Mittwoch, 6. Mai 2020

Vermieter kann auch bei Option zur Umsatzsteuer Verbraucher sein (hier: Verbraucherdarlehen)


Die Parteien hatten Ende Januar 2007 einen Darlehensvertrag „für private Zwecke und für Existenzgründung“ geschlossen. Die Mittel waren zum Kauf und zur Sanierung einer Immobilie bestimmt. Wegen der (beabsichtigten) Mieteinnahmen optierte der Kläger zur Umsatzsteuer. Der Darlehensvertrag wurde vorzeitig zum 30.12.2013 beendet. Dr Kläger leistete an die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung. Mit Schreiben vom 21.03.2016 widerrief der Kläger seine auf Abschluss eines Darlehensvertrages (vom Januar 2007) gerichtete Willenserklärung und forderte sodann die gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurück. Die Klage war (im Wesentlichen) in den zwei ersten Instanzen erfolgreich. Der BGH hob auf die Revision der Beklagten das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück.

Das OLG hatte darauf abgestellt, der Kläger sei Verbraucher, weshalb ihm ein Widerrufsrecht zugestanden hätte. Das Widerrufsrecht sie auch nicht verwirkt.

Der BGH bestätigte, dass der Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrages nicht Unternehmer iSv. § 14 BGB, sondern Verbraucher iSv. § 13 BGB gewesen sei. Verbraucher sei derjenige, der ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließe, welches weder seiner gewerblichen noch beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden könne. Die Verwaltung eigenen Vermögens stelle keine gewerbliche Tätigkeit dar. Der Erwerb oder die Verwaltung einer Immobilie gehöre auch zur Verwaltung eigenen Vermögens. Dabei könne die Aufnahme von Fremdmitteln bei Immobilienerwerb der ordnungsgemäßen Verwaltung zugeordnet werden. Ausschlaggebendes Kriterium für die Abgrenzung von privater Vermögensverwaltung von einer berufsmäßig betriebenen Vermögensverwaltung sei der Umfang der mit ihr verbundenen Geschäfte. Wenn diese einen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordern würden (was bei Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation der Fall sei), so sei von einer gewerblichen Betätigung iSv. § 14 BGB auszugehen, und zwar unabhängig von der Höhe des Vermögens.

Soweit in diesem Zusammenhang das Landgericht aus dem Umstand, dass der Kläger mit dem Mietobjekt zur Umsatzsteuer optierte, nicht als Kriterium für die Entscheidung zur Unterscheidung zwischen privater Vermögensverwaltung und unternehmerischer Tätigkeit ansah, wurde dies vom BGH als zutreffend angesehen. Dies habe auch nicht erkennen lassen, dass der Kläger ggf. den Darlehensvertrag als nach § 507 BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung als „privilegierter Existenzgründer“ (und damit Unternehmer iSv. § 14 BGB) geschlossen habe. Der im Umsatzsteuerrecht verwandte Unternehmerbegriff nach § 2 UStG, der Grundlage des Umsatzsteuerrechts sei,  sei autonom und ohne Rückgriff auf Definitionen in anderen Rechtsvorschriften auszulegen. Der BFH habe entscheiden, dass der Unternehmerbegriff des § 2 UStG auch die Vermietung und Verpachtung im Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung erfasse (BFHE 167, 215, 217; BFHE 223, 487, 489). Zu §§ 13 und 14 BGB sei seit langem anerkannt, dass die Vermietung und Verpachtung der privaten Vermögensverwaltung diene, erfordere diese keinen planmäßigen Geschäftsbetrieb, weshalb alleine der Umstand, dass er auf der Grundlage des Unternehmerbegriffs des Umsatzsteuerrechts für die Umsätze aus Vermietung und Verpachtung nach §§ 2 Abs. 1, 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. 1 und 9 Abs. 1 UStG von Fall zu Fall zur Umsatzsteuer optiere.

Damit habe der Kläger auch ein Widerrufsrecht nach § 495 BGB.

BGH, Urteil vom 03.03.2020 - XI ZR 461/18 -

Dienstag, 5. Mai 2020

Zum Widerruf des Verzichts auf Aufnahme einer Erbquote im gemeinsamen Erbschein


Der Erblasser war der Ehemann der Beteiligten zu 1. (seiner 2. Ehefrau) und der Beteiligten zu 2. und 3. (seiner Töchter aus 1. Ehe). In gemeinsamer notarieller Urkunde beantragten die Beteiligten einen gemeinschaftlichen Erbschein als gesetzliche Erben und verzichteten ausdrücklich auf die Aufführung der Erbteile im Testament gem. „§ 325a Abs. 2 S. 2 FamFG“. Am 29.09.2016 wurde der Erbschein erlassen. Gegen diesen wandte sich die Beteiligte zu 1. Mit Schreiben vom 21.11.2016 und erklärte den Erbschein „zurückzurufen“. Das Nachlassgericht hatte den Antrag zurückgewiesen. Einer eingelegten Beschwerde half es nicht ab; das Beschwerdegericht wies die Beschwerde zurück.

Wenn die Erklärung, den „Erbschein zurückzurufen“ als Rücknahme des Antrags zu verstehen sei, könne dem nicht gefolgt werden. Der Antrag sei sowohl von der Beschwerdeführerin als auch den Beteiligten zu 2. und 3. am 09.09.2016 wirksam beantragt worden. Die Beteiligte zu 1. könne diesen nicht wirksam zurücknehmen.

Auch könne die Beteiligte zu 1. nicht eine Unrichtigkeit des Erbscheins deshalb geltend machen, da in ihm keine Erbquoten angegeben wurden. Dies sei gem. § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG nicht erforderlich, wenn  - wie hier -  alle Antragsteller in dem Antrag darauf verzichten würden. Auch soweit in der Urkunde auf eine nicht existente Norm des § 325a Abs. 2 S. 2 FamFG verwiesen worden sei, sei dies unschädlich; das Notariat habe hier glaubhaft ein Schreibversehen dargelegt.

Wollte man überhaupt von der Möglichkeit eines Widerrufs des Verzichts auf Aufnahme einer Erbquote ausgehen, so sei dies im Übrigen allenfalls bis zum Erlass des Erbscheins möglich.

OLG München, Beschluss vom 10.04.2020 - 321 Wx 354/17 -

Sonntag, 3. Mai 2020

Pferdepensionsvertrag: Kündigungsfristen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)


Die Parteien stritten um weitere monatliche Vergütung, nachdem die Beklagte den Pferdepensionsvertrag gekündigt hatte. In diesem Zusammenhang setzte sich der BGH in Ansehung der Entscheidung des Berufungsgerichts mit dessen Ansicht zur Rechtsnatur eines derartigen Vertrag auseinander (und ließ dies im Ergebnis als nicht entscheidungserheblich offen) und entscheid die Frage, ob eine in dem AGB-Vertrag vorgesehene Klausel zur Kündigungsfist von drei Monaten der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhält.

Der BGH stufte den Vertrag als typengemischten Vertrag ein. Ein solcher würde aber ein einheitliches Ganzes darstellen, weshalb der Vertrag dem Recht zu unterstellen sei, welches den Schwerpunkt bilde. Das würde aber nicht bedeuten, dass nicht auch Bestimmungen aus dem Vertragsrecht angewandt werden könnten, bei dem der Schwerpunkt des Vertrages zwar nicht liege, aber anders die Eigenart des Vertrages nicht richtig gewürdigt werden könne (BGH, Urteil vom 02.10.2019 - XII ZR 8/19 -).

Das Berufungsgericht hatte den Schwerpunkt bei einem Verwahrungsvertrag gem. § 668 BGB gesehen. Der Schwerpunkt des Vertrages müsse im Bereich der Verwahrung, nicht in den Bereichen Dienstvertragsrecht und Mietvertragsrecht angenommen werden. So habe sich der Kläger dem beklagten Einsteller gegenüber verpflichtet, dem Einsteller die Reithalle sowie die zugänglichen Bereiche im Bereich des Aktivlaufstalls, sich aber nicht verpflichtet, das Pferd zu reiten oder zu führen, weshalb nicht Dienstvertragsrecht gem. §§ 611ff BGB angenommen werden könne. Der Kläger habe dem Einsteller auch keine individuelle Pferdebox zugewiesen, weshalb mietvertragsrecht ausscheide. Demgegenüber habe er aber für den Verwahrvertrag typusbildende Obhuts- und Fürsorgepflichten übernommen, wie das Ausmisten, die Fütterung und die Gesundheitskontrolle für das eingestellte Pferd.

Der BGH hatte bisher diese Frage nicht beantwortet und ließ sie auch hier ausdrücklich offen. Nach seiner Auffassung käme es bei der Frage, ob die Kündigungsfrist von drei Monaten wirksam sei, darauf nicht an.

Eine Unangemessenheit der Kündigungsfrist könnte nach § 307 BGB Abs. 1 S. 1 BGB vorliegen, wenn sie den Vertragspartner (hier Einsteller) entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteilige.

In diesem Zusammenhang prüfte der BGH, ob sich diese Unangemessenheit aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ableiten ließe, wonach eine Bestimmung mit im Zweifel wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werden soll, nicht zu vereinbaren ist. Eine derartige Unangemessenheit folge nicht aus § 695 S. 1 BGB. Dies gelte unabhängig davon, ob nach der Vorschrift der Hinterleger die hinterlegte Sache jederzeit zurückfordern könne, auch wenn eine Zeit bestimmt sei und der Vorschrift, wie das Berufungsgericht meint, eine Leitfunktion für den Verwahrungsvertrag zukommen sollte. Zwar enthalte der Einstellvertrag hier keine ausdrückliche Regelung, dass der Einsteller sein  Pferd vor Ablauf der Vertragslaufzeit jederzeit wieder an sich nehmen könne. Alleine die Vereinbarung einer Kündigungsfrist sei (auch in einem formularmäßigen Pferdeeinstellvertrag – eindeutig dahingehend auszulegen (§§ 133, 157 BGB), dass die Kündigungsfrist nur den Vergütungsanspruch des Verwahrers beträfe, nicht aber den Herausgabeanspruch des Hinterlegers (Einstellers). Dafür spräche hier auch § 4 des Vertrages, wonach die Vergütung auch bei Abwesenheit des Pferdes zu zahlen sei.  Mithin läge eine Abweichung von einem auf § 695 S. 1 BGB beruhenden Leitbild nicht vor.

Abzugrenzen sei dies von der Frage, ob derartige Abreden mit denen sich der Einsteller zur Zahlung auch nach Rücknahme der Sache verpflichte, mit dem Wesen des Verwahrungsrechts vereinbar sind. Allerdings zeige § 699 Abs. 2 BGB, dass das Verwahrungsrecht für derartige Vergütungsabreden offen sei. Es könne vereinbart werden, dass bei vorzeitiger Beendigung der Aufbewahrung der Vergütungsanspruch des Verwahrers nicht geschmälert werden soll, und zwar sowohl im Rahmen einer Individualvereinbarung als auch durch AGB (BGH, Urteil vom 02.10.2019 aaO.).

Eine Unangemessenheit nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB käme auch in Betracht, wenn der AGB-Verwender die Vertragsgestaltung einseitig für seine Interessen missbraucht, ohne von vornherein die Interessen seines Vertragspartners zu berücksichtigen. Damit sei das Interesse des Verwenders an der Aufrechterhaltung mit dem Interesse seines Vertragspartners am Wegfall der Klausel und Ersetzung durch die maßgebliche gesetzliche Regelung abzuwägen. Aber auch hier sei, ginge man mit dem Berufungsgericht von einem Verwahrungsvertrag aus, die Vereinbarung einer dreimonatigen Kündigungsfrist (noch) nicht zu beanstanden. Zwar würde der Einsteller bei sofortiger Rückforderung des Pferdes noch für eine gewisse Zeit belastet. Allerdings würd (mit Ausnahme im Fall einer fristlosen Kündigung) die Kündigungsfrist für beide Vertragsparteien gelten mit der Folge, dass sie auch vom Verwahrer eingehalten werden müsse und er nicht jederzeit die Rücknahme der hinterlegten Sache verlangen könne. Da das Verwahrungsrecht keine gesetzliche Regelung zur Kündigung von Verträgen mit unbestimmter Laufzeit enthalte, biete sich für ein mögliches Leitbild  die Reglung des § 473 HGB zum Lagervertrag an. Danach kann bei einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrag mit einer Frist von einem Monat gekündigt werden.  Diese Frist sei eine Mindestkündigungsfrist, weshalb am Maßstab des § 307 BGB orientiert eine maßvolle Überschreitung hingenommen werden könne, solange angenommen werden könne, dass diese Frist auch für den Einsteller zum Zwecke der Suche nach einem neuen Einstellplatz von Nutzen sein kann. Die Dreimonatsfrist sei dem Lagergeschäft nicht völlig fremd sei (sie habe bis zum 30.06.1998 der Mindestlagerfrist des § 422 Abs. 1 S. 1 HGB entsprochen und wurde nach der Gesetzesbegründung diese Frist für das moderne Lagergeschäft nicht mehr für zweckmäßig gehalten).  

Es dürfe auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Interessen des Einstellers in vielerlei Hinsicht denen eines Mieters gleichen, da er regelmäßig nicht in der Lage sei, das Tier ohne weiteres wieder in die eigene Obhut zu nehmen und sich wünsche, jederzeit bei Fortbestand des Obhutsverhältnisses an einem festen Ort zurückgreifen zu können. Orientiert an die Kündigungsfristen für Mitverhältnisse gem. § 580a BGB (Mietverhältnisse über andere Sachen als Wohnraum) würde die Überschreitung der Kündigungsfrist sich noch im Rahmen dessen halten, was als angemessener Interessensausgleich der Vertragsparteien angesehen werden könne, selbst wenn, wie das Berufungsgericht annimmt, die mietrechtlichen Elemente durch das Verwahrungsrecht dominiert würden.

Nach Ansicht des BGH verstößt daher die hier vereinbarte Kündigungsfrist von drei Monaten nicht gegen § 307 Abs. 1 BGB.

BGH, Urteil vom 12.02.2020 – XII ZR 6/19 -

Donnerstag, 30. April 2020

BVerfG: Keine einstweilige Anordnung gegen Schließung von Fitnessstudios (Corona)


Es war letztlich nach den bisherigen Entscheidungen des BVerfG zu Restriktionen im Zusammenhang mit Corona zu erwarten, dass auch die beantragte Anordnung einstweilige Anordnung gegen eine Rechtsverordnung (hier des Landes Baden-Württemberg) gegen eine Rechtsverordnung zur Abwehr des Coronavirus abgewiesen wurde, mit der der Betrieb von Fitnessstudios für den Publikumsverkehr bis (vorläufig) zum 03.05.2020 untersagt wurde.

1. Grundlage der Rechtsverordnung war auch hier § 32 iVm §§ 28 Abs. 1 S. 1 und 2, 31 InfSG (idF. vom 20.07.2000m zuletzt geändert mit Gesetz vom 27.03.2020). Gerügt wurde von der Beschwerdeführerin als Betreiberin eines Fitnessstudios ihr verfassungsrechtlich garantiertes Recht zur freien Berufsausübung gem. Art. 12 Abs. 1 GG.

Standardmäßig verweist das BVerfG darauf, dass eine vorläufige Regelung durch einstweilige Anordnung erforderlich sein kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gefahren oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringen geboten sei. Bei offenen Ausgang seien die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg versagt bliebe. Darauf basierend erkennt das BVerfG, dass bei einer Versagung des begehrten Rechtsschutzes die Betreiber solcher Einrichtungen einen schwerwiegenden und teilweise irreversiblen Eingriff in ihr nach Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Recht der Berufsfreiheit mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen hinzunehmen hätten. Auf der anderen Seite hätte, sollte der Verfassungsbeschwerde der Erfolg versagt bleiben, zur Konsequenz die Wiedereröffnung zahlreicher Fitnessstudios (hier in Baden-Württemberg), was mit einer Zunahme sozialer Kontakte und damit des Risikos erneuter Infektionsketten den von Menschen übertragbaren Coronavirus einherginge mit der Gefahr der Erkrankung vieler Personen mit teilweise schwerwiegenden und tödlichen Krankheitsverläufen sowie der Gefahr der Überlastung gesundheitlicher Einrichtungen. Dem könne durch Untersagung des Betriebs von Fitnessstudios entgegengewirkt werden.  Unter Beachtung des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG, das zu schützen der Staat habe, müssten die allerdings schwerwiegend Beeinträchtigung der Berufsfreiheit  und die wirtschaftlichen Interessen der Betreiber der Fitnessstudios zurücktreten. Ohne dass dem die Beschwerdeführerin in ihrer Verfassungsbeschwerde entgegen getreten sei, habe der VGH Baden-Württemberg darauf verwiesen, dass die wirtschaftlichen Folgen der Betriebsuntersagung durch staatliche Hilfsprogramme „etwas abgemildert würden“. Zudem sei durch die Befristung sichergestellt, dass neuere Entwicklungen der Corona-Pandemie fortgeschrieben werden müssten.

2. Die Entscheidung des BVerfG setzt sich, wie die bereits zuvor zu Betriebsuntersagungen im Zusammenhang mit Rechtsverordnungen zur Abwehr des Coronavirus, nicht mit Art. 19 GG auseinander. Art. 19 GG verlangt, dass im Falle einer Einschränkung eines Grundrechts (hier betroffen jenes aus Art. 12 Abs. 1 GG) durch ein Gesetz (hier das Infektionsschutzgesetz – InfSG) diese Grundrecht unter Angabe des Artikels im Gesetz zu benennen ist, Art 12 Abs. 1 S. 2 GG. Daran ermangelt es hier, da im InfSG weder das Grundrecht noch der Artikel benannt wurden, vgl. § 19 Abs. 1 S. 4 GG. Art. 19 GG gilt als formelle Sicherung der Grundrechte und Rechtsschutzgarantie. Mit der Regelung sollten auch versteckte Grundrechtsbeschränkungen unmöglich gemacht werden. Im Zusammenhang mit der Änderung der Strafprozessordnung zu § 112a StPO hatte das BVerfG entschieden, dass der dort unterlassene Hinweis auf die Einschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG nach Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG zulässig sei (Beschluss vom 30.05.1973 - 2 BvL 4/73 -). Auch hat das BVerfG entschieden, dass berufsregelnde Gesetze keine Einschränkung iSv, Ar 19 Abs. 1 GG darstellen würden und damit keines Hinweises bedürfen (Beschluss vom 04.05.1983 - 1 BvL 76/80 -). In dem letztgenannten Verfahren ging es um die Regelung, dass die Anerkennung als Prüfingenieur für Baustatik mit Vollendung des 70. Lebensjahres ende. Das Zitiergebot, so das BVerfG, würde nicht gelten, wenn der Gesetzgeber „in Ausführung der ihm obliegenden, im Grundrecht vorgesehenen Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenziehungen vornimmt“. Dies ist nicht vergleichbar mit der hier vorgenommen Einschränkung, die die Berufsausübung, wenn auch (zunächst) zeitlich befristet, vollständig verbietet. Die Berufsausübung kann zwar durch Gesetzes oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden; eine „Regelung“ dahingehend, dass sie vollkommen untersagt wird, greift in den Kernbereich ein (nach Art. 19 Abs. GG untersagt), die nicht die Art oder den Umfang der Berufsausübung regelt, sondern diese verhindert.

Erfolgte damit kein Hinweis in dem Infektionsschutzgesetz zum Eingriff in die Berufsausübung, kann dieses Gesetz auch nicht Grundlage einer die Schließung vorsehenden Rechtsverordnung sein. Es lässt sich hier zudem auch nicht annehmen, dass der Gesetzgeber diesen Eingriff  vor Augen hatte. § 28 Abs. 1 InfSG weist auf die Zielgruppe hin und verweist für die Schutzmaßnahmen auf die §§ 28 – 31 InfSG. In § 31 InfSG ist ein Tätigkeits-/Berufsverbot vorgesehen, aber nur beschränkt auf Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider sowie für Personen, die den Krankheitserreger so in oder an sich tragen, dass im Einzelfall die Gefahr der Weitverbreitung besteht. Ein Generalverdacht ist nicht normiert.

3. § 56 InfSG regelt den Entschädigungsanspruch für Personen, die nach § 28 Abs. 1 InfSG von Maßnahmen betroffen sein können. Für den Verdienstausfall können sie eine Entschädigung in Geld verlangen, § 56 Abs. 1 InfSG. Die Entschädigung richtet sich nach dem Verdienstausfall und soll bis zu sechs Wochen dem entgangenen Verdienst (§ 56 Abs. 3 InfSG), danach in Höhe des Krankengeldes (soweit nicht das Jahresarbeitsentgelt die Grenze der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht übersteigt, gewährt, § 56 Abs. 2 InfSG.

Ersichtlich ging der Gesetzgeber, soweit nicht expressis verbis auf bestimmte Einrichtungen wie Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen abgestellt wird, in § 56 Abs. 2 InfSG, davon aus, dass Arbeitnehmer betroffen sind. Soweit Selbständige betroffen sind, regelt § 56 Abs. 4 S. 2 wird unter Bezugnahme auf Abs. 2 geregelt, dass neben der dortigen Entschädigung weiterhin auf Antrag Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben „in angemessenen Umfang“ zu gewähren ist. Ferner „können“ bei Existenzgefährdung gem. §  56 Abs. 4 S. 1 InfSG die während der Verdienstausfallzeit entstehenden Mehraufwendungen in angemessenen Umfang erstattet werden.

Werden hier die Fitnessstudios auf der Grundlage der §§ 28ff InfSG geschlossen, so wäre jedenfalls entsprechend § 56 InfSG eine Entschädigung zu leisten. Die betroffenen Betreiber werden prüfen müssen, ob die staatlich zur Verfügung gestellten Mitteln dem entsprechen, was sie nach § 56 Abs. 4 InfSG geltend machen könnten. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre zu überlegen, den weitergehenden Anspruch geltend zu machen. Sollten sich die auf dem Infektionsschutzgesetz zur Begründung der Rechtsverordnungen zur Schließung als verfassungswidrig erweisen, hätten die Betroffenen einen weitergehenden Schadensersatzanspruch. Weiterhin ist § 65 InfSG zu beachten, wonach bei einem nicht unwesentlichen Vermögensnachteil durch eine behördliche Maßnahme eine Geldentschädigung zu erfolgen hat.

BVerfG, Beschluss vom 28.04.2020 - 1 BvR 899/20 -

Montag, 27. April 2020

Kostenfestsetzung: Kann eine Kostenfestsetzung zur Rechtssicherheit auch bei bereits erfolgter Zahlung erfolgen ?


Die Beklagte beantragte die Kostenfestsetzung, die vom Verwaltungsgericht (VG) auch vorgenommen wurde. Dies erfolgte, obwohl bereits unstreitig die zur Festsetzung angemeldeten Kosten vom Gegner ausgeglichen waren, weshalb dieser gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss – erfolgreich – Erinnerung einlegte.

Das VG verwies darauf, dass der Kostenfestsetzungsantrag unzulässig gewesen sei. Zwar seien im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch ausgeschlossen, wie er hier von dem Erinnerungsführer mit dem Erfüllungseinwand erhoben wurde. Dieser Ausschluss gelte nur dann nicht, wenn die Einwendungen unstreitig seien (BVerwG, Beschluss vom 05.12.2007 - 4 KSt 1007/07 -). Würde der Erstattungsanspruch einschließlich der Zinsen vor Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses vollständig erfüllt, bestehe für den beantragten Kostenfestsetzungsbeschluss kein Rechtsschutzbedürfnis. Der Kostengläubiger habe dann nämlich kein schutzwürdiges Interesse mehr an dem Erlass eines vollstreckbaren Titels. Auch könne der Kostengläubiger nicht geltend machen, mittels der Kostenfestsetzung den Rechtsgrund für das Behalten der Zahlung zu belegen. Denn dieser Rechtsgrund ergäbe sich unmittelbar aus der Kostengrundentscheidung, auf Grund der die Kostenfestsetzung überhaupt beantragt werden kann.  (OLG Celle, Beschluss vom 26.11.2018 - 2 W 221/18 -).

Vorliegend hatte der Erinnerungsführer mehr gezahlt, als der Beklagten zustand. Hier, so das VG, hätten die Parteien die Ausgleichung selbst intern vorzunehmen.

Anmerkung: Kommt es in einem Fall einer Zahlung vor einer gerichtlichen Kostenausgleichung und –festsetzung zu einer Überzahlung durch eine Partei, hat die Partei nach § 812 BGB einen Rückforderungsanspruch, liegen nicht die Voraussetzungen des § 824 BGB (Zahlung in Kenntnis der Nichtschuld) vor.

VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 14.04.2020 - 7 KE 15/20 -

Freitag, 24. April 2020

Datenschutz: Vollstreckung des Auskunftsanspruchs nach § 15 Abs. 1 DSGVO


Die Schuldnerin  wurde zur Auskunft nach § 15 Abs. 1 Buchst. a – h DSGVO verurteilt (27.05.2019). Der Gläubiger beantragte zur Durchsetzung der Verpflichtung  im Anschluss die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Schuldnerin, ersatzweise Zwangshaft (10.07.2019). Mit Schreiben vom 16.07.2019 erfüllte die Schuldnerin ihre Pflichten auf Auskunftserteilung nach Buchstaben a – f und h. Mit Beschluss vom 12.12.2019 gab das Amtsgericht dem Antrag des Gläubigers vollumfänglich statt. Die dagegen eingelegte Beschwerde führte zur teilweisen Abweisung des Antrags.


Die Beschwerde war danach erfolgreich, soweit das Amtsgericht dem Antrag trotz zwischenzeitlicher Erfüllung stattgegeben hatte. Dies sei rechtswidrig, weshalb insoweit der amtsgerichtliche Beschluss aufzuheben sei.

Allerdings bestünde der Auskunftsanspruch nach §  15 Abs. 1 g DSGVO weiterhin. Die Schuldnerin habe nicht „in genügender Tiefe mitgeteilt, woher sie diese Daten erhalten hat, obwohl sie hiernach nach dem Urteil, welches den Auskunftsanspruch nach § 15 Abs. 1 g DSGVO tituliert, verpflichtet war“. § 14 Abs. 1 g DSGVO weiche insoweit von §§ 19, 34 BDSG a.F. ab und verlange stets Auskunft über „alle verfügbaren Informationen über die Herkunft“ der Daten, soweit sie nicht beim Betroffenen selbst erhoben worden wären. Zu den damit notwendigen Angaben zur Quelle der Information würde auch die Benennung der Mittel gehören, mit denen die personenbezogenen Daten erhoben worden seien. Die einzige (zumal erst im Beschwerdeverfahren erfolgte) Angabe der Schuldnerin, die Daten aus einem Bezahlvorgang einer namentlich benannten GmbH erhoben worden seien, sei nicht ausreichend, und die Verweigerung mit Hinweis darauf, es handele sich nicht um Daten des Klägers (Gläubiger) fehlerhaft. Dass es sich nicht um Daten des Gläubigers handele, könne nicht daraus abgeleitet werden, dass diese möglicherweise von einem Dritten rechtsmissbräuchlich verwandt worden seien. Soweit die Schuldnerin im Weiteren zum Tätigwerden mit ihr verbundener Unternehmen vortrage, ergäbe sich daraus nicht, wann, in welcher Form und von wem sie die persönlichen Daten des Gläubigers erhalten habe.

Das Beschwerdegericht schloss sich auch nicht der Auffassung der Schuldnerin an, der Gläubiger könne seine Ansprüche nicht aus § 888 ZPO (Antrag auf Zwangsgeld, hilfsweise Zwangshaft) sondern nur aus § 16 DSGVO (Recht auf Berichtigung) geltend machen, wenn er mit der Auskunft nicht einverstanden sei. Anders als bei § 2314 BGB (Auskunftspflicht von Erben) könne bei unvollständiger oder fehlerhafter Auskunft nicht nur eine nächste Stufe (dort eidesstattliche Versicherung) geltend gemacht werden, da § 16 DSGVO sich nicht als „nächste Stufe“ bei einem Anspruch nach § 15 DSGVO darstelle sondern separat mit anderem Inhalt neben diesen trete. Es sei mithin dem Gläubiger hier möglich, den titulierten Auskunftsanspruch nach § 888 ZPO geltend zu machen, ohne eine Berichtigung nach 3 16 DSGVO zu verlangen.   

Die Entscheidung weist auf, dass derjenige, der datenschutzrechtlich zur Auskunft verpflichtet ist, diese Verpflichtung nicht auf die leichte Schulteer nehmen sollte. Immerhin sind in dem Fall, dass der Berechtigte wegen unvollständiger oder falscher Angaben im Rahmen der nach § 15 DSGVO titulierten Auskunft nach § 888 ZPO vorgeht, die Verhängung eines Zwangsgeld von bis € 25.000,00, Zwangshaft oder ersatzweise Zwangshaft bis 6 Monaten, möglich.


LG Mosbach, Beschluss vom 27.01.2020 - 5 T 4/20 -

Donnerstag, 23. April 2020

WEG: Fehlende Kompetenz zur Beschlussfassung zu Hausgeldrückständen


Die Wohnungseigentümergemeinschaft forderte von den Beklagten € 4.900,19 an Hausgeldrückständen, die sich aus den Einzelabrechnungen 2008 bis 2011 und dem Wirtschaftsplan 2012 zusammensetzen. Das Amtsgericht gab der Klage statt; das Landgericht hat (im Berufungsverfahren) den Betrag auf € 3.450,20 reduziert. Die Beklagten legten (die zugelassene) Revision ein. Während des Revisionsverfahrens erklärten die Parteien übereinstimmend die Hauptsache für erledigt. Der BGH entscheid mit Beschluss gem. § 91a ZPO über die Kosten.


Der BGH hielt die Klage zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigungserklärung teilweise als begründet, im Übrigen als offen, weshalb insoweit bei streitiger Durchführung eine Zurückverweisung erfolgt wäre.

Zum Einen setzte sich der BGH mit Kosten in den Abrechnungen auseinander, inwieweit diese berücksichtigt werden durften. Im Übrigen aber sei der Ausgang des Rechtstreits offen, da entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht die Hausgeldrückstände der einzelnen Wohnungseigentümer, die jeweils in den aus den Jahresabrechnungen abgeleiteten Einzelabrechnungen aufgeführt seien, von der Bestandskraft der Jahresabrechnung nicht erfasst würden. Das aber würde bedeuten, dass im Streitfall auch bei einer rechtskräftig gewordenen Jahresabrechnung der Umfang der Rückstände des einzelnen Eigentümers gesondert festzustellen sei. Die Wohnungseigentümer hätten nicht die Kompetenz, entstandene aber nicht erfüllte Zahlungsverpflichtungen des Eigentümers erneut (etwa in der Jahresabrechnung) zu beschließen. Dieser Teil des Beschlusses, mit dem letztlich der Anspruch auf die rückständige Zahlung neu begründet werden sollte, sei nichtig. Anspruchsbegründend könne nur der Teil des Beschlusses über die Jahresabrechnung wirken, der sich auf den Betrag bezieht, welcher die in dem Wirtschaftsplan für das abgelaufene Jahr beschlossenen Vorschüsse übersteige (Abrechnungsspitzen).  Die in früheren Beschlüssen festgestellten Zahlungsverpflichtungen blieben unberührt, was auch für die in dem Wirtschaftsplan des abzurechnenden Jahres beschlossenen Vorschüsse (§ 28 Abs. 2 WEG) gelte. Damit könne  nach einem Beschluss über die Jahresabrechnung  nur die konkrete Abrechnungsspitze nach Eintritt der Bestandskraft der Jahresabrechnung nicht mehr in Frage gestellt werden.  Da damit aber nicht die Jahresabrechnung benannten Rückstände auf Hausgeld zur Abrechnungsspitze gehören würden, sondern Gegenstand einer Forderung aus einem beschlossenen Wirtschaftsplan seien, würde im Hinblick auf die Rückstände keine bestandkräftige Feststellung vorliegen. Dies sei  vorliegend vom Berufungsgericht nicht berücksichtigt und geprüft worden.

BGH, Beschluss vom 13.02.2020 - V ZR 29/15 -