Sonntag, 17. Oktober 2021

Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltsgebühren des Gläubigers trotz Klagedrohung ?

Wer bei Fälligkeit einer Forderung und Verzug (sei es durch Mahnung oder zulässige Frist nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) nicht zahlt, wird häufig vor einer Zahlungsklage des Gläubigers eine anwaltliche Mahnung erhalten, deren Kosten der Gläubiger ersetzt haben will. Kann er diese aber in jedem Fall begehren ?

Der BGH musste sich mit der Frage der Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Anwaltsgebühren befassen. Dem lag der Erwerb eines Diesel-Fahrzeuges durch den Kläger zugrunde, der durch anwaltliches Schreiben die Beklagte Zug-um-Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs zur Erstattung des Kaufpreises aufforderte. Nach fruchtlosen Ablauf der dort gesetzten Frist erhob er Klage, mit der er u.a. die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von € 1.171,67 (in Form eines Freistellungsantrages) geltend machte. Während des Landgericht der Klage im Wesentlichen stattgab, hat das Berufungsgericht – unter Zulassung der Revision – die Klage in Bezug auf die Anwaltsgebühren abgewiesen. Die Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der BGH wies darauf hin, dass es sich bei den geltend gemachten Rechtsanwaltskosten um einen Schadensersatzanspruch handele, der in erster Linie Sache des nach § 287 BBGB besonders frei gestellten Tatrichters sei und von daher nur dahingehend geprüft werden könne, ob dieser Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt habe, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt habe.

Ob und inwieweit der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Rechtsanwaltskosten erfasse müsse unter Beachtung des Unterschiedes zwischen dem Innenverhältnisses des Rechtsanwalts zu seinem Mandanten (Geschädigten) und des Außenverhältnisses zwischen Geschädigten zum Schädiger entschieden werden. Voraussetzung sei stets, dass im Innenverhältnis ein Anspruch des Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten auf Zahlung der Gebühren bestehe und im Außenverhältnis mit Rücksicht auf seine spezielle Situation die konkrete anwaltliche Tätigkeit erforderlich und zweckmäßig war (BGH, Urteil vom 22.01.2019 - VI ZR 403/17 -). Ob eine vorgerichtliche anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr des Rechtsanwalts nach Nr. 2300 VV RVG auslöse oder als lediglich vorbereitende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1S. 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug und daher mit der prozessualen Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten sei, gehöre dem Innenverhältnis an und sei von Art und Umfang des erteilten Mandats abhängig. Sei der unbedingte Auftrag zur gerichtlichen Geltendmachung erteilt, würden bereits Vorbereitungsmaßnahmen diese Gebühr auslösen, auch wenn der Rechtsanwalt zunächst nur außergerichtlich tätig würde. In diesem Fall sei kein Raum für die Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG. Nur wen sich der Auftrag an den Rechtsanwalt auf die die außergerichtliche Tätigkeit beschränke oder der Prozessauftrag nur unter der aufschiebenden Bedingung der erfolglosen außergerichtlichen Tätigkeit beziehe, entstehe die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG.

Dies sei vom Landgericht im Rahmen des § 287 ZPO berücksichtigt worden. Es habe ausgeführt, der Kläger habe nicht schlüssig dargelegt, seinen Rechtsanwalt lediglich mit der außergerichtlichen Vertretung beauftragt zu haben oder einen nur bedingten Prozessauftrag erteilt zu haben. Grundlage war das vorgelegtes außergerichtliches Schreiben des Rechtsanwalts, in dem er darauf hinwies, dass für den Fall, dass nicht innerhalb der Frist gezahlt würde oder kein angemessenes Vergleichsangebot erfolge, Klage erhoben würde. Dies sei ein Indiz gegen die Behauptung, es sei nur ein Mandat zur außergerichtlichen Vertretung oder nur ein bedingter Prozessauftrag erteilt worden. Zwar ließe sich aus der nach außen gerichteten Tätigkeit des Rechtsanwalts und der dort vorgenommenen Klageandrohung nicht ohne Weiteres darauf schließen, dass er diese Tätigkeit im Rahmen eines ihm bereits unbedingt erteilten Klageauftrages ausübte oder ihm im Innenverhältnis tatsächlich zunächst nur eine Vertretungs- und kein (unbedingter) Prozessauftrag erteilt worden sei. Diese Unsicherheit gehe aber zu Lasten des Klägers, der darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen habe, dass er seinen Anwalt einen Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung erteilt habe.

BGH, Urteil vom 22.06.2021 - VI ZR 353/20 -

Donnerstag, 14. Oktober 2021

Dienstbarkeit auf Sondereigentum und Instandhaltungsrücklage der WEG (Erstattungsanspruch)

Zugunsten einer Sondereigentumseinheit auf dem Nachbargrundstück, an der der Beklagten 1/8 gehörte, bestand an 18 Tiefgaragenstellplätzen, deren Sondereigentum zu 1/18 bei der Klägerin lag, eine Grunddienstbarkeit. Eine Reglung zur Kostentragung für laufenden Unterhalt und Betriebskosten bestand nicht.  

In den Jahren 2014 bis 2016 will die Klägerin ihre Aufwendungen für die Instandhaltungsrücklage ihrer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) gezahlt haben. Mit ihrer Klage begehrt sie Erstattung gem. Ihrem Miteigentumsanteil und Feststellung, dass der Beklagte entsprechend die „TG Rücklagen Zuführung“ der Klägerin zu erstatten habe.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Nach § 1020 S. 2 BGB habe der Grunddienstbarkeitsberechtigte (hier die Beklagte), der zur Ausübung der Dienstbarkeit auf dem belasteten Grundstück eine Anlage (wie hier die Tiefgaragenstellplätze, s. OLG Hamm, Urteil vom 27.05.2013 - 5 U 163/12 -) halte, diese im ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten. Die Verpflichtung umfasse auch, soweit erforderlich, die Instandsetzung. Dies, insoweit er dafür sorgen müsse, dass von der Anlage keine Beeinträchtigungen des Eigentums ausgehen, die Anlage den Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht entspricht und er müsse gegebenenfalls auch für ein ordentliches Aussehen sorgen (BGH, Urteil vom 12.11.2004 – V ZR 42/04 -). Käme der Dienstbarkeitsberechtigte dem nicht nach, könne der Eigentümer die Maßnahmen in Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) selbst vornehmen und die Kosten nach §§ 683 S. 1, 670 BGB vom Dienstbarkeitsberechtigten verlangen, soweit dieser nicht widersprochen habe. Zudem sei der Dienstbarkeitsberechtigte zum Schadensersatz gegenüber dem Eigentümer nach §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 und 3 BGB verpflichtet (BGH aaO.).

In dem Fall, dass die Grunddienstbarkeit wie vorliegend an dem Sondereigentum eines Wohnungseigentümers bestünde, könne der Sondereigentümer die Kosten für die erforderliche Unterhaltung und ggf. für die Instandsetzung unmittelbar aus dem Begleitschuldverhältnis verlangen, welches zwischen dem Dienstbarkeitsberechtigten und ihm bestünde und seinen Ausdruck u.a. in der Unterhaltungsverpflichtung nach § 1020 S. 2 finde (BGH, Urteil vom 08.03.2019 - V ZR 343/17 -). Ein Anspruch aus GoA scheide in diesem Fall aus, da im Hinblick auf das Gemeinschaftseigentum der Dienstbarkeitsberechtigte nicht zur eigenen Durchführung der Unterhaltungsmaßnahmen berechtigt sei.

Die Bildung von Rücklagen für Erhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, die hier streitgegenständlich sind, würden aber nicht zu der Pflicht des Dienstbarkeitsberechtigten zählen, die Anlage in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten.

Der BGH habe bereits entschieden, dass eine Grunddienstbarkeit in Form eines Geh- und Fahrrechts an einem im Gemeinschaftseigentum der WEG stehenden Grundstück (Privatweg) die WEG nicht berechtige, im Hinblick auf eine künftige Unterhaltung der Privatstraße eine Instandhaltungsrücklage von dem Dienstbarkeitsberechtigten zu verlangen. Dafür gäbe § 1020 S. 2 BGB nichts her (BGH, Urteil vom 17.12.2020 - V ZR 125/10 -).

Nichts anderes würde hier gelten. Sei das Sondereigentum mit einer Grunddienstbarkeit belastet, könne der Sondereigentümer von dem Dienstbarkeitsberechtigten nicht die Zahlung der von ihm an die WEG erbrachten Zahlungen auf die Instandhaltungsrücklage erstattet verlangen, wenn keine davon abweichende Vereinbarung (§ 1021 Abs. 2 BGB) bestehe. Die Rücklage diene nicht der Unterhaltung der Anlage, sondern sei eine Vorsorge für den Fall, dass bei künftigen Erhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen die erforderlichen Mittel zur Verfügung stünden. Eine entsprechende Vorsorgeverpflichtung ergäbe sich aus § 1020 S. 2 BGB nicht. Sei der Dienstbarkeitsberechtigte zum Zeitpunkt der notwendigen Durchführung solcher Maßnahmen außer Stande, die zu finanzieren, realisiere sich das allgemeine Risiko jedes (ungesicherten) Gläubigers. Auch aus dem Umstand, dass der Eigentümer die Kosten einer Haftpflichtversicherung zur Abdeckung der Risiken der Verletzung der dem Dienstbarkeitsberechtigten obliegenden Verkehrssicherungspflicht tragen müsse, ergebe sich nichts anderes; der Abschluss der Versicherung mit der damit verbundenen – nichts erst zukünftig anfallenden – Prämienzahlung sei Bestandteil der Unterhaltungspflicht nach § 1010 S. 2 BGB (BGH, Urteil vom 08.03.2019 - V ZR 343/17 -).

Die Rechtsverhältnisse des Sondereigentümers zum Dienstbarkeitsberechtigten und zur WEG seien gesondert zu betrachten. Die Zahlungspflicht des Sondereigentümers für die Rücklage würde nach § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG a.F. / § 19. Abs. 2 Nr. 4 WEG n.F. bestehen und habe nicht die Zahlungspflicht des Dienstbarkeitsberechtigten zur Folge. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Rücklage nicht notwendig für die Instandhaltung der fraglichen Anlage genutzt werden müsse, sondern auch für sonstige Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum eingesetzt werden könne. Für § 1020 S. 2 BGB könne es ohnehin keine Rolle spielen, ob es sich bei dem Dienstbarkeitsverpflichteten um einen Alleineigentümer handele (dann würde die Pflicht zur Rücklagenbildung ohnehin nicht bestehen) oder um einen Sondereigentümer in einer WEG, der im Hinblick darauf besonderen Pflichten unterworfen sei.

Damit sei der Sondereigentümer (die Klägerin) darauf beschränkt, Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten für Instandhaltung und Instandsetzung zu verlangen. Setze die WEG die von der Grunddienstbarkeit umfassten Tiefgaragenstellplätze instand, könne die Klägerin den auf sie entfallenden Betrag  von dem Dienstbarkeitsberechtigten erstattet verlangen, unabhängig davon, ob die WEG die Kosten aus der Instandhaltungsrücklage entnommen habe oder auf sonstige Mittel der Gemeinschaft (so Sonderumlage) zurückgreife.

BGH, Urteil vom 18.06.2021 - V ZR 146/20 -

Montag, 11. Oktober 2021

GbR: Recht der Gesellschafter bei Immobilienteilungsversteigerung und Wiederversteigerung

Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) war Eigentümerin eines Grundstücks. Im Rahmen eines Antrags auf Teilungsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft (GbR) erfolgte die Zwangsversteigerung, bei dem es der Beteiligten zu 1 (B1), die neben den Beteiligten zu 2 (B2) und 3 (B3) Mitgesellschafter der GbR war, zugeschlagen wurde. Mit Ausnahme eines Teilbetrages zahlte B1 das Bargebot nicht. Das Vollstreckungsgericht ließ auf Antrag der GbR eine Sicherungshypothek auf dem Grundstück eintragen; B1 wurde als neue Eigentümerin eingetragen. Nachdem Einigungsversuche scheiterten, beriefen B2 und B3 für den 08.02.2018 eine Gesellschafterversammlung der GbR ein, zu der B1 nicht erschien, und beschlossen die Auflösung der Gesellschaft, eine Auseinandersetzungsbilanz und die Aufteilung der Forderung gegenüber B1. Am 18.07.2018 ordnete das Vollstreckungsgericht auf Antrag von B2 und B3 die Wiederversteigerung des Grundstücks aus der Sicherungshypothek an und bestimmte danach einen Versteigerungstermin. B1 beantragtem den Versteigerungstermin aufzuheben und das Zwangsversteigerungsverfahren vorläufig gem. § 28 Abs. 2 ZVG einzustellen. Sie vertrat die Auffassung, durch die Kündigung der Gesellschaft durch B2 und B3 seien diese aus dieser ausgeschieden und deren Vermögen sei auf ihn als verbliebenen Gesellschafter zu Alleineigentum übergegangen.

Das Vollstreckungsgericht stellte das Wiederversteigerungsverfahren vorläufig gem. § 28 ZVG ein und gab B2 und B3 Gelegenheit, ein Urteil des OLG Schleswig in einem Rechtsstreit der Beteiligten über die Voraussetzungen der Auseinandersetzung und Teilung des Gesellschaftsvermögens binnen einer gesetzten Frist vorzulegen und kündigte für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der Frist die Aufhebung des Wiederversteigerungsverfahrens an. Diesen Beschluss hob das Landgericht auf die Beschwerde von B1 und B2 auf. Dagegen wandte sich B1 mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, über die der BGH zu befinden hatte.

Das OLG wies die Rechtsbeschwerde von B1 zurück. Zwar sei das Wiederversteigerungsverfahren ein eigenständiges Versteigerungsverfahren mit in § 133 ZVG geregelten Besonderheiten, dessen Grundlage entweder die Forderung gegen den Ersteher, die das Vollstreckungsgericht nach § 118 Abs. 1 ZVG auf den Berechtigten übertragen habe, oder die auf Antrag des Berechtigten gewährte Sicherungshypothek (§§ 128 Abs. 1, 130 Abs. 1 ZVG; BGH, Urteil vom 20.02.2008 - XII ZR 58/04 -). Erbringe der Ersteher nach dem Zuschlag das Bargebot nicht (oder nur teilweise) und sei daher die GbR berechtigt, den Wiederversteigerungsantrag zu stellen, müsse der Antrag auf Wiederversteigerung durch einen zur Vertretung der Gesellschaft berechtigten Gesellschafter erfolgen; dem einzelnen Gesellschafter stehe das Recht nicht zu.

Eine Besonderheit bei dem Vertretungsrecht bestehe allerdings dann, wenn sich wie hier die Wiederversteigerung eines Grundstücks an eine Teilungsversteigerung zum Zwecke der Auseinandersetzung der Gesellschaft anschließe, weil der Ersteher des Bargebot nicht entrichtete.  Mit der Nichtentrichtung habe die Teilungsversteigerung ihr eigentliches Ziel, das Grundstück in Gelt zum Zweck der Ermöglichung der Auseinandersetzung der Gesellschaft nicht erreicht. Dies ließe sich sachgerecht nur erreichen, wenn jeder Gesellschafter in dieser Situation berechtigt sei, auch ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter die Wiederversteigerung zu betreiben.

Zwar stünde das Grundstück nicht im Miteigentum der Gesellschafter, sondern im Alleineigentum der Gesellschaft. Damit ergäbe sich die Zulässigkeit der Teilungsversteigerung nicht direkt aus § 180 Abs. 1 ZVG, doch folge das Recht aus dem Umstand, dass für die Auseinandersetzung einer gekündigten GbR gem. § 731 S. 2 BGB die Regeln der Gemeinschaft gelten würden und damit nach § 735 Abs. 1 BGB eine Teilungsversteigerung nach § 180 ZVG betrieben werden könne (BGH, Beschluss vom 16.05.2013 - V B 198/12 -).

Die Teilungsversteigerung ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter der GbR könne ein Gesellschafter nur betreiben, wenn er als Gesellschafter (im Grundbuch, § 47 Abs. 2 GBO) eingetragen sei und den Nachweis des Zugangs der Kündigung erbringen könne (Anm: Es empfiehlt sich, die Kündigung mittels Gerichtsvollzieher zustellen zu lassen, da damit ein leichter urkundlicher Beweis des Zugang erfolgen kann). Das Fehlen anderer Voraussetzungen könnten die übrigen Gesellschafter nicht mit versteigerungsrechtlichen Rechtsbehelfen geltend machen, sondern nur mit einer Widerspruchsklage analog § 771 ZPO, in dessen Rahmen das Zwangsversteigerungsverfahren analog § 769 ZPO durch einstweilige Anordnung vorläufig ausgesetzt werden könnte (BGH, Beschluss vom 16.05.201 - V B 198/12 -).

Die gleichen Grundsätze würden für die Wiederversteigerung gem. § 133 ZVG gelten. § 731 S. 2 BGB verweise, wie dargelegt, auf die Vorschriften über die Teilung einer Gemeinschaft. § 735 Abs. 1 BGB sei nicht lediglich in Bezug auf die Auseinandersetzung durch Teilungsversteigerung anzuwenden, sondern auch auf den vorliegenden Fall, dass das Bargebot nicht (oder nicht vollständig) entrichtet wurde, der Anspruch auf den Erlösüberschuss gegen den Ersteher auf die GbR übergegangen sei und zu deren Gunsten eine Sicherungshypothek im Grundbuch zur Wahrung des Anspruchs eingetragen wird. Anstelle des Grundstücks treten in diesem Fall der Anspruch auf Übertragung der Forderung und die Sicherungshypothek, die nun zum Zwecke der Auseinandersetzung ebenfalls in Geld umgesetzt werden müssten.

Nach § 432 BGB stehe der Erlös aus der Teilungsversteigerung den Teilhabern unverteilt zu und diese Leistung könne jeder Teilhaber an alle fordern. Dieses Einziehungsrecht umfasse auch die gerichtliche Geltendmachung der gemeinschaftlichen Forderung und damit das Recht, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu betreiben (BGH, Urteil vom 20.02.2008 - XII ZR 58/04 -). Aus der Sicherungshypothek könne jeder früher als Bruchteilseigentümer eingetragene Beteiligte alleine vollstrecken und daher die nochmalige Versteigerung verlangen (BGH aaO.). Gleiches gelte für die GbR nach § 731 S. 2 BGB.

Der Umstand, dass die Auflösungsbilanz nur von allen Gesellschaftern gemeinschaftlich beschlossen werden könne, ändere daran nichts, da es hier nicht zur Vorwegnahme der Verteilung des Erlöses komme, weder im Rahmen der Teilungsversteigerung noch im Falle der Wiederversteigerung. Die Aufteilung des Übererlöses sei nicht Sache des Vollstreckungsgerichts sondern Sache der Gesellschafter.

BGH, Beschluss vom 08.07.2021 - V ZB 94/20 -

Samstag, 9. Oktober 2021

Fehlende Parteifähigkeit einer britischen Limited mit tatsächlichen Verwaltungssitz in Deutschland

Die Antragstellerin (AS), die nach ihrer Darstellung Kosmetikprodukte als Onlinehändlerin vertrieb, war eine in der britischen Rechtsform einer Limited betriebene Gesellschaft, wollte im Rahmen einer einstweiligen Verfügung eine kartellrechtliche Untersagung gegen einen Konkurrenten erwirken. Der Antrag wurde vom Landgericht als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Berufung wurde der Antrag als unzulässig zurückgewiesen. In beiden Instanzen wurde von der fehlenden Parteifähigkeit der AS ausgegangen.

Um klagen zu können, bedarf es der Parteifähigkeit nach § 50 Abs. 1 ZPO, die Land- und Oberlandesgericht der Klägerin absprachen. Die Parteifähigkeit ist gem. § 56 ZPO von Amts wegen untr freier Beweiswürdigung zu prüfen. Dabei ging das OLG davon aus, dass die AS ihre Parteifähigkeit mit dem Vollzug des Austritts des vereinigten Königsreichs aus der EU gem. Art. 50 EUV nah Ablauf der Übergangsfrist zum 31.12.2020 (Brexit), und damit vor der Antragstellung im vorliegenden Verfahren, verloren habe. Dies begründete das OLG damit, dass der tatsächliche Verwaltungssitz der AS in Deutschland sei.

Grundsätzlich würde gegenüber Drittstaaten wegen dem weder im sekundär anzuwendenden Regelungen des Unionsrechts noch im deutschen Recht enthaltenen Kollisionsregeln für Gesellschaften und juristische Personen die Sitztheorie Anwendung finden. Unter Sitz sei der tatsächliche Verwaltungssitz zu verstehen. Dieser sei an dem Ort, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt würden (BGH, Urteil vom 21.03.1986 - V ZR 10/85 -). Die AS habe nicht belegt, dass ihr tatsächlicher Veraltungssitz in Großbritannien – und nicht, wie von der Antragsgegnerin behauptet – in Berlin sei. Es sei von der AS eine abstrakte steuerrechtliche Aussage ohne konkreten Bezug zu der AS vorgelegt worden, nach der britische Unternehmen ohne Sitz, Geschäftsleitung oder Zweigniederlassung in Deutschland sich nach § 13b Abs.  7 UstG registrieren lassen müssten, weshalb sich zu einem Sitz in Großbritannien daraus nichts ergäbe. Auch eine weiter von ihr vorgelegte Unterlage sage nichts zu einem tatsächlichen Verwaltungssitz in Großbritannien aus; sie enthalte nur eine Bestätigung einer britischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die nicht weiter geprüfte Umsätze der AS enthalte. Beide vorgelegten Unterlagen würden zudem als Anschrift der AS zudem die Anschrift der  Wirtschaftsprüfungsgesellschaft enthalten, was nach lebensnaher Betrachtung die Vermutung zulasse, dass dort eine Umsetzung von Leitungsentscheidungen nicht stattfinde. Auch eine weitere Unterlage enthalte lediglich Angaben zu Buchhaltung und Steuerangelegenheiten, bei denen es sich lediglich um sekundäre Verwaltungstätigkeiten handeln würde. Ein verweis auf das Impressum der Webseite der AS ergäbe auch nichts zugunsten der AS, da dort auch nicht für eine Umsetzung der Leitungsentscheidungen in Großbritannien ersichtlich sei, vielmehr sogar eine Postfachadresse in Berlin angegeben worden sei.

Sei damit deutsches recht anzuwenden, sei der numerus clausus der Gesellschaftsformen zu beachten. Das deutsche Recht kenne die Gesellschaftsform der britischen Limited nicht, weshalb diese in Deutschland nicht rechtsfähig sei. Allerdings ei sie nach der sogenannten milden Form der Sitztheorie nicht als rechtliches Nullum zu behandeln, sondern je nach tatsächlicher Ausgestaltung als GbR, OHG oder – wie hier – bei nur einer Gesellschafterin als einzelkaufmännisches Unternehmen (BGH, Urteil vom 27.10.2008 - II ZR 158/06 -), was die volle persönliche Haftung zur Folge habe.

Auch das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich vom 24.12.2020 ändere daran nichts. Dieses regele den Zugang britischer Unternehmen zum Binnenmarkt. Es gewähre keine Rechtsposition, die der Niederlassungsfreiheit in der Ausprägung der EuGH-Rechtsprechung zur freien Wahl von Sitz und anwendbaren Gesellschaftsrecht gleichkomme. In einem Vorlageaufhebungsbeschluss vom 16.02.2021 - II ZB 25/17 – habe der BGH klar  ausgeführt, dass die Niederlassungsfreiheit (nach der eine Gesellschaft aus einem EU-Land in einem anderen EU-Land ihren Verwaltungssitz haben könne) voraussetze, dass der Staat, nach dessen Recht die Gesellschaft gegründet worden sei, zum Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit Mitgliedsstaat der EU sei.

OLG München, Urteil vom 05.08.2021 – 29 U 2411/21 Kart -

Freitag, 8. Oktober 2021

Darlegungslast zum Schaden bei Datenschutzverstoß, Ar. 82 DSGVO

Die Antragstellerin beantragte vergeblich Prozesskostenhilfe für eine Klage auf immateriellen Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld wegen Verstoßes gegen Datenschutzbestimmungen. Wie schon das Landgericht wies auch das OLG das Begehren zurück.

Dabei ging es nicht darum, ob von der Antragstellerin im Rahmen des § 114 ZPO substantiiert ein Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen durch den Antragsgegner dargelegt wurden. Entscheidend war gewesen, dass die Antragstellerin nach Überzeugung des LG und des OLG keinen Sachverhalt vorgetragen hatte, der den Anspruch begründen könnte. Zu dem in Art. 82 DSGVO normierten Anspruch müsse dargelegt werden, dass der Antragstellerin durch die Rechtsgutverletzung ein Schaden materieller oder immaterieller Art entstanden sei. Es ginge nicht (wie im Beschluss des BVerfG vom 14.01.2021 – 1 BvR 2853/19 -) um die Feststellung einer Erheblichkeitsschwelle für einen  Anspruch, sondern unabhängig von dieser darum, ob überhaupt ein solcher entstanden sein könnte (haftungsausfüllende Kausalität).

Art. 82 Abs. 1 DSGVO lautet:

„Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.“

Hanseatisches OLG Bremen, Beschluss vom 16.07.2021 - 1 W 18/21 -

Mittwoch, 6. Oktober 2021

Besitz und Haltereigenschaft am Fahrzeug und Aktivlegitimation für Schadensersatzanspruch

Der Kläger beantragte für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe, die ihm das OLG verwehrte mit Hinweis, darauf, dass es keine hinreichenden Aussichten auf Erfolg der Berufung sah. Dabei stellte das OLG darauf ab, dass das Eigentum des Klägers an dem BMW, für den er Schadensersatz aufgrund von Schäden anlässlich des streitgegenständlichen Unfallereignisses begehrte, nicht feststellbar sei.

Die Eintragung des Klägers in dem rumänischen Fahrzeugschein würde lediglich seine Haltereigenschaft dokumentieren, aber keinen Rückschluss auf sein Eigentum an dem Fahrzeug zulassen. Halter des Kfz sei derjenige, der es für eigene Rechnung in Gebrauch habe und die Verfügungsgewalt darüber besitze. Nicht entscheidend sei, wer Eigentümer sei. Für die Bestimmung des Halters käme es nur auf die wirtschaftliche Betrachtung an, mithin auf die Intensität der tatsächlichen (wirtschaftlichen) Beziehung zum Fahrzeug. Da ein Auseinanderfallen von Halter- und Eigentümerstellung bei Fahrzeugen nicht untypisch sei (Anm.: so z.B. bei Leasing oder bei bankfinanzierten Fahrzeugen durch Sicherungsübereignung), könne aus der Haltereigenschaft nicht auf die Eigentümerstellung geschlossen werden.

Auch könne sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die Vermutung des § 1006 BGB (Besitz streitet für Eigentum) berufen, die vom Anspruchsgegner widerlegt werden müsste. Zwar spräche die Sachherrschaft für den (unmittelbaren) Besitz am Fahrzeug, wenn der Kläger von der herbeigerufenen Polizei mit Fahrzeug und Fahrzeugschlüssel festgestellt worden sei und er sogar später das Sachverständigengutachten zur Feststellung des Schadens am Fahrzeug beauftrage.  Bestreitet in diesem Fall der Prozessgegner den Rechtserwerb, obläge dem Besitzer eine sekundäre Behauptungslast zu den Umständen des Eigentumserwerbs (KG, Urteil vom 30.08.2010 – 12 U 175/09 -). Der Kläger müsste daher die Umstände seines Besitz- und Eigentumserwerbs konkret und schlüssig vortragen, da ohne diesen Vortrag dem Gegner, der außerhalb des Geschehensablaufs stünde, von vornherein jede Möglichkeit des Gegenbeweises genommen würde (OLG Hamm, Beschluss vom 01.02.2012 – 9 U 238/12 -).  Hierzu ermangele es vorliegend an jeglichen Vortrag des Klägers, obwohl die fehlende Aktivlegitimation schon beklagtenseits erstinstanzlich gerügt wurde und der Klägervertreter sogar nach mündlicher Erörterung vor dem Landgericht die Flucht in die Säumnis angetreten ist und ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen ließ (gegen welches er dann Einspruch einlegte, ohne weitergehend zur Aktivlegitimation im dargelegten Sinne vorzutragen) und lediglich den Fahrzeugschein vorlegte. In Ermangelung dieses notwendigen Vortrages nach dem Bestreiten der Beklagtenseite war nicht festzustellen, dass der Kläger Eigentümer des BMW war und konnte er damit keine dem Eigentümer zustehenden Schadenersatzansprüche geltend machen.

Auf eine Verletzung des Besitzes an dem BMW konnte der Kläger seinen Anspruch auch nicht stützen. Bei Nichtfeststellbarkeit seines Eigentums könnte er Ansprüche hinsichtlich des Fahrzeugschadens nebst Sachverständigenkosten auf seinen Besitz nur stützen, wenn wegen der Fahrzeugbeschädigung ein entsprechender Haftungsschaden vorläge (der Anspruch, den der Besitzer wegen Beschädigung der Sache durch Dritte oder Unmöglichkeit der Rückgabe ausgesetzt wäre, BGH, Urteil vom 13.07.1076 – VI ZR 78/75; BGH, Urteil vom 29.01.2019 – VI ZR 481/17 -).

Auch habe das Landgericht zu Recht sein Urteil auch darauf gestützt, dass der Fahrzeugschaden nicht schlüssig dargelegt worden sei. Geltend gemacht sei ein Totalschaden, ohne dass die Vorschäden an dem Fahrzeug konkret dargelegt worden seien. Damit genügte sein Vortrag zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes, mit dem er sich nur auf die Ausführungen des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens bezog nicht, da sich dort nur Vorschäden im Bereich der Vordertüren ergäben (der unfallbedingte Schaden war ein Heckschaden). Die Darlegung des Wiederbeschaffungswertes sei auch bei abgrenzbaren Vorschäden im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO erforderlich (OLG Hamm, Beschluss vom 16.10.2019 – 31 U 115/19 -). Für die Schadensberechnung müsste bekannt sein, welchen Wert das Fahrzeug vor dem streitbefangenen Unfall (unter Berücksichtigung der Vorschäden) habe.

(Anm.: Die Berufung ist nachfolgend vom OLG Hamm mit Beschluss vom 06.07.2021 zurückgewiesen worden.)

OLG Hamm, Beschluss vom 26.05.2021 - 7 U 55/20 -

Samstag, 2. Oktober 2021

Grundstücksgeschäfte durch Prokuristen – Wirkungsbereich des § 49 Abs. 2 HGB

Die Beschwerdeführerin war eine als Testamentsvollstreckerin eingesetzte Aktiengesellschaft. Zu dem Nachlass gehörten auch Grundstücke. In einem notariellen Kaufvertrag über eines der Grundstücke bewilligten die gemeinsam vertretungsberechtigten Prokuristen der Beschwerdeführerin eine Auflassungsvormerkung für einen Käufer. In der Zwischenverfügung des Grundbuchamtes wies dieses darauf hin, dass die Prokuristen nicht zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken ermächtigt seien.

Die Zwischenverfügung war gem. § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO veranlasst, wenn Hindernisse bestanden. Das Beschwerdegericht (das Kammergericht -KG-) führte aus, es sei nicht in der erforderlichen Form (§§ 29 Abs. 1, 32 GB) nachgewiesen worden, dass die Erklärungen der Prokuristen gemäß den Regelungen der § 164 Abs. 1 BGB, § 49 Abs. 1 HGB für und gegen die Beschwerdeführerin wirken könnten. Die Bewilligung der Vormerkung nach § 19 GBO, § 885 Abs. 1 S. 1 S. 1 Alt 2 BGB sei von § 49 Abs. 2 HGB nicht erfasst. Die Vormerkung sei ein Sicherungsmittel eigener Art, die eine Belastung des Grundstücks darstelle. Den Prokuristen sei eine besondere Befugnis zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken nach § 49 Abs. 2 HGB (Immobilienklausel) nicht erteilt worden.

Bei der Beschränkung der Vertretungsmacht nach § 49 Abs. 2 HGB käme es nicht darauf an, ob der Kaufmann (hier die Aktengesellschaft) Eigentümer des Grundstücks sei. Die Beschränkung diene zwar dem Schutz des Kaufmanns in Ansehung der wirtschaftlichen Bedeutung von Grundstücksgeschäften. Dieser Schutzzweck treffe aber nicht nur eigene Grundstücke des Kaufmanns. Veräußere z.B. der Prokurist des Komplementärs ein Grundstück der Kommanditgesellschaft, könne dies auch wirtschaftliche Folgen für den Komplementär haben. Handele der Kaufmann als rechtsgeschäftlicher Vertreter eines Dritten oder – wie hier – infolge eines privaten Amtes (Testamentsvollstrecker), käme dem Grundstücksgeschäft infolge des Haftungsrisikos besondere Bedeutung zu. Aus einer Entscheidung des BGH vom 02.12.1991 - II ZB 13/91 -, ergangen zu einer Handelsregisteranmeldung durch einen Prokuristen folge nichts anderes.

Es bestünde auch kein praktisches Bedürfnis für eine teleologische Reduktion. Der Kaufmann könne den Prokuristen nach § 49 Abs. 2 HGB zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ermächtigen, dies evtl. eingeschränkt auf die der Testamentsvollstreckung unterliegenden Grundstücke, im Übrigen ihm eine besondere (Einzelfall-) Vollmacht erteilen.

KG, Beschluss vom 05.07.2021 - 1 W 26/21 -