Samstag, 28. November 2020

Zur Abgrenzung von Verschleiß zu Sachmangel beim Gebrauchtwagenkauf

 

Der Kläger kaufte von der gewerblich als Gebrauchswagenhändlerin tätigen Beklagten einen neun Jahre alten Peugeot 307 CC mit einer Laufleistung von 84.820km, der bereits mehrere Vorbesitzer hatte. Im Kaufvertrag wurde „TÜV/AU neu“ vereinbart. Der Kaufvertrag wurde am 11.01.2014 abgeschlossen; die beanstandungsfreie Hauptuntersuchung erfolgte am 14.01.2014. Am 17.01.2014 erfolgte die Übergabe des Fahrzeuges an den Kläger. Der Kläger machte in der Folgezeit mehrere Mängel geltend, u.a. eine starke Geräuschentwicklung am Auspuff. Im Dezember erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag mit der Begründung, das Fahrzeug sei von Anfang an – insbesondere am Auspuff – mangelbehaftet gewesen. Die Beklagte berief sich auf einen typischen Verschleiß; Schweißarbeiten, die sie in Ansehung der Rügen des Klägers am Auspuff vorgenommen habe, seien wegen des Verschleißes, nicht aber wegen Mängeln bei Übergabe erfolgt.

Die Wandlungsklage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Entgegen der Annahme des Klägers ging auch der BGH nicht davon aus, dass ein Mangel an der Auspuffanlage vorlag. Der Kaufgegenstand sei mangelfrei, wenn er die vereinbarte Beschaffenheit aufweise. Sei eine Beschaffenheit nicht vereinbart, sei die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eigne und eine Beschaffenheit aufweise, die bei Sachen der gleichen Art üblich sei und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten dürfe (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB).

Die Vereinbarung „TÜV(AU neu“ stelle sich bei interessengerechter Auslegung als stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB dahingehend dar, dass sich das Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe in einem für die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO geeigneten, verkehrssicheren Zustand befindet. Dies sei hier mangels anderweitiger Feststellungen der Fall.

Das Fahrzeug habe sich auch für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung oder für die gewöhnliche Verwendung geeignet. In beiden Alternativen käme es darauf an, ob der (ältere) Gebrauchtwagen zur Verwendung als Fahrzeug im Straßenverkehr nicht oder nur eingeschränkt geeignet sei. Dabei habe das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass ein normaler Verschleiß an der Auspuffanlage eines Gebrauchtwagens keinen Sachmangel darstelle, da bei der Beurteilung zu berücksichtigen sei, dass Verschleißteile eines Kraftfahrzeuges in Abhängigkeit von Alter, Laufleistung, Anzahl der Vorbesitzer, Art der Vorbenutzung und Qualität des Fahrzeuges einer kontinuierlichen Abnutzung, so auch durch Rosterscheinungen, unterliege. Währen bei sicherheitsrelevanten Teilen (wie Bremsanlage) eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit mit der Folge der fehlenden Eignung zur Verwendung im Straßenverkehr und damit ein Sachmangel vorläge,  sei bei einem Verschleiß im Übrigen nicht von einem Sachmangel auszugehen. Dies selbst dann, wenn sich daraus in absehbarer Zeit ein Erneuerungsbedarf ergäbe. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass bei einem zehn Jahre alten Gebrauchswagen mit vielen Vorbesitzern und einer Laufleistung von über 80.000km (nicht sicherheitsrelevante) Durchrostungen an der Auspuffanlage einen „normalen Verschleiß“ darstellen würden, sei nicht zu beanstanden.

Auch aus der Vermutung des§ 476 BGB a.F. (heute: § 477 BGB) ließe sich nichts anderes ableiten. Zwar greife die Vermutung zugunsten des Käufers bereits dann, wenn diesem der Nachweis gelinge, dass sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand gezeigt habe, der die Haftung des Verkäufers wegen Abweichung von einer Beschaffenheit begründe, unterstellt die Ursache des Zustandes lägen in einem dem Verkäufer zurechenbaren Umstand.  Die Vermutungswirkung führe dazu, dass ein in den ersten sechs Monaten zutage getretener mangelhafter Zustand als bei Gefahrübergang bestehend angenommen würde. Allerdings sei hier ein mangelhafter Zustand in den ersten sechs Monaten nicht aufgetreten. Die beanstandete Geräuschentwicklung mag zwar mehr oder minder starke Durchrostungen aufgewiesen haben, doch sei dies ein normaler verschleiß und damit kein mangelhafter Zustand.

BGH, Urteil vom 09.09.2020 - VIII ZR 150/18 -

Donnerstag, 26. November 2020

Wann besteht Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des Kfz-Neupreises nach Verkehrsunfall ?

 

Am Unfalltag betrug der Kilometerstand des PKW des Klägers 571 Kilometer. Die Reparaturkosten beliefen sich nach Gutachten auf brutto € 5.287,43 bei einer Wertminderung von € 1.000,00. Der Kläger verlangte die Kosten für einen Neuwagen mit € 37.181,00 zuzüglich der Sachverständigenkosten für das Gutachten und eine Kostenpauschale mit € 30,00. Das Landgericht gab der Klage im Wesentlichen statt. Auf die Berufung der Beklagten änderte das OLG das Urteil ab und verurteilte die Beklagten zur Zahlung von € 6.180,54 (nämlich Reparaturkosten auf Basis des Gutachtens mit netto € 4.443,22, Sachverständigenkosten, Minderwert und Kostenpauschale, diese mit € 25,00). Die zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der BGH bekräftigte, dass bei einem fabrikneuen Fahrzeug mit eine Laufleistung von nicht mehr als 1.000km bei einer erheblichen Beschädigung des Fahrzeugs (und ausdrücklich auch nur dann) der Eigentümer berechtigt sei, Ersatz für die Beschaffung eines Neufahrzeugs zu verlangen, wenn er ein gleichwertiges Fahrzeug erworben habe. Die Erwägung, ein repariertes Unfallfahrzeug bleibe wertmäßig hinter einem Neuwagen zurück, lasse den Anspruch auf den Ersatz des Minderwertes unberücksichtigt. Es gelte das Wirtschaftlichkeitspostulat und das Bereicherungsverbot und es sei nicht ersichtlich, welche Gründe bei einer Beschädigung eines Neuwagens für deren Aufgabe sprechen könnten.

Vorliegend habe der Kläger keinen Neuwagen erworben. Die durch Erstattung der Kosten eines angeschafften gleichwertigen Neuwagens erfolgte Anhebung der „Opfergrenze“ des Schädigers erfolge allein zum Schutz des besonderen Interesses des Geschädigten am Eigentum und der Nutzung eines Neufahrzeuges. Dies setze aber ein solches Interesse des Geschädigten voraus, welches durch den Kauf eines Neufahrzeugs nachzuweisen sei. Nur dann sei es gerechtfertigt, mehr als die Reparaturkosten und den merkantilen Minderwert zuzuerkennen.

BGH, Urteil vom 29.09.2020 - VI ZR 271/19 -

Montag, 23. November 2020

Rechtfertigt die staatlich angeordnete (coronabedingte) Ladenschließung Nichtzahlung der Miete oder eine Anpassung des Mietvertrages ?

Streitig war der von der beklagten Mieterin nicht gezahlte Mietzins für das aufgrund der Corona-Epidemie nach Verordnung zu schließende angemietete Ladenlokal der Beklagten für April 2020. Die verordnungsbedingte Schließung dauerte vom 18.03. bis 20.04 2020. Von der beklagten wurde geltend gemacht, sie habe bei allen Filialen bundesweit gegenüber 2018 und 2019 im März 2020 einen Umsatzverlust von 54%, im April 2020 von 41% gehabt und die Schließung der Filialen führe zu einer erheblichen Liquiditätslücke, weshalb sie die Miete April nicht zahlen könne. Si e nutze die Kurzarbeit; staatliche Unterstützung erhalte sie nicht. Sie sei daher zur Mietzahlung nicht verpflichtet.

Das Landgericht gab der Zahlungsklage der vermietenden Klägerin statt.

Weder sei die Beklagte nach §$ 536 Abs. 1 S. 1 BGB von einer Mietzahlungsverpflichtung befreit noch nach § 536 Abs. 1 S. 2 BGB zur Herabsetzung der Miete berechtigt. Denn die staatlich angeordnete Maßnahme stelle sich nicht als Mangel der Mietsache nach § 536 BGB dar. Ein Mangel sei die Abweichung der Ist- von der vereinbarten Soll-Beschaffenheit. Zwar könnten auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse einen Mangel bewirken, doch setze dies voraus, dass die Beschränkung der konkreten Mietsache ihre Ursache gerade in deren Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt habe und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters. Hoheitliche Maßnahmen, die nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters beeinträchtigen würden, würden in den Risikobereich des Mieters fallen. Der Vermieter sei nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB nur verpflichtet, die Mietsache in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehen Nutzung ermögliche, wobei das Verwendungsrisiko bei dem Mieter verbliebe. Damit aber scheide ein Sachmangel aus, da die hoheitliche Maßnahme dem Schutz der Bevölkerung gedient habe und nicht an die Beschaffenheit der Mietsache als solche anknüpfe.

Eine Befreiung von der Mietzahlungsverpflichtung ergebe sich auch nicht aus § 326 Abs. 1 S. 1 iVm. § 275 Abs. 1 BGB da durch die staatlich verordnete Schließung kein Fall der Unmöglichkeit der Gebrauchsgewährung durch den Vermieter vorläge. Die Schließung stelle sich als Verwendungsrisiko dar, welches alleine bei dem Mieter läge.

Letztlich könnte der Mieter auch nicht auf der Grundlage des § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) eine Anpassung des Mietzinses verlangen. Es sei dazu nicht einmal klar, ob die Parteien den Vertrag (abgeschlossen 2015) nicht oder anders abgeschlossen hätten, wenn sie sich damals bewusst gemacht hätten, dass die Verkaufsstätte auf Grund staatlicher Maßnahmen für einen Monat geschlossen würde. Darauf käme es aber auch nicht an, da jedenfalls der Beklagten das Festhalten am bisherigen Vertrag nicht unzumutbar sei.

Die Vertragsanpassung habe zur Voraussetzung, dass dies zur Vermeidung eines ansonsten untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zumutbaren Ergebnisses unabweislich erscheine. Dies sei hier nicht der Fall. Zu berücksichtigen sei bei der Abwägung die vertragliche Risikoverteilung. Die Mieterin trage danach das Verwendungsrisiko. Dieses Risiko könne sie nicht, abgesehen von extremen Ausnahmefällen, über das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ganz oder teilweise abwälzen.

Dass die staatlich erzwungene Schließung hier zu existenziell bedeutsamen Folgen für die Beklagte geführt habe, sei von dieser nicht dargelegt. Es würden lediglich Liquiditätsengpässe benannt, denen hier Art. 240 § 2 Abs. 1 S. 1 EGBGB Rechnung trage, insoweit der Mieter vor Kündigungen geschützt wird, soweit er (in einem bestimmten Zeitraum, nämlich 01.04. – 30.06.2020) seine Miete vorübergehend nicht pünktlich zu leisten im Stande gewesen sei. Zudem habe die Schließung nur einen Monat angedauert und in dieser Zeit habe die beklagten durch Kurzarbeit Kosteneinsparen können und nach Ablauf des Monats ihren Geschäftsbetrieb wieder ohne wesentliche Einschränkungen aufnehmen können. Es sei auch nicht vorgetragen, dass die Beklagte immer noch einen Liquiditätsengpass habe.

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 02.10.2020 - 2-15 O 23/20 -

Sonntag, 22. November 2020

Verbotene Doppeltätigkeit des Maklers bei Interessenskollision

Die Klägerin war Maklerin und schloss mit dem Beklagten einen Vertrag über die Vermittlung eines Grundstücks. Die Gespräche für die Verkäufer (die Eltern der Klägerin) wurden mit dem Beklagten durch den Ehemann der Klägerin geführt. Im notariellen Kaufvertrag zwischen dem Beklagten und den Verkäufern wurde aufgenommen, dass der Vertrag durch die Klägerin vermittelt wurde und der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin eine Maklerprovision von 3,57% zu zahlen. Der Beklagte vertrat die Auffassung, der Vertrag sei wegen Doppeltätigkeit der Klägerin (d.h. für ihn du den Verkäufer) unwirksam, § 654 BGB.

Das Amtsgericht (AG) verwies darauf, dass eine Doppeltätigkeit nicht grundsätzlich ausgeschlossen sei, sondern nur dann, wenn dies vereinbart worden wäre oder sich aus den Vertragsumständen ergäbe. Verboten sei danach eine Doppeltätigkeit, wenn dies zu einer vertragswidrigen Interessenskollision führe. Dies sei nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, wobei ein Zusammentreffen als Vermittlungsmakler für den Einen und als Nachweismakler für den Anderen nicht zwingend eine Interessenskollision begründen müsse.

Zwar würden sich nach Auffassung des Amtsgerichts durch die gleichzeitige Vertretung der Eltern der Klägerin Anhaltspunkte für einen möglichen Interessenskonflikt ergeben. Allerdings genüge die bloße Möglichkeit des Vorliegens nicht für die Annahme eines bereits eingetretenen Interessenskonflikts (wobei auch unklar sei, ob überhaupt eine Doppeltätigkeit hinsichtlich der Vermittlung vorläge, insoweit nicht die Klägerin für ihre Eltern verhandelte, sondern ihr Ehemann). Soweit die Klägerin behauptet, dass ihr Verwandtschaftsverhältnis zu den Verkäufern dem Beklagten bekannt gewesen sei, würde dies auch gegen die verbotene Doppeltätigkeit sprechen, was aber hier im Rahmen des Urkundenverfahrens nicht geklärt werden könne und worauf es auch für dieses Verfahren nicht ankäme. 

Das Amtsgericht sprach der Klägerin (im Urkundenprozess) die Forderung zu.

AG Königswinter, Urteil vom 24.07.2020 - 2 C 60/19 -

Freitag, 20. November 2020

Haftung der Gemeinde wegen Verletzung von Unterhaltungspflichten an Gewässern (Löschteich)

 

In der Nähe des Hauses des Klägers befand sich ein Teich, der als Löschwasserentnahmestelle diente und von der beklagten Gemeinde betrieben wurde. Eine Straßenflächen wurde in den Teich entwässert. Der Teich wurde vor c. 20 Jahren bei Bauarbeiten beschädigt. Als es im Sommer 2014 zu starken Regefällen kam, lief Wasser in den Keller des Hauses des Klägers und führte dort zu Schäden.

Das Landgericht hatte der Klage in einem Grundurteil stattgegeben und die Haftung der Beklagten aus einer Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB iVm. Art. 34 GG hergeleitet. Dem folgte das OLG nicht. Unabhängig davon, ob die beklagte bei dem betrieb des Löschwasserteichs eine Amtspflicht verletzt habe, hätten sie jedenfalls keine drittschützende Amtspflicht gehabt; die öffentliche-rechtliche Verpflichtung zur Gewässerunterhaltung sei gegenüber der Allgemeinheit zu erfüllen. Die Nicht- oder Schlechterfüllung bei der Gewässerunterhaltung  führe daher nicht zur Haftung aus einer Amtspflichtverletzung.

Allerdings sei eine Haftung aus dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht nach § 823 BGB gegeben. Bei Nicht- oder Schlechterfüllung der Gewässerunterhaltungspflicht greife die Haftung nach allgemeinem Deliktsrecht (BGHZ 125, 186ff). Eine eventuell konkurrierende Haftung der Gewässeraufsicht würde diese hier (anders als im Falle des § 839 BGB) nicht verdrängen. Der beklagten unterlag die Gewässerunterhaltung nach § 40 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 LWG SH als Eigentümerin des Gewässers.

Mit dem Teich habe die Beklagte eine Gefahrenquelle geschaffen. Es gab zwar einen Zulauf über die Straßenentwässerung, aber keinen funktionierenden Ablauf, wodurch die Gefahrenlage geschaffen worden sei, dass der Teich überläuft und weiteres auf der Straße nachlaufendes Wasser zurückstaue. Die Kontrolle und Reparatur des beschädigten Ablaufrohrs (welches in früheren Jahren bei Bauarbeiten beschädigt wurde) sei der Beklagten zumutbar gewesen.

Die Haftung der Beklagten entfalle auch nicht deswegen, da es sich bei dem regen um ein katastrophales Ereignis gehandelt habe, für welches keine Vorsorge hätte getroffen werden müssen. Zwar hafte die Gemeinde dann nicht, wenn es sich um Schäden handelt, die durch höhere Gewalt verursacht würden, also nicht aufgrund von Fehlern beim Betrieb oder der Errichtung eines Gewässers auftreten, sondern durch nicht zu erwartende katastrophale Regenfälle. Die Berufung der Gemeinde darauf hätte aber zur Voraussetzung, dass diese alle technisch möglichen und mit wirtschaftlich zumutbaren Aufwand möglichen Sicherungsmaßnahmen ergriffen hätte, um eine Überschwemmung der Nachbargrundstücke zu verhindern, oder sich der Schaden auch bei diesen Maßnahmen ereignet hätte. Allerdings hätte hier ein funktionierender Ablauf den Schaden verhindert.

Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 02.07.2020 - 11 U 191/19 -

Samstag, 14. November 2020

Absturzsicherung des freiliegenden Treppenlaufs auf Baustelle und Haftung nach § 110 Abs. 1 S. 1 SGB VII

 

Die Klägerin als gesetzliche Unfallversicherung machte gegen die Beklagte Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall des Zeugen G gem. § 110 Abs. 1 SGB VII geltend. Der Zeuge war bei dem Beklagten, der Inhaber eines Malerbetriebs war, beschäftigt und erlitt den Arbeitsunfall, als er in einem Treppenhaus, in dem Treppengeländer nicht vorhanden waren und auch eine Absturzsicherung fehlte, seitlich von der vom Podest ausgesehen dritten Stufe von unten auf das Podest stürzte und dabei verletzte.

Das Landgericht wies die Klage ab; das Oberlandesgericht hatte die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, da nach seiner Auffassung die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 SGB VI nicht gegeben seien. Es ließe sich nicht feststellen, dass der Unfall durch eine Verletzung einer Unfallverhütungsvorschrift (hier: § 12 Abs. 1 Nr. 2 BGV C 22 „Bauarbeiten“, wonach Absturzsicherungen bei mehr als 1m Arbeitshöhe an freiliegenden Treppenläufen und Absätzen vorhanden sein müssten) verursacht wurde, da sich der Unfall, als der Geschädigte auf der dritten Treppenstufe gewesen sei, in einer Höhe von ca. 50cm ereignet habe. Auch eine ganzheitliche Betrachtung würde dies nicht ändern, da dann zwar die Treppe mit einer Absturzsicherung hätte versehen werden müssen, aber, da diese 1m über dem Treppenpodest hätte aufhören können, den Unfall auch nicht notwendig hätte vermeiden können.

Der BGH wies die Revision zurück.

Dabei wies der BGH darauf hin, dass die Haftung für haftungsprivilegierte Schädiger (wie Arbeitgeber) auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt sei. Grobe Fahrlässigkeit setze einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Es müsste dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsste. Die objektiv grobe Pflichtverletzung verlange weiterhin auch subjektiv eine unentschuldbare Pflichtverletzung, die das Maß des § 276 Abs 2 BGB überschreite. Es sei von daher nicht möglich, diese grobe Fahrlässigkeit mit Verweis alleine auf Unfallverhütungsvorschriften zu begründen, da auch bei einem Verstoß noch eine Wertung des Verhaltens des Schädigers geboten sei. Dabei käme es darauf an, ob sich die Unfallverhütungsvorschrift mit dem Schutz vor tödlichen gefahren befasse und elementare Sicherungspflichten zum Inhalt habe. Auch sei entscheidend, ob der Schädiger nur unzureichende oder gar keine Sicherungsmaßnahmen ergriffen habe.

Richtig sei die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte den Treppensturz nicht durch einen Verstoß gegen die maßgebliche Unfallverhütungsvorschrift zur Absturzsicherung verursacht habe. Zwar läge ein objektiver Verstoß insoweit vor, als die Treppe völlig ungesichert gewesen sei und die Beklagte das Treppengeländer im Zuge der Bauarbeiten demontierte.  Doch wäre dies nicht kausal geworden, da die konkrete Unfallstelle noch nicht von dem Gebot der Absturzsicherung umfasst gewesen sei.

Nach den Regelungen des § 12 Abs. 1 Nr. 1 UVV bestimme sich die Notwendigkeit einer Absturzsicherung in Abhängigkeit von der an der jeweiligen Absturzkante zu messenden  Absturzhöhe. Wie damit das Berufungsgericht richtig erkannte, bestand hier bei der tatsächlichen Absturzhöhe  keine Absturzsicherung. Entgegen der Annahme der Revision sei auch nicht eine Absturzsicherung im gesamten Treppenbereich notwendig, wenn eine solche an sich vorhanden sein müsste. Das mag nach Auffassung des BGH sinnvoll sein, damit nicht der Nutzer irgendwann „ins Leere greift“. Doch ergäbe sich diese Pflicht nicht aus der UVV.

Selbst würde man allerdings die vollständige Absicherung der Treppe als notwendig ansehen, läge im Falle der Unterlassung wie hier keine grobe Fahrlässigkeit vor. Denn in diesem Fall könne für den unteren Bereich (der für sich alleine nicht sicherungspflichtig wäre) nicht allgemein angenommen werden, dass die Sicherung dem Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren diene und elementare Sicherungspflichten zum Inhalt habe. Bei einen Sturz von der dritten Stufe sei nicht mit tödlichen Gefahren zu rechnen.

BGH, Urteil vom 21.07.2020 - VI ZR 369/19 -

Mittwoch, 11. November 2020

Voraussetzungen zur gerichtlichen Ermächtigung zur Einberufung der Mitgliederversammlung eines Vereins

 

Der Beschwerdeführer war Mitglied in einem 2012 gegründeten und seit 2013 im Vereinsregister eingetragenen Verein und begehrte unter Verweis auf eine Ermächtigung von mehr als 1/3 der Mitglieder des Vereins, ihn zur Einberufung einer Mitgliederversammlung zwecks Neuwahl des Vorstandes zu ermächtigen, da er näher dargelegte Bedenken zum vorangegangenen Wahlvorgang habe. Der Antrag wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen. Die eingelegte Beschwerde wurde ebenfalls zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Kammergerichts (KG) waren die Voraussetzungen für eine Ermächtigung nach § 37 Ab. 2 S. 1 BGB nicht gegeben. Nach § 37 Abs. 1 BGB ist eine Mitgliederversammlung einzuberufen, wenn der in der Satzung bestimmte Teil oder, fehlt es an einer Satzungsregelung, der zehnte Teil der Mitgliedre die Einberufung unter Angabe des Zwecks und der Gründe verlangt. Wird dem nicht gefolgt, kann das Gericht die Mitglieder, die das Verlangen gestellt haben, zur Einberufung ermächtigen.

Die Ansicht des Amtsgerichts, es würde kein Bedürfnis für die Versammlung bestehen, hielt das KG für fehlerhaft, da § 37 Abs. 2 S. 1 BGB gerade einem Minderheitenrecht Geltung verschaffen wolle. Damit sei eine Versammlung einzuberufen, unabhängig davon, ob diese notwendig oder zweckmäßig sei.  

Allerdings sei gleichwohl die Beschwerde nicht begründet, da das außergerichtliche verlangen wie auch der gerichtliche Antrag nur vom Beschwerdeführer gestellt worden seien. Beides hätte aber von den Mitgliedern gestellt werden müssen, die das notwendige Quorum darstellen. Das folge aus dem Gleichlauf der Voraussetzungen zur Wirksamkeit eines Einberufungsverlangens an den vorstand und dessen gerichtlicher Durchsetzung.   

Kammergericht, Beschluss vom 05.03.2020  - 22 W 80/19 -