Im Rahmen der auf § 3a UWG (Rechtsbruch)
gestützten, wettbewerbsrechtlichen Klage eines Rechtsanwalts gegen eine
Haftpflichtversicherung musste sich letztinstanzlich der BGH mit der Frage
auseinandersetzen, ob der Haftpflichtversicherer für seinen Versicherungsnehmer
– soweit eine anwaltliche Vertretung nicht zwingend vorgeschrieben ist (z.B.
bei Verfahren vor dem Land- und Oberlandesgericht), also im sogenannten
Parteiprozess ohne Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung, die Prozessvertretung
übernehmen darf, also im . Hintergrund war gewesen, dass der
Haftpflichtversicherer für seinen Versicherungsnehmer Einspruch gegen einen
Vollstreckungsbescheid einlegte.
Das Landgericht hatte der Klage
gegen den Haftpflichtversicherer stattgegeben. Die Berufung des Haftpflichtversicherers
war erfolgreich. Der Rechtsanwalt hat die (vom Berufungsgericht zugelassene)
Revision eingelegt, die zur Wiederherstellung des der Klage stattgebenden
Urteils des Landgerichts führte.
Eine Vertretungsberechtigung
ergäbe sich entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht aus § 79 Abs. 2 S.
2 Nr. 2 ZPO, wonach Familienangehörige, Personen mit Befähigung zum Richteramt
und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen
Tätigkeit stünde, diese Vertretung übernehmen könnten. Der Anwendungsbereich
der Norm könne nicht überseinen Wortlaut hinaus erweitert werden dahingehend,
dass dem dort benannten Streitgenossen ein Versicherungsunternehmen
gleichstünde, dem ein Recht zur Nebenintervention (§§ 66, 68 ZPO) zustünde. Die
Analogie sei nur bei planwidriger Regelungslücke zulässig, an der es hier
fehle. Es lasse sich nicht erkennen, dass es der gesetzgeberischen
Regelungsabsicht widerspreche, zwar Streitgenossen der Partei eine Vertretung
zu erlaube, nicht aber Personen, denen nach §§ 66, 68 ZPO das Recht zur
Nebenintervention zustünde. Der Begriff des Streitgenossen sei in der ZPO an
einem anderen Ort als die Bestimmungen über Beteiligung Dritter (so die
Nebenintervention) am Verfahren geregelt. Es handele sich um eine eindeutige
Begriffswahl.
Zudem läge auch keine
vergleichbare Interessenslage zwischen dem Streitgenossen und dem Nebenintervenienten
vor. Die Zulassung des Streitgenossen diene der Prozessökonomie, da diese
bereits als Partei auf Kläger- oder Beklagtenseite am Rechtsstreit auf gleicher
Seite beteiligt seien. Mit dieser der Erleichterung des Verfahrens bezogenen Rechtfertigung
sei die Stellung eines zur Nebenintervention Berechtigten nicht vergleichbar.
Die prozessökonomische Wirkung entfalte ihre Wirkung erst im Folgeprozess,
insoweit er nach § 68 von bestimmten Einwendungen in einem Verfahren mit der
Partei, der er beigetreten ist, im Folgeprozess ausgeschlossen ist.
Zudem sei die Vertretung im
Rahmen des § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 ZPO bei einer entgeltlichen Tätigkeit
ausgeschlossen. Dabei käme es nicht darauf an, ob ein Entgelt für die
Prozessvertretung als solche vereinbart sei (BT-Drucks. 16/3655, S. 87); die Prozessvertretung
dürfe auch nicht Teil einer entgeltlichen Vertragsbeziehung (wie sie zwischen
dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer bestünde) sein. Hier sei der
Haftpflichtversicherer im Rahmen des entgeltlichen Versicherungsvertrages
verpflichtet, bei von einem Dritten gegen den Versicherungsnehmer geltend
gemachten Ansprüchen diesen freizustellen und unbegründete Ansprüche
abzuwehren, § 100 VVG. Die Versicherung umfasse die gerichtlichen und
außergerichtlichen Kosten, § 101 Abs. 1 S. 1 VVG. Damit sei die Vertretung durch
den Haftpflichtversicherer als entgeltlich anzusehen.
Auch Art. 12 Abs. 1 GG, der die
Berufsausübungsfreiheit beinhalte, gebiete es nicht, dem Haftpflichtversicherer
eine Vertretungsbefugnis nach § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 ZPO zuzubilligen. Zwar
würde seine Berufsausübung eingeengt, wenn ihm das Recht zur Prozessvertretung
nicht zuerkannt würde, da diese Einschränkung gerechtfertigt und nicht verfassungswidrig
sei. Der Eingriff sei durch Gründe des Gemeinwohls begründet. § 79 Abs. 2 ZPO
diene dem Schutz der rechtssuchenden Bevölkerung und der funktionierenden
Rechtspflege und damit übergeordneten Gemeinwohlzielen (BGH, Urteil vom 20.01.2011
– I ZR 122/09 -; nachfolgend BVerfG, Beschluss vom 20.04.2011 – 1 BvR 624/11 -).
Da es dem Haftpflichtversicherer
möglich sei, nach einem Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid (Anm.: den
der Versicherungsnehmer selbst einlegen kann) dem Rechtsstreit als
Nebenintervenientin beizutreten bestünde für ihn kein schutzwürdiges Interesse,
die Hauptpartei als Prozessbevollmächtigter zu vertreten. Auch der Umstand,
dass der Haftpflichtversicherer über vertiefte Kenntnisse und Erfahrungen im
Versicherungsrecht und über qualifiziertes Personal mit der Befähigung zum
Richteramt verfüge käme es nicht an.
Anmerkung: Es ist bei vielen
Versicherungsgesellschaften üblich, dass sich diese von dem Versicherungsnehmer
den Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheid zusenden lassen, um dann selbst den
Widerspruch bzw. Einspruch einzulegen. So wollen sie sicherstellen, dass das Rechtsmittel
korrekt und fristwahrend eingelegt wird. Auch vertreten sie den
Versicherungsnehmer in einigen Fällen direkt vor Gericht und Sachbearbeiter der
Versicherung nehmen die Termine wahr. Der BGH hat klargestellt, dass dies unzulässig
ist. Zur Konsequenz hat dies, dass ein
derartiges Verhalten nicht nur (wie hier) eine Abmahnung nach § 3a UWG
begründen kann. Vielmehr dürfte die prozessuale Handlung als solche unzulässig
sein, dass das Rechtsmittel (Widerspruch oder Einspruch) oder die
Klageverteidigung für den Versicherungsnehmer unwirksam ist und als Folge
Vollstreckungsbescheide ergehen können bzw. solche nicht rechtzeitig mit dem Rechtsmittel
des Einspruchs angefochten wird, bzw. bei einer Klageverteidigung dies nicht
beachtet wird (da die unwirksam ist) und Versäumnisurteil ergeht. Die
Versicherungen müssen ihre Versicherungsnehmer darauf hinweisen, dass diese -
ist ein gerichtliches Verfahren zu erwarten - selbst sofort bei Zugang von
Mahn- oder Vollstreckungsbescheid den Rechtsbehelf einlegen und sich im
Übrigen, bei einem streitigen Verfahren, überlegen, ob sie gemäß den
Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer einen Rechtsanwalt stellen
oder, wollen sie die Vertretung vor Gericht selbst übernehmen (soweit nicht anwaltliche
Vertretung vorgeschrieben ist) dem Rechtsstreit auf Seiten ihres Versicherungsnehmers
durch Nebenintervention beitreten.
BGH, Urteil vom 10.03.2022 -
I ZR 70/21 -