendeiner Richtung, vielmehr eine Kennzeichnungskraft im allgemeinen Geschäftsverkehr. Eine Firma (Anmerkung: Dies ist nach § 17 Abs. 1 HGB der Name des Kaufmanns, unter dem er seine Geschäfte betreibt) würde auch auf dem Geschäftspapier ( §§ 80 AktG, 37a HGB), in Verträgen, in der Werbung und zur Kennzeichnung von Geschäftsräumen verwandt. Die Firma solle vor allem eine Verwechslungsgefahr ausschließen, die im Internet (bei der Domain mit Top-Level-Domain) ausgeschlossen sein möge, nicht aber im Übrigen. So wäre eine Verwechslungsgefahr von „XXX.de AG“ zu einer „XXX.com AG“, die aufgrund ihrer Alleinstellung dann ebenfalls zulässig sein müsse, nicht gegeben, da die Top-Level-Domain in der Regel nicht prägend wahrgenommen würde.

Erst aus der notwendigen Kennzeichnungskraft der zulässig gewählten Firma folge die firmenrechtliche Alleinstellung (vgl. § 30 HGB). Hinzu käme das Freihaltungsbedürfnis bezüglich einer allgemein gehaltenen Bezeichnung, die die Bildung anderer Firmen nicht übermäßig beeinträchtigen dürfe. Dass hier die von der Beteiligten verwandte Bezeichnung Verkehrsgeltung habe, sei nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich (Anmerkung: im Falle der Verkehrsgeltung käme es nicht mehr darauf an, ob es sich [auch] um eine Internetdomain handelt, selbst wenn der Bezeichnung die Top-Level-Domain angehangen wird).

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 13.05.2024 - 22 W 16/24 -