Die Klägerin machte gegenüber der
Beklagten Handelsvertreterausgleichsansprüche geltend. Zwischen den Parteien war
streitig, ob insoweit auch Kunden zu berücksichtigen sind, die zwar schon
Kunden der Beklagten waren, aber erst von der Klägerin für die zu ihrem
Vertriebsbereich gehörigen Brillenkollektionen zum Kauf veranlasst wurden.
Das Berufungsgericht hatte dies bejaht. Neukunden seien grundsätzlich nur
solche, die bisher noch keine Geschäfte mit dem Unternehmer getätigt hätten.
Grundsätzlich sei der Begriff Neukunde branchenspezifisch zu verstehen. Dies
käme allerdings vorliegend nicht in Betracht, da die Klägerin nicht die gesamte
Produktpalette zum Vertrieb anvertraut wurde, sondern lediglich bestimmte
Kollektionen. Damit habe die Klägerin die Optiker davon überzeugen müssen, als
Neukunde für diese Kollektionen mit dem Unternehmer (Beklagte) Geschäfte zu
tätigen. Damit sei die Klägerin in Konkurrenz zu anderen Handelsvertretern der
Beklagten getreten. Dem Umstand, dass die Klägerin Kundenlisten von der
Beklagten erhalten habe, sei durch einen Billigkeitsabschlag Rechnung zu
tragen.
Dem folgt der BGH (so) nicht.
Er verweist darauf, dass nach §
89b HGB Neukunden diejenigen wären, mit denen der Unternehmer noch keine
Geschäfte getätigt habe, sondern erstmals durch Vermittlung des
Handelsvertreters solche tätige. So sei auch anerkannt, dass bei einer
Produkterweiterung kein Neukundengeschäft vorläge, wenn der das gesamte
Warensortiment bewerbende Handelsvertreter mit Bestandskunden Geschäfte über
die neuen Produkte zum Abschluss bringe. Neben dem Neukunden käme als
ausgleichspflichtiger Gesichtspunkt auch die wesentliche Erweiterung der
Geschäftsverbindung mit einem vorhandenen Kunden in Betracht.
Nach der auf Vorlagebeschluss
durch den BGH in diesem Rechtsstreit ergangenen Entscheidung des EuGH vom
07.04.2016 – C.315/14 - zur Auslegung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie
86/653/EWG ist als Neukunde auch derjenige anzusehen, der zwar wegen anderer
Waren bereits Geschäftsverbindungen zum Unternehmer unterhielt, wenn der
Verkauf durch den Handelsvertreter eine spezielle Geschäftsverbindung erfordert
habe. Damit, so der BGH, habe die Beurteilung, ob es sich um einen Neukunden
handele, an den Waren zu orientieren, mit deren Vertrieb der Handelsvertreter
beauftragt wurde. Damit sei nicht ausgeschlossen, dass der Handelsvertreter in
Bezug auf das ihm zugeteilte Warensortiment mit einem Bestandskunden durch
seine Vermittlungsbemühungen und Verkaufsstrategie im Hinblick auf diese Waren
eine spezielle Geschäftsverbindung begründet, weshalb dieser Kunde als Neukunde
zu bewerten sei.
Entscheidend sei mithin, was vom
Berufungsgericht bisher nicht geprüft wurde, ob der Vertrieb der der Klägerin zugewiesenen
Brillenmarken eine besondere Verkaufsstrategie im Hinblick auf die Begründung
einer speziellen Geschäftsverbindung zu diesen Kunden erfordert. Vor diesem
Hintergrund hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und zur anderweitigen
Verhandlung an dieses zurückverwiesen.
Anmerkung: Hier hat der BGH den Parteien Steine statt Brot
gegeben. Was soll eine „besondere Verkaufsstrategie“ sein und was versteht er
unter einer „speziellen Geschäftsverbindung“ ?
Im vorliegenden Fall wurden vom Unternehmer Brillen vertrieben. Jeder
Handelsvertreter erhielt bestimmte Marken zum Vertrieb. Geht nun der
Handelsvertreter A zum Bestandkunden B um ihm vom Kauf „seiner“ Marke zu überzeugen,
kann dies zur Konsequenz haben, dass der Bestandskunde B zwar über A die von
diesem beworbene Marke kauft, dafür aber eine andere Marke des Unternehmers
nicht mehr. Der Unternehmer hat dann durch diesen Verkauf keinen zusätzlichen
Mehrwert. Das Kriterium der „wesentlichen Erweiterung der Geschäftsverbindung“,
bisher für den Ausgleichsanspruch auch bei Bestandskunden anerkannt, würde
entfallen.
BGH, Urteil vom 06.10.2016 – VII ZR 328/12 -