Dem Kläger wurden strafrechtlich die Hinterziehung von Lohnsteuer und Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelten in seiner Stellung als angestellter (faktischer) Geschäftsführer vorgeworfen, wobei Mittel aus Schwarzrechnungen nur zur Zahlung von „Schwarzlöhnen“ sondern auch für private Zwecke des Klägers verwandt wurden. Das Finanzgericht (FG) nahm eine berufliche Veranlassung für die Steuerdelikte an und bejahte deshalb die Abzugsfähigkeit der Strafverteidigergebühren als Werbungskosten bei der Einkommensteuer des Klägers. Die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Finanzamtes (FA) zum BFH wurde von diesem zurückgewiesen.
Werbungskosten seien alle Aufwendungen, die durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst würden. Eine entsprechende Veranlassung läge vor, wenn objektiv ein Zusammenhang mit der auf die Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit bestünde und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser steuerlich relevanten Tätigkeit gemacht würden. Danach sei anerkannt, dass auch im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit stehende strafbare Handlungen Erwerbsaufwendungen begründen könnten (BFH, Urteil vom 09.12.2003 - VI R 35/96 -).
Der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige mit Hilfe des Strafverteidigers zur Wehr setze, müsse durch sein berufliches Verhalten veranlasst sein. Zu bejahen sei dies, wenn die Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen wurde. Es müsste sich um einen Bereich der beruflichen Aufgabenerfüllung handeln, dürfe also nicht auf privaten, den beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umständen beruhen. Dass bei Gelegenheit der Erwerbstätigkeit eine strafbare Handlung verübt würde, würde also nicht ausreichen. Gleichfalls sei eine Erwerbsbezogenheit zu negieren, wenn der der steuerpflichtige Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst schädigen wollte oder sich oder einem Dritten durch die Handlung bereichert, mithin die Handlung von privaten Motiven geleitet sei.
Das FG habe als Tatsacheninstanz festgestellt, dass sich die Strafverteidigerkosten ausschließlich auf die Vorwürfe der Verkürzung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen bezogen hätten. Damit läge eine berufliche Veranlassung vor. Die Abzweigung von Bargeld für eigene Zwecke habe nach Würdigung durch das FG mit der Lohnsteuerhinterziehung nicht in einem solchen Zusammenhang gestanden, dass darin eine Überlagerung der beruflichen Veranlassung durch Eigenbereicherung läge. An dieser Würdigung sei der BFH gebunden, da sie nicht zwingend, nur möglich sein müsse.
BFH, Beschluss vom
31.03.2022 - VI B 88/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die Beschwerde
des Beklagten wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des
Finanzgerichts Münster vom 29.10.2021 - 12 K 2606/19 E,F wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des
Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe
Die Beschwerde
hat keinen Erfolg. Soweit die Ausführungen des Beklagten und Beschwerdeführers
(Finanzamt --FA--) den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung eines Revisionszulassungsgrunds
(§ 115 Abs. 2 FGO) entsprechen, liegen die Voraussetzungen für eine
Revisionszulassung jedenfalls nicht vor.
1. Die
Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
a) Die
Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt
voraus, dass der Beschwerdeführer eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage
herausstellt, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit an der
Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts
erforderlich ist (Klärungsbedürftigkeit) und die im konkreten Streitfall
klärbar ist (Klärungsfähigkeit). Dazu ist auszuführen, ob und in welchem
Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten
ist und deshalb eine höchstrichterliche Klärung über die materiell-rechtliche
Beurteilung des Streitfalles hinaus für die Allgemeinheit Bedeutung hat. Sofern
zu dem Problemkreis Rechtsprechung und Äußerungen im Fachschrifttum vorhanden
sind, sind eine grundlegende Auseinandersetzung damit sowie eine Erörterung
geboten, warum durch diese Entscheidungen die Rechtsfrage noch nicht als
geklärt anzusehen ist bzw. weshalb sie ggf. einer weiteren oder erneuten
Klärung bedarf (z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom
22.10.2003 - III B 14/03, BFH/NV 2004, 224, und vom
15.10.2008 - II B 74/08, BFH/NV 2009, 125).
b) Nach
diesen Maßstäben kommt eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2
Nr. 1 FGO im Streitfall nicht in Betracht.
aa) Das
FA sieht folgende Fragen als grundsätzlich bedeutsam an:
Sind
Strafverteidigungskosten wegen Hinterziehung von Lohnsteuer und Vorenthalten
und Veruntreuen von Arbeitsentgelten eines angestellten (faktischen)
Geschäftsführers auch dann ausschließlich beruflich veranlasst, wenn Mittel aus
Scheinrechnungen nicht nur zur Zahlung von "Schwarzlöhnen", sondern
auch für private Zwecke des Geschäftsführers verwendet werden?
Falls in einem
solchen Fall eine ausschließlich berufliche Veranlassung gegeben sein sollte,
überlagert dann eine private Mitveranlassung in Form der privaten Bereicherung
die berufliche Veranlassung?
Weiter führt
das FA aus, in einem nachfolgenden Revisionsverfahren sei zu klären, ob für die
Beurteilung des Vorliegens einer beruflichen Veranlassung der streitigen
Strafverteidigungskosten nur auf die konkret angeklagten Taten abgestellt
werden dürfe oder ob untrennbar mit den angeklagten Taten verbundene Handlungen
(hier: Scheingeschäfte zur Erlangung von Bargeld zur Auszahlung der "Schwarzlöhne"
und für private Zwecke) in die Beurteilung miteinzubeziehen seien.
bb)
Diese Fragen sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung allerdings
bereits hinreichend geklärt. Einen weitergehenden Klärungsbedarf hat das FA in
seiner Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt.
Nach der
Rechtsprechung des BFH sind Werbungskosten über den Wortlaut des § 9
Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes hinaus alle Aufwendungen,
die durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst sind. Eine
solche Veranlassung liegt vor, wenn objektiv ein Zusammenhang mit der auf die
Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit besteht und subjektiv die Aufwendungen
zur Förderung dieser steuerlich relevanten Tätigkeit gemacht werden. Danach
können auch strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit einer beruflichen
Tätigkeit stehen, Erwerbsaufwendungen begründen (Senatsurteil vom
09.12.2003 - VI R 35/96, BFHE 205, 56, BStBl II 2004, 641;
Senatsbeschluss vom 17.08.2011 - VI R 75/10).
Strafverteidigungskosten
sind dann als Werbungskosten abziehbar, wenn der strafrechtliche Vorwurf, gegen
den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein berufliches Verhalten
veranlasst ist. Das ist der Fall, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last
gelegte Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen worden ist
(Senatsurteil vom 18.10.2007 - VI R 42/04, BFHE 219, 197, BStBl
II 2008, 223; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21.11.1983 -
GrS 2/82, BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160; Senatsbeschluss vom 17.08.2011 -
VI R 75/10).
Allerdings
setzt die Annahme von Erwerbsaufwendungen auch in diesen Fällen voraus, dass
die --die Aufwendungen auslösenden-- schuldhaften Handlungen noch im Rahmen der
beruflichen Aufgabenerfüllung liegen und nicht auf privaten, den beruflichen
Zusammenhang aufhebenden Umständen beruhen. So greifen nach der Rechtsprechung
private Gründe dann durch, wenn die strafbaren Handlungen mit der
Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen nur insoweit im Zusammenhang stehen, als
diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft. Eine erwerbsbezogene
Veranlassung wird auch aufgehoben, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber
bewusst, also vorsätzlich schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch
die schädigende Handlung bereichert hat, wenn also das Verhalten des Arbeitnehmers
von privaten Gründen getragen wurde (Senatsurteil in BFHE 219, 197, BStBl II
2008, 223; Senatsbeschluss vom 17.08.2011 - VI R 75/10).
Der
strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt,
betrifft danach grundsätzlich die konkrete Tat, aufgrund der die
Strafverteidigungskosten angefallen sind.
cc)
Ausgehend von den angeführten Rechtsgrundsätzen hat das Finanzgericht (FG) auf
der Grundlage der von ihm als Tatsacheninstanz vorzunehmenden Gesamtwürdigung
(s. z.B. Senatsentscheidungen vom 26.07.2007 - VI R 64/06, BFHE
218, 370, BStBl II 2007, 892, und vom 10.11.2005 - VI B 75/05,
BFH/NV 2006, 530) darauf abgestellt, dass die geltend gemachten Kosten der
Strafverteidigung sich ausschließlich auf die Verkürzung von Lohnsteuer und
Sozialversicherungsbeiträgen bezogen hätten. Diese Taten habe der Kläger und
Beschwerdegegner in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit begangen. Eine
private Mitveranlassung hat die Vorinstanz mit der Begründung verneint, die
Abzweigung von Bargeld für eigene Zwecke habe mit der Lohnsteuerhinterziehung
nicht in einem solchen Zusammenhang gestanden, dass eine Überlagerung der
beruflichen Veranlassung durch den Zweck der Eigenbereicherung anzunehmen sei.
Denn diese sei weder Voraussetzung noch Folge der Lohnsteuerhinterziehung
gewesen, auf die sich die Strafverteidigungskosten bezogen hätten.
An diese
Würdigung des FG aufgrund seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens
gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) wäre der Senat
auch in dem vom FA angestrebten Revisionsverfahren gebunden (§ 118
Abs. 2 FGO). Denn das Ergebnis der Tatsachenwürdigung muss nicht zwingend,
sondern nur möglich sein (vgl. auch Senatsbeschluss vom 17.08.2011 -
VI R 75/10).
Soweit das FA
hinsichtlich der seiner Auffassung nach mit der Lohnsteuerhinterziehung und der
Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen "untrennbar"
verbundenen Taten weiteren Klärungsbedarf sieht und die Rechtsmeinung äußert,
solche Taten seien in die Beurteilung miteinzubeziehen, legt es keine
hinreichenden Gründe dar, aus denen sich das Erfordernis einer erneuten Prüfung
und Entscheidung vom BFH bereits entschiedener Rechtsfragen ergibt.
2. Die
Voraussetzungen einer Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts (§ 115
Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) als Unterfall der
Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung liegen aus den unter 1.
dargelegten Gründen ebenfalls nicht vor.
3. Die
Revision ist schließlich auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO)
zuzulassen.
Die von dem FA
gerügte Divergenz zu dem BFH-Beschluss vom 13.12.2016 -
VIII R 43/14 ist nicht gegeben.
Das FA führt
u.a. aus, die Vorinstanz habe entschieden, Strafverteidigungskosten wegen
Lohnsteuerhinterziehung und Vorenthaltens von Arbeitsentgelten eines
angestellten (faktischen) Geschäftsführers seien auch dann ausschließlich
beruflich veranlasst, wenn Mittel aus Scheinrechnungen nicht nur zur Zahlung
von "Schwarzlöhnen", sondern auch für private Zwecke verwendet
würden. Nach dem BFH-Beschluss vom 13.12.2016 - VIII R 43/14
könne auch eine in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangene Straftat keinen
Veranlassungszusammenhang der Strafverteidigungskosten mit den Einkünften
begründen, wenn ein beruflicher Veranlassungszusammenhang durch einen
überlagernden privaten Veranlassungszusammenhang ausgeschlossen werde. Ein
überlagernder privater Veranlassungszusammenhang liege insbesondere dann vor,
wenn eine persönliche Bereicherung des Steuerpflichtigen durch die Tat
angestrebt werde.
Hieraus ergibt
sich indessen keine Divergenz. Denn nach der --den Senat bindenden-- Würdigung
des FG war im Streitfall die konkrete Tat, auf die sich die angefallenen
Strafverteidigungskosten bezogen, die Verkürzung von Lohnsteuer und
Sozialversicherungsbeiträgen und nicht die (private) Verwendung der
"Mittel aus den Scheinrechnungen".
4. Von
einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der
Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
5. Die
Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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