Sonntag, 17. September 2017

Ausschreibung: Abweichung in dem Leistungsangebot und Vertragsauslegung

Die Klägerin kündigte den  mit der Beklagten abgeschlossenen Bauvertrag und verlangte von dieser die höhere Vergütung eines sodann (nach Neuausschreibung)  beauftragten Drittunternehmers als Schadensersatz.  Vorausgegangen war dem eine Ausschreibung der Klägerin, in der u.a. zum Bodenbelag Betonwerkstein „Select“ Art.-Nr. 7432 mit einer „Plattendicke 2cm“  gefordert wurde. Die Beklagte bewarb sich und gab im Bieterverzeichnis zu dieser Position den Bodenbelag „Typ Petra 93.70 A.T. konventionell“ an. Von der Klägerin wurde der Beklagten, nach Besichtigung einer Musterplatte mit einer kleineren Fläche von 15 x 15cm und einer Plattendicke von 2cm der Zuschlag erteilt. In der Folge kam es zwischen den Parteien zu einem Streit, da das von der Beklagten im Bieterverzeichnis eine Plattendicke von 26mm aufwies. Die Beklagte wies die Forderung der Klägerin auf eine Plattendecke von 20mm zurück, weshalb die Klägerin schließlich den Vertrag fristlos kündigte.

Gegen das der Klage stattgebende Urteil legte die Beklagte Berufung ein.

Das Landgericht ging, von der Berufung insoweit auch nicht angegriffen, davon aus, dass die Kündigung gerechtfertigt gewesen sei, wenn zwischen den Parteien eine Plattendicke von 20mm vereinbart gewesen sei. Von einer solchen Vereinbarung  sei entgegen der Annahme  der Beklagten auszugehen.

Die Beklagte könne, so das OLG, nicht damit gehört werden , dass sich ihr Angebot auf einen Plattentyp mit einer Plattendicke von 26mm bezogen habe. Das der Ausschreibung zugrunde liegende Leistungsverzeichnis habe deutlich eine Plattendicke von 20mm hervorgehoben. Die ergänzende Produktangabe könne die Vorgabe nicht entkräften, was sich daraus ergäbe, dass es das von der Klägerin benannte Produkt mit der Plattendicke gäbe. Dem stünde auch der Einwand der Beklagten nicht entgegen, dass die Standarddicke dieses Produkts 28mm betrage, da entscheidend die Ausschreibung mit 20mm sei und dies auch vom Hersteller angeboten würde.  

Es sei eine Frage der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB, welche Leistung letztlich vereinbart war. Abzustellen sei darauf, wie ein objektiver Dritter bei vernünftiger Beurteilung der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände die von den Erklärenden gewählte Bezeichnung hätte verstehen können oder müssen. Alleine der Umstand, dass die von der Beklagten angebotene Platte evtl. nur mit einer Dicke von 26mm hergestellt wird, führe nicht notwendig zu einem Dissens, da dieser nicht schon dann vorliege, wenn die Parteien sich nicht hinsichtlich des Gewollten zutreffend abgestimmt hätten. Ein einseitiger Inhaltsirrtum führe nicht zum Dissens, wenn die andere Partei ihren Willen korrekt zum Ausdruck gebracht hat und zudem auch die Erklärung des Kontrahenten als mit seiner eigenen Vorstellung als übereinstimmend ansehen durfte (normativer Konsens mit Möglichkeit zur Irrtumsanfechtung). Damit sei vorliegend entscheidend, ob die Angabe im Angebot der Beklagten „konventionell“ von der Klägerin dahingehend hätte verstanden werden müssen, es handele sich um Platten mit einer Dicke von 26mm.

Nach einem eingeholten Gutachten folgt das OLG dem Sachverständigen dahingehend, dass für die Beklagte hätte klar sein müssen, dass die Plattenstärke von 20mm ein wesentlicher Gesichtspunkt gewesen sei und die Beklagte nicht den Terminus „konventionell“ erläutert habe. Es sei von daher für einen ausschreibenden Ingenieur nicht ersichtlich gewesen, dass eine Plattenstärke von 26mm angeboten würde.  Die Klägerin sei, so das OLG, auch nicht verpflichtet gewesen, die angebotenen Materialien (ohne dass es dafür Anhaltspunkte gab) zu untersuchen oder nachzufragen.


OLG Koblenz, Urteil vom 08.02.2017 - 5 U 896/16 -

Mittwoch, 13. September 2017

WEG: Teileigentum und Anspruch auf erstmalige Herstellung durch Erfüllung bauordnungsrechtlicher Vorschriften für einen Aufenthaltsraum

Der hier vom BGH entschiedene Rechtsstreit betrifft zwar eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft, was allerdings vorliegend keine Auswirkung hat. Grundlage ist, dass die drei Kläger jeweils Einheiten im Souterrain der von einem Bauträger errichteten und in Wohnungseigentum aufgeteilten Anlage erwarben, wobei in der Teilungserklärung (TE) zu der vom Kläger zu 2. erworbenen Einheit K2 von dem „Sondereigentum an sämtlichen Räumen der im Aufteilungsplan mit Nr. K2 bezeichneten, nicht zu Wohnzwecken dienenden Räume“ gesprochen wurde, diese Räume im Aufteilungsplan mit „Kellerraum“ gekennzeichnet waren; entsprechendes galt für die von den weiteren Klägern erworbenen Einheiten K1 und K3. Die übrigen Einheiten dienten nach der TE zu Wohnzwecken. Weitergehend hieß es in § 4 Abs. 2 der Gemeinschaftsordnung (GO):

„Die Gewerbeflächen dürfen zu baurechtlich zulässigen gewerblichen Zwecken genutzt werden - die im Aufteilungsplan angegebene Nutzung ist nicht die allein maßgebliche. (...) Der Wohnungs- bzw. Teileigentümer ist verpflichtet, auf seine Kosten alle erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen einzuholen und hat alle mit der Nutzungsänderung in Zusammenhang stehenden Kosten und Lasten zu tragen.“

Eine baurechtliche Genehmigung zur Nutzung der Souterraineinheiten zu Aufenthaltszwecken lag nicht vor.  Der Kläger zu 1. beantragte bauordnungsrechtlich eine Nutzungsänderung, damit seine Souterrainräume zu Aufenthaltszwecken genutzt werden könnten. Zur Genehmigung forderte die Baubehörde einen zweiten Rettungsweg durch eine Fluchttreppe im Freien.  

Vom Kläger wurde der in der Eigentümerversammlung abgewiesene Antrag gestellt, die Herstellung eines zweiten Rettungsweges auf der Grundlage des Brandschutznachweises sowie eine zwecks Finanzierung eine Sonderumlage von € 7.500,00 zu beschließen. Gegen den ablehnenden Beschluss erhoben die Kläger Beschlussanfechtungsklage und darüber hinaus Beschlussersetzungsklage, mit der sie erreichen wollten, dass ihrem Antrag entsprochen wird. Amtsgericht und im Berufungsverfahren das Landgericht haben die Anträge zurückgewiesen; die vom Landgericht zugelassene Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Das Landgericht stellte darauf ab, dass sich aus der TE und dem Aufteilungsplan kein Anspruch der Kläger ergäbe, da die Räume in der TE nicht als Wohnräume, im Aufteilungsplan als Kellerräume bezeichnet worden seien. Damit würde es hier bei dem Antrag um eine bauliche Veränderung iSv. § 22 Abs. 1 WEG gehen.

Dem folgte der BGH nicht. Beide Anträge (Beschlussanfechtung und Beschlussersetzung) könnten nur Erfolg haben, wenn den Klägern ein Anspruch auf Herstellung des zweiten Rettungsweges zustehen würde und dies nur dann bejaht werden könne, wenn es sich dabei um einen Beschluss nach § 21 Abs. 4 WEG handele, der eine erstmalige plangerechte Herstellung des Gemeinschaftseigentums diene und damit zu einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung im Sinne des § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG gehöre.

Das Landgericht habe verkannt, dass Teileigentum dazu geeignet sein müsse, als Aufenthaltsraum zu dienen, da die Bezeichnung als Teileigentum ohne weitere Hinweise jegliche Art gewerblicher Tätigkeit zulasse.  Dazu gehöre auch die Büronutzung, die bauordnungsrechtlich nur in Aufenthaltsräumen zulässig sei, mithin in Räumen, die nicht nur dem vorübergehenden Aufenthalt von Menschen dienen oder dazu geeignet sind. Die bauordnungsrechtlich erforderlichen Maßnahmen, wie die Herstellung des zweiten Rettungsweges, könnten von den einzelnen Wohnungseigentümern daher gem. § 21 Abs. 4 WEG im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung verlangt werden.

Dem würde auch nicht die Formulierung „Kellerraum“ im Aufteilungsplan entgegenstehen, da der dortigen Angabe allenfalls nachrangige Bedeutung zukäme. Maßgeblich sind Wortlaut und Sinn der TE, deren Auslegung hier ergibt, dass die Teileigentumseinheiten als Aufenthaltsräume geeignet sein müssen. Die Formulierung „nicht zu Wohnzwecken dienen“ würde dem nicht entgegen stehen, da damit die gesetzliche Definition des Teileigentums aus § 1 Abs. 3 WEG aufgegriffen werde. Auch § 4 Abs. 2 GO stünde der hier vorgenommenen Auslegung nicht entgegen: Soweit dort von „Gewerbeflächen“ gesprochen würde, die zu „baurechtlich zulässigen gewerblichen Zwecken genutzt werden“ dürften, würde sich damit nicht klar und eindeutig der Ausschluss einer zulässigen Nutzung als Aufenthaltsräume ergeben, sondern lediglich, dass unterschiedliche gewerbliche Nutzungen zulässig wären, soweit dem nicht das Bauplanungsrecht, die Baunutzungsverordnung oder die auf spezifische gewerbliche Nutzungen bezogenen Vorschriften des Bauordnungsrechts entgegen stünden.


BGH, Urteil vom 23.06.2017 - V ZR 102/16 -

Dienstag, 12. September 2017

Betriebskostenabrechnungen nach § 566 BGB ohne Beschluss der WEG nach § 28 Abs. 5 WEG

Die Betriebskosten müssen bei einem Mietverhältnis über Wohnraum gem. § 556 Abs. 3 BGB jährlich binnen Jahresfrist nach Ende des Abrechnungszeitraums abgerechnet werden. Dies gilt auch für Mietwohnungen innerhalb einer Eigentumswohnanlage.

Bei der Eigentumswohnanlage können sich Probleme für die Abrechnung daraus ergeben, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft noch nicht gem. § 28 Abs. 5 WEG   die nach § 28 Abs. 3 WEG vom Verwalter zu erstellende Abrechnung genehmigt haben, oder gar die Abrechnung noch nicht vorliegt. Damit hat sich der BGH in seinem Urteil vom 25.01.2017 - VIII ZR 249/15 - und (bestätigend) im Beschluss vom 14.03.2017 – VIII ZR 50/16 – geäußert.

Für die Abrechnung des Vermieters gegenüber seinen Mietern ist danach ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft zur Rechnungslegung (Jahresabrechnung) nicht erforderlich. Es liegen dem unabhängige Rechtsbeziehungen zugrunde, nämlich zum einen die vom Mietverhältnis zu trennende Rechtsbeziehung der Wohnungseigentümer zur Wohnungseigentümergemeinschaft, zum anderen die Rechtsbeziehung des Vermieters zum Mieter. Für die Abrechnung der Betriebskosten ist auf die gesetzliche Definition in §§ 554 Abs. 1 S. 2 BGB, 1 Abs. 1 S. 1 BetrKV abzustellen, die keinen Beschluss nach § 28 WEG verlangt und auch keine daraus abzuleitende Fälligkeit im Verhältnis zwischen dem Eigentümer-Vermieter und der Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Beschluss entfaltet gegenüber Dritten (hier dem Mieter)  keine Bindung.

Anmerkung: Liegt dem Vermieter die Jahresabrechnung des Verwalters vor, mag er daraus bereits die Betriebskostenabrechnung erstellen. Was ist aber, wenn diese falsch ist ? Und was ist, wenn diese nicht rechtzeitig für die Erstellung der Betriebskostenabrechnung  vorliegt ? Hier wird man wohl konsequent annehmen müssen, dass in diesem Fall der betroffene Eigentümer-Vermieter von seinem Einsichtsrecht in die Abrechnungsunterlagen nach §§ 259, 666 BGB Gebrauch macht. Wird ihm dies verwehrt, wird er hier unverzüglich gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen haben, um so eine spätere Berechnung über § 556 Abs. 3 S. 3 2. Alt. BGB tätigen zu können.


BGH, Beschluss vom 14.03.2017 - VIII ZR 50/16 -

Montag, 11. September 2017

Die Übertragung von „Rechten und Pflichten“ vor Eigentumsübergang beinhaltet die Abtretung von Mieten

Der Kläger verkaufte die Mietsache an einen Dritten und vereinbarte mit diesem, dass sämtliche Rechte und Pflichten mit Kaufpreiszahlung auf den Erwerber übergehen. Er klagte gleichwohl Mietzins ein, nachdem der Kaufpreis gezahlt war, allerdings vor Wahrung der Auflassung (Eigentumsübertragung) auf den Erwerber im Grundbuch.

Die Klage wurde abgewiesen. Das OLG führte aus, dass grundsätzlich der Erwerber erst mit grundbuchlicher Wahrung seines Eigentums in das Mietverhältnis eintreten würde und bis zu diesem Zeitpunkt die Rechte beim Veräußerer blieben, § 566 BGB. Allerdings sei schuldrechtlich auch eine anderweitige Regelung möglich. Eine solche anderweitige Regelung läge vor, wenn zwischen Veräußerer und Erwerber anderweitiges vereinbart würde und eine Abtretung der Ansprüche durch den Veräußerer an den Erwerber zu einem früheren Zeitpunkt erfolge.

Die Regelung in dem Kaufvertrag sei eine entsprechende Regelung und beinhalte auch die Abtretung der Mietzinsansprüche ab dem Zeitpunkt der Zahlung der Kaufpreisforderung. Diese Abtretung entfalte aber nur Wirksamkeit zwischen den Kaufvertragsparteien; der Veräußerer bleibe weiterhin Vertragspartner des Mieters (BGH, Urteil vom 02.07.2003 - XII ZR 34/02 -). Bei wirksamer Abtretung könne der Mieter schuldbefreiend an den Erwerber zahlen. Der Mieter sei nach §§ 404, 409, 410 BGB geschützt. Er müsse nur zahlen gegen Vorlage der Abtretungsurkunde, und wenn diese unwirksam sei, aber die Abtretung vom bisherigen Eigentümer angezeigt würde, würde auch bei Zahlung an den Erwerber gleichwohl von seiner Schuld befreit. Seine Rechte aus seinem Verhältnis zu Erwerber (so z.B. eine Aufrechnung mit Forderungen gegen den Veräußerer) blieben erhalten.

Da die Abtretung dem Mieter mitgeteilt wurde, habe dieser schuldbefreiend an den Erwerber zahlen dürfen.


OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.02.2017 - 24 U 103/16 -

Donnerstag, 7. September 2017

Zulässigkeit eines Kautionsverlangens nach § 551 Abs. 1 BGB und einer notariellen Vollstreckungsunterwerfung für den jeweils fälligen Mietzins

Der Beklagte vermietete Räume als Wohnung an die Klägerin zu 2. (einer GmbH) sowie dem Kläger zu 1., deren Geschäftsführer. Nach dem Mietvertrag verpflichteten sich die Kläger, zu notarieller vollstreckbarer Urkunde den Mietzahlungsanspruch der Beklagten zu sichern. Dies erfolgte dann auch dergestalt, dass sich die Kläger in der Urkunde entsprechend der mietvertraglichen Zahlungsregelung der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr jeweiliges Vermögen  unterwarfen, wobei festgehalten wurde, dass mit der notariellen Regelung eine Beweislastverschiebung nicht verbunden sein solle.

Das Mietverhältnis endete zum 30.06.2014. Wegen angeblicher Mängel des Mietgegenstandes hatten die Beklagten auf die Miete seit März 2014 insgesamt € 5.000,00 nicht gezahlt. Der Beklagte leitete die Vollstreckung aus der benannten Vollstreckungsunterwerfung der Kläger ein. Der Kläger zu 2. Beantragte die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung, die Klägerin zu 2. eine Zahlung in Höhe von € 2.781,63 vom Beklagten.

Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen, Auf die Berufung wurde der Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die zugelassene Revision wurde das erstinstanzliche Urteil wieder hergestellt.

Rechtsfehlerhaft sei das Landgericht, so der BGH, von der Auffassung ausgegangen, bei der Vollstreckungsunterwerfung handele es sich um eine Sicherheit nach § 551 BGB. Daraus hatte das Landgericht die Unwirksamkeit der Vollstreckungsmaßnahme abgleitet. Allerdings ergäbe sich die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels aus § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, da es sich bei der notariellen Unterwerfungserklärung um ein konkret bezeichnete Mietansprüche (nämlich die laufende Miete für die streitige Wohnung) handele, und sie nicht den Bestand des Mietverhältnisses betreffe. Anders als das Landgericht meinte, bedurfte es hier auch keiner Einordnung des Mietverhältnisses als Wohnraummiete oder nicht, da auch bei (vom Landgericht vorgenommener) Annahme als Wohnraummiete die Unterwerfung nicht zur Unwirksamkeit nach § 551 Abs. 4 BGB führe.  Zwar sie die Sicherheitsleistung des Vermieters auf eine Kaution von drei Netto-Monatsmieten begrenzt, § 551 Abs. 1 BGB und eine davon zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung sei unwirksam. Allerdings stelle sich die Unterwerfungserklärung nicht als eine Abweichung von § 551 Abs. 1 BGB dar, da sie dem Vermieter keine notwendige zusätzliche Zugriffsmöglichkeit auf Vermögen gebe, sondern ihm nur der Notwendigkeit enthebt, vor einer Zwangsvollstreckung einen Titel zu besorgen. Die materielle Darlegungs- und Beweislast sei davon nicht berührt, unabhängig von der ausdrücklichen entsprechenden Regelung in der Urkunde. Der Mieter sei auch nicht ohne Schutz, da er im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage nach § 667 ZPO eine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung, gegebenenfalls auch ohne Sicherheitsleistung, beantragen könne.

unabhängig von der Auslegung Da auch die Beweislast ausdrücklich durch die Unterwerfungserklärung nicht zuungunsten der Kläger geändert wurde. Nicht entschieden werden müsse hier, ob eine Unwirksamkeit der Regelung im Mietvertrag zur Verpflichtung auf Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung vorläge, § 307 Abs. 1 u. 2 BGB, da es sich hier im Mietvertrag um eine Individualvereinbarung handele.

Im Hinblick auf den Antrag der Klägerin zu 2. verwies der BGH darauf, dass er wirksam Mietpartei geworden sei, wie sich aus der auch von ihm unterzeichneten Vertragsurkunde ergäbe. Das Landgericht habe dies unzulässig mit der Frage vermengt, ob es sich um ein Wohnraummietverhältnis handele (ausgehend davon, dass eine juristische Person nach klägerischer Darlegung nicht wohnen könne). Auf die Art des Mietverhältnisses käme es aber für die Frage, wer Mietvertragspartei wird, nicht an, da die Verpflichtung zur Zahlung der Miete unabhängig von der Art des Mietverhältnisses (Wohn- oder Gewerberaum) gegeben sei. Damit könne die Klägerin zu 2. keine Rückzahlung begehren.


BGH, Urteil vom 14.06.2017 - VIII ZR 76/16 -

Mittwoch, 6. September 2017

Fiktive Schadensberechnung und nachträgliche Umsatzsteuer

Der Kläger hatte Schadensersatzansprüche auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens gegen die Beklagte nach Beendigung eines Mietverhältnisses geltend. Der Klage wurde in einem vorangegangenen verfahren in Höhe von € 5.870,00 nebst Zinsen entsprochen und darüber hinaus die Verpflichtung der Beklagten festgestellt,  dass die Beklagte bei tatsächlicher Durchführung der Reparaturen die anfallende Umsatzsteuer zu zahlen habe.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Das OLG hält fest, dass grundsätzlich der Schadensersatzanspruch auch die Umsatzsteuer umfasst. Anderes ist nur dann der Fall, wenn entweder der Geschädigte Vorsteuerabzugsberechtigt ist, oder aber die Umsatzsteuer bei Geschädigten (mangels eigener Zahlung) nicht angefallen ist, § 249 Abs. 2 S. 2 BGB.  Damit kann allerdings der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Geschädigte im Fall des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB (wie er bei einer fiktiven Geltendmachung der Reparaturkosten wie hier auf der Grundlage eines Gutachtens vorliegt) verlangen, dass ihm im Falle der tatsächlichen Durchführung der Reparatur die dann anfallende Umsatzsteuer erstattet wird. Allerdings sei in diesem Fall der Erstattungsanspruch rechnerisch auf den Betrag beschränkt, der aus der fiktiven der Umsatzsteuer die fiktiv abgerechneten Kosten einschließlich darauf entfallender Umsatzsteuer übersteigen, müsste der Geschädigte zu einer konkreten Abrechnung auf der Grundlage der Schadensabrechnung berechnet werden kann. Würden die konkreten Reparaturkosten einschließlich tatsächlich entstandenen Reparaturkosten übergehen. Der Geschädigte müssen sich an der gewählten Art der Schadensberechnung festhalten lassen; eine Kombination von abstrakter und konkreter Abrechnung zur Schadensberechnung sei unzulässig (im Anschluss an BGH, Urteil vom 24.01.2017 – VI ZR 146/16 -).


OLG Koblenz, Urteil vom 22.06.2017 - 1 U 1155/16 -

Dienstag, 5. September 2017

Schadensersatzpflicht des Huforthopäden bei Behandlung ohne Abstimmung mit Pferdeeigentümer im Einzelfall

Der Beklagte Huforthopäde befand sich auf dem Hof der Klägerin und hatte in Absprache mit der Klägerin (aus Gefälligkeit) in Ansehung einer Problematik bei einem Pferd der Klägerin due Hufeisen von den vorderen Pferdehufen abgenommen und ein Hufgeschwür festgestellt. Die weitere Behandlung erfolgte auf Empfehlung des beklagten durch den Huforthopäden H., mit dem es am Folgetag zu einer Säuberung des Fäulnisherdes kam. Am folgenden Tag, dem Abreisetag des Beklagten, behandelte dieser das Pferd ohne Ansprache mit der Klägerin neuerlich, öffnete den Huf und unterließ in der Folge das Anlegen eines Druckverbandes. Die Klägerin rief schließlich einen Tierarzt und macht Aufwendungen für die Heilbehandlung des Pferdes von € 13.441,63 als Schadensersatz geltend.

Das Landgericht gab der Klage nur teilweise statt und hat insbesondere ein Mitverschulden der Klägerin zu ½ mit der Begründung angenommen, diese hätte zügig einen Tierarzt zu Rate ziehen müssen.  Die Berufung der Klägerin war im Wesentlichen erfolgreich.

Die Öffnung des Hufes durch den Beklagten am Tag seiner Abreise sei ohne Einwilligung der Klägerin unternommen worden und damit rechtswidrig. Der Umstand, dass die Klägerin zwei Tage vorher mit den Maßnahmen des Beklagten einverstanden gewesen sei, würde nicht zu einer generellen Bewilligung sämtlicher Behandlungsmaßnahmen führen können, zumal es sich um einen neuen invasiven Eingriff gehandelt habe. Zudem habe es sich um einen veterinärmedizinischen Eingriff gehandelt, den ein Huforthopäde gar nicht hätte vornehmen dürfe. Und der Eingriff sei auch nicht lege artis ausgeführt worden, da zu groß und ohne Druckverband.

Eine Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens nach § 254 BGB scheide aus. Wegen der Tätigkeit des Beklagten selbst war die Klägerin nicht veranlasst, unverzüglich einen Tierarzt zu rufen. Auch wenn sie als Pferdehalterin wohl einige Erfahrung habe, sei der der Beklagte als Huforthopäde weitaus erfahrener und hätte für sich keine Veranlassung für die Klägerin bestanden, noch einen Tierarzt (kurzfristig) hinzuzuziehen. Auch der Umstand, dass die Klägerin den Druckverband nicht anlegte, könne ihr entgegen der landgerichtlichen Entscheidung nicht zum Vorwurf gemacht werden, da sie das Erfordernis nicht habe erkennen können.


OLG Koblenz, Urteil vom 18.01.2017 - 5 U 1021/16 -