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Freitag, 13. Dezember 2019

Abgrenzung allgemeiner Familiensache von sonstiger Zivilsache


Der BGH hatte eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil des OLG Hamburg deshalb als unzulässig angesehen, da es sich um eine Familiensache handele. Während in Familiensachen Nichtzulassungsbeschwerden unzulässig sind, wäre sie auch bei einer Entscheidung durch das Familiengericht zulässig, wenn es sich tatsächlich um eine Familiensache handele, was vorliegend verneint wurde. Damit hatte sich der BGH mit der notwendigen Abgrenzung auseinandergesetzt.

Zugrunde lag dem folgender Sachverhalt: Die Parteien des Verfahrens waren seit 2002 getrennt und das Scheidungsverfahren war seit 2008 rechtshängig. Der Antragsgegner (AG) war bis 2011 alleiniger Gesellschafter der T GmbH, Geschäftsführer von 2003 bis 2008 die Antragstellerin (AS) sowie über 2008 hinaus die neue Lebensgefährtin  des AG, der der AG in 2011 seine Gesellschaftsanteile übertrug.   Die Parteien hatten der Gesellschaft in 2002 Kredite gewährt, deren Rückzahlung „auf erstes Anfordern“ erfolgen sollte. Im März 2014 forderte die AS den AG auf, gemeinsam mit ihr die Kündigung der Kredite gegenüber der Gesellschaft zu erklären, worauf der AG nicht reagierte. Mit ihrer 2014 erhobenen Klage forderte die AS die Abgabe der erforderlichen Willenserklärung vom AG. Der AG verteidigte sich damit, dass er in 2003 der AS die Hälfte des Kredites in bar ausgezahlt habe. Das Landgericht hatte nach Hinweis auf Antrag beider Parteien den Rechtsstreit an das Amtsgericht – Familiengericht – verwiesen, welches den Antrag der AS zurückwies. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor dem OLG (während dem die Scheidung der Ehe ausgesprochen wurde und der AG seine Lebensgefährtin heiratete) stellte die AS als Hilfsantrag einen Zahlungsantrag, dem das OLG stattgab. Dagegen richtete sich die Nichtzulassungsbeschwerde des AG.

Da die Nichtzulassungseschwerde in Familiensachen nicht gegeben sei und eine Rechtsbeschwerde nur bei hier nicht vorliegender Zulassung nach § 70 Abs. 1 FamG statthaft sei, käme es darauf an, ob es sich tatsächlich um eine sonstige Familiensache nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG handele.

Sonstige Familiensachen seien Verfahren, die Ansprüche zwischen miteinander verheirateter oder ehedem verheirateter Personen oder zwischen einer solchen und einem Elternteil im Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe beträfen, sowie nicht die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts oder das Verfahren eines der in § 348 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) bis k) ZPO genannten Sachgebiete, Wohnungseigentumsrecht oder Erbrecht betroffen sei und sofern es sich nicht nach anderen Vorschriften um eine Familiensache handele. Ordnungskriterium sei die Sachnähe des Familiengerichts zum Verfahrensgegenstand, welches im Interesse der Beteiligten alle durch den sozialen Verband der Ehe und Familie sachlich verbundenen Rechtsstreitigkeiten entscheiden soll. In den Fällen des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG müsse ein Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe bestehen, was dann der Fall sei, wenn das Verfahren vor allem der wirtschaftlichen Entflechtung der (vormaligen) Ehegatten diene. Für die Prüfung käme es nicht lediglich auf den klägerischen Vortrag, sondern auch auf jenen des Beklagten an.   

Die AS habe hier das Ziel der Auflösung einer Mitgläubigerschaft mit dem AG (§ 432 BGB) verfolgt. Streitig sei hier lediglich gewesen, ob durch eine Barzahlung des AG die Entflechtung bereits erfolgt sei. Dass der Anspruch seinen Rechtsgrund nicht unmittelbar in der Ehe habe oder aus dieser herrühre, sei unschädlich. Der Begriff des Zusammenhangs mir der Beendigung der ehelichen Gemeinschaft sei großzügig zu beurteilen. Dies sei nur dann nicht der Fall, wenn ein familienrechtlicher Bezug völlig untergeordnet sei, was nicht der Fall sei, wenn Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe hinsichtlich der geltend gemachten Rechtsfolge (wie hier) ursächlich sei.

Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde in der Folge zurückgenommen.

BGH, Hinweisbeschluss vom 22.08.2018 - XII ZB 312/18 -

Sonntag, 13. November 2016

Haftung des Versicherungsmakler: Zum Inhalt und Umfang der Beratungs- und Aufklärungspflicht

Der Versicherungsmakler ist Vertreter des Versicherungsnehmers; mit seiner Hilfe will der (künftige) Versicherungsnehmers eine auf seine Bedürfnisse geschnittene Versicherung abschließen. So zumindest die Idealvorstellung.

Die Klägerin machte gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche geltend, nachdem es bei ihr infolge eines Fehlalarms zur Auslösung der Sprinkleranlage kam und dadurch die Halle mit Löschschaum gefüllt wurde. Dadurch seien von der Betriebsunterbrechungsversicherung nicht gedeckte Schäden von mehr als € 10 Mio. entstanden. Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab. Auf die Revision erfolgte die Zurückverweisung an das OLG.

Grundlage eines möglichen Anspruchs gegen den Versicherungsmakler ist § 280 Abs. 1 BGB (heute als lex specialis §§ 59ff VVG, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitigen Maklervertrages noch nicht galten). Zu den Pflichten des Versicherungsmakler führte der BGH aus, dieser sei Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers; er müssen für diesen individuellen, auf das entsprechende Objekt passenden Versicherungsschutz besorgen, oft kurzfrostig. Von daher würde er über einen Geschäftsbesorgungsvertrag meist zur Tätigkeit für den Versicherungsnehmers, auch zum Abschluss des Vertrages,  verpflichtet. Der Versicherungsmakler würde von sich aus das Risiko untersuchen und das Objekt prüfen und den Versicherungsnehmer als seinen Auftraggeber stets unterrichtet halten. Vor diesem Hintergrund könne der Versicherungsmakler als treuhändlerähnlicher Sachwalter des Versicherungsnehmers bezeichnet werden und mit einem sonstigen Berater verglichen werden. Dies unabhängig davon, ob die Provision des Versicherungsmaklers von dem Versicherer getragen würde.

Es sei vorliegend nicht erwiesen, dass die Klägerin von der Beklagten die Vermittlung eines umfassenden, alle Risiken abdeckenden Versicherungsschutzes bei der Betriebsunterbrechungsversicherung verlangt habe. Entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts würde dies aber einem Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht entgegenstehen. Zwar sei von der beklagte darauf hingewiesen worden, dass gegenüber der Klägerin Versicherungslücken aufgezeigt worden wären. Allerdings erfülle der Versicherungsmakler seine Pflicht nicht alleine dadurch, dass er auf alle Risiken hinweist und anrät, gegen alle diese Risiken zu versichern. Vielmehr bestünde die pflichtgemäße Beratung in einem am konkreten Bedarf des Versicherungsnehmers orientierten Hinweis auf eine sach- und interessengerechte Versicherung und darüber hinaus in einer Information über die dafür erforderlichen Kosten. Entsprechendes sei von der Beklagten nicht vorgetragen worden. Da in der Betriebsunterbrechungsversicherung eine Vielzahl von Risiken einzeln wie auch zusammen versicherbar wären, wäre die Empfehlung, alle Unternehmen der Gruppe gegen alle Risiken zu versichern, verfehlt und ersichtlich nicht sachgerecht.

Etwas anderes gelte nur dann, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherungsnehmer unmissverständlich klar macht, dass er keine weitere Beratung wolle und darauf verzichte.

Dem Versicherungsmakler trifft für die Erfüllung der Aufklärungs- und Beratungspflicht die sekundäre Beweislast, für einen Verzicht des Versicherungsnehmers die Darlegungs- und Beweislast.


BGH, Urteil vom 10.03.2016 – I ZR 147/14 -

Samstag, 8. Oktober 2016

Prüfung der Sachverständigenkosten durch Geschädigten auf Plausibilität

Allgemein ist anerkannt, dass die von einem Geschädigten nach einem Verkehrsunfall aufgewandten Sachverständigenkosten zur Begutachtung seines Fahrzeuges mit dem Schaden verbundene und gem. § 249 BGB auszugleichende Vermögensnachteile, wenn das Gutachten zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche erforderlich und zweckentsprechend ist (z.B. in der Regel dann nicht, wenn es sich um Bagatellschäden handelt). Allerdings kann der Geschädigte nicht die Rechnung des Sachverständigen ungeprüft anweisen in der Annahme, der generische Versicherer müsse  sie insgesamt bezahlen.  

Vorliegend hatte sich der Sachverständige (Kläger) seine Kosten von dem Geschädigten abtreten lassen und klagte diese ein. Diese wendet sich gegen die Höhe der berechneten Kosten. Er berechnete  brutto € 787,01, wovon auf das Grundhonorar netto € 434,00 entfielen und netto € 227,53 auf Positionen wie EDV-Abruf, Telefon pp. Vorgerichtlich zahlte die Haftpflichtversicherung der Beklagten € 252,50. Das Landgericht verurteilte zur weiteren Zahlung von € 429,01. Die vom Landgericht zugelassene Revision beider Parteien wurde vom BGH zurückgewiesen.

In seinen Entscheidungsgründen stützt der BGH die Rechtsauffassung des Landgerichts, dass dem Geschädigten eine gewisse Plausibilitätskontrolle aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot heraus obliege. Zwar sei der Geschädigte nicht verpflichtet, im Interesse des Gegners einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen zu suchen. Allerdings verbliebe das Risiko bei ihm, dass er sich einen Sachverständigen aussucht, der sich später im Prozess als zu teuer erweist. Denn er könne nur die Kosten nach § 249 BGB verlangen, die eine verständige, wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Lage als zweckmäßig und notwendig ansehe. Verlange der sachverständige bereits bei Beauftragung Preise, die für den Geschädigten erkennbar überteuert sind, kann sich dessen Beauftragung als nicht iSv. § 249 BGB erforderlich erweisen. In diesem Fall könne er nur die Kosten verlangen, die der Tatrichter nach § 287 ZPO für erforderlich hält.

Vorliegend wären die mit € 1,05/km berechneten Fahrtkosten, € 2,45 bzw. € 2,05/Foto, Schreibkosten € 3,00 und € 1,00/Kopie überhöht. Dies sei für jeden ersichtlich, unabhängig davon, ob Kenntnis des JVEG (Justizvergütungs- und –entschädigungsgestzes), welches für jeden zugänglich sei, bestünden. Es sei von daher auch nicht fehlerhaft, wenn das Landgericht für seine Schätzung (mit Ausnahme der Fahrtkosten) das JVEG angewandt habe. Bezüglich der Fahrtkosten hatte hier das Landgericht nicht auf das JVEG abgestellt, welches für Sachverständige eine Vergütung von € 0,30/km vorsieht (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 iVm. 5 JVEG), sondern auf der Grundlage von Autokostentabellen einen Betrag von € 0,70/km, was auch nicht zu beanstanden sei.

Der BGH weist darauf hin, dass es ein ortsübliches Honorar für Sachverständige nicht gäbe. Es gäbe zu den Nebenkosten erhebliche Bandbreiten. Da es an einem ortsüblichen Honorar ermangelt, müsse der Tatrichter hier nach § 287 ZPO schätzen. Die Schätzgrundlagen wären richtig angewandt worden.  


BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15 -