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Sonntag, 18. August 2019

Städtebaulicher Vertrag über den Kauf eines Grundstücks und Dauer des Wiederkaufsrechts der Gemeinde


Der Kläger kaufte am 17.09.1996 von der beklagten Stadt  ein in einer ehemaligen Kleingartenanlage, die von der Stadt in 1959 in ein Siedlungsgebiet umgewandelt wurde, zum Preis von DM 101.790,00 ein 552qm großes  Grundstück, wobei zwischen den Parteien Streit bestand, ob dies einen Preisnachlass von 20% oder 29% vom Wert darstellt. Im Gegenzug zu dem Preisnachlass erhielt die Beklagte ein Wiederkaufsrecht von 30 Jahren, beginnend mit dem Eigentumserwerb, u.a. für den Fall, dass der Kläger das Grundstück Dritten ganz oder teilweise verkauft oder zur eigentumsähnlichen Nutzung überlässt. Die Wahrung des Eigentums an dem Grundstück erfolgte am 06.05.1999 im Grundbuch. Nachdem der Kläger die Beklagte 2013 darüber informierte, dass er das Grundstück verkaufen wolle, bot ihm diese an, gegen Zahlung von € 47.078,78 auf das Wiederkaufsrecht, welches nach ihrer Ansicht am 16.03.2017 ende, zu verzichten. Der Kläger zahlte den Betrag unter Vorbehalt der Klärung der Wirksamkeit des Wiederkaufsrechts und verkaufte mit Vertrag vom 01.02.2016 das Grundstück zu € 335.000,00.

Die Klage auf Rückzahlung der € 47.078,78 war erfolgreich. Das OLG wies die Berufung der Beklagten zurück. Auf die Revision der Beklagten änderte das Landgericht das Urteil unter Abweisung der Klage ab.

Nach Auffassung des BGH stünde dem Kläger kein Anspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt auf Rückzahlung des unter Vorbehalt gezahlten Ablösebetrages zu.

Zutreffend sei allerdings die Auffassung des OLG, dass die Regelung zum Wiederkaufsrecht im Hinblick auf die Dauer von 30 Jahren nichtig sei, § 134 BGB. Sie stelle sich sowohl nach § 6 Abs. 3 S. 4 BauGB-MaßnahmenG idF. Vom 22.04.1993 (jetzt: § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB) als auch nach § 9 Abs. 1 AGBG (iVm. Art. 229 § 5 S. 1 EBGB) als eine unangemessene Vertragsbestimmung dar (dabei ließ es dahingestellt ob, Klauseln eines privatrechtlichen städtebaulichen Vertrages nach dem Ablauf der Frist zur Umsetzung der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen zum 31.12.1994 alleine an den Vorgaben des § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB oder auch an §§ 307ff BGB zu messen seien, da der Vertrag vorher geschlossen wurde). Nach § 6 Abs. 2 BauGB-MaßnahmenG 1993 müssten in Ansehung des Ziels der Bauleitplanung, die Nutzung entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplanes oder die Deckung des Wohnbedarfs,  die in dem städtebaulichen Vertrag vereinbarten Leistungen insgesamt angemessen sein. Das bedeute, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs die Gegenleistung nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert der von der Behörde erbrachten / zu erbringenden Leistung stünde und auch ansonsten die Übernahme von Pflichten zu keiner unzumutbaren Belastung für den Vertragspartner der Behörde führen würfe. Dieser Prüfungsmaßstab gelte auch im Rahmen von § 9 AGBG. Danach sei die an sich zulässige Bindungswirkung im Hinblick auf deren Dauer von 30 Jahren unwirksam. Dies würde auch bei einem von der Beklagten behaupteten Nachlass von 29% gelten. Es handele sich um eine Beschränkung im Rahmen einer Subventionierung durch die öffentliche Hand, bei der die den Käufer auferlegten Bedingungen nicht zu einer unzumutbaren Belastung führen dürften. Es bedürfe also einer zeitlichen Begrenzung zur Ausübung des Wiederkaufsrechts im Verhältnis zu Höhe des Nachlasses. Besondere Umstände, die hier diese Bindungsdauer rechtfertigen könnten lägen nicht vor. Weder habe die Subventionierung über dem üblichen Rahmen (bei Einheimischenmodellen idR. 30%) gelegen, noch seien andere diese Dauer rechtfertigende Umstände erkennbar.

Die Nichtigkeit der zeitlichen Komponente führe aber nicht auch zur Nichtigkeit des vereinbarten Wiederkaufs als solchem. Die Lücke sei durch §§ 157, 133 BGB zu schließen. Das Verbot der geltungserhaltendem Reduktion von Klauseln nach §§ 9ff AGBG (heute: §§ 307ff BGB)  gelte nichts ausnahmslos. Bei Fehlen gesetzlicher Regelungen, die an die Stelle der unwirksamen Klausel treten (vgl. § 306 Abs. 2 BGB) würde die ersatzlose Streichung der Klausel zu einem Ergebnis, dass den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trage, sondern das gesamte Vertragsgefüge einseitig zugunsten des Vertragspartners des Verwenders verschiebe, so dass diesem ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zumutbar wäre, käme keine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht (BGH, Urteil vom 16.04.2010 - V ZR 175/90 - zu § 306 Abs. 3 BGB; BGH, Urteil vom 06.07.2016 - IV ZR 44/15 -). Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG würde die nach dem Vertrag bestehende formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragspartner unter Berücksichtigung ihrer beiderseitigen Interessen durch eine materielle Ausgewogenheit ersetzt und so ihre Gleichheit wiederhergestellt (BGH, Urteil vom 06.04.2013 - VIII ZR 80/12 -).

Die Beklagte habe dem Kläger das Grundstück zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preis verlauft, was ihr in Ansehung des Gebots der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel nur gestattet sei, wenn dies der Erfüllung legitimer öffentlicher Aufgaben diene und die zweckentsprechende Mittelverwendung sichergestellt sei (§ 90 GO NRW). Das zeitlich befristete Wiederkaufsrecht würde mithin erst die Grundlage für den Verkauf begründen können. Die ersatzlose Streichung der Klausel würde dazu führen, dass der Vertrag insgesamt keinen Bestand mehr haben könnte, käme es nicht zu einer ergänzenden Vertragsauslegung gem. § 6 Abs. 3 AGBG (jetzt: § 306 Abs. 3 BGB) (dazu EuGH, Urteil vom 07.08.2018  C-96/16 und C-94/17; BGH vom 16.04.2016 - VIII ZR 79/15 -). Durch die Nichtigkeit der Klausel insgesamt und damit dem fehlenden Bestand für den Vertrag  würde der Kläger entgegen der Zielsetzung des Unionsgesetzgebers eines bestmöglichen Verbraucherschutzes schlechter gestellt als durch eine ergänzende Vertragsauslegung.

Die ergänzende Vertragsauslegung habe nach dem objektivierten hypothetischen Parteiwillen so zu erfolgen, dass ein Gleichgewicht der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien wiederhergestellt  und die materielle Ausgewogenheit gewahrt würde. Ausgehend von einem vom Kläger behaupteten Preisnachlass von 20% würde dies bei einer Dauer des Wiederkaufsrechts von 20 Jahren der Fall sein. Eine solche Frist diene dem von der Gemeinde verfolgten Zweck der Verhinderung einer Grundstücksspekulation und stelle zugleich eine adäquate Gegenleistung des Käufers für den verbilligten Erwerb dar.

Da die Weiterveräußerung rund 17 Jahre nach der grundbuchlichen Wahrung bzw. 19,5 Jahre nach Abschluss des Kaufvertrages erfolgte, könne der Kläger den Ablösebetrag nicht zurückverlangen.

BGH, Urteil vom 15.02.2019 - V ZR 77/18 -

Sonntag, 17. September 2017

Ausschreibung: Abweichung in dem Leistungsangebot und Vertragsauslegung

Die Klägerin kündigte den  mit der Beklagten abgeschlossenen Bauvertrag und verlangte von dieser die höhere Vergütung eines sodann (nach Neuausschreibung)  beauftragten Drittunternehmers als Schadensersatz.  Vorausgegangen war dem eine Ausschreibung der Klägerin, in der u.a. zum Bodenbelag Betonwerkstein „Select“ Art.-Nr. 7432 mit einer „Plattendicke 2cm“  gefordert wurde. Die Beklagte bewarb sich und gab im Bieterverzeichnis zu dieser Position den Bodenbelag „Typ Petra 93.70 A.T. konventionell“ an. Von der Klägerin wurde der Beklagten, nach Besichtigung einer Musterplatte mit einer kleineren Fläche von 15 x 15cm und einer Plattendicke von 2cm der Zuschlag erteilt. In der Folge kam es zwischen den Parteien zu einem Streit, da das von der Beklagten im Bieterverzeichnis eine Plattendicke von 26mm aufwies. Die Beklagte wies die Forderung der Klägerin auf eine Plattendecke von 20mm zurück, weshalb die Klägerin schließlich den Vertrag fristlos kündigte.

Gegen das der Klage stattgebende Urteil legte die Beklagte Berufung ein.

Das Landgericht ging, von der Berufung insoweit auch nicht angegriffen, davon aus, dass die Kündigung gerechtfertigt gewesen sei, wenn zwischen den Parteien eine Plattendicke von 20mm vereinbart gewesen sei. Von einer solchen Vereinbarung  sei entgegen der Annahme  der Beklagten auszugehen.

Die Beklagte könne, so das OLG, nicht damit gehört werden , dass sich ihr Angebot auf einen Plattentyp mit einer Plattendicke von 26mm bezogen habe. Das der Ausschreibung zugrunde liegende Leistungsverzeichnis habe deutlich eine Plattendicke von 20mm hervorgehoben. Die ergänzende Produktangabe könne die Vorgabe nicht entkräften, was sich daraus ergäbe, dass es das von der Klägerin benannte Produkt mit der Plattendicke gäbe. Dem stünde auch der Einwand der Beklagten nicht entgegen, dass die Standarddicke dieses Produkts 28mm betrage, da entscheidend die Ausschreibung mit 20mm sei und dies auch vom Hersteller angeboten würde.  

Es sei eine Frage der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB, welche Leistung letztlich vereinbart war. Abzustellen sei darauf, wie ein objektiver Dritter bei vernünftiger Beurteilung der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände die von den Erklärenden gewählte Bezeichnung hätte verstehen können oder müssen. Alleine der Umstand, dass die von der Beklagten angebotene Platte evtl. nur mit einer Dicke von 26mm hergestellt wird, führe nicht notwendig zu einem Dissens, da dieser nicht schon dann vorliege, wenn die Parteien sich nicht hinsichtlich des Gewollten zutreffend abgestimmt hätten. Ein einseitiger Inhaltsirrtum führe nicht zum Dissens, wenn die andere Partei ihren Willen korrekt zum Ausdruck gebracht hat und zudem auch die Erklärung des Kontrahenten als mit seiner eigenen Vorstellung als übereinstimmend ansehen durfte (normativer Konsens mit Möglichkeit zur Irrtumsanfechtung). Damit sei vorliegend entscheidend, ob die Angabe im Angebot der Beklagten „konventionell“ von der Klägerin dahingehend hätte verstanden werden müssen, es handele sich um Platten mit einer Dicke von 26mm.

Nach einem eingeholten Gutachten folgt das OLG dem Sachverständigen dahingehend, dass für die Beklagte hätte klar sein müssen, dass die Plattenstärke von 20mm ein wesentlicher Gesichtspunkt gewesen sei und die Beklagte nicht den Terminus „konventionell“ erläutert habe. Es sei von daher für einen ausschreibenden Ingenieur nicht ersichtlich gewesen, dass eine Plattenstärke von 26mm angeboten würde.  Die Klägerin sei, so das OLG, auch nicht verpflichtet gewesen, die angebotenen Materialien (ohne dass es dafür Anhaltspunkte gab) zu untersuchen oder nachzufragen.


OLG Koblenz, Urteil vom 08.02.2017 - 5 U 896/16 -